Zwischen Venn und Maaren

Zum fünfzigsten Todestag des Eifelmalers Fritz von Wille

Dr. Dr. Otto Baur, Stadtkyll

 

Am 16. Februar 1991 jährt sich zum fünfzigsten Mal der Todestag des Eifelmalers Fritz von Wille.

Wie Alfred Kirfel, einer seiner Biographen, berichtet, war der achtzigjährige Künstler an jenem Wintertage des 16. Februar 1941 in seinem Düsseldorfer Heim mit dem Malen eines Gemäldes vom Weinfelder Maar, einem seiner Lieblingsmotive, beschäftigt, als ihn der Tod ereilte. Fünf Tage später, am 21. Februar 1941, wurde der Leichnam des Künstlers von Düsseldorf nach Kerpen bei Hillesheim, dem Eifelwohnsitz des Künstlers, überführt, wo unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Beisetzung in einer schon viele Jahre zuvor von Fritz von Wille selbst errichteten Gruft auf dem Burgberg oberhalb von Burg Kerpen stattfand.

Oben Hillesheim, unten Gerolstein

Burg Kerpen

Fritz von Wille wurde am 21. April 1860 als Sohn des Hofmalers August von Wille und dessen Ehefrau Klara Maria Alexandra von Böttcher, gleichfalls eine ausgebildete Kunstmalerin, zu Weimar geboren. Taufpaten waren bedeutende Persönlichkeiten der Weimarer Gesellschaft, darunter der Komponist und Klaviervirtuose Franz Liszt. August von Wille war 1847 an die königlich-preussische Kunstakademie nach Düsseldorf gekommen, um in der berühmten Landschaftsklasse Johann Wilhelm Schirmers seine künstlerische Ausbildung zu vollenden.

1859 hatte er geheiratet und den Ruf als Hofmaler an den großherzoglichen Hof zu Weimar angenommen. Nach der Geburt eines weiteren Sohnes kehrte die Familie von Wille wieder nach Düsseldorf zurück, wo August von Wille ein ebenso angesehener wie wohlhabender Künstler wurde.

Fritz von Wille hat seinen Berufswunsch, wie der Vater Maler zu werden, konsequent in die Tat umgesetzt. Von 1879 bis 1882 besuchte er die Zeichenklasse der Düsseldorfer Kunstakademie. Danach hat er seine Ausbildung, wie es heißt, autodidaktisch fortgesetzt. Er unternahm zahlreiche Kunstreisen, die durch dabei entstandene Werke dokumentiert sind. Zweimal reiste er nach Italien. Auf der zweiten, im Herbst 1891 unternommenen Italienreise, begleitete ihn als kunstbegeisterter Freund und Malschüler der Neuwieder Tabakfabrikant Otto Schneider. Im darauffolgenden Jahr heiratete Fritz von Wille zu Neuwied die kaum zwanzig Jahre alte Tochter des Fabrikanten, Marie Auguste Schneider. Das junge Paar nahm in Düsseldorf Wohnung.

Vermutlich ist Fritz von Wille erstmals im April 1886 von Neuwied aus durch das Nettetal in die Eifel und zwar in die Gegend um Mayen gekommen. Von Düsseldorf wandte sich der Künstler erneut der Eifellandschaft zu. Diesmal nahm er den Weg durch die Nordeifel und gelangte zunächst bis nach Reifferscheid. Ein erstes Bild "Burg Reifferscheid" ist für das Jahr 1893 nachgewiesen.

Allem Anschein nach hat ihm dieser romantische Burgort besonders zugesagt. Reifferscheid erschien ihm als idealer Standort, um sich die Eifel zu erschließen. Von Sommer 1900 an nahm die Familie von Wille dort regelmäßig Wohnung im Hause "Friedrichsruh".

Fritz von Wille wanderte von Reifferscheid aus nicht nur in die nähere Umgebung des Ortes, sondern auch ins Schleidener Tal, ins Hohe Venn, in die Gegend um Monschau bis hin nach Nideggen. Aber bald führte ihn sein Weg auch in südliche Richtung bis tief in die Vulkaneifel, in die Umgebung von Daun und Mander-scheid. Dabei ist es zwischen 1906 und 1908 auch zu Aufenthalten auf Burg Dalbenden bei Urft gekommen. Für den Künstler bot sich bei dieser Gelegenheit der Gang durch die Landschaft um Blankenheim, das Ahrtal und die Nürburg an.

Im Frühjahr 1908 bezog die Familie von Wille den Frauenhof zu Reifferscheid, ehemals als Witwensitz der Gräfinnen von Reifferscheid vorgesehen. Sie verbrachte dort viele Monate des Jahres. Die Kinder wurden von einer privaten Lehrperson unterrichtet.

Um die Eifellandschaft im Schnee zu studieren, ist der Künstler auch mehrfach im Winter nach Reifferscheid gekommen. So sind in den Jahren seiner Reifferscheider Aufenthalte eine große Anzahl der Ansichten von Reifferscheid und seiner Umgebung entstanden, die diese Landschaft im Wechsel der Jahreszeiten festhalten. Schon vorder Jahrhundertwende hatten Eifel-bilder Fritz von Willes erste internationale Anerkennung gefunden. Danach häuften sich die Auszeichnungen, so auf Ausstellungen in London, Berlin, München, Salzburg und Wien. Zur gleichen Zeit wurden Werke von ihm von großen deutschen Museen erworben, vom Wallraf-Richartz-Museum zu Köln, vom Kaiser-Wilhelm-Museum zu Krefeld, vom Leopold-Hoesch-Museum zu Düren, von der Nationalgalerie zu Berlin und vom Kunstmuseum zu Düsseldorf. Geradezu spektakulär und für das Bekanntwerden des Künstlers besonders wichtig war der Ankauf des Gemäldes "Die blaue Blume", eine Ansicht vom Weinfelder Maar, durch Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1908.

Schon sehr früh hatte sich die Landschaft der Vulkaneifel mit den erloschenen Vulkanen, den Kraterseen und Maaren, als besonders anziehend auf den Künstler erwiesen, sodaß es durchaus logisch erschien, hier einen neuen künstlerischen Standort zu suchen. Im Frühjahr 1911 konnte Fritz von Wille Burg Kerpen bei Hillesheim erwerben. Unmittelbar darauf zog die Familie von Reifferscheid dorthin um. Im Jahre 1910 hatte Kaiser Wilhelm II. den Künstler zum Professor ernannt. Beim Kaiserbesuch im Herbst 1911 zu Daun wurde er dem Kaiser persönlich vorgestellt und von diesem mit dem Roten Adlerorden IV. Klasse, einem hohen preußischen Orden, ausgezeichnet.

Die blaue Blume (Studie)

Von einigen seiner Bilder waren Farbdrucke erschienen, so auch von dem Gemälde "Die blaue Blume". Am Vorabend des Weltkriegsbeginns 1914 erschien ein von Karl Freiherr von Perfall herausgegebener Bildband mit dem Titel  "Die Eitel im Wechsel der Jahreszeiten - mit zwanzig farbigen Reproduktionen nach den bedeutendsten Gemälden Fritz von Willes." Damit war der Weg für ein breites Bekanntwerden der Eifelansichten des Künstlers geebnet. Er hatte, wie wir heute rückschauend feststellen können, den Höhepunkt seines Schaffens erreicht.

In der Tat hat der Ausgang des Ersten Weltkrieges mit seinen wirtschaftlichen Folgen auch für das künstlerische Wirken Fritz von Willes einschneidende Konsequenzen gebracht. In der Eifel hatte niemand mehr Geld zum Ankauf von Gemälden. Zudem waren viele der früheren Gönner, an der Spitze Kaiser Wilhelm II., nicht mehr in ihren Ämtern. Eine Sonderausgabe des Erzählungsbandes der Dichterin Clara Viebig betitelt "Kinder der Eifel" mit sieben Zeichnungen Fritz von Willes sollte den Künstler wieder in Erinnerung bringen.

Oben Burgruine Reifferscheid; unten Landschaft bei Reifferscheid

Oben Eifeldorfbei Schieiden; unten der tote Berg (Mosenberg)

Schon vor dem Kriege, wohl verbunden mit dem Auftrage für das Wittlicher Kreishaus, hatte er den Weg an die Mosel gefunden, den er nun häufiger suchen sollte. Man hat geglaubt, hierbei auch einen Wandel in seiner Kunstauffassung feststellen zu können.

Nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus im Januar 1933 hat Fritz von Wille neue Hoffnungen für sein künstlerisches Schaffen geschöpft.

Es erschienen in schneller Folge neue Bildbände mit Reproduktionen nach seinen Gemälden. Zunächst war es der von dem Monschauer Schriftsteller Ludwig Mathar mit einem Begleittext versehene Band: "Mit Pinsel und Palette von den Eifelbergen ins Moseltal" und danach, von Peter Kremer herausgegeben, das Bändchen "Einkehr zur Freude", beide im Georg Fischer-Verlag, Wittlich erschienen. Die Abbildungen des letzteren gab es auch als Kunstpostkarten. Beiden Bildbänden ist gemeinsam, daß die Mehrzahl der Reproduktionen von Werken aus der früheren Schaffensperiode stammen.

Anders verhält es sich mit dem 1937 vom Landrat und Kreisleiter des Kreises Ahrweiler herausgegebenen Bildband, betitelt "Land des Ahr-Burgunder". Es sind, wie deutlich erkennbar, Werke jüngsten Datums, die allerdings neben ihrer Zeitgebundenheit auch ein Nachlassen der künstlerischen Qualität im Schaffen des alternden Künstlers offenbaren. Wie nicht anders zu erwarten, ist das nicht ohne Einfluss auf die künstlerische Beurteilung des Gesamtschaffens geblieben. Möglicherweise war es mit ein Grund, den Künstler bei der im Jahre 1979 vom Düsseldorfer Kunstmuseum veranstalteten Gesamtschau der Düsseldorfer Malerschule zu übergehen. Andererseits kann die Bedeutung Fritz von Willes für die Eifel selbst gar nicht hoch genug eingestuft werden.

Bei der Bewertung des Wirkens von Fritz von Wille in der Eifel zeichnen sich daher zwei Wege ab.

Die kunsthistorische Würdigung kann sich im wesentlichen aufsein Schaffen bis etwa um die Zeit des Ersten Weltkrieges beschränken, während die Würdigung seiner Tätigkeit für die Eifel, insbesondere auch für das Selbstwertgefühl der hier lebenden Menschen, weit darüber hinaus greift und auch heute noch nicht frei von emotional geprägten Einschätzungen sein kann. Als Fritz von Wille in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts seine ersten Schritte in die Eifel tat, befand sich diese in desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen. Es herrschte Hungersnot. Viele junge Eifler suchten ihr Glück in den Großstädten an Rhein und Ruhr oder den Bergwerken Elsass-Lothringens. Die preussische Beamtenschaft bezeichnete die Eifel als "rheinisches Sibirien". Die Gründung des Eifelvereins im Jahre 1888 sollte zur Besserung der wirtschaftlichen Situation dieser Region mithelfen. In der Tat setzte auch eine langsame Erholung ein. Ein Grund dafür wardie im Jahre 1875 eröffnete durchgehende Bahnlinie Köln-Trier durch die Eifel. In den folgenden Jahren wurden dann eine größere Anzahl von Nebenstrecken eingerichtet, die die Eifel vom Rhein im Osten bis zur belgisch-luxemburgischen Grenze im Westen mit einem dichten Eisenbahnnetz überzogen. Die letzten Teilstrecken waren erst kurz vor Beginn des Weltkrieges fertiggestellt. Dabei stellte sich heraus, daß sie Teil eines großen preußischen militärischen Aufmarschplanes gegen Frankreich waren. Allerdings haben diese Bahnlinie erheblich zur touristischen Erschließung der Eifel beigetragen.

Fritz von Wille sah sich in der Eifel in seinem Lebensgefühl, der Sehnsucht nach Burgenromantik und unberührter Natur bestärkt. Er kam immer wieder hierher, er brachte seine Familie mit. Die Eifelaufenthalte dehnten sich aus. Der Künstler von Wille lebte in der Eifel, er erlebte sie, beobachtete den Wechsel der Stimmungen dieser Landschaft im Tagesablauf und im Wechsel der Jahreszeiten. Er hatte die Fähigkeiten, das Geschaute in präzisen Studien festzuhalten. Das verschaffte ihm eine Vertrautheit mit dieser Landschaft, die ihn befähigte, an Hand der Studien nachher im Atelier jene großen Eifelgemälde entstehen zu lassen, die ein hohes Maß an Allgemeingültigkeit ausstrahlten. "Das ist die typische Eifel", sollte der Betrachter dieser Bilder sagen. So haben schon unsere Vorfahren diese Werke bestaunt. Ohne Zweifel hat der Ankauf eines seiner Werke durch Kaiser Wilhelm II. erheblich zur Steigerung des Ansehens des Künstlers in der Eifel-bevölkerung beigetragen. Als Kunstdrucke nach seinen Gemälden, besonders auch nach dem Kaiserbild, erschienen, hat man diese als Wandschmuck erworben und teilweise wie ein Kleinod behütet.

Auf dem Hohen Venn

Es war daher verständlich, daß man diesem Künstler zu einem angemessenen Wohnsitz in der Eifel verhelfen wollte. Das gelang dem damaligen Landrat des Kreises Daun, O. Weismüller, der ihm den Ankauf von Burg Kerpen vermittelte. Zur Finanzierung trugen zwei bedeutende öffentliche Aufträge bei; je sieben große Gemälde für den Sitzungssaal des neuen Kreishauses zu Daun und denjenigen d'es Kreises Wittlich. Für den Kreis Daun war das eine außergewöhnliche Ausgabe, die über eine große, die Grenzen des Kreises überschreitende Spendenaktion realisiert werden konnte. Das unterstreicht die Bedeutung, die dem Schaffen Fritz von Willes in der Bevölkerung beigemessen wurde, sodaß Landrat Weismüller gewiß nicht ohne Stolz im Eifelvereinsblatt des Jahres 1911 über "Die beiden Eifelheime des Malers Fritz von Wille im Kreise Daun" berichten konnte.

Der Künstler ist schon gleich nach dem Erwerb von Burg Kerpen mit seiner Familie von Reiffer-scheid nach Kerpen umgezogen, obwohl noch erhebliche Reparaturarbeiten anstanden. Für Fritz von Wille war ein Traum in Erfüllung gegangen; er war Herr auf einer mittelalterlichen Burg geworden, von deren Höhe herab er nun über Dorf und Flur schauen konnte. Vielleicht sind die folgenden Jahre bis zum Kriegsbeginn die glücklichsten seines Schaffens überhaupt gewesen. Die Eifler betrachteten ihn als einen der ihrigen, der Kunde von der Schönheit ihrer Landschaft in die weite Welt trug, dessen Gemälde "Die blaue Blume" seine kaiserliche Majestät für würdig befunden hatte, die Wände seines Jagdschlosses im fernen Cadinen zu zieren. Es ist sehr interessant zu verfolgen, wie sich diese Zuneigung zu dem in Kerpen lebenden Künstler auch nach dem katastrophalen Kriegsausgang mit der Abdankung des Kaisers fortgesetzt hat. Gerade unter der älteren Generation gab es eine nicht geringe Anzahl Kaisertreuer, die die Abschiebung des Kaisers in das holländische Exil nach Haus Dorn als Schande betrachteten.

links Kasselburg;

rechts Munterley bei Gerolstein

Daun im Schnee

Rechte Seite: Weinfelder Maar (Totenmaar)

Möglicherweise hat das Gerücht, der Kaiser habe das Gemälde "Die blaue Blume" mit in sein holländisches Asyl genommen, hier seine Wurzeln. Vielleicht erklärt es aber auch die Hartnäckigkeit, mit der Besitzer der zahlreichen Wiederholungen dieses Gemäldes, die Fritz von Wille gemalt hat, immer wieder ihre Behauptung untermauern, das in ihrem Besitz befindliche Exemplar sei identisch mit jenem Kaiserbild.

Ein weiteres Moment, welches zu dem außergewöhnlichen Ansehen des Künstlers in der Eifelbevölkerung beigetragen hat, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit in dem romantischen Stimmungsgehalt seiner Gemälde. Die "großartige Einsamkeit" (Dehio), die diese Landschaft ausstrahlt, findet in den Werken Fritz von Wil-les eine adäquate Darstellung. Wenn die Dichterin Clara Viebig in ihrem Aufsatz über diese Bilder schrieb: "welche Fülle in dieser Armut, welche Pracht in dieser Bescheidenheit, welche Poesie in dieser'Oede:", sahen sich die Eitler in ihrem Selbstwertgefühl bestärkt.

Ohne Zweifel gehört Fritz von Wille mit seiner Kunst zur Düsseldorfer Landschaftsmalerei, die in ihrem Wesen auf dem Schaffen von Carl Friedrich Lessing (1808 - 1880) und Johann Wilhelm Schirmer (1807 -1863) begründet ist. Irene Markowitz bezeichnet Fritz von Wille in dem von ihr bearbeiteten Bestandskatalog der Düsseldorfer Malerschule als "Dücker-Schüler". Eugene Gustav Dücker war 1872 als Nachfolger von Oswald Achenbach mit der Leitung der Landschaftsklasse der Düsseldorfer Akademie betraut worden. Hier hat er über einen Zeitraum von 45 Jahren maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der Düsseldorfer Landschaftsmalerei genommen, und zur Überwindung der spätromantischen Tradition aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beigetragen. Allerdings waren von den etwa 150 Schülern, die noch von Wilhelm Schirmer ausgebildet worden waren, eine Reihe in Düsseldorf tätig. Viele von ihnen hatten selbst wieder Schüler, sodaß sich gerade in Düsseldorf eine rege Lehrtätigkeit außerhalb der Akademie entwickelte, wie das Beispiel des Schirmer-Schülers Andreas Achenbach (1815-1910) verdeutlicht.

Auf die charakteristischen Stilelemente der Düsseldorfer Landschaftsmalerei auch im Werk Fritz von Willes ist an anderer Stelle schon ausführlich eingegangen worden. Hier soll versucht werden, einige andere Charakteristika dieses Werkes herauszustellen, die dem Interessenten nicht nur den Zugang, sondern auch eine Übersicht erleichtern.

Von Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit an hat sich Fritz von Wille bemüht, ineiner Vielzahl von vor der Natur gemalten Studien seine Eindrücke festzuhalten. Es sind sowohl landschaftliche Detailstudien wie Landschaftsausschnitte. Immer sehen wir dabei eine Kardinalforderung erfüllt, die schon Wilhelm Schirmer seinen Schülern gestellt hatte, nämlich Korrektheit im Detail, Exaktheit in der Zeichnung und ein charakteristische; Kolorit. Neben der topographischen Genauigkeit sollte die atmosphärische Stimmung festgehalten werden. Das gelingt Fritz von Wille in geradezu unnachahmlicher Weise. Seine Landschaftsbilder sind Stimmungsgemälde der Eitel. Schon die Studien erweisen sich im Grunde als voll gültige Gemälde, die ihre Eigenständigkeit auch dann behaupten, wenn man sie neben den danach ausgeführten größeren Werken sieht. Hierbei zeigt sich nämlich, daß der Künstler alle wesentlichen Bestandteile der Studie, die Details ebenso wie die Stimmung in das größere Format übernimmt, wobei es, wenn überhaupt, nur zu einer dem Format entsprechenden Präzisierung kommt. Änderungen betreffen vielmehr die Komposition, die dazu dienen, die Aussagekraft gegenüber der Studie zu steigern und zu verdichten, um dem Gemälde über die lokale Aussage hinaus Allgemeingültigkeit zu verleihen.

Das sei an zwei Beispielen erläutert, von denen wir sowohl die Studien als auch die ausgeführten Gemälde kennen. Es sind das im Besitz des Kreismuseums Blankenheim befindliche Gemälde "Auf einsamer Höhe, Burg Reifferscheid" und das berühmte Kaiserbild "Die blaue Blume".

Auf der am 15.8.1900 entstandenen Studie zu dem bekannten Bild von Reifferscheid ist der Mauerdurchbruch in der Burgmauer links neben dem Bergfried schmal, wohl eben für eine kleine Pforte Platz lassend. Dadurch ist der Blick in die Landschaft dahinter weitgehend eingeschränkt. Die Landschaft ist auch nur angedeutet. Auf der großen Fassung ist dieser Mauerdurchbruch erheblich verbreitert. Der am linken Bildrand verbleibende Mauerrest ist zudem in seiner Höhe gemindert, sodaß nun der Blick in eine weite Eifellandschaft freigegeben wird. Ihre Bedeutung ist auch durch eine zusätzliche Anhebung des Horizontes unterstrichen. Durch diese, im Grunde genommen geringfügige Änderung gegenüber der Studie, wird das Bild im Sinne des für die Düsseldorfer Malerschule charakteristischen Auslugsmotives umgeformt, was noch durch die im Bildvordergrund lagernde männliche Rückenfigur, die in die Landschaft schaut, unterstrichen wird.

Ihr Blick wird durch einen in seinem Verlauf weit hin zu verfolgenden Weg in diese hineingeführt. Aus der engen Sicht des Bergfrieds ist nun der Blick von "einsamer Höhe" in eine sich weit dahinstreckende Eifellandschaft geworden. Obwohl sich im Detail an der Darstellung des Bergfrieds nichts verändert, hat er seine bildbeherrschende Dominanz eingebüßt. Er bezeichnet den Ausgangspunkt, von dem der Blick in die Landschaft genommen wird.

Studie und Gemälde sind im gleichen Jahr entstanden. Einige Jahre später ist der Künstler in der Handhabung kompositorischer Mittel so souverän geworden, daß es unterstützender Hilfsmittel nicht mehr bedarf.

Beim Vergleich der Studie zum Kaiserbild, die am 12. 7. 1906 entstanden ist, mit dem 1908 vom Kaiser erworbenen Gemälde, möchte man bei flüchtigem Hinschauen sogar fragen, wo denn überhaupt Unterschiede bestünden.

Auf der Studie führt eine baumbestandene Straße fast horizontal vom rechten Bildrand bis an den das ganze linke untere Drittel des Bildes einnehmenden Hang hin, der von Margeriten und dem gemeinen Natterkopf bestanden ist, dessen leuchtend blauer Farbe das Bild seinen Namen verdankt. Die Felder unterhalb und oberhalb dieser Straße haben dazu einen parallelen Verlauf. Diese Darstellung entspricht auch noch der heutigen Realität. Das Bild ist nämlich vom Lützelbacher Kopf aus gemalt und hält den Blick nach Süden über eine Talmulde hinweg zur nördlichen Umwallung des Totenmaares fest, auf der sich die baumumstandene Friedhofskapelle von Weinfeld befindet. Auf dem großen Gemälde wird die Straße nun vom rechten Bildrand aus in einer sanften Windung hinauf zur Maarumrandung und zur Kapelle hingeführt. Dadurch ist die zuvor be-, stehende Trennung zwischen Blumenhang im Vordergrund und Maarumwallung mit Friedhofskapelle im Mittelgrund aufgehoben. Diese sind dadurch nicht nur mit dem Vordergrund verbunden, sondern scheinen ihm zugehörig. Der Blumenhang grenzt nun an eine grüne Wiese, die bis hin zur Kapelle verläuft, sodaß man meint, sie liege in der Verlängerung des Hanges. Zudem ist der Kapellenkomplex etwas angehoben und gegenüber der Studie vergrößert. Durch den weißen Anstrich der Kapellenwände wird er zudem noch betont und wirkt daher näher zum Standort des Betrachters gelegen. Es dürfte wohl unstrittig sein, daß durch diese geringen Änderungen das gesamte Bild nicht nur zusammengefaßt sondern auch in seiner Aussagekraft verstärkt worden ist.

Interessant dürfte auch die Feststellung sein, daß die Studien Fritz von Willes in der Regel ein genaues Entstehungsdatum aufweisen, während die danach ausgeführten großformatigen Gemälde nicht selten ohne Angabe einer Jahreszahl bleiben.

Eine Unterscheidung von Studie und Gemälde scheint auch in der Art der Signatur zu bestehen: das "W" der Studie ist geschlossen, während es bei Gemälden meist offen ist. Ob hier auch noch ein Unterschied zwischen freier Arbeit und Auftrag besteht, läßt sich nicht sagen. Die Studien sind sehr flott und flüssig gemalt.

Blühende Heide bei Dottel/Kall

Der Himmel zeigt meist einen dickeren, mit breitem Pinsel angelegten Farbauftrag. Auch im Hinter- und Mittelgrund verfährt Fritz von Wille ähnlich, wenn auch meist mit etwas schmalerem Pinsel. Im Vordergrund ist dann über eine häufig noch durchscheinende ockerfarbene Imprimitur mit schnellen Pinselstrichen ein dünner Grundton aufgebracht, auf den, fast in der Manier einer Pinselzeichnung, die Details in pastoser Farbe aufgemalt sind.

Das mutet stellenweise wie impressionistische Malerei an, ist aber eine typische Düsseldorfer Eigenart, wie schon Beispiele Düsseldorfer Maler aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ausweisen, von denen sich einige sogar mit dieser Malweise zufrieden gegeben haben. Dieser impressionistische Eindruck bei Fritz von Wille verstärkt sich in seinen etwa ab den zwanziger Jahren entstandenen Werken, weil er hier das Prinzip der Ton-in-Ton-Malerei vernachlässigt und zu einer härteren Farbigkeit Zuflucht sucht. Zudem dienen ihm die vor der Natur gemalten Studien jetzt nur noch selten zum Malen großer Gemälde, sondern werden sogleich zum Kauf angeboten.

Sicher könnte es eine interessante Aufgabe sein, an Hand der Datumsangaben auf den Studien ein Itinerarium des Künstlers, jedenfalls für die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg, zu erstellen.

Wahrscheinlich hat der Künstler schon kurz nach dem Erwerb der "blauen Blume" durch den Kaiser Wiederholungen dieses Gemäldes angefertigt. Die Meinung einiger Privatsammler, die auf dem bekannten Druck wiedergegebene Fassung oder die bei von Perfall abgebildete Reproduktion sei nach einer Wiederholung angefertigt, erscheint zu waghalsig. Dem steht auch der Text bei von Perfall entgegen. Ob der Künstler schon vor dem Ersten Weltkrieg Wiederholungen nach anderen Motiven gemalt hat, ist nicht bekannt. Eine Sonderstellung nehmen hier die großen Wandgemälde für die Sitzungssäle in Daun und Wittlich ein. Das sind keine Wandgemälde im engeren Sinne, sondern große Leinwandgemälde, die der Künstler in seinem Kerpener Atelier gemalt hat. Es sind demnach Vergrößerungen zuvor gemalter Eifelbilder mit Motiven aus den betreffenden Kreisen.

 

Oben: Die blaue Blume; unten: Gemündener Maar

Nach dem Kriege begann der Künstler dann, in größerem Umfang Wiederholungen nach seinen Erfolgsmotiven herzustellen. Sie sind nur selten in den Maßen des Originals gemalt, meist sind die Abmessungen wesentlich geringer. Ansonsten stimmen sie aber in der Komposition weitgehend mit dem Original überein. Da dieses häufig schon in fremden Besitz übergegangen war, darf man annehmen, daß Reproduktionen als Vorlage gedient haben.

Diese Wiederholungen erreichen nur selten die malerische Qualität des ursprünglichen Werkes. Vielmehr ist der Farbauftrag dünn, manchmal sogar durchsichtig, sodaß er leicht abbrök-kelt. Es ist bekannt, daß der Künstler von einigen Motiven, wie dem "Weinfelder Maar", zahlreiche Wiederholungen gemalt hat. Dabei soll er sogar in einem Arbeitsgang an mehreren Exemplaren gleichzeitig gearbeitet haben. Aufzeichnungen über die Anzahl solcher Wiederholungen oder deren Entstehungsjahr existieren nicht. Sicher hat die flüchtige und unsolide wirkende Malerei dieser Werke mit zum Verblassen des künstlerischen Rufes Fritz von Willes schon zu seinen Lebzeiten beigetragen. Es ist das Verdienst des Leiters des Kreismuseums zu Blankenheim, Hubert Meyer, in den Nachkriegsjahren das Werk Fritz von Willes wieder in Erinnerung gebracht zu haben. Hubert Meyer hat eine Reihe seiner Werke "wiederentdeckt", ohne zu ahnen, welchen Umfang das Werk des Künstles allein durch die immer wieder neu auftauchenden Wiederholungen annehmen würde.

Ohne Zweifel geht auch heute noch von diesem Werk eine enorme Faszination aus, da es wohl keinen Maler gibt, dem es in ähnlicher Weise gelungen wäre, den Charakter der Eifellandschaftzu erfassen, besonders, wenn man bedenkt, daß es in diesem Werk für jede Jahreszeit gleich mehrere typische Beispiele gibt. Für unsere Vorfahren, denen keinesfalls unsere Möglichkeiten offen standen, die heimatliche Umgebung kennenzulernen, hat er das Bild der Eitel und damit ihrer Heimat geprägt. Wir, die wir diese Landschaft kennen, stehen noch immer voll Bewunderung und staunenden Auges vor jenen herrlichen Gemälden, die Fritz von Wille von unserer Heimatlandschaft gemalt hat: "Welche Pracht in dieser Bescheidenheit!"

Literatur:

Daun 1979:

Fritz von Wille, der Maler der Eitel: Otto Baur, A. Kirfel, M. Klütsch, D. Kocks, H. Ladendorf, Ausstellungskatalog Kreisverw. Daun 1979

Viebig, Clara:

Der Eifelmaler Fritz von Wille, in: Eifelvereinsblatt 10, 1909

Weismüller, O.:

Die beiden Eifelheime des Malers Fritz von Wille im Kreise Daun, in: Eifelvereinsblatt 12, 1911

Perfall Karl Freiherr von:

Die Eifel im Wechsel der Jahreszeiten. Zwanzig farbige Reproduktionen nach den bedeutendsten Gemälden von Fritz von Wille, Köln 1914

Viebig, Clara:

Kinder der Eifel, Berlin 1920, mit sieben Bildern nach Originalzeichnungen von Fritz von Wille

Mathar, Ludwig:

Mit Pinsel und Palette von den Eifelbergen ins Moseltal, Eine neue Bilderfolge von Fritz von Wille, Wittlich 1933

Kremer, Peter:

Einkehr zur Freude, ein Bilderfolge von Fritz von Wille, Wittlich o. J.

Wille, Fritz von, Si und Kollbach:

mmer Land des Ahr-Burgunder, mit 12 Gemälden von Prof. Fritz von Wille, Remagen 1937

Meyer, Hubert:

Die Malerfamilie von Wille, Ausstellungen in Düren 1976, Euskirchen 1976, Wittlich 1977

Meyer, Hubert:

Fritz von Wille 78, Wiederentdeckte Bilder, Euskirchen 1978

Kunstmuseum Düsseldorf:

Die Düsseldorfer Malerschule, Katalog des Kunstmuseums Düsseldorf, bearbeitet von Irene Markowitz, Düsseldorf 1969

Düsseldorf 1979:

Wend von Kainein, Die Düsseldorfer Malerschule, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Düsseldorf 1979

Anschrift des Verf;

Dr. Dr. Otto Baur, Hardthof, 5536 Stadtkyll