Wolfsjagd im Lehwald

Zeichnungen des Oberförsters Hermann von Witzleben

Friedbert Wißkirchen, Daun

Im Heimatjahrbuch 1999 (S. 163 ff.) wurde über den königlich-preußischen Oberförster und begabten Zeichner Hermann von Witzleben, insbesondere aus seinem Familienleben, berichtet. Als oberster Wächter über den Wald und die Jagd war er selbst naturgemäß ein passionierter Jäger. Die jagdliche Seite - in deren Mittelpunkt die Wolfsjagd steht - wird Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen sein.

Preußische Anordnungen zur Wolfsjagd und Prämien

Wölfe wurden seit jeher in der Sagen- und Märchenwelt als Bestien dargestellt, eine Gefahr für Mensch und Tier. In der Eifel, Anfang des 19. Jahrhunderts auch das Sibirien Preußens genannt, wurden regelmäßig Wölfe gesichtet und erlegt. Den früheren kurfürstlichen Anordnungen folgte die Preußische Verwaltung und erließ eine Fülle von polizeilichen An- und Verordnungen, um die Wölfe zu bekämpfen und durch Zahlung von Prämien den Bestand in der Eifel auszurotten. Am 23. 8. 1816 wurden die Prämien im Regierungsbezirk für

- eine trächtige Wölfin auf 40 Franken (11,10 preuß. Reichstaler)

- eine nicht trächtige Wölfin auf 30 Franken (8,33)

- eines Wolfes

auf 20 Franken (5,55)

- eines jungen Wolfes

 

auf 10 Franken (2,75) durch Verkündung im Amtsblatt der Regierung zu Trier festgesetzt. In den Folgejahren wurden Anleitungen zur Vergiftung, Erlasse zum Nachweis der Tötung, 1851 sogar eine Polizei-Verordnung über die Abhaltung von Wolfsjagden bekannt gegeben. Die Förster wurden angewiesen, von Zeit zu Zeit Wolfsjagden abzuhalten. 1851 wies die Königlich-Preußische Regierung in Trier daraufhin, dass auch nach dem Erlass des Jagdpolizei-Gesetzes vom 7.3.1850 die »Polizei-Verordnung zur Verfolgung der Wölfe« (vom 18. 11. 1814) weiterhin anzuwenden sei. Die Verordnung regelte die Durchführung einer Wolfsjagd und bestimmte, wer die Jagd leitete, wer daran als Schütze oder Treiber teilnehmen durfte, wie aus nachfolgenden Auszügen der Verordnung hervorgeht: »1. Den Forstbeamten wird zur Pflicht gemacht, den Wölfen nachzustellen... besonders bei frischem Schnee, die Waldungen fleißig abzukreisen und wenn sich sichere Wolfsspuren vorfinden, durch Zusammenberufung zuverlässiger Schützen eine Wolfsjagd zu veranstalten...« 2. Die zur Abhaltung einer Wolfsjagd erforderlichen Treibleute, wozu Frauenspersonen und Kinder unter 16 Jahren nicht gewählt werden dürfen, sind ... auf mündliche Anforderung des Forstbeamten sofort vom Ortsvorsteher zu beordern... und durch diesen (Ortsvorsteher) selbst anzuführen.

3. Einem jeden zuverlässigen Schützen (auch ohne »Jagd-Legitimationsschein«) ist es gestattet... einer Wolfsjagd beizuwohnen und zur Tötung der Wölfe von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. (Anmerkung: Auch »gediente Soldaten« konnten an der Wolfsjagd teilnehmen).

4. Es ist streng untersagt, bei Wolfsjagden nach anderem Wild zu schießen.« 1851 betrug die Abschussprämie für einen Wolf 10, für eine Wölfin 12 und einen Jungwolf vier Taler. Die Prämie stand dem Förster, der die Jagd angeordnet hatte oder sonst dem Schützen zu. Für tot aufgefundene Tiere gab es keine Prämie. Als Beweis mussten die abgeschnittenen Ohren des Wolfs dem Königlichen Forstmeister vorgelegt wer-

den. Wer ohne Grund als Treiber oder Helfer an der Wolfsjagd nicht teilnahm, konnte mit einer Geldstrafe von 15 Silbergroschen bis zu einem Taler belegt werden. Verpflichtet waren alle Personen, die Grund- oder Viehbesitz hatten. Aber an Helfern mangelte es meist nicht, denn die Wolfsjagd bildete eine seltene Abwechslung im bäuerlichen Alltag, vor allem im Winter.

Zwei Wölfe im Lehwald

Zwei Bleistift-Zeichnungen des Königlichen Oberförsters Hermann von Witzleben, auf denen Wölfe abgebildet sind, gibt es. Das erste Bild datiert vom 28. 12. 1852 und zeigt einen anschleichenden Wolf und einen Greifvögel, der einen anderen Vogel geschlagen und zwischen seinen Fängen hat. Auf der zweiten Zeichnung vom 7. 2. 1854 sieht man zwei Wölfe, die gerade einen Rehbock gerissen haben.

Darüber hinaus gibt es eine Tuschezeichnung, die die Jagdteilnehmer einer Wolfsjagd darstellt, aber undatiert ist. Ein »holpriges« Gedicht, das das Geschehen um die Wolfsjagd bruchstückhaft wiedergibt, ist ohne Datumsangabe, so dass der Zeitpunkt der Wolfsjagd nicht genau festzustellen ist. Nehmen wir an, es ist der 7. Februar 1854. Frostig war es, und eine dichte Schneedecke lag über der kleinen Kreisstadt und seiner Umgebung.

Auf der Dauner Burg, wo der königliche Oberförster von Witzleben mit seiner Familie Wohnung und Diensträume hatte, kochte an diesem frühen Morgen der Kaffee vor sich hin; weder Oberförster Hermann von Witzleben erschien zum Frühstück, noch Knecht Hunz und Forstgehilfe Weikmann, die sonst für ihren morgendlichen Appetit bekannt waren, hatten sich bisher in der Küche sehen lassen. Doch da erschien die Gattin des Forstmeisters, Helene von Witzleben, und bat, das Frühstück für sie, Vetter Heinrich Günter von Witzleben - der zu Besuch weilte - und die Kinder aufzutragen und erklärte gleichzeitig, dass der Herr Oberförster schon im Dämmerlicht zur Jagd aufgebrochen sei.

Das Frühstück war noch nicht beendet, als der Forstgehilfe Weikmann mit glühenden Wangen den Burgberg hinaufstürmte und mit dem Ruf: »die Wölfe sind im Lehwald« für helle Aufregung sorgte. Vetter Heinrich von Witzleben eilte in sein Zimmer, kleidete sich an, nahm Büchse und Munition und lief zum nahen Landratsamt, wo der Knecht des Landrats gerade dabei war, den Pferdeschlitten anzuspannen. Landrat Dr. Aschenborn, vom Forstgehilfen informiert, kam mit geschultertem Gewehr, in einen warmen Pelz gehüllt, raschen Schrittes aus dem Kreishaus. Zusammen mit Heinrich von Witzleben und dem Forstgehilfen machten sie sich auf den Weg. Vom Landratsamt ging es per Schlitten Daun abwärts, über die alte Darscheider Straße, an Boverath vorbei, nach Darscheid und von dort über die alte Handelsstraße, auch »Ferkelstraße« genannt, in Richtung Mehren zum Staatswald »Lehwald«.

Dort, im Distrikt »Bonapart's Hut«, so genannt wegen seiner dreieckigen Form, waren schon Schützen,Treiber und Helfer versammelt. Weitere Schützen trafen nach und nach ein, darunter auch einige Veteranen, die als Soldaten den Umgang mit der Waffe gelernt hatten. Die Federzeichnung des Oberförsters von Witzleben, lässt in Verbindung mit dem Gedicht einige Personen erkennen. Zweiter von rechts, der kleinere Herr mit Schnurrbart, den Kopf mit einer Pelzmütze bedeckt, mit knie hohen Stiefeln ausgestattet, seine Hände in einem wärmenden Muff versteckt, ist Landrat Dr. Aschenborn. Links davon, in gebückter Haltung, der Jäger mit Gamaschen, ist Forstgehilfe Weikmann, der Landrat Dr. Aschenborn die doppelte Wolfsspur im Schnee zeigt. Dazu die Gedichtstrophe: »Vergeblich ist Weikanns bestreben, dem Landrat zu deuten die Spur, der klappernd vor Frost und vor Beben, berechnet die Prämie* nur.« *(= Abschussprämie für den Wolf) Der Mann mit Bart in Forstuniform und Mütze, mit dem Arm nach rechts zeigend, ist Oberförster Hermann von Witzleben, der Schützen und Treiber in ihre Positionen einweist. In der Mitte des Bildes, mit dem Rücken zum Betrachter, ist sein Vetter, Heinrich von Witzleben, abgebildet. Die anderen beteiligten Jäger sind nicht namentlich benannt. Die Darscheider Bauern, die als Helfer und Treiber agieren sollten, erkennt man in der Zeichnung deutlich an ihrer bäuerlichen Tracht, den knielangen Kitteln und ihren Strickmützen. Auffallend ist, dass, außer Landrat Dr. Aschenborn die meisten Personen keine Stiefel, sondern knie hohe, lederne Gamaschen über ihrem normalen Schuhwerk tragen. Ganz links, sein Pfeifchen schmauchend, auf einen Stock gestützt, ist vermutlich der damalige Darscheider Ortsvorsteher Bell dargestellt. Bei der Person im Hintergrund mit Pfeife und zylinderartigem Hut könnte es sich um den Darscheider Pastor handeln. In einer Gedichtstrophe heißt es: »Der Vetter (Heinrich von Witzleben) steht lauschend den Worten, die Lang (Spitznahme des Oberförsters?) zu den Treibern dort spricht, und trotz dem unchristlichen Morden, der Darscheider Pfaffe fehlt nicht.«

Die Schützen hatten entsprechend den Anweisungen des Oberförsters den Distrikt umstellt, die Treiber gingen in langer Kette durch den Wald, schlugen mit ihren Stöcken gegen die Bäume, benutzten die »Klapper«, die sonst nur in der Karwoche zum Einsatz kam als Lärminstrument und stießen laute Schreie aus, um die Wölfe aus ihrem Versteck zu treiben, vielleicht aber auch, um die eigene Angst vor den »Wolfsbestien« zu überspielen. Wie dem auch sei, sie hatten Erfolg. Mehrfach krachten die Büchsen und bald erschollen Jubelschreie der Treiber. Einen Wolf hatten die Schützen getroffen, der zweite war ihnen entwischt. Dann formierte sich ein langer Zug. Der Wolf, an den Pfoten zusammengebunden, wurde an einem langen Stock vom Lehwald nach Darscheid getragen, Landrat Dr. Aschenborn und Oberförster von Witzleben folgten auf dem Pferdeschlitten. Während die Jäger bei Wein und Schnaps die Erlebnisse der Wolfsjagd Revue passieren ließen, wurde der Wolf von den Darscheider Treibern immer wieder durchs Dorf getragen und von Kindern und Erwachsenen bestaunt. Aus vielen Häusern erhielten die Helfer der Treibjagd Brot, Speck und Eier, mit denen sie ein »Festmahl« zubereiten konnten. Erst bei anbrechender Dunkelheit machten sich die Dauner Jäger mit Pferd und Schlitten auf den Heimweg, wobei es einigen schwer fiel, die Balance auf dem wackligen Gefährt zu halten. Bildunterschrift des Malers: »Wie man in der Eifel von der Jagd zurückehrt.«

Wolfsgeschichten in der Sagenwelt

Um Wölfe ranken sich eine Vielzahl von Geschichten in der Eifeler Sagenwelt. So soll ein Wolf in Betteldorfeiner Frau eine Ziege gestohlen und sie bis nach Manderscheid geschleppt haben, wo sie von Bauern dem Wolf entrissen worden sei. Auf dem Manderscheider Markt will die Frau ihre Ziege wiederentdeckt haben. Ein Mann aus Schutz war auf dem Heimweg von Üdersdorf. Als er durch den Wald »Kippscheid« ging, sollen ihn ein Dutzend Wölfe verfolgt haben. In seiner Not will er die Wölfe mit kleinen Brotbrocken gefüttert haben. Sie seien um ihn herum gegangen und hätten ihm auf die Finger geschaut. Als es von Bleckhausen nach Schutz den Berg hinunter ging, hätten sie von ihm abgelassen. Eine Frau aus Bleckhausen, die im Üdersdorfer Distrikt »Langscheid« Laub als Streu für den Stall sammelte und in ihrer Hotte nach Hause tragen wollte, entdeckte ein paar kleine Wölfe, legte sie in ihre Hotte und trug sie Richtung Bleckhausen, verfolgt von der Wölfin, die den Verlust der Jungen bemerkt hatte. Ein Bauer, der auf dem Feld arbeitete und das Kommen der Wölfin sah, habe die Frau auf die Gefahr aufmerksam gemacht. Die Frau habe die kleinen Wölfe schnell ausgeschüttet und die Wölfin die Kleinen wieder zurückgetragen. Könnte die letzte Geschichte noch zutreffen, ist der Wahrheitsgehalt der Erzählungen mit »Wolf und Ziege« oder der »Brotfütterung« ohne realen Hintergrund. In vielen Dörfern soll auch der Brauch bestanden haben, dass nach erfolgreicher Wolfsjagd Jäger und Helfer durchs Dorf gingen und Eier, Mehl und Speck sammelten. Auch heute gehen die Kinder an Fastnacht durch die Dörfer von Haus zu Haus um zu »heischen«, also Süßigkeiten einzusammeln. Dabei singen sie - um ihrer Bitte Nachdruck zu verleihen: »Eier e raus, Speck e raus, oder mir schicken de Wolf ent Haus«. Dieser Brauch hat - in abgewandelter Form - bis heute überlebt und seinen Ursprung in den ehemaligen Wolfsjagden. Die letzten Wölfe in der Eifel wurden 1879 bei Hillesheim gesehen, später auch noch bei Gillenfeld. Den letzten Wolf in der Eifel soll der Manderscheider Bürgermeister Heinrich Thielen erlegt haben. Heute sind Wölfe aus nächster Nähe im Pelmer Wolfspark auf der Kasselburg zu sehen. Eigentlich sind es scheue Tiere, die den Menschen fürchten. Auch das Wolfsbild hat sich in den letzten 150 Jahren gewandelt. Mit dem »bösen Wolf« kann man heute keine Kinder mehr erschrecken.

Quellen:

Amtsblätter der Regierung zu Trier 1816 und 1851

Archiv VG Daun: Zeichnungen von Witzleben

Matthias Zender - Sagen und Geschichten aus der Westeifel - Bonn 1980 Dr. Peter Blum - Entwicklung des Kreises Daun