Die Hillesheimer Barockorgel

Herbert Wagner

Die Orgel in der St.-Martins-Pfarrkirche zu Hillesheim kann wohl zu den wertvollsten Orgeln in der gesamten Eifel gezählt werden. Nachdem sie lange Jahre kaum mehr bespielbar war, wurde sie 1971—73 unter erheblichen Kosten von Grund auf restauriert und klingt nun wieder in alter Schönheit.

Die älteste Nachricht über die Orgel findet sich im Pfarrarchiv in einem Fragebogen vom Jahre 1846: „Das Orgelgehäuse . . . hat kein besonderes Gepräge; es wurde der Orgel angepaßt im Jahre 1772, wo selbe von den Stummen gefertigt wurde" 1).

Mit den „Stummen" sind die Brüder Johann Philipp Stumm (1705-76) und Johann Heinrich Stumm (1715-88) und wohl auch Johann Philipps Söhne Johann Philipp (1734-1814) und Johann Heinrich (1738-1819), die seit den 60er Jahren in der Werkstatt mitarbeiteten, gemeint. Wer von ihnen den Hauptanteil an der Erbauung der Hillesheimer Orgel hatte, ist heute nicht mehr festzustellen. In fünf Generationen haben Angehörige dieser Familien aus Sulzbach bei Rhaunen/Hunsrück Orgeln gebaut, von der Zeit des Barock bis in die Zeit der Hochromantik. Von diesen Orgelbauern, deren bedeutendstes Werk die große Barockorgel in der ehem. Benediktinerabtei Amorbach/Odenwald (1773-82) ist, berichten Zeitgenossen, daß sie „weit und breit berühmte . . . und kunsterfahrene Leute seien und viele kostbare, untadelhafte Werke gemacht hatten, ... die in der Dimension und Kraft des . . . vollen, runden, zarten Tons sich ganz originell auszeichnen, . . . und zwar durchweg in allen Registern, . . . eine Schönheit, die mehr empfunden als beschrieben werden kann" 2).

1772, unmittelbar vor der Amorbacher Orgel, bauten sie die Hillesheimer Orgel, die im Äußeren einen typisch Stummschen Aufbau zeigt3). Der siebenteilige Prospekt besteht aus einem großen, runden Mittelturm, zwei schmalen, nach außen abfallenden Harfenfeldern, zwei kleinen, runden Seitentürmen und zwei breiten, nach innen ansteigenden Harfenfeldern mit ursprünglich insgesamt 49 Prospektpfeifen (6-13-3-5-3-13-6). Die Verzierungen bestehen aus durchbrochenem Rokokoschnitzwerk und -Ornamenten an den Konsolen unter den Türmen. Auf Grund dieser Form des Orgelgehäuses, das auffallende Ähnlichkeit mit dem in Bendorf-Sayn (Stumm 1773-76) aufweist, und eines — später unbenutzten — Registerstangenbrettes von Stumm kann angenommen werden, daß die Orgel mit einem Unterpositiv bzw. Echowerk geplant war, das aber niemals ausgeführt worden ist.

1) Pfarrarchiv, Akten 34/1.

2) F. Boesken, Die Orgelbauerfamilie Stumm aus Rhaunen-Sulzbach und ihr Werk. Mainzer Zeitschrift 5/1960, S. 53

3) Vgl. Boesken, S. 56 f. und Tafel 12

Denn so weit sich ermitteln ließ, bestand die Stummsche Disposition im Manual (C-c'") aus:

1) Principal 8' im Prospekt

2) Gamba 8'

3) Bordun 8' B/D

4) Flaut travers 8', D ab c'

5) Trompete 8' B/D

6) Krummhorn-Hautbois 8' B/D

7) Vox humana 8' B/D

8) Cornett 4 '4fach, D ab c'

9) Octave 4'

10) Flaut dous 4' gedeckt

11) Quinte 3'

12) Octave 2'

13) Terz 1 3/5'

14) Mixtur 1' Sfach

und im Pedal (C-c°) aus:

15) Subbaß 16'

16) Octavbaß 8'5).

Weil die Windlade von Stumm 1870/72 auf 18 Schleifen mit 54 Kanzellen (C-f") erweitert wurde, nahm Boesken nach einer äußerlichen Untersuchung irrtümlich an, daß die Orgelbauer Stumm schon 1772 eine voll chromatische Orgel gebaut hätten, „während f" aber erst seit 1789 nachgewiesen ist", und glaubte, daß durch die Hillesheimer Orgel „die obere Klaviaturgrenze mit f" schon für 1772 belegt" wäre6).

Im Laufe der Zeit hat das wertvolle Werk durch Reparaturen und Umbauten schwere Eingriffe in seinen originalen Klangaufbau und seinen ursprünglichen Pfeifenbestand erfahren. „Es wurde nicht nur dem ursprünglich großen einmanualigen Werk7) ein zweites Manual hinzugefügt, sondern auch der einer Stumm-Orgel besondere Klangcharakter genommen . . . durch Umstellen von Registern, Veränderungen der Aufschnitte und Hinzufügung von artfremden Registern"s). Das geschah schon z. T. beim „Aufstellen und Verändern der Kirchenorgel" durch Orgelbauer Christoph Gramer, Gerolstein, nach dem Neubau der Kirche 1852: Beim Einsturz des Turmes 1851 war das in ihm gelagerte Orgelgehäuse zertrümmert worden und mußte wenigstens teilweise neu gefertigt werden. Welche Veränderungen am Werk vorgenommen worden sind, ist nicht bekannt9).

Ein großer Umbau im romantischen Sinn wurde 1870/72 von Orgelbauer Christian Müller, Reifferscheid, vorgenommen. Dabei wurde die Orgel von der Empore zurückversetzt, um 0,80 m angehoben und um 1,50 m vertieft. Neu eingebaut wurde ein Unterpositiv auf der Stummschen Windlade mit den Registern: Geigenprincipas 8'; Salicional 8', C-F aus Geigenprincipal; Fernflöte 8'; Hohlflöte 8' B/D; Euphon 8' B/D; Fugara 4'; Rohrflöte 4'; Quinte 2 2/3' ab fis°; Octave 2', C-H neu, ab c° aus Terz 13A' (Stumm). Das Hauptwerk mit neuer Windlade bekam die Register: Principal 16', C-H Holz neu, ab c° im Prospekt (Stumm); Bordun 16' ab c° (alte Bleipfeifen, aber nicht von Stumm); Principal 8'; Gamba 8' (Stumm); Bordun 8' B-D (Stumm); Flaut travers 8', D ab c' (Stumm); Cornett 4' 4fach, D ab c' (Stumm); Octave 4' (Stumm); Flaut dous 4' (Stumm); Quinte 3' (Stumm); Octave 2' (Stumm); Mixtur 1' Sfach (Stumm); Trompete 8' B/D (Stumm). Das Pedal wurde erweitert: Subbaß 16' (C-c° Stumm); Violon 16'; Posaune 16'; Octavbaß 8' (C-c° Stumm); Octavbaß 4' (Spitzflöte angeschrieben). Die Stummschen Pfeifen wurden einen Halbton nachgerückt und entsprechend verkürzt. Nicht übernommen wurden die Register Vox humana 8' und Krummhorn-Hautbois 8'10). Die Füllungen des erhöhten Gehäuses bekamen vier kleine Rundbogenöffnungen.

Bei einer Teilreparatur 1902 wurde wahrscheinlich die Gamba 8' von Stumm gegen eine neue Gamba ausgetauscht; 12 Pfeifen der alten Gamba wurden in ein Salicional 16' im Unterpositiv eingebaut.

Unterschriften der Gebrüder Stumm, Erbauer der Hillesheimer Orgel

Im Kriegsjahr 1917 mußten die 49 Stummchen Prospektpfeifen aus Zinn an die Metallsammelstelle abgeliefert werden. Nach Reparaturen an der Orgel im Jahre 1919 durch Orgelbauer Franzen, Trier, wurden sie 1929 durch 47 Zinkpfeifen 6—11/5 blind 3 - 5 - 3 - 13/6 blind - 6) ersetzt. Bei gleicher Gelegenheit tauschte Orgelbauer Josef Weimbs sen., Hellenthal, Quinte 2 2/3' (Müller) und Octave 2' (Stumm) gegen Vox coelestis 8' und Aeoline 8' im Positiv aus "). Zur Substanz der Stumm-Orgel gehörten vor der Restaurierung also nur noch die Pfeifen der o. g. Register 2 (12), 3, 5, 8-12, 14 (z. T.), 15-16 (je 13), eine Windlade, z. T. das Holz- und Schnitzwerk des Gehäuses und Prospektes und ein unbenutztes Registerstangenbrett. Nach dem Gutachten von Kirchenmusikdirektor Hans Huiverscheidt, Orgelsachbearbeiter des Landeskonservators Rheinland in Bonn, Aachen, sollte sich die Restaurierung der Orgel — abgesehen von den notwendigen Reparaturen usw. — auf „die Zusammenführung der seit 1872 auseinandergerissenen Teile und auf die Wiederherstellung eines klanglich wie technisch einheitlichen Werkes unter Ausmerzung späterer fremder Zutaten" erstrecken. Ferner sollten wieder 41 Prospektpfeifen aus Zinn (6-9-3-5-3-9-6) und die nicht mehr benutzbaren oder nicht mehr vorhandenen ursprünglichen Register nach bekannten Stummschen Mensuren neu angefertigt wurden 12). Die Orgel hat nun 28 klingende Register mit 1650 Pfeifen, 3 Koppeln (l/ll, l/P, II/P) und 2 freie Kombinationen in folgender Disposition:

I. Manual — Hauptwerk (C-f):

1) Principal 8' (neu)

2) Gamba 8' (Müller)

3) Bordun 8' (Stumm)

4) Flaut travers 8' ab c' (Müller)

5) Trompete 8' (neu)

6) Krummhorn/Hautbois 8' (neu)

7) Vox humana 8' (neu)

8) Octave 4' (Stumm)

9) Flaut dous 4' (Stumm)

10) Cornett 4fach 4' ab c' (neu)

11) Quinte 2Va' (Stumm)

12) Octave 2' (Stumm)

13) Terz 1 3/5' (neu)

14) Mixtur Sfach 1' (neu)

II. Manual - Unterwerk (C-f'"):

15) Salicional 8' (Müller)

16) Gedeckt 8' (Stumm)

17) Krummhorn/Trompete 8' (neu)

18) Principal 4' (Müller)

19) Rohrflöte 4' (Müller)

20) Gemshorn 2' (neu)

21) Octave 2' (Müller)

22) Quinte 1 1/3' (neu)

23) Mixtur Sfach 1' (neu) Tremulant

Pedal werk (C-f):

24) Subbaß 16' (Müller)

25) Violonbaß 16' (Müller)

26) Posaune 16' (neu)

27) Octavbaß 8' (Müller)

28) Spitzflöte 4' (Müller)

Der alte Spieltisch war seitlich an die Orgel angebaut, der neue Spieltisch mit 2 Manualen (2 x 54 Tasten) und Pedal (30 Tasten) steht frei vor der Orgel und hat eine elektrische Registersteuerung. Die mechanische Spieltraktur und die Pedalwindlage sind neu, das Hauptwerk hat wieder die Stumm-Windlade bekommen, im Unterwerk wurde eine alte Windlade (frühes 19. Jh.) neu eingebaut. Die Arbeiten wurden ausgeführt von Orgelbauer Josef Weimbs jun., Hellenthal. Bei der Restaurierung des Orgelgehäuses fanden sich an den Ornamenten alte Farbreste, nach denen das gesamte Gehäuse von Restaurator Frankfurt eine neue Farbfassung erhalten hat. Im Unterbau wurden neue Füllungen eingesetzt, die beiden mittleren mit Rocaille-Ornament und Stabgitter. Die Orgel, „die die Ausdruckskraft aller Instrumente in sich vereinigt, auch jene vox humana, die engelgleiche menschliche Stimme" 13), bietet sich nun auch äußerlich wieder als ein Meisterwerk barocker Orgelbaukunst. Seit der Restaurierung haben namhafte Künstler des In- und Auslandes auf ihr mehrere viel beachtete Konzerte gegeben und eine Schallplatte aufgenommen u).

4) Vgl. Boesken, Tafel 12.

5) Pfarrarchiv, Akten „Orgel'724. «) Pfarrarchiv, Akten „Orgei"/1.

7) Im Vertrag mit Müller von 1870 heißt es: „Die Gebrüder Müller erhalten auch zu ihrem Eigentum die 2 alten Klaviaturen, die Vox humana und beide alten Bälge nebst Gestell". (Pfarrarchiv, Akten 39/7)

8) Pfarrarchiv, Akten ,.OrgeI"/6a.

9) Pfarrarchiv, Akten 49/67 f., 80 und 116.

10) Pfarrarchiv, Akten „Orgel'724; Akten 39/7-10.

11) Pfarrarchiv, Akten „Orgel'724.

12) Pfarrarchiv, Akten „Orgel'724.

13) H. Bahrs, Konzert in Amorbach. Heimatkalender Bernkastel 1958, S. 91.

14) Zu haben über das Pfarramt Hillesheim.