Hubertusbrauchtum in Pützborn

Alois Mayer, Daun-Pützborn

 

Die kleine Dorfkapelle im Dauner Stadtteil Pützborn, Filiale der Pfarrkirche "St. Anna" Neunkirchen, wurde im Jahre 1666 erbaut und unter den Schutz des heiligen Hubertus gestellt.

Von Anfang an genoß dieser Heilige hohe Verehrung bei der Bevölkerung des Dorfes Pützborn, in der Pfarrei Neunkirchen-Stein-born und im weiten bäuerlichen Umland. Er war ein Heiliger mit hoher Bedeutung für die Landwirte. So wurde auch sein Fest durch all die Jahrhunderte festlich und feierlich begangen, nicht nur durch würdige Messen und Hochämter, sondern auch durch die dörfliche Kirmes. Das Hubertus-Fest zog alljährlich zahlreiche Pilger und fromme Beter aus fast allen Dörfern im näheren und weiteren Umkreis an, die zu diesem Heiligen flehten und ihn um Hilfe bei Krankheiten von Mensch und Tier baten. Zahlreiche Opfergaben kamen seinerzeit sowohl der Kapelle als auch den in ihr zelebrierenden Geistlichen zugute. Darüber hinaus bildeten sich spezielle Bräuche um die Person des heiligen Hubertus, die nicht nur selten, sondern auch äußerst interessant sind. Sie bieten einen tiefen Einblick in die damalige Volksfrömmigkeit und -gläubigkeit und liefern Erkenntnisse über den Wissens- und Bildungsstand des 18. Jahrhunderts.

Der Hubertus-Schlüssel

Auf Abbildungen ist der hl. Hubert stets als Jäger mit Jagdhorn und Hunden zu sehen, vor ihm ein Hirsch mit einem Kreuz im Geweih. Seine Hilfe wird fürbittend bei Tollwut, Hunde-und Schlangenbiß oder Irrsinn erfleht, weil er dereinst einen Tollwutkranken heilte, wie die Legende berichtet. Als Jagdpatron beschützt der Heilige auch Hunde.

In Pützborn (möglicherweise auch in der bis 1803 bestehenden Pfarrkirche Steinborn) wurde zumindest bis Ausgang des 18. Jahrhunderts der sogenannte Hubertusschlüssel aufbewahrt. Wo er verblieben ist, weiß niemand. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er bei dem Eindringen der französischen Revolutionäre (1794) in die Eifel und in die Pfarrei Steinborn verloren gegangen sein. Ein Indiz, daß er aber noch kurz vorher im Gebrauch gewesen sein muß, liefert die Tatsache, daß noch 1764 am Feste des heiligen Hubertus Brot (Hafer) gesegnet wurde, wie es in der folgenden Anweisung zum Gebrauch des "Hubertusschlüssels" gefordert wird.

Bauern, die tollwütige Tiere hatten oder von solchen gebissen worden waren, nahmen diesen Schlüssel, erhitzten ihn glühend und stem-pelten damit Tier und Wunde, um so durch die Fürsprache des heiligen Hubertus Heilung zu finden.

Wie dieser eiserne "Hubertusschlüssel" oder die sogenannten "Hubertus-Hörner" anzuwenden waren, schildert eine Druckschrift, die sich in den Pützborner Kapellen-Akten befindet:

Gründlicher Bericht

Zum Brauch der Schlüsselen

des Heiligen Hubert!

Die eisene Schlüsselen1) oder Hörner2) so die heilige Stol3) des heiligen Huberti berührt/ und unter gewöhnlichem Gebet gesegnet worden/ haben die Krafft/ das Vieh/ so damit bezeichnet/ von allem Wüten4' zu beschützen das Viehe aber/ so mit rasender Sucht oder Zufall behafft/ also gleich zu heylen: oder wann es stirbt/ nachdem es damit bezeichnet/ geschehet solches ohne Schaden.

Folget wie man sich dieses

 Schlüssels gebrauchen soll.

Sobald als man spüret/ daß einiges Vieh von einem ändern so wütend/ gebissen worden/ muß der Schlüssel gluend gemacht werden/ und so es füglich geschehen mag auff dem Schaden5) so aber nicht/ auff der Stirn biß zum lebhafften Fleisch gedruckt werden.

Nachmalen aber fünff oder neun Tag lang/ nach ewrer Andacht betten fünff Vatterunser/ und Englische Gruß/ zu der Ehren Gottes/ seiner glorwürdigen Mutter/ und des heiligen Huberti/ und in währenden fünff oder neun Tagen dem gebissenen Viehe täglich vor allem anderen Essen/ ein stück gesegnetes Brods6' oder aber gesegnete Haber langen. Es muß also gleich geschehen/ dann die Erfahrnus lernet/ daß gefährlich seye/ lang zu warten. Es wird aber gar nützlich seyn/ daß das beschädigte Viehe in währenden neun Tagen eingeschlossen werde/ auff daß das Gifft nicht durch unmässige Bewegung außgebreitet werde. Hierneben wird auch angezeigt/ daß kein bessere Artzney oder Mittel zu finden/ gegen allem rasenden Zufall/ als daß man sich bey zeit in die Bruderschafft des heiligen Huberti7) einschreiben lasse/und wegen ihres Viehes einen jährlichen Zinß nach ihrem Belieben und Andacht außrichte/ gleich wie in vielen Orten zu geschehen pflegt/ welche deßwegen befreyet worden seynd/ und täglich befreyet werden: daß aber solches geschehe/ Gott dem Herrn die Ehr und dem heiligen Huberto.

Solche Wirckung angesehen ist gnugsamb kundbahr/ in welcher Ehr der gemelte Schlüssel gehalten werden soll/ wird auch hierneben angezeigt/ daß nichts anders damit zu brennen/ als allerley Vieh/ dazu selbiger Schlüssel allein ist verordiniret (= bestimmt) worden.

Dieses gedruckte Blatt wurde von einem Abgesandten der Hubertus-Basilika (im heute belgischen St. Hubert) den versammelten Pützbornern Bürgern vorgelesen, wie eine handschriftliche Eintragung beweist:

"Beckenne Endbenenterdaß ich geleßen habe diese Unterweisung zum Brauch deß Schlü-ßels deß heyligen Huberti im Dorff pützborn mit dem Beding daß sie sollen die halbscheid8) Vom Opfer so dhaselbsten geschehen wird/ von Jhar zu Jahr absonderlich halten, biß darahn selbiges Von s. Hupricht zur ardennen Von einem rechtmessigen commissario abgehollen werde, sampten Unserem theil so ahn o vorter den Leuten stehet9) so geschehen am 10ten Febr. 1684 in gegenwahrt der Kirchen momper von leuten von der gemein itemgen10) Peter henn Bastian Cremer Jaq. D'Ohlogne Pbr. sacellanus und commiss S. Hubertus in ardennen11)

Die genannten Pützborner (Hennen und Cremer) konnten nicht schreiben - das ist auch nicht verwunderlich, denn seinerzeit gab es noch keine Schulen für das Landvolk -, daher unterzeichneten sie das Protokoll mit ihren Hauszeichen.

"Hubertus-Brot"

Folgendes Segensgebet zur Weihe des sogenannten "Hubertus-Brotes" (oder des Hafers), das erkranktem Mensch und Vieh als Speise diente, wurde 1764 in Pützborn am Feste des heiligen Hubertus gesprochen.

Die Übersetzung aus dem Lateinischen lautet:

"Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn,

der Himmel und Erde erschaffen hat.

Lasset uns beten!

Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott, schenke gnädig Deinen Segen dieser guten

246Gabe. Laß uns, die wir sie verzehren, auf die Fürsprache des heiligen Hubertus, Deines Bekenners und Bischofs, Gesundheit erlangen an Leib und Seele und gesichert sein gegen alle Nachstellungen der Feinde, gegen das Blendwerk und die schändlichen Werke des Satans und dessen teuflische Verführungen.

Dein Schutz und Deine gnädige Zuwendung mögen das auslöschen und unschädlich machen, was durch die Kraft der bösen Mächte in dieser geschaffenen Welt durcheinandergebracht wurde zum Lob Deines hl. Namens und der allmächtigsten Majestät, durch unseren Herrn Jesu Christi, der selber als lebendiges Brot vom Himmel herabstieg, um sich zu opfern und der Welt Heil zu schenken, der mit Dir und dem hl. Geist lebt und herrscht, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Lasset uns beten!

Sei gnädig Deinen Dienern! Durch die glorreichen Verdienste Deines Bekenners und Bischofs, des heiligen Hubertus, und auf seine fromme Fürsprache hin mögen wir von allen Übeln beschüttzt sein, durch Christus, unseren Herrn, der mit Dir und dem hl. Geist lebt und herrscht, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn,

der Himmel und Erde erschaffen hat.

Lasset uns beten!

Allherrschender und unfaßbarer Gott, der Du Deine Güte und Barmherzigkeit einzigartig ausgegossen hast, wir bitten Dich durch den verehrungswürdigen und ehrfurchterweckenden Namen Deines Sohnes, gib dieser Speise durch unsichtbare Hand Deinen Segen, der Du uns, die wir davon essen und leben, würdig gemacht hast an den menschlichen Bedürfnissen teilzuhaben. Durch diesen Segen und Deine Heiligung sowie auf die Fürsprache Deines glorreichen Bekenners und unseres Patrons, des heiligen Hubertus hin, bitten wir Dich ferner, daß Du uns vor Krankheit und ewigem Tod beschützen und bewahren mögest. Durch Unseren Herrn Jesus Christus, der mit Dir lebt und herrscht, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Dann wurden die Brote, die um die brennenden Kerzen standen, mit Weihwasser gesegnet.

1) Der Legende nach war dem Bischof Hubertus bei seiner ersten Messe vom Apostel Petrus ein goldener Schlüssel überreicht worden. Dieser Schlüssel befindet sich heute in der Kirche Sainte-Croix (= Heilig-Kreuz) in Lüttich.

2} Im Laufe der Zeit zeigte es sich, daß der Gebrauch des glühenden Schlüssels nicht angenehm und praktisch war; man verbrannte sich häufig die Hände an ihm; daher formte man eine Art Stempel, auf dessen Platte das Symbol des heiligen Hubertus, ein Jagdhorn, war. Der Name "Hubertusschlüssel" wurde jedoch beibehalten.

3) Die Legende berichtet, daß Hubertus bei seiner Bischofsweihe in Rom seine Stola vergessen hatte, die ihm dann im Auftrage der Muttergottes durch einen Engel überbracht wurde. Diese Stola, deren Reste in einem Reliquienschrein in der belgischen Basilika St. Hubert aufbewahrt werden, genoß bald eine höhere Verehrung als die Gebeine des Heiligen.

4) Wüten = Tollwut; auch Epilepsie

5) Schaden = auf der Wunde

6) Siehe dazu: Das Gebet zur Brotsegnung von 1764.

7) Solche Hubertus-Bruderschaften hat es mehrere im Kreise Daun gegeben; ob eine in Pützborn, bzw. in Steinborn/Neunkirchen bestand, ist noch nicht bewiesen.

8) Halbscheid - die Hälfte (dieser Ausdruck wird heute noch im Dialekt angewandt)

9) = so wie er jetzt und in Zukunft den Leuten zusteht

10) Kirchenmomper = Art Kirchenschöffen, (Pfarrgemeinderat), die von den Leuten des Dorfes Pützborn benannt wurden

11) Jakob D'Ohlogne, Priester und Beauftragter der Hubertus-Basiiika in den Ardennen.

Ehrennadeln für langjährige Treue zu m Verein, es gibt sie für junge Leute als Ansporn, für die Älteren als kleines Zeichen des Dankes, der Anerkennung.

Content-Disposition: form-data; name="hjb1991.95.htm"; filename="" Content-Type: application/octet-stream