Das alte Bauernhaus zwischen Mosel und Maas

Justinus Bendermacher

Der Titel »Das alte Bauernhaus zwischen Mosel und Maas« ist, was seinen geografischen Teil angeht, im Ausdruck nicht alltäglich, noch selbstverständlich. Ich hätte mich auch auf »Eifel und Ardennen« beziehen können, wäre damit aber in andere Bereiche gerückt. Diese Benennung bringt die landschaftlichen Zusammenhänge nach vorn; sie fördert das grenzüberschreitende Forschen und Denken im europäischen Raum.

Kulturgeografie

1926 erschien »Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den Rheinlanden, Geschichte, Sprache, Volkskunde« von Hermann Aubin, Theodor Frings und Josef Müller. Sie stellten die These auf, daß ein Wasserlauf die durchströmte Landschaft kulturell nicht trenne, sondern zusammenbinde, oder anders ausgedrückt, daß die Kulturdenkmale auf beiden Ufern die gleichen seien. Talraum und Kulturraum seien dekkungsgleich.

Sie fanden das Faktum, daß im Zeitpunkt der Neubesiedelung unserer Landschaft nach der Römer- und Völkerwanderungszeit die Talräume — anderwärts auch Talkammern genannt — sich in Population und Landwirtschaft einheitlich entwickelten, und daß sich die Besiedelung der Talräume in Haupt- und Seitenläufen der Gewässer stets und stetig talaufwärts vollzog. Der bergseitige Wald wurde gerodet.

Zur Ergänzung: Die Bevölkerungsdichte jener Zeit war dünn. Man brauchte nur den Wald zu roden, der Königsgut war, und der durch die Rodung in den Besitz der rodenden Gemeinschaft überging. Es liegt auf der Hand, daß die weniger hoch über NN liegenden Flächen der Landwirtschaft günstiger waren, als die höher gelegenen, so daß schließlich bergwärts ein unbesiedelter Streifen übrig blieb.

In der Veröffentlichung von Karl Haushofer »Grenzen«, Heidelberg 1939, findet das Talprinzip eine aus dem Gegenteil des Tales, dem Berg hervorgehende interessante Ergänzung. Haushofer verweist auf die Siedlungsfeindlichkeit der höheren Lagen mit ihren undurchdringlichen Wäldern und kommt zu dem Schluß, die Addition mehrerer Berge zu »Wasserscheiden« bedeute auch die Abgrenzung von Kulturräumen gegeneinander.

Dieses Talraum-Wasserscheiden-Prinzip hat bis vor kurzem unsere Landschaft beherrscht. Es ist auch heute noch an dem konkreten Siedlungsbild ablesbar, und an vielen anderen Kulturformen.

Der Verlauf der Wasserscheide zwischen Mosel und Maas auf dem Kamm der heute noch dicht bewaldeten Ardennen deckt sich mehr oder weniger mit der Staatsgrenze Luxemburg/Belgien, der germanisch-romanischen Sprachgrenze und der Grenze zwischen Breitgiebelhäusern und Fränkischen Häusern. Teilweise liegen diese Grenzen so dicht beieinander, daß sie in der Darstellung nur schwer grafisch zu trennen sind.

Das Talraum-Wasserscheiden-Prinzip ist nie angegriffen worden. Niemand hat Antithesen entwickelt. Im Gegenteil: alle Forscher gehen seitdem — ausgesprochen oder nicht — von der Richtigkeit des Prinzips für das Mitteleuropa nördlich und westlich der Alpen aus: Wilhelm Niessen, der die romanisch-germanische Sprachgrenze für verschiedene Zeitpunkte der Vergangenheit festschrieb, Franz Steinbach, der 1931 in seinem »Bauernhaus der westdeutschen Grenzlande« die analytische Hausforschungsmethode gegenüber der bis dahin geübten synthetischen einführte, Otto Klemm, dem es zur gleichen Zeit als erstem vergönnt war, in der Umgebung von Monschau die Berührung der Breitgiebelhäuser mit den fränkischen Typen in der Gestalt von Venntyp und Eifeltyp zu erkennen, meine Wenigkeit, die Otto Klemms Arbeit fortführen konnte und die Städtebauformen des Dorfes in das Licht der Öffentlichkeit rückte,

 

Bauernhaus Beus in Dreis.

Werner Habicht, der 1980 in seiner gleichnamigen Veröffentlichung »Dorf und Bauernhaus im deutschsprachigen Lothringen und im Saarland« beschrieb, bis zu Jürgen Wolfanger mit seinen »Bauernhausformen im Krummen Elsaß und seinen Randgebieten«, indem er uns neue Aufschlüsse über die Südgrenze des Trierer Hauses vermittelte.

 Kulturgeschichte

Damit keine Irrtümer aufkommen: Die alten Hausformen haben sich über die Zeiten hin nicht formkonstant verhalten, sie waren immer gewissen Innovationen unterworfen. — Aus der Forschung der Archäologen wissen wir, daß die Mehrheit der Bevölkerung noch kurz vor 1000 nach Chr. in eingetieften Hütten hauste. Wann und wie der Übergang zum eigentlichen Haus erfolgte, ist reichlich ungewiß. Wir kennen zwar aus ausgegrabenen Wüstungen des 13. Jhs. Hausgrundrisse, die denen unserer einraumtiefen Häuser ähnlich sind. Aber das Wenige, was wir da sehen, genügt nicht zum Beweis der Formkontinuität. Die Wissenschaftler halten sich von Spekulationen frei und lieber an das, was man heute sehen und greifen kann, d. h. an die bäuerlichen Bauten seit dem 16. Jh. Diese' Formen sind dann bis zum Ende des landschaftsgebundenen Bauens gleich geblieben, wenn man von den wenigen Innovationswellen absieht, die sich aber sozusagen unter unseren Augen abgespielt haben.

Kunstgeschichte und Wertbegriff

Jeder wissenschaftlichen Erkenntnis gehen Fragen voraus. So stößt der, der sich heute von der plötzlichen Wertschätzung alten bäuerlichen Bauens überrascht sieht, auf die Frage: Warum kümmert man sich erst jetzt um das alte Bauernhaus, wo es ja ohnehin fast zu spät ist? Die Antwort ist eine lange Geschichte: Backofen und Kölner Dom sind Kulturdenkmale, wenn auch in ihrem Wert so unterschiedlich wie ein jungsteinzeitliches Webgewicht gegenüber trojanischem Goldschmuck. Oder aufs Wesentliche komprimiert: das Häufige scheint weniger wertvoll als das Seltene, das Kleine weniger eindrucksvoll als das Große, das Farblos-Graue unauffälliger als das strahlend Glänzende, das Unbeachtete niederer als das von allgemeiner Verehrung Emporgehobene usw.

Das Einmalige, das Große, das strahlend Glänzende, das Emporgehobene fand das Interesse der Wissenschaft eher als die minderen Dinge, zu denen auch das Bauernhaus gehört. Intimität, Menschlichkeit, wenn Sie wollen, das Malerische einer alten verräucherten und verrußten Küche, die Romantik eines offenen Feuers usw. entlocken einem Mann der Wissenschaft allerhöchstens ein gütig-gequältes Lächeln. Kurz, der Kunstwissenschaft war und ist die Volkskunst nicht bedeutend genug, sie war eher elitär orientiert, und man fragt sich, was dominiert hier. Kunsterlebnis oder Attraktion? So blieb das Bauernhaus unbemerkt.

Die Bauernhausformen ...

. . . zwischen Mosel und Maas werden durch die Wasserscheide — also durch das stark bewaldete Gebiet der Hochardennen, das immer un-besiedelt war — in zwei Gruppen geteilt: Westlich der Wasserscheide finden sich die Breitgiebelhäuser, östlich die verschiedenen Fränkischen Häuser, wie einraumtiefes und Trierer Haus, die Gegenstand dieser Ausstellung sind.

Die Breitgiebelhäuser präsentieren sich vor allem im Ardennenhaus und im Lothringer Haus, letzteres in geschlossener Bauweise. Weiter südlich, bis zum Auslaufen des Französischen Jura stehen wieder Breitgiebelhäuser, die dem Ardennenhaus bis in die Einzelheiten gleichen. Wir erwähnen sie hier nur, um den größeren kulturräumlichen Zusammenhang zu verdeutlichen. Sie sind westlich und östlich von Fränkischen Häusern umgeben.

Das Ardennenhaus, von dem wir noch vereinzelte Exemplare bei der Erfassung des Hausgutes im Kreis Daun fanden, zeichnet sich durch ein flach geneigtes Dach aus und durch die Anordnung der Wohnräume hinter dem auffällig breiten Giebel in die Tiefe des Hauses. Außerhalb Lothringens stehen die Breitgiebelhäuser frei, so daß die Wohnräume hinreichend belichtet und belüftet sind. Belichtung und Belüftung entfallen natürlich bei geschlossener Bebauung. Man spricht demzufolge beim Lothringer Haus u. a. von einer »Schwarzen Küche«.

Das Auftreten einzelner Ardennenhäuser in Luxemburg und in grenznahen Landschaften der Bundesrepublik ist — mit aller Vorsicht und Zurückhaltung sei es ausgesprochen — möglicherweise auf das Faktum der Österreichischen Niederlande zurückzuführen, die weit in unsere Landschaft hineinragten, und in ihrem gebirgigen Teil von Breitgiebelhäusern bestanden waren. Bekanntlich lösten sich diese österreichischen Gebiete im Anfang des vorigen Jahrhunderts auf, so daß sich die Fränkischen Häuser unbehindert nach Westen bis zur Wasserscheide ausbreiten konnten. Wenn diese These, die in historischer Koppelung auch dem Wasserscheidenprinzip entspricht, noch nicht beweisbar ist, so dürfte sie doch die Forschung anregen.

Das Fränkische Bauernhaus

Das allen Fränkischen Bauernhäusern gemeinsame Hausmerkmal ist der Wirtschaftshof, seine Art und seine Lage zum Haus. Der Hof liegt ausnahmslos vor der Traufseite, bzw. den Traufseiten, in denen sich die Öffnungen befinden. An sich logisch. So entstehen in engen, aber nicht geschlossenen Giebelzeilen direkt unpraktische, schmale Hof räume, die sich in die Tiefe des Grundstücks entwickeln. Auch bei Winkelbauten, bei Drei- und Vierseitgehöften wird das Prinzip beibehalten. So kommt es z. B., daß in Dörfern mit geschlossenen aneinandergebauten Vierseitgehöften die Straßenwände keine Haustüren aufweisen. Die Küche wird nur vom — innen liegenden — Hof her betreten. Bei Münstereifel gibt es etwa ein Dutzend Dörfer mit diesem Haus- bzw. Gruppierungsmerkmal.

Das Einraumtiefe Haus

hat seinen Namen daher, daß zwischen den beiden Traufwänden keine zu ihnen parallele Zwischenwände sind. Die Räume des Hauses gehen also von Außenwand zu Außenwand. Die Unterteilung des Hauses in Einzelräume erfolgt durch Wände, die zu den Giebeln parallel sind. Die Küche, durch die man das Haus betritt, liegt in der Mitte des Wohnteils, sie enthält die Feuerstelle und den Backofen, nicht selten einen Brunnen und die Treppe, die in Obergeschoß und Keller führt. Nur die immer zur Straße gelegene Stube ist unterkellert, sie wird vermittels der bekannten Takenplatte vom Küchenfeuer erwärmt. Auf der anderen Seite der Küche liegt ein Kammergefach, dem Stall, Scheune (Tenne) und Bansen, evtl. ein zweiter Stall folgen. Im Obergeschoß, das immer in Fachwerk ausgeführt ist, ergeben sich die Raumnutzungen sinngemäß aus dem Erdgeschoßgrundriß. Alles unter einem Dach.

Das Trierer Haus

Das Einraumtiefe und das Trierer Haus sind Quereinhäuser, ein Wort, das Sie noch kaum gehört haben werden. Es sagt aus, daß in Häusern dieser Art Wohn- und Wirtschaftsteil der Länge nach aneinander gebaut, unter einem durchlaufenden Dach errichtet und quer, — d. h. von der langen Traufseite her — erschlossen sind. Die Bedeutung des Hofraums kommt bei ihnen demgemäß besonders deutlich zum Ausdruck.

Viele Forscher vermuten, daß das Trierer Haus, dem in anderen deutschen Hauslandschaften ähnliche zweiraumtiefe Typen entsprechen, seinen zweiten Raum in der Tiefe durch einfache Hinzufügung an den einraumtiefen Grundriß, der ja früher unsere ganze Gegend beherrschte, erhalten hat. Zu beweisen ist das nicht, aber es liegt als Erklärung zunächst. Oft hört man auch, die positive Entwicklung der Landwirtschaft — erst im 18. Jh. werden Kartoffel und Klee eingeführt — habe eine Erweiterung des Grundrisses bewirkt. Den Formentwicklungen hinterher — ohne Quellen — Zweckmäßigkeitsüberlegungen zu unterschieben, ist windig. Es ist durch nichts bewiesen, was damals als zweckmäßig empfunden wurde, und ob überhaupt bei der Formänderung der Zweck vor der Form rangierte.

Vor 1800 finden wir keine Trierer Häuser, weder im Kreis Daun noch anderswo, im 19. Jh. hingegen werden keine Einraumtiefen mehr gebaut. Klassizistische Formelemente wirken zum Zustandekommen der Gesamterscheinung des Trierer Hauses mit, also Aufteilung der Hoffassade nach Achsen, Umrahmung der Öffnungen mit profilierten Werksteingewanden, massive, verputzte Außenwände und ausgebildete Gesimse. Zwar sind immer und überall Formen aus der Hohen Kunst in die Volkskunst abgesunken, aber hier besonders deutlich und schneller als sonst üblich. — Um 1770 wendet sich der moderne und der französischen Aufklärung zugeneigte Trierer Kurfürst vom Rokoko ab und dem Klassizismus — der Architektur der Aufklärung — zu, wie die Entstehungsgeschichte des Koblenzer Schlosses — des ersten klassizistischen Bauwerkes der Trierer Region — beweist. Diesem Bau folgen andere gleichen Stils, und der bauende Bauer folgt nach. Die selbe Entwicklung gilt auch für Luxemburg. Die Französische Revolution wirkt in gleicher Richtung, sie läßt den Klassizismus vor allem in den Bürgerhausbau der Städte einfließen. Letztendlich bringen die Preußen den baltisch-russischen Klassizismus über ihren Staatshochbau — Leitfigur Schinkel! — durch Regierungs- und Schulbauten in unsere Heimat. Vorbilder noch und noch!

Die Formeigenarten des Trierer Hauses sind zwar auf diese Weise leicht erklärbar, schwieriger wird es, wenn man die Grenzen seiner regionalen Verbreitung deuten soll. Im Norden und im Westen ist es einfach: Die Wasserscheide und die hinter ihr beginnenden Breitgiebelhäuser, die vom Klassizismus unberührt blieben, leisten der Innovation erfolgreichen Widerstand, im Osten ist es nicht so leicht. Wenn wir im Norden auf der Eifelwasserscheide, dem Zitterwald, anfangen, sehen wir, daß die Einzugsgebiete von Our, Kyll, Salm und Lieser von Trierer Häusern beherrscht sind, daß jedoch schon bei Ahr und Alf sich die Innovation nicht durchgesetzt hat. Südlich der Mosel und östlich der Saar mögen territoriale Verhältnisse die Verbreitung bestimmt haben.

Das Eifeler Kniestockhaus

Eine nette Beschäftigung für die langen Winterabende — die ja in der Eifel besonders früh hereinbrechen — ist die Diskussion darüber, ob die Hausformen und -typen »Breitgiebelhaus«, »Ardennenhaus«, »Einraumtiefes Haus« und »Trierer Haus« auch wirklich richtig benannt sind. Die Hausforscher tun das schon seit längerer Zeit, wenn das auch fast ihre einzige Bemühung um das Hausgut zwischen Mosel und Maas ist.

Nun sehe ich mich genötigt, diesen Typen einen weiteren beizufügen: das »Eifeler Kniestockhaus« . Es ist ein Trierer Haus, dem das Obergeschoß fehlt, oder genauer, bei dem das Obergeschoß durch einen mehr oder weniger fensterlosen Kniestock ersetzt ist. Es ist ein Haus der Kleinen Leute, das zwischen 1840 und dem Ersten Weltkrieg gebaut wird und einen völlig anderen Eindruck macht. Da ist eine sozial andere Schicht am Werk als die Bauern. Es gibt diese Häuser nicht nur in der Eifel, auch in anderen deutschen Landschaften habe ich Haustypen gefunden, die den gleichen gesellschaftlichen Verhältnissen gleichzeitig entsprechen, wenn auch mit anderen Formmerkmalen. Weder die Konservatoren noch die Hausforscher haben dieses Phänomen bisher bemerkt.

Städtebauformen des Dorfes

Wer sich an der Lebendigkeit der alten Häuser im Dorf freuen kann, wird kaum an ihren Städtebauformen vorbeigehen, also daran, wie die Häuser zueinander, zum Verkehrsraum und in ihrem Grundstück stehen. Nicht eben selten macht die Gruppierung der Häuser ihren Reiz und ihre Schönheit aus.

Der Raum, den die Häuser in der Dorfmitte bilden und durch die Art ihrer Stellung charakteristisch machen, gibt den Rahmen für die zwischenmenschlichen Beziehungen im Dorf. Vor diesem Landratsamt (Daun) ist eine Gruppe tratschender Frauen dargestellt— wie aus dem Dorf herausgegriffen und hier wieder aufgestellt. Sie mögen bestes Beispiel dafür sein, wie unvollkommen-menschlich es im Dorf und noch etwas darüber hinaus zugeht. Menschlichkeit ohne Unvollkommenheit wäre unreal. Wie überhaupt allerlei durch Perfektionierung ruiniert wird.

Städtebauformen des Dorfes wiederholen sich und sind meist mit bestimmten Hausformen gekoppelt. Sie sind Kulturdenkmale im Sinne des Gesetzes und dort unter dem Lehnwort »Ensemble« zu finden. In der Sprache der Juristen »Denkmalzone«. Blumenkübel, Springbrunnen und Gartenbänke sind keine Formen, sondern nur Requisiten einer von Halbgebildeten in das Dorf gebrachten Pseudo-Urbanität. Beispiele: Die einraumtiefen Formen der Fränkischen Hausgruppe und die ihnen verwandten Kleingehöftformen stehen immer mit dem Wohnhausgiebel, hinter dem die Stube liegt, auf der Straßenbegrenzungslinie. Die Trierer Häuser jedoch mit der Traufseite parallel zur Straße, aber so weit zurückgerückt, daß sich noch ein ausreichender Hofraum zwischen Haus und Straße entwickelt.

Auf dem Maifeld gibt es Dörfer, die aus Giebelzeilen mit Einraumtiefen Häusern bestehen. Sie wirken nicht langweilig, weil im Einzelhaus und in seiner Stellung zahlreiche kleine Unregelmäßigkeiten das Straßenbild individuell und lebendig machen.

Das Trierer Haus wurde oft als Doppelhaus ausgeführt. Durch das Aneinanderbauen von zwei Giebeln entstanden Traufzeilen von 30 bis 40 Meter Länge. Wir nennen diese Städtebauform »Trierer Zeile«. Sie liegt zwar in der Regel mit der Traufseite Straßenparallel, jedoch kommt sie auch ungeordnet vor, je nach dem, ob das Dorf auf eine Straße hin oder straßenlos konzipiert worden ist. Im letzten Fall spricht man auch von einem Haufendorf.

Es wäre noch eine Reihe von Gruppierungsmerkmalen anzuführen, aber das ginge hier zu weit. Vielleicht fällt Ihnen selber auch mal etwas derartiges auf. In meinem letzten Buch »Dorfformen in Rheinland-Pfalz«, Köln 1981, finden Sie auf den Seiten 144 bis 148 eine ganze Menge.

 Soweit die Ausführungen zu Kulturgeografie, Kulturgeschichte und Hausforschung, also die Aussagen zu der in dieser Ausstellung gezeigten Materie. Es bleibt jedoch das Bedürfnis, das, was wir hier hören und sehen, durch die Erwägung kulturpolitischer Wünsche zu ergänzen. Diesem Begehren kommt die hier aufgebaute prächtige Ausstellung von Bildern alter Bauernhäuser aus dem KreisBitburg entgegen. Die Luxemburger haben auch eine Ausstellung dieser Art auf die Beine gestellt. Beide konnten, da von der Sache her nachbarlich verwandt, vereinigt in Bitburg sowohl wie auch in Trier gezeigt werden. Schließlich waren die auf den Kreis Bitburg bezogenen Bilder auch noch in Wittlich, zusammen mit Material aus diesem Nachbarkreis, zu sehen. Und heute hier, mit Dauner Material.

So schön kann man alte Häuser erhalten. Hier ein Gehöft in Michelbach, von einem Städter erworben und mit viel Gespür für Wertvolles restauriert. Das äußere Bild wurde neu herausgearbeitet, innen ist das Haus ganz modernisiert.

Überall wurde das Denkmalbewußtsein in Bezug auf das bäuerliche Kulturgut gestärkt, in manchem Fall überhaupt erst geweckt. Sie wissen alle, daß wir seit vier Jahren in Rheinland-Pfalz ein Denkmalschutzgesetz haben und daß damit die Landräte als untere Denkmalschutzbehörden eingesetzt sind. Die Forderung des Gesetzes, die Kulturdenkmale unter Schutz zu stellen, setzt deren Kenntnis voraus. Im Kreise Daun wurde die implizierte Forderung, sich kundig zu machen, ernstgenommen. Man arbeitet seit dem Inkrafttreten des Denkmalgesetzes an dem Denkmalbuch, das die Kulturdenkmale festschreibt, die sowohl das öffentliche Interesse wie auch die private Rücksichtnahme genießen bzw. genießen sollen.

Jedes Gesetz bedarf aber der inneren Anteilnahme der Bevölkerung, sonst wird nicht viel daraus. Den Einzelnen zu motivieren, gehört — über die Verwaltungsbelange hinweg — zu den Aufgaben des demokratisierten Denkmalschutzes. M. a. W., es muß jedem Herzenssache werden, die Zeugnisse der Vergangenheit hoch zu halten. Das fällt um so leichter, wo wir es mit wirklich schönen und lebendigen Zeugen echter Menschlichkeit zu tun haben. Die Ausstellung, die ausschließlich auf die Initiative von Frau Niewodniczanska aus Bitburg zurückzuführen ist, macht diese reiche Schönheit offenbar und handgreiflich.

Wir dürfen hoffen, daß im Anschauen dieser »Architektur ohne Architekten« die Emotionen geweckt und vertieft werden, die unser heutiges modernes Leben im Dorf durch Schutz und Pflege der alten Bauwerke wieder lebendig und menschlich machen mögen!

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