150 Jahre Afelskreuz bei Katzwinkel

Erich Mertes, Kolverath

Hoch oben, inmitten der Struth, am Kreuzungspunkt vieler Wege, steht ein Kreuz, vielbesucht und im Volksmund »Afelskreuz« genannt. Über dessen Namen und seine Errichtung sind bereits mehrere Aufsätze erschienen, von denen nahezu alle unhaltbare Erklärungen aufstellen, die hier näher beleuchtet und berichtigt werden sollen. Das Afelskreuz, richtiger Affelskreuz, wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet, aufgrund einer fürchterlichen Viehseuche in Katzwinkel, der Rinderpest. Das berichtet Lehrer Wilhelmus von Katzwinkel 1932 im Paulinus-Kalender (Trierer Bistumskalender). Lokal- und wortgeschichtliche Nachforschungen bestätigen die Richtigkeit der Angaben des Lehrers.

1. Die lokalgeschichtliche Nachforschung

Das nach Wilhelmus schon 1930 morsche erste Kreuz aus »starken Eichenbalken von zwei Meter Höhe" wurde 1931 entfernt und am 12. Juli '31 durch das zweite Afelskreuz ersetzt. Es gibt mehrere Fotos von der Wegräumung dieses ersten Kreuzes. Darauf erkennt man den starken, aber morschen Eichenbalken. Wenn wir die ungenauen Angaben »Mitte des vorigen Jahrhunderts" mit einer Toleranz von plus minus 6 Jahren annehmen, dann war die erste Errichtung frühestens im Jahre 1844. Zwischen 1844 und 1931 liegen fast 90 Jahre, da wird selbst Eichenholz, nicht imprägniert und der Witterung ausgesetzt, morsch. Das zweite Afelskreuz von 1931 musste ja schon nach 45 Jahren 1976 erneuert werden. Nun kann man anführen, vor dem ersten eichenen Afelskreuz habe schon ein solches bestanden. Dazu müssen wir in alten Urkunden und Karten nachforschen. Eine ältere Urkunde über das Afelskreuz gibt es nicht, aber ältere Karten. Auf der ersten topographisch genauen Karte von Tranchot 1810/11 ist kein Afelskreuz eingetragen, auch nicht in der Nähe. Die nächsten Kreuze im Umkreis sind 1-1,5 km davon entfernt. Man mag dem entgegnen, Tranchot habe das Afelskreuz vergessen oder übersehen. Das ist aber schon deswegen unglaubwürdig, weil er an der allen Pilgerstraße zwischen Maarholz und Darscheid vier Kreuze verzeichnet, daneben noch mal vier in der Nähe der Kirche Hilgerath. Es wäre einfach unlogisch anzunehmen, dass Tranchot dabei das wichtigste, das Afelskreuz, übersehen hätte.

Es gibt eine noch detailliertere Kartenzeichnung der alten Pilgerstraße Kelberg-Korten-busch-Maarholz-Gefell von 1732. Darauf sind zwischen Kortenbusch und Höhe Gefell im Maarholz insgesamt acht Pilgerkreuze eingetragen. Aber keines steht an der Stelle des Afelskreuzes. Auch der Name »Afelskreuz" wird weder in den Grenzbeschreibungen noch auf der Kartenzeichnung erwähnt. Es weist auch nichts auf ein Afelskreuz hin. Eine noch ältere Karte des Amtes Daun im Kurfürstentum Trier von 1683 weist ein Kreuz an der alten Pilgerstraße im Maarholz auf. Aber es steht entfernt weg von der Stelle, wo es als Afelskreuz hätte stehen müssen. Selbst bei wohlwollendster Interpretierung des Maßstabs stand dieses Kreuz über hundert Meter vom Standort unseres Afelskreuzes entfernt. Ein Maßstabvergleich Standort Afelskreuz-Pfarrkirche Kelberg mit der Karte TK25 ergibt sogar eine Entfernung von über 300 m. Obwohl das übertrieben sein mag, weil die alte Karte von 1683 nicht maßstabgerecht gezeichnet ist, so muss man doch feststellen, es gibt dort keinen einzigen Hinweis auf ein Afelskreuz. Argumente wie »nicht so genau genommen" oder ähnlich, tragen da wirklich nichts zur Wahrheitsfindung bei.

Pfarrer Schug weist in seiner Dekanatsbeschreibung auf die Quelle Fenger hin, die sich angeblich unter dem Jahre 1604 im Kelberger Gerichtsbuch befinde. Doch sie ist nicht zu finden. Schug meint weiter, vielleicht sei ein Hinweis auf das Kreuz in Dauner Akten aus dem Jahre 1584. Aber dieses »vielleicht« hilft uns nicht weiter. Müller-Veltin schreibt in seinem "Kreuze-Buch" über das Afelskreuz (S. 23):»... Auch in anderen mir bekannten Beiträgen über das Afelskreuz fand ich in dieser Hinsicht nur Behauptungen, doch nie einen handfesten Beleg."

Das zweite Afelskreuz 1931-76 Foto Alfons Poss, Daun

Zur lokalgeschichtlichen Nachforschung gehört auch die Überlegung, was Lehrer Wilhelmus aus Katzwinkel damals bewogen haben könnte, seinen Artikel im Paulinus-Kalender zu schreiben. Wir können es nur gedanklich nachvollziehen: Da war die Neuerrichtung des Afelskreuzes im Juli 1931. Lehrer Wilhelmus freute sich mit den Leuten im Kelberger Land darüber, denn er nennt es »eine sehr begrüßenswerte Tat-. Aber da war die Jahreszahl 1231, die auch Lehrer Alfons Poss, Daun, im Jahrbuch 1977 ausdrücklich als legendär bezeichnet, das heißt angenommen, aber nicht den Tatsachen entsprechend. Das gleiche sagen auch F. J. Ferber und seine Mitautoren im Bildband Kreis Daun, Bilder aus vergangenen Tagen, 1985, S. 131. Und Müller-Veitin ergänzt noch in seinem "Kreuze-Buch" (S. 23]: »... (es) wäre eine so außergewöhnlich frühe Datierung eines Steinkreuzes, falls einwandfrei, der Forschung nicht unbekannt geblieben.« Lehrer Wilhelmus hatte die Jahreszahl 1231 auch gelesen. Doch er wusste es besser aus den Überlieferungen von Onkel Hannes in Katzwinkel, der es als Kind miterlebt hatte, ein Augenzeuge also. Darum schrieb Wilhelmus noch im gleichen Jahr der Errichtung des zweiten Afelskreuzes 1931 den überlieferten Augenzeugenbericht an den Paulinus-Kalender, der dann für das Jahr 1932 erschien. Auch das dritte Datum des Afelskreuzes ist falsch. Das dritte Kreuz wurde nicht 1977 errichtet, wie geschrieben steht, sondern am Gründonnerstag der Karwoche 1976. Wie sonst hätte Lehrer Poss im Jahrbuch des Kreises Daun 1977 schreiben können: »... steht es seit dem Karfreitag dieses Jahres (1976), durch Beton fest verankert .« (S. 60). Es sei angemerkt, dass das Jahrbuch ja schon Ende 1976 herauskam.

2. Die wortgeschichtliche Nachforschung

Bei Grimm, Deutsches Wörterbuch, heißt es in Band 1,181: Afel, der Afel, das ist die»... Stelle

Drittes Afelskreuz bei Katzwinkel, August 1990

am tierischen Körper, welche wegen der Verletzung der nervenschützenden Oberhaut gegen Berührung besonders empfindlich ist; äfelig, geschunden, wund, reizbar... deutet afel Geschwulst und Entzündung; Umschlag wider den besorglichen Affel.« Affel, Affelskreuz, schreibt auch Lehrer Wilhelrnus mit zwei ff. Auch in der alten Flurkarte von Katzwinkel 1910 heißt es in Flur 8: Unterm Affelskreuz. Auch hier wurde also damals, als man zeitlich noch näher dran war, das Afelskreuz als Affelskreuz bezeichnet. Ein Kreuz gegen »den besorglichen Affel«, die Viehseuche. Ein solches Affelskreuz mit zwei ff gibt es auch bei Esch im Kreis Daun (s. Heimatjahrbuch Kreis Daun 1993, S. 56). Eine Bestätigung der Viehseuche finden wir sowohl durch das erste Affelskreuz als auch durch das danebenstehende Heiligenhäuschen.

Bei den Bittgängen zum ersten Afelskreuz wurde insbesondere die Fürbitte der heiligen Brigitta (Brigida) angerufen, die als Schutzpatronin für das Vieh, besonders für Kühe, verehrt wird (zu dem Namensunterschied vgl. Müller-Veltin. 24).

Das wenige Jahre nach der Errichtung des Afelskreuzes erbaute Heiligenhäuschen, einige Meter neben dem Kreuz, wurde gleichfalls der hl. Brigida geweiht und ihr Bildnis darin aufgestellt.

Das alles deckt sich mit dem Bericht von Lehrer Wilhelmus 1931/32.

In der Katzwinkeier Schulchronik befindet sich ein Zeitungsausschnitt vom 18. Juli 1931, darin heißt es: "... Das Kreuz wurde zuerst in der Zeit der Kreuzzüge, kurz nach 1200. als Ablasskreuz errichtet. Es war verfallen, nur noch ein Kreuzbalken sowie das Orientierungsschild des Eifelvereins erinnerten daran ,..« Das klingt so, als hätte sich ein Kreuzbalken aus Holz von »kurz nach 1200" bis 1931 dort erhalten. Das stimmt einfach nicht und ist durch keine Urkunde belegt.

Den Schutthügel des verfallenen Heiligenhäuschens »unweit des Afelskreuzes« deutet der Chronist der Katzwinkeler Schulchronik als Grabhügel. Solch ein Irrtum kann vorkommen, wenn ein Hügel nicht untersucht wird. Woher er aber sein »Wissen«' hat, es handele sich um einen Grabhügel aus der Hallstattzeit (ca. 700 v. Chr.), wird sein Geheimnis bleiben. Das alte Heiligenhäuschen war schon vor 1930 verfallen (Wilhelmus). Seine Grundmauern (1,20 x 1,60 m) wurden 1950 freigelegt (Poss). Inzwischen ist es wieder neu errichtet worden. Das war der vermeintliche Grabhügel aus der Hallstattzeit.

Pfarrer Peter Schug meint (V, 104). das Afelskreuz sei gleichbedeutend mit Ablasskreuz. Nun klingen zwar beide Wörter ähnlich, aber es gibt keinen Ablassbrief vom Afelskreuz. Das steht nicht im Widerspruch zu der Möglichkeit, dort auch einen Ablass zu erlangen. In alten Totenzetteln finden wir häufig einen Ablass, das heißt den zeitlichen Nachlass von Sündenstrafen im Jenseits, wenn ein bestimmtes Gebet verrichtet wird. Es ist nicht vorgeschrieben, wo wir dieses Gebet verrichten sollen, also auch am Afelskreuz. Hinzu kommen die Möglichkeiten der Ablässe in Verbindung mit der Kirche Hilgerath, denn schon früher führten Prozessionen dorthin.

Die Deutung des Afelskreuzes als Eifelkreuz ist genauso spekulativ. Der Ursprung des Wortes Eifel ist bis heute trotz ungezählter Versuche nicht geklärt. Afel = Eifel, das klingt im Dialekt ähnlich. Aber das Afelskreuz (Affelskreuz) bei Katzwinkel, das steht nicht für die ganze Eifel, sondern für ein besonderes Ereignis in Katzwinkel, von dem Wilhelmus berichtet.

Abschließend sei noch ein Zitat von Müller-Veltin gestattet: "Glaubensvorstellungen sind auch durch exakte Gegenbeweise nicht zu erschüttern."

Quellen Lind Literatur

- Flurkarte Katzwinkel in der VG-Kelberg von 1910.

- Karten im Landeshauptarchiv Koblenz vom Amt Daun 1683, Amt Nürburg 1732

- Karte Tranchot von 1810/11 im Landesvermessungsamt Koblenz, Bl. 156 Daun.

- Ferber. F.J../Mertes E /Steffens, R. ; Kreis Daun, Bilder aus vergangenen Tagen, Meinerzhagen 1985. 131.

- Koch Peter, Katzwinkel; unveröffentlichtes Manuskript der Ortsgeschichte.

- Mayer A , Hochgerichts- und Grundrechte im Ami Daun Jahrb. Daun 1984, 247.

- Müller-Veltin, Kurt; Mittelrheinische Steinkreuze..., Neuss 1980.

- Poss, A., Das Afelskreuz bei Katzwinkel, Jahrb Kreis Daun 1977, 60ff,

- Schug, Peter, Pfr.; Geschichte der Pfarreien, Bd V. Trier 1956 104

- Schulchronik Kalzwinkel.

- Steffens, R./Mertes, E., Entlang der Grenze von 1667, Heirnat-.Jahrbuch Kreis Daun 1988. 134ff. Anm.46

- Wilhelmus, M.; Das Affelskreuz bei Hilgerath, Paulinus Kalender, Trier 1932, 42f.