Vom Eifelberg; mit der steinernen Krone

 

Hans Mühlhaus

 

Ein Einzelgänger unter den Vulkanköpfen zwischen Üß und Alf, hervorgehoben durch die weit sichtbare Höhe von 560 m, ist die Steineberger Ley. Am Fuße des Berges liegt Steiningen und auf seinem Höhenrand Steineberg. Beide Orte verdanken dem Berge ihren Namen, die nicht nur vom Basaltgestein des Berginnern zeugen, sondern auch hinweisen auf den Steinreichtum des Steinringes, den die Höhe trägt wie eine alte steinerne Krone.

Vom Steinring, Keltenring oder Steinwall, wie man ihn auch nennen mag, berichtet keine Urkunde. Niemand kann genau angeben, wann er entstanden ist, wer ihn geplant und erbaut und was er im Laufe der Geschichte erlebt hat. Er ist anerkannt als Denkmal vorgeschichtlicher Zeit, einer Zeit, die Jahrtausende zurückliegt. Verdeckt vom Dickicht des Waldes schläft er unter Brombeerranken den Schlaf der Vergessenheit. Die Steineberger Ley gehört zu den Tertiär-Vulkanen der Eifel. Ihr Kraterrand ist vor unvorstellbar langer Zeit vom Regen und Schneewasser abgespült. Am Rande des flachen Gipfels liegt der Steinring, der aussieht wie ein unvollendeter Straßenbau, wie eine aus groben Basaltklötzen gelegte Packlage von meist 3 m Breite. Es handelt sich um die Ruine einer Vorzeitburg. Der Hauptring, dem sich Nebenringe anschließen, hat einen Umfang von 500 m und umschließt eine 8 Morgen, d. s. 200 a oder 2 ha, große Fläche. Ehemals waren die Steinwälle Mauerwerke, deren Höhe von den Archäologen auf etwa 5 m angegeben wird. Die Steine waren sorgsam aufgeschichtet und wurden durch eingelegte Holzbalken zusammengehalten. Oben war die Mauer, die man auch „Gallische Mauer" nennt, zum ungehinderten Begehen mit Lehm abgedichtet. An ihrem talseitigen Rand bot ein Pfahlzaun den Verteidigern Schutz vor Anwürflingen aller Art. Die bereits seßhaft gewordenen Bewohner der angrenzenden Täler flohen in den Zeiten gefahrvoller Überfälle fremder Völker mit Vieh und Habe hinauf auf die Ley. Hinter den hohen Mauern, von denen die Männer die Angreifer abwehrten, waren sie geborgen und blieben solange, bis die Zeit der Not vorüber war.

Über die Entstehung der Vorzeitburgen ist keine absolute Zeitangabe möglich. Es darf jedoch angenommen werden, daß Steinfestungen dieser Art um 200 v. Chr., als die Zeit der Völkerwanderung begann, errichtet worden sind. Um den gewaltigen, von Osten und Norden einströmenden Volksfluten zu entkommen, gab es nur eine Rettung: auf günstig gelegenen Bergeshöhen, in treuer Zusammenarbeit aller, Bergungsorte zu schaffen.

Der Name Keltenring weist hin auf die Kelten als die Erbauer der Burg, er erinnert aber auch an das großmächtige Volk der Kelten, das im Altertum Europa beherrschte. Stämme dieses Volkes waren die Treverer (im Trierer Raum), die Gallier (Frankreich), die Briten (England) und die Galater (Griechenland und Kleinasien). Sie besaßen Viehherden, waren gewandte Reiter und verstanden es, aus Bronze und Eisen Schwerter und Äxte, aber auch kunstreichen Schmuck zu schmieden. Mit Bewunderung betrachten wir heute noch die Fundstücke aus den Hügelgräbern, die aus dem Bereich der Steineberger Ley stammen und im Landesmuseum in Trier zu sehen sind.

Wie oft mögen die Steinring-Burgen umstrittene Felsen in der Brandung der Völkerwanderung gewesen sein? Wir wissen es nicht. Erst den Römern gelang es, das tapfere Keltenvolk mit Gewalt und List zu unterwerfen. 50 v. Chr. stand Cäsar am Rhein. Mit ihm war die Zeit, von der nur die Steine reden, zu Ende gegangen.

Als vor Jahrzehnten Waldarbeiter auf der Ley eine Eiche fällten, fanden sie in einem hohlen Baum das Skelett eines Menschen. Da wob sich aus dunkler Erinnerung stückweise eine Sage zusammen, die Sage von der Schwedenschlacht auf der Steineberger Ley. Es war im Jahre 1644, gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges als ein Schwedenheer raubend und plündernd durch Maifeld zog. Die Maifelder Bauern zogen den Zerstörern ihrer Heimat nach und griffen sie zur nächtlichen Zeit auf der Steineberger Ley an. Die schlecht bewaffneten Bauern wurden jedoch überwältigt, und der letzte von ihnen mußte, eingezwängt und festgebunden in einen Baumspalt, „lange sterben". Bis zur Jahrhundertwende wurde in der nahen Pfarrkirche in Mehren eine Jahresmesse gelesen „für die Erschlagenen zu Steineberg".

Aus einem zufälligerweise gefundenen Brief aus dem Jahre 1644, den der Pastor von Weinfeld (am Totenmaar) namens Johannes Scheid an Dechant Johann Symon Zand von Merll geschrieben hat, geht hervor, aus welcher geschichtlichen Begebenheit die Sage tatsächlich entstanden ist. In dem Brief, der am Tage nach der Schlacht geschrieben worden war, heißt es: „... kan hiebey unberichtet nit laßen, waß gestalt gestern morgen, alß eine starke lotharingische Parthey bey Demerad die von verschiedenen Dörffern dorthin geflüchteten Leuth und Viehe angefallen, auch Übermeister, under ändern darüber entleibten Underthanen der Herr Pastor zu Wolmerod unschuldig und jämmerlich umbs Leben kommen ... Dhaun, d. 12. Juny 1644 ..." Demnach waren es nicht Schweden, sondern Lotharinger, also kaiserliche Truppen, die die Schlacht lieferten. Wahrscheinlich hatten sich die Bewohner der um die Ley liegenden Dörfer unter Führung des Pastors von Wollmerath in die alte Keltenburg (bei Demerath) geflüchtet, um ihr nacktes Leben und ihre letzten Habseligkeiten zu retten. Die „starke lotharingische Parthey" hatte sie jedoch aufgespürt, angegriffen, überwältigt und entleibt, d. h. auf grausame Weise gequält und gemordet.

Wahrscheinlich war damit die letzte geschichtliche Rolle des Steinrings auf der Steineberger Ley ausgespielt. Obwohl in der Folgezeit manche Fuhre mit Basaltsteinen vom Ring zu Baustellen in den Ley-Dörfern hinabrollte, vermittelt die Ruine immer noch ein eindrucksvolles Bild einstiger Größe und bestaunenswerter Leistung. Der Berg selbst bietet jedem Wanderer eine großartige Fernsicht über Täler und bewaldete Höhen mit zahlreichen kegelförmigen Erhebungen aus vulkanischer Zeit.