Heiligenhäuschen in der weiten Mayener Landschaft

Einspurig durch die Vulkaneifel

 

K, H. Bodensiek

 

In Andernach am Rhein wechselt man vom Schnellzug zum Personenzug über. Wer käme schon auf den Gedanken, daß hier Römer, austrasische Könige und Franken regiert haben; denn heute zieht man aus einer weit ausgreifenden Vergangenheit, aus der Erdgeschichte sehr realen Nutzen. Den wirtschaftlichen Segen deponierten die letzten Vulkane. Auf ihrer Asche erblühten die grauen Bimsgruben und Schwemmsteinfabriken, eine neben der anderen, bis an den Rand des fruchtbaren Maifeldes mit seiner beschwingten Geometrie der Äcker und Felder. Bald breitet sich Mayen mit seinen metallisch schimmernden Schieferdächern um die Genovevaburg und das seltsam verdrehte Spitzdach des Kirchturms von St. Klemens aus.

Daun, Mittelpunkt der Vulkaneifel

Jetzt beginnt eine Reise wie in Großvaters Kindertage. Die Eisenbahn schlingert die Höhe hinan, durch Waldschneisen, in weit gezogenen Bögen, bis sie bald ein grünes Tal fest in ihre Arme nimmt. Nach dem fast 400 Meter langen Geisbüsch-Tunnel und noch einem kleineren Stück Felsendunkel scheint die Landschaft in einer anderen Welt zu liegen. Ein Märchenbuch ist aufgeschlagen. Über Monreal stehen die Ruinen der Burg der Grafen von Virneburg auf ihren Felsenfüßen wie heilige Figuren im Saal der Geschichte und da es sich nicht um Attraktionen moderner Kunst handelt, von der Neugier nicht behelligt. Eine Landschaft von der Stille eines wenig populären Museums. An den Ufern der Elz reihen sich die Häuser, auf deren Fachwerkmustern die Sonne spielt. Ins Tal wallen die Waldberge herab und lassen tief unten nur einen schmalen Wiesenstreifen frei. Hinter einer schroffen Talkehre hat sich der Sommermittag zur Ruhe ausgestreckt. Unter Weidenbüschen leuchten ein paar bunte Zelte findiger Camper. Es müssen wahre Pfadsucher sein, die diesen namenlosen Fleck aufgestöbert haben; denn weit und breit ist keine Straße zu sehen. Dieses Tal der Selbstvergessenheit liegt unter dem blauen Himmel wie unter einer Glasglocke. Dann wird die Gegend freier. Hier grasen einige braunbunte Kühe. Dort hat sich eine kleine Ansammlung von Häusern an die Bahn gedrängt. Weit verstreut liegen die Gehöfte. Ein roter Trecker glüht in der Sonne, unfern von Laubach-Müllenbach. In Ulmen gleiten für kurze Zeit zwischen Jungfernsee und Burgruine am Maar Bahnstrecke und Autobahn Koblenz-Trier aneinander vorbei.

Und wieder Grün in allen Variationen. Soviele Nuancen eines einzigen Farbtones hat kein Maler auf der Palette. Die Natur ist unübertrefflich.

Vom Zuge aus beobachtet

Die sanfte Modellierung der Höhen wechselt mit Waldkulissen und weiten Fernblicken bis zu den Moselbergen hin. Hochsitze sind wie Wachttürme der Stille aufgestellt. Margeriten bekränzen die Feldraine. Auf einsamen Wiesen sind die Bauern auch am Sonntag bei der Heuernte. Der Duft liegt wie heilsame Würze in der Luft. Stattliche Bahnhöfe an Stationen, um die sich kaum Häuser scharen, träumen von vorgestern, von der großen Zeit der Eisenbahn. Heute muß der Zugschaffner immer wieder auch den Bahnhofsvorsteher und Fahrdienstleiter spielen. Korallenfarben prangen die Vogelbeeren. Eichelhäher bewachen eifersüchtig den Waldrand. Allerdings vom Zuge vermuten sie keine Gefahr.

Daun, wo sich am Rand der drei bekanntesten Maare die Fußtritte im Staub der Ewigkeit einsaugen, hält Distanz zu seinem Bahnhof. Hier beginnt die „Deutsche Wildstraße" mit dem größten von insgesamt sieben Wildgroßparks, die in der Zentraleifel entstehen, mit Hunderten von Rot- und Damwild. Weitere bereits eröffnete Gehege im Rahmen dieser Wildparkkette sind der Adler- und Wisentpark Kasselburg bei Gerolstein/Pelm und der Bärenpark in Gondorf. Der Hirsch- und Saupark Daun ist eigentlich mehr für die Autofahrer gedacht, die den Park mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern durchwandern dürfen.

Wer jedoch mit der Eisenbahn in die Eifel fährt, hat dafür andere Erlebnisse, die ihm keiner streitig machen kann, wie die Fahrt von Mayen nach Daun etwa, auch wenn es eine Reise in die Vergangenheit ist. Aber man gewinnt viel, wenn man auch etwas Zeit verliert. Denn es kann auch schon passieren, daß der Zug einmal durch einen menschenleeren Bahnhof schnauft, sich dann aber besinnt und zu seiner Pflicht zurückkehrt. Der Zugschaffner schließt die Tür des Stationsgebäudes zum Bahnsteig auf und die harrende Schar der Fahrgäste quillt heraus und kommt doch nicht um ihre sonntägliche Reise. Hier hat der Verkehr noch menschliche Züge und selbst ein läßlicher Fehler hat etwas rührend Verzeihliches an sich. Ein Glück, daß es noch hier und da einige anachronistische Eisenbahnstrecken dieser Art gibt. Sie ist der richtige Beginn zu Ferien vom Ich und damit Ferien zum Ich, etwa in einer der alten Eifelmühlen, die zu charaktervollen Hotels geworden sind, wie Molitors Mühle bei Eisenschmitt, die Heidsmühle im Tal der kleinen Kyll bei Manderscheid, die Binsenmühle bei Deudesfeld, die Alte Mühle bei Daun-Gemünden oder die Nettemühle, das schwedische Gästehaus bei Mayen.

Es lohnt sich, die Eifel immer von neuem zu entdecken.