Das Sellertkreuz bei Berndorf

 

Herbert Wagner

Nahe Berndorf steht einsam im Wald ein uraltes, verwittertes Steinkreuz, wohl eins der ältesten im Kreis Daun. Halb versunken ist es im Boden und stark beschädigt; aber mit etwas Geduld kann man die verstümmelte Inschrift entziffern. Auf der Vorderseite steht:

(Man schlug

ihn in der

Fe)RNEE TOT (Sei)

LERT GRAEFLI(cher)

RENTMEI(s)

TER ZV SCHLEIDN

GOTT SEY

GNEDIST

Darunter befindet sich ein Totenkopf. Und auf der Rückseite liest man:

IST VON DE (n)

SCHLEIDENE(r)

VNDER

DÄNEN

AVSGE

SANT

Darunter ein leerer Wappenschild. Aus dieser Inschrift erfährt man, daß es sich um ein Gedenkkreuz für einen hier Ermordeten handelt. Und hier die Geschichte der Untat:

Der gräfliche Rentmeister Michael Sellert von Schleiden war seit Jahren in die Herrschaft Kerpen gekommen, um dort für seinen Herrn (Dietrich VI. v. Blankenheim, Graf zu Schleiden und Herr zu Kerpen, 1560—93) die fälligen Abgaben und Steuern einzuziehen. Immer hatte er mit den eingenommenen Geldern wohlbehalten die Heimat erreicht. Doch diesmal sollte es anders kommen!

Da, wo der Weg sich durch dichten Wald zog, weitab von jedem Dorf, lauerte der „rüde" Lämmermathes von Kerpen, ein übler Nichtstuer und Vagabund, im dicksten Gebüsch verborgen auf den gemächlich Dahinreitenden. Am Abend vorher hatte er in der Wirtschaft aus Gesprächen Aufbruchsstunde und Weg des Rentmeisters erfahren, und weil er glaubte, reiche Beute machen zu können, hatte er den Plan gefaßt, den Rentmeister zu überfallen.

Als dieser nun nichtsahnend herangekommen war, legte Lämmermatthes auf ihn an, und mit lautem Schrei sank Sellert rückwärts vom Pferd. Erschrocken raste das Tier los und schleifte seinen in den Steigbügeln hängenden Herrn noch ein Stück mit. Leblos und zerschunden von Dornen und Ästen blieb er schließlich liegen.

Matthes kroch aus seinem Hinterhalt und stürzte sich auf den Toten, gierig nach der Beute Er riß die lederne Geldkatze an sich — aber sie war leer1 Hastig durchwühlte er die Taschen des Toten, fand aber statt des erhofften Goldes nur eine Handvoll geringer Münzen Wütend und fluchend über seinen Mißerfolg warf er die Geldstucke dem Toten ins Gesicht und suchte das Weite

Nach einigen Tagen kam Sellerts Roß ohne seinen Herrn nach Hause Die Angehörigen ahnten ein Unglück und machten sich auf die Suche Sie fanden den Toten im dichtesten, einsamsten Wald Um ihn verstreut lagen die Geldtasche und eine Anzahl Münzen Sie ließen den Ermorderten in seiner Heimat beisetzen, an der Stelle der Untat aber errichtete man ein Gedenkkreuz Der Herr des Ermordeten ließ nach dem Mörder fahnden, und als man seiner im Buchebusch' am Arensberg, wo er sich versteckt hatte, habhaft geworden war machte man ihm den Projeß und verurteilte ihn zum Tod durch den Strang Auf dem Koberg zwischen Kerpen und Berndorf ließ man ihn Hochzeit mit des Seilers Tochter feiern

So ist es geschehen im Jahre 1593, so weiß es das Volk zu erzählen, und so steht es im verwitterten Sellertkreuz emgegraben Am Tag der Untat aber hört man an der Mordstelle den lauten Todesschrei des Ermordeten

Quellen Mdl Überlieferung — E Wackenroder, Die Kunstdenkmaler des Kreises Daun Dusseldorf 1928 — G J Meyer, Wegekreuze im Kreis Daun Mskr im Bes des Verf — K Knauft, Mater eiflia Bretten 1933