Am Observatorium Hoher List entdeckt:

Neuer Kleinplanet mit Namen »Vulkaneifel«

Dr. Michael Geffert, Daun

 

»Vulkaneifel« ist im Januar 1991 auch ein Objekt für Astronomen geworden. Zu dieser Zeit bestätigte nämlich die internationale Zentrale der Kleinplaneten in Cambridge (USA) den Namen »Vulkaneifel« für den ersten am Observatorium Hoher List entdeckten Kleinplaneten.

Die Sternwarte auf dem Hohen List kann inzwischen auf eine fast vierzigjährige Geschichte zurückblicken. Hier haben Astronomen der Bonner Universität in den fünfziger Jahren eine Beobachtungsstation gebaut. Vor allem die zunehmende nächtliche Beleuchtung der Stadt Bonn war Anlaß für die Gründung der Sternwarte, die möglichst weit von größeren Städten mit hellem Nachthimmel liegen sollte.

Aufgabe der Sternwarte ist in erster Linie die wissenschaftliche Forschung. Es geht dabei darum, neue Erkenntnisse über die Natur der Sterne und des Universums zu gewinnen. Die Astronomie beschäftigt sich mit den physikalischen Gesetzen, nach denen Galaxien, Sterne und Planeten im Weltall entstehen, zusammengesetzt sind, oder sich bewegen. Beobachtungen, die teilweise am Hohen List, aber heutzutage auch an anderen Sternwarten, wie zum Beispiel der Europäischen Südsternwarte in Chile, gewonnen werden, müssen ausgewertet und interpretiert werden. Nach einer ausführlichen Analyse der Daten werden die Ergebnisse in Fachzeitschriften veröffentlicht. Im Grunde ist die Forschungsrichtung jedem Wissenschaftler in eigener Verantwortung freigestellt. Schwerpunkte der Forschung der Sternwarte in den letzten Jahren waren die Entwicklung neuer optischer Techniken, das Studium der Bewegung der Sterne, Kometen und kleine Planeten und die Untersuchung von Sternhaufen. Neben der Fotografie, die vor allem für die Bearbeitung von größeren Sternfeldern wichtig ist, haben in den letzten Jahren elektronische Empfänger verstärkt an Bedeutung gewonnen. Bei ihnen wird das Bild ähnlich wie mit einer hochempfindlichen Fernsehkamera in elektronische Impulse zerlegt, was die wissenschaftliche Analyse sehr effektiv macht.

Neben der Forschung muß auch unbedingt der Stellenwert des Observatoriums als Ausbildungsstelle für Studenten der Bonner Universität unterstrichen werden. Die drei Professoren, die am Observatorium mitarbeiten, halten regelmäßig Vorlesungen und Übungen mit Studenten in Bonn ab. Außerdem wird die Sternwarte mehrfach im Jahr für Praktika der angehenden Wissenschaftler genutzt, die hier ihre ersten Beobachtungserfahrungen machen können. Hinzu kommt die Betreuung von auswärtigen Astronomen und fortgeschrittenen Amateuren, die am Hohen List eigene Aufnahmen und Messungen durchführen können.

Der Kugelsternhaufen M5. Kugelsternhaufen sind die ältesten Objekte unserer Milchstraße, ihr Alter beträgt mehr als zehn Milliarden Jahre

 

Das Observatorium hat aber auch für die Region eine gewisse Bedeutung als Arbeitgeber und Touristenattraktion. Neben den fünf Wissenschaftlern gibt es noch acht nichtwissenschaftliche Mitarbeiter, ohne die der Betrieb der Sternwarte nicht funktionieren könnte. In eigener Feinmechanikwerkstatt werden außerdem noch Lehrlinge ausgebildet. Unter der Betreuung von Werkstattmeister Günther Klink wurden in den letzten Jahren drei Lehrlinge für die beste praktische Arbeit ihres Jahrgangs im Bereich Feinmechanik in Rheinland-Pfalz ausgezeichnet. Die Führungen, die vom Verkehrsamt und der Volkshochschule in Daun betreut werden, erfreuen sich vor allem im Sommer großer Beliebtheit. Hier muß man das große Engagement von Herrn Fischer, einem Amateurastronomen aus Köln, erwähnen, der schon viele Besucher sachkundig durch das Observatorium geführt hat. Die Sternwarte stellt die Region aber auch vor manche Probleme. Wenn Teleskope das schwache Licht von Sternen messen, sind sie störanfällig für die nächtliche Beleuchtung der umliegenden Dörfer, vor allem der Flutlichtanlagen. In Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Bürgermeistern und dem RWE wurden hier neue Wege der nächtlichen Beleuchtung eingeschlagen. »Wichtig ist«, so bemerkte Landrat Nell bei seinem Besuch der Sternwarte, »daß man in diesen Fragen im Gespräch bleibt.«

Der Wunsch eines Astronomen, der seine Laufbahn beginnt, ist oft, zu neuen Grenzen vorzustoßen oder etwas Neues zu entdecken. Asteroiden, die kleinen Planeten, die sich vorwiegend auf Bahnen zwischen Mars und Jupiter bewegen, spielen dabei eine besondere Rolle. Nach einem alten Brauch in der Astronomie hat nämlich der Entdecker eines Asteroiden auch das Recht, einen Namen für sein Objekt vorzuschlagen, der dann aber noch von einer internationalen Kommission der Astronomen aus aller Welt genehmigt werden muß. Seit der Entdeckung des ersten Kleinplaneten im Jahre 1801 sind bis heute fast 5 000 Objekte gefunden worden.

Während im vorigen Jahrhundert die Suche nach neuen Asteroiden direkt am Fernrohr stattfand, wurde ab Beginn dieses Jahrhunderts vor allem die fotografische Technik zum Auffinden neuer Objekte verwendet. Auf fotografischen Aufnahmen verraten sich Asteroiden durch Strichspuren, die durch ihre Bewegung gegenüber den Hintergrundsternen entstehen. Es ist jedoch ein langer Weg, bevor eine Entdeckung als neuer Asteroid bestätigt wird. Die Hauptarbeit besteht in einer genauen Vermessung seiner gegenwärtigen Position am Himmel. Erst wenn genügend solcher Messungen gesammelt sind, die eine präzise Bahnbestimmung ermöglichen, gilt der Kleinplanet als »entdeckt« und erhält eine fortlaufende Nummer; dann erst darf der Entdecker seinen Namensvorschlag machen. Bei der Analyse von Aufnahmen der Europäischen Südsternwarte (ESO) konnten wir 1989 mit Hilfe unserer Auswertegeräte am Hohen List vier neue Asteroidenkandidaten finden. Ursprünglich waren die Platten aufgenommen worden, um die Bewegung von Kugelsternhaufen in der Milchstraße zu bestimmen. Nach Messung und Auswertung der Platten wurde eines dieser Objekte im Jahr 1990 an anderen Sternwarten in Frankreich und USA wieder beobachtet, so daß die Anzahl der Beobachtungen ausreichend war, um das* Objekt als Nummer 4 611 in die Liste der neuen Asteroiden aufzunehmen.

In Würdigung der Landschaft und Bevölkerung der Umgebung unserer Sternwarte haben wir zu Beginn des Jahres 1991 den Namen »Vul-kaneifel« vorgeschlagen, der dann auch von der internationalen Kommission genehmigt wurde. 4611 Vulkaneifel ist insofern eine Besonderheit, weil er einer der ganz wenigen Asteroiden (wenn nicht sogar der einzige) ist, der nach einer Landschaft und deren Einwohner benannt wurde.

Der Komet Giacobini-Zinner (1984e). Kometen und kleine Planeten spielen bei der Erforschung der Entstehung unseres Sonnensystems eine herausragende Rolle