Auf der Fahrt zum großen Atemholen in die Eifel. Auf der „Himmelsleiter" zwischen Aachen und Monschau.

 

Eifelimpressionen

K. H. Bodensiek

 

Der Eiffelturm in Paris hat trotz der zwei „f" im Wort etwas mit der Eifel, der Landschaft zwischen Rhein, Mosel und Ardennen zu tun. Der Erbauer des Wahrzeichens der Seinestadt hatte sich nämlich einen zweiten Namen zugelegt . . . entsprechend der Herkunft seiner Vorfahren.

Die Eifel hat's überhaupt in sich. Als ihr nördlicher Teil zum Jagdrevier Karls des Großen wurde, der in Aachen hofhielt, war der Glanz von Trier an der Mosel als römischer Kaiserresidenz der Spätantike längst erloschen. Zwischen Trier, Aachen und dem Rhein hatten die Römer ihre Villen, Straßen und Aquädukte, ihre Bäder und Manufakturen gebaut. Dann aber trat das waldreiche Bergland für lange Epochen der europäischen Geschichte in den Hintergrund der großen politischen Szene. Am Rande grub man nach Blei- und Eisenerzen, entstanden Eisenhütten, Messingwerke und Glasbläsereien. Papiermacher siedelten sich an. Im Kern der Landschaft aber blieb die Zeit stehen.

Dem herben Ernst der Eifel hat erst der moderne Fremdenverkehr etwa seit der Jahrhundertwende Geschmack abgewonnen. Vorher waren in der südlichen Eifel nur die Geologen außer sich vor Begeisterung geraten. Denn wie kaum anderswo in unseren Breiten wird hier nämlich jüngste Erdgeschichte ablesbar. Allerorten offenbart die Landschaft ihren vulkanischen Ursprung. Bei den letzten Ausbrüchen in dieser gewaltigen Schmiede Vulkans waren schon Menschen als Zeugen zugegen. Vom Aschenregen, der einst vor ihren Augen den Himmel verdunkelte und der dann als Bimssand auf die Erde niederfiel, lebt eine blühende Schwemmsteinindustrie zwischen Andernach und Mayen auf dieser Rheinseite. Unverkennbar ist die typische Kegelform der Berge, die einst Vulkane waren. Die höchste Erhebung der Eifel ist mit 746 Meter die Hohe Acht, nahe der großartigen Rennstrecke des Nürburgrings, die gebaut wurde, um in der Zeit der großen Arbeitslosigkeit Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Ein wahres Geschenk der vulkanischen Natur sind die vielen Mineral- und Thermalquellen mit den um sie erblühten Heilbädern wie Bertrich und Neuenahr. Ihre Trümpfe aber spielt die wie unter einem Anhauch der Ewigkeit daliegende Landschaft mit den Maaren, den wassergefüllten Ausbruchkratern einstiger Vulkane, aus. Am größten Maar, dem Laacher See, erscheint das romanische Kloster Maria Laach ernst und verschlossen, als sei es nicht von dieser Welt. Um Daun liegen gleich drei Maare, jedes von anderem Charakter. In ihrer Zeitlosigkeit üben alle Maare auf den modernen Menschen eine geradezu bannende Kraft aus. Es ist, als blicke die Erde mit Urweltaugen zu dem hohen Himmel mit seinen reisenden atlantischen Wolkensegeln, am Totenmaar eingefaßt von den Wimpern der goldgelben Ginstersträucher. Die weinfrohe Mosel scheint unvorstellbar weit und doch wachsen schon bei Wittlich Tabak und Wein in sonnenwarmer Mulde. Das Eifeler Brot ist im ganzen Rheinland als kräftiges Bauernbrot beliebt ... wie sein flüssiges Pendant, der Eifeler Korn. Während am südlichen Rand der Eifel die gewundene Guirlande des Moseltales mit seinen fröhlichen Regimentern von Reb-Stöcken prangt, hat die Eifel gute Kornböden, im Maifeld, in der Pellenz und im Bitburger Gutland. Nicht alles ist Wald und Fels. Und so huldigt man hier auch dem sagenhaften König aus Flandern-Brabant mit Namen Gambrinus. Denn vor allem, wo das Wasser wie hier aus der Felsentiefe quillt, ist gut Bier brauen, von Weißenthurm bis Trier, in Bitburg, in Niedermendig mit seinen kühlen Felsenkellern, in Monschau wie in Gemünd.

Die angestrahlte Kasselburg bei Gerolstein.

Durch die Eifel läuft eine uralte Völkergrenze, die noch heute für das erfahrene Ohr an den Sprachformen hüben und drüben verspürbar ist und die einst als Schwarzbrot-Weißbrot-Äquator galt: der Vinxtbach. Seine frühgeschichtliche Bedeutung nahmen die Römer auf und schieden hier in ihrer Staatsorganisation Nieder- von Obergermanien.

Von Erdgeschichte und von Menschengeschichte erzählt die Eifel, die an sich garnicht gesprächig ist, durch die Fakten, die sie vorweist. Eine Landschaft der Ruhe, des großen Atemholens, noch heute, die vorbestimmt zu sein scheint, eine Oase der Besinnung und der Erholung in der Stille einer noch weitgehend unverdorbenen Natur zu sein. Die zwei ausgreifenden Naturparke im Norden und Süden, grenzüberschreitend nach Belgien und Luxemburg hin, werden ergänzt durch die Deutsche Wildstraße, die dem naturentwöhnten Zeitgenossen, fast in freier Wildbahn, alles Getier nahebringt, das der Landschaft zugehörig ist, aber dem Wanderer sonst nie vor das Auge oder gar die Kamera kommt. Die einzelnen Wildparke bei Gondorf nahe Bitburg, Birresborn, Gerolstein, Daun, Gillenfeld und Manderscheid können mit dem Auto durchfahren werden. Mehr von der Eifel haben allerdings die Fußwanderer, denen man wieder häufiger begegnet. Und mancher motorisierte übereilige beneidet sie, zumindest um den gesunden Durst, den sie sich so ganz nebenbei noch erlaufen.