Amt Kelberg - anno 181O

Werner Schönhofen

Die Zeit der französischen Herrschaft um 1800 brachte für das Rheinland grundlegende Wandlungen. Anstelle überkommener Herrschaftsverhältnisse traten territoriale Neuschöpfungen, die bis in unsere Tage nachwirken. Die französische Herrschaft im Rheinland wurde dann jedoch durch eine rd. hundertdreißigjährige preußische abgelöst. Preußen übernahm zunächst viele Einrichtungen aus der französischen Herrschaftsepoche. So wurden auch die ursprünglichen Mairien größtenteils als Bürgermeistereien weitergeführt. Preußens Verwaltung hatte dann auch zunächst großes Interesse, besonders großes militärpolitisches Interesse, die neuen Gebiete kennenzulernen. Die eingeführten Bürgermeister wurden daher angehalten, ihre Bürgermeistereien nach bestimmten Gesichtspunkten zu beschreiben. Eine solche Beschreibung existiert noch heute bei der jetzigen Verbandsgemeindeverwaltung Kelberg. Sie wurde von dem damaligen Bürgermeister Metten am 19. 12. 1819 abgeschlossen.

Einleitend steht eine allgemeine Beschreibung, die nach A. Bergen, B. Flüssen und Seen, C. Boden und Klima aufgeteilt ist. Bei der vorliegenden Beschreibung der Bürgermeisterei wird der angrenzende Hochpochtener Forst (Gemeinde Ulmen; reicht bis zum Höchstberg und weit ins Enderttal) als besonders schöne Waldung hervorgehoben. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß erst weite Teile der Eifel durch Preußen wieder aufgeforstet wurden; die dabei verwendete Fichte war der typische „Preußenbaum". Eine noch vorhandene gute Waldung war also des Erwähnens wert.

In der allgemeinen Beschreibung fährt Metten dann fort: „Das Clima ist rauh. — Die Hohe Nördliche Lage und der daher entstehende lange Winter, die Westlichen Gebirge, die verschiedenen Seen, Bäche und Waldungen verursachen eine größtenteils kalte, aber reine und gesunde Luft. — Die Sommer sind kurz und zuweilen sehr heiß. — Der Ackerbau ist sehr kärglich und mühsam. — Die rauhe Luft, Kälte und der lehmigte Boden sind die physischen Hindernisse, daß die Pflanzen nicht zur vollkommenen Vegetation und Crescenz gelangen können. Viehzucht ist ziemlich beträchtlich. Kein Handel, keine Industrie, welche besonders merkwürdig sind. — Ackerbau und Viehzucht sind die einzigen Nahrungsquellen. .. Das Volk hat eine ziemlich Moralische aber wenig Scientifische (Wissenschaftliche) Bildung. Bekennt sich zur Römisch-Katholischen Religion. — Die Lebensart sowohl als die Kleidung sind einfach. .."

Wallfahrtskapelle Schwarzenberg

Nach dieser allgemeinen Beschreibung seines Amtsbezirks beginnt Metten mit der Beschreibung der einzelnen zugehörigen Ortschaften; davon soll hier nur einiges wiedergegeben sein. — Kelberg hatte 1650 20 Häuser, z. Zt. Mettens sind es 47, „. .. meistenteils von Holz und Lehm und mit Stroh gedeckt. Das Pfarrgebäude, welches in den Jahren 1807 und 1808 neu gebauet wurde, ist das schönste. .. Zur Zeit als Kelberg noch aus einem oder etlichen Höfen bestanden hat, gehörte es zur Pfarrei Reifferscheid, wohin noch ein bekannter Weg über Wimbach führt. Zu besagtem Pfarr-Orte zu Reifferscheid befindet sich auch noch ein besonderer Kirchhof: der Kelberger genannt." Auf dem Hochkelberg sollen Tempelherren (Ritterorden) gewohnt haben, „wenigstens sind noch heutigen Tags alte Gemäuer sichtbar." — Bei seinen Angaben stützt sich Metten auf Äußerungen der Bewohner. Bei der damals allgemein niedrigen Bildung und der meist üppig wuchernden Fama sind seine Angaben über gewisse Orte manchmal mit Vorsicht hinsichtlich ihrer Tatsächlichkeit aufzunehmen; interessant sind sie in jedem Falle. Auf dem Schwarzenberg befindet sich eine Kapelle, in der während der Fastenzeit Andachten stattfinden. „Ein fanatischer Pöbel läßt die todtgeborenen Kinder dorthin tragen, um Lebens-Zeichen zu erbitten, welche sodann begraben werden." Sicher ist das ein Beispiel für die geringe Bildung unserer Vorfahren. — Kelberg hat eine gewisse Bedeutung durch die „Straße nach Malmedy und Koblenz"; es handelt sich um die heutige B 410. Kelberg hat daher „Wirtschaft und Kramerei". — Kelberg war in kurtrierischer Zeit zum Amt Daun gehörig, hatte jedoch ein eigenes Gericht (und war Sitz der kurfürstlichen Amtsförsterei, wie ich in einer anderen Veröffentlichung dargelegt habe). In der französischen Zeit gehörte es als Mairie (Bürgermeisterei) zum Kanton (kleiner Kreis) Ulmen. 1816 kam es dann als Bürgermeisterei zum neuen Kreis Adenau.

Es folgen nun die weiteren Orte der Bürgermeisterei Kelberg in alphabetischer Reihenfolge. Bei Bodenbach wird erwähnt: Kapelle mit einem Vikar, zur Pfarrei Kelberg gehörig. Zwischen Bodenbach und Borler befinden sich große Heideflächen. Der Hayerhof gehörte zur Abtei St. Maximin in Trier. 1802 wurde er Staatsdomäne. 1809 wurde er an einen Herrn Weckbecker verkauft, der ihn aber an eine „Compagnie von Borler, Bongart etc." weiterverkaufte. Das Besitztum wurde aufgeteilt, die Gebäude zerstört. Auch ein Mineralbrunnen wird erwähnt.

Gunderath wird als Rodung der Junker Wenz bezeichnet, „woher die dasigen Einwohner noch heutigen Tags eine Erbpacht unter dem Titel ,Wenzsches Lehen' abliefern."

Das heutige Höchstberg erscheint noch mit dem damaligen Namen Hausen; er wurde m. W. ja erst in den 40er Jahren des 20. Jhdts. geändert. In seiner Nähe sind noch Gemäuer sichtbar von einem ehemaligen Hof, Hilgersberg genannt.

Beim Dorfe Mosbruch wird ein See erwähnt in der stattlichen Größe von 90 Morgen, er „...ist ziemlich fischreich und wird alie drei Jahre ausgefischt." Der Abfluß des Sees (gemeint Mosbrucher Weiher) treibt drei Mühlen. Der See ist dem Johann Docter von Niederehe gehörig. — Das Dörfchen Üß gehörte damals zur Gemeinde Mosbruch, hat jedoch den Sitz der Pfarrei und der Schule. In Üß befanden sich ehemals zwei Höfe: Der Metternicher Hof ist in das Eigentum der Familie Emmerich übergegangen, die ihn m. W. auch heute noch besitzt. Der Ringelbacher Hof ist zu damaliger Ze:i schon verfallen. (Auf ihn werde ich in einer weiteren Veröffentlichung zurückkommen.)

Auch der Ort Nürburg gehört zu damaliger Zeit noch zur Bürgermeisterei Kelberg. Die Burg selbst war teilweise verfallen. 1784 war jedoch die Schloßkapelle in verhältnismäßig gutem Zustand. Zwei Glocken aus ihr wurden zugunsten der Pfarrkirche in Nürburg veräußert. — Der Burgberg wird wegen seiner erhabenen Lage zur Landvermessung benutzt. — Zur Gemeinde Nürburg gehörten damals weitere Orte, so Welcherath, dessen Umgebung zu kaum 3/8 als kultiviert bezeichnet wird. Brück, heute Brücktal, wird zur Unterscheidung Nürburg-Brück genannt. Weiter gehören Kirsbach, Reimerath und Bruchhausen zur Gemeinde Nürburg. „Diese ganze Gegend ist die schlechteste der Bürgermeisterei und gleicht dem schlechtesten Teile von Sibirien. In diesen Dörfern herrscht eine unbeschreibliche Armut." So schildert Metten diesen Landstrich! Heute käme er sicher aus dem Staunen nicht mehr heraus!

Aus der Fülle der angeführten Orte habe ich nur weniges aus der Beschreibung durch Metten erwähnt. Zum Schlüsse vermerkt er einige allgemeine Angaben. — Am 10. 10. 1794 rückten 10000 Franzosen als Besai-zung in unser Gebiet ein, was damals ein wahrhaft erschreckliches Ereignis für die Einwohner war. — 1796 trat eine Viehseuche auf, die alles Rindvieh hinwegraffte, ein ungeheurer Schaden für die Bauern. Eine Ziege kostete zu dieser Zeit 9—10 Krontaler, für damalige Zeit sicher ein Vermögen. — Es folgt nun die damalige Verwaltungsaufteilung und ihr Herkommen. —-1816/17 hatte unsere Heimat unter großem Mißwachs zu leiden: Ein Malter Korn kostete 12 Krontaler, ein Pfund Brot 7 Stüber. Metten schreibt etwa zwei Jahre später, als er die Chronik abschließt: „Ich mag mich dieser Epoche nur mit Grausen erinnern. Ich habe Leute gesehen, die Gräser in den Wiesen gesammelt und gegessen haben. Die erkälteten Grundbirnen (erfrorene Kartoffeln) wurden als Leckerbissen benutzt."

Alles Fachwerkhaus in Kelberg

Metten schließt seine Amtsbeschreibung am 19. 12. 1819. Später wurde sie von übergeordneten Stellen an das Bürgermeisteramt Kelberg zur Aufbewahrung zurückgegeben, wo sie auch heute noch ein wichtiges Dokument aus vergangener Zeit darstellt.

Torfstichgrube im Morsbrucher Weiher