Institut für Medizin der Kernforschungsanlage Jülich mit seiner Klinik

Die Klinik in der Kernforschungsanlage

Jülich GmbH

 

Dr. med. A. Höck

Vor 10 Jahren bezogen Ärzte, Schwestern, Pfleger, technische Angestellte und nicht zuletzt die ersten Patienten das Institut für Medizin der Kernforschungsanlage Jülich, jenes Haus, das mit seiner Klinik mitten in den Wäldern des Stetternicher Forstes in einem Großforschungszentrum errichtet wurde. Heute noch ist die Idee, eine Klinik dort zu errichten, wo neue Techniken und Meßverfahren zum Segen der Menschen entwickelt werden, einmalig in Deutschland und findet auch weltweit kaum ihresgleichen. Ohne die enge Verbindung zwischen Patient und Arzt wären diesem Institut nicht die Erfolge beschieden gewesen, die es weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht haben. Auch hätten jene Untersuchungsmethoden und Meßverfahren, die zur Erkennung und Behandlung bestimmter Erkrankungen entwickelt wurden, nicht diesen breiten klinischen Einsatz gefunden.

Beim Bau und bei der Ausstattung der Klinik in der Kernforschungsanlage Jülich sind die modernsten Erkenntnisse berücksichtigt worden. In einem gesonderten Trakt liegen auf zwei Stationen die Zweibettzimmer, die so eingerichtet sind, daß selbst größere Mengen radioaktiver Substanzen zur Heilung bestimmter Erkrankungen einem Patienten verabreicht werden können, ohne andere Patienten oder die Umwelt zu gefährden. Abseits des Patiententraktes, in dem auch die ambulanten Untersuchungsräume eingerichtet sind, liegen 2 Labortrakte mit einer jeweils modernst ausgestatteten röntgen- und nuklearmedizinischen Abteilung. Im Tiefkeller sind die Bestrahlungsgeräte, eine Cobalt- und eine Caesiumquelle untergebracht. Außerdem ist in dem Keller unterhalb des Patiententrakts ein Ganzkörperzähler eingerichtet worden.

Das Institut wurde für seine besonderen Aufgaben sorgfältig geplant und ausgebaut. Neben Isotopendiagnostik und Isotopentherapie werden hier alle konventionellen Untersuchungsmethoden angewandt. So wurde auf die Ausstattung und den Ausbau des klinisch-chemischen Labors besondere Sorgfalt verwandt, da auch in einer nuklearmedizinischen Klinik nur dann eine Isotopendiagnostik bzw. Isotopentherapie betrieben werden kann, wenn konventionelle Methoden zur Erkennung bestimmter Erkrankungen nicht ausreichen.

Über die Zahl der in den Jahren 1967 bis 1973 in der Klinik der Kernforschungsanlage Jülich durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen gibt die Tabelle Auskunft

Statistik der Klinik des Institutes für Medizin der Kernforschungsanlage Jülich GmbH

1967

1968

1969

1970

1971

1972

1973

Klinische Stationen

Stationäre Behandlungsfälle

687

484

521

553

506

437

412

Durschnittliche Behandlungsdauer (Tage)

8,5

11,8

11,1

10,5

9,5

11,1

12,3

Ambulanz Klin. Untersuchunaen und Behandlunaen

Zahl der Patienten

915

1277

1596

2278

3456

3168

5702

Zahl der Behandlungen

1435

3763

3754

5308

6857

8048

18263

Klinik und Ambulanz Nuklearmedizin:

Isotopendiagnostik

1162

1307

1395

1899

1909

2942

3835

Isotopentherapien

98

88

99

92

111

96

103

Laboruntersuchungen mit Isotopen

601

623

1070

1599

2767

6424

7744

Röntgenabteilung Zahl der Untersuchungen

Klinik u. Ambulanz

3388

3328

3799

5099

3360

3655

4830

Bestrahlungen: Caesium und Kobalt

Zahl der Patienten

82

94

117

182

135

115

147

Zahl der Bestrahlungen

2292

2131

2057

2244

2122

3063

7219

Allgemein gilt, daß mit Hilfe nuklearmedizinischer Methoden eine exakte Diagnose und eine frühe Erkennung bestimmter Erkrankungen ermöglicht werden sollen. Dabei können nicht nur Organe und bestimmte Organbereiche dargestellt werden, sondern auch die Funktion dieser Organe beurteilt werden. Dies geschieht durch Verwendung radioaktiver Substanzen, die in nicht schädlicher Menge dem Patienten verabreicht werden. Die radioaktiven Substanzen, die Isotope genannt werden, reichern sich je nach Art des angewandten Isotops in bestimmten Organen an. Da sie zerfallen und dabei energiereiche Strahlen abgeben, kann ihre Anwesenheit in den Organen mit Hilfe von Aktivitätszählern von außen registriert und aufgezeichnet werden (Abb. 2). Tastet man mit diesen Aktivitätszählern den Bereich ab, in dem sich das untersuchte Organ befindet, so lassen sich die erhaltenen Werte bildlich darstellen. Dadurch wird eine Beurteilung der Organgröße möglich. Verfolgt man zusätzlich Aufnahme und Ausscheidung des Isotops über dem Organ, so ist eine weitere Aussage über den Funktionszustand des Organs möglich.

Als Beispiel für eine solche Untersuchung sei die Schilddrüse erwähnt. Von ihr ist bekannt, daß sie fast alles Jod, das dem Körper angeboten wird, an sich reißt. Jod wird in der Schilddrüse zur Synthese des lebensnotwendigen Schilddrüsenhormons Thyroxin benötigt. Verabreicht man nun radioaktives Jod, so reichert es sich in der Schilddrüse an. Da das radioaktive Jod Strahlen aussendet, kann man durch Registration dieser Strahlen die Größe der Schilddrüse bestimmen und durch wiederholte Aktivitätsmessungen den Verbrauch des angebotenen Jods und damit die Intensität der Hormonsynthese prüfen.

Aktivitätszähler (Scanner) zur Beurteilung von Größe und Funktion eines Organs

Diese Art Untersuchungen sind seit längerem bekannt und weltweit verbreitet. Neben diesen Verfahren finden in der Klinik der KFA in immer stärkerem Maße neue nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden Anwendung. So wird z. B. der Abbau des Hormons Insulin, dessen Mangel bekanntlich zu der Zuckerkrankheit führt, mit einer besonderen Isotopentechnik verfolgt. Andere Verfahren wiederum dienen der Bestimmung der mechanischen Leistung des Herzmuskels oder untersuchen Zellverlust und Zellvermehrung im intakten lebenden Organismus. Aus der zuletzt erwähnten Untersuchung erhofft man sich für die Diagnostik und Behandlung der Krebskrankheiten nützliche Informationen.

Als Beispiel für die neuentwickelten Untersuchungsmethoden sei hier die Herzfunktionsdiagnostik mit Hilfe der in der KFA entwickelten Gamma-Retina erwähnt (Abb. 3). Beim Herzen wird durch wiederholte Kontraktionen das Blut, das sich in den Herzhohlräumen befindet, regelmäßig in die Arterien gepumpt. Diese Pumpleistung kann mit radioaktiv markiertem Blut ohne Belästigung und Gefährdung des Patienten sehr exakt gemessen werden. Zu diesem Zweck injiziert man in eine Armvene ein radioaktives Element zur Markierung des Blutes, z.B. lndium-113m, und mißt mit einem Aktivitätszähler über dem Herzen den Ein- und Ausstrom des radioaktiv markierten Blutes. Diese Messungen informieren über die Zeit, die ein Isotop benötigt, um das Herz einmal zu passieren. Da das radioaktiv markierte Blut sehr schnell durch die einzelnen Herzabschnitte strömt, sind für diese Untersuchungen sehr empfindliche Meßgeräte — sogenannte schnelle Gamma-Kameras — erforderlich. Diese ermöglichen es, an zahlreichen Punkten über dem Brustkorb die Radioaktivität simultan in Zeitabständen von 1/10 Sekunde zu registrieren und die so gewonnenen Ergebnisse in Abhängigkeit von der Zeit als Kurven auszuschreiben.

Bei der Analyse der so erhaltenen Zeitaktivitätskurven interessiert nun diejenige Zeit, die notwendig ist, um das radioaktiv markierte Blut von einem Herzabschnitt zum anderen zu transportieren. Diese Passagezeiten werden sowohl für die einzelnen Herzabschnitte als auch für das gesamte Herz ermittelt. Sie werden als minimale Transitzeiten bezeichnet und können sehr genau bestimmt werden. Da sich die minimalen Transitzeiten verlängern, sobald die Pumpleistung des Herzens abnimmt, liefern sie einen sehr empfindlichen Parameter zur Beurteilung der mechanischen Leistung der Herzmuskelzelle. Des weiteren liefert diese Methode wertvolle Hinweise zur Erkennung von Herzklappen-fehlem, was sich in einer charakteristischen Verlängerung der Transitzeit in den einzelnen Herzsegmenten ausdrückt. Aber auch der Therapieerfolg bestimmter herzwirksamer Medikamente kann mit diesem Verfahren kontrolliert werden. Letztlich ist es von Bedeutung, daß Patienten mit nervösen Herzbeschwerden eine Transitzeitverkürzung zeigen, wodurch eine sichere Abgrenzung nervöser von organischen Herzerkrankungen möglich wird.

Über die Diagnostik mit Isotopen hinaus, können diese aber auch zur Behandlung bestimmter Erkrankungen innerlich oder äußerlich angewandt werden. Bei der inneren Anwendung werden Isotope verwandt, die sich ausschließlich in einem bestimmten Gewebe anreichern oder aber aufgrund ihrer Strahlenqualität nur in begrenzten, heilungsbedürftigen Körperabschnitten wirksam sind. Bei der äußerlichen Anwendung von Isotopen handelt es sich in der Klinik der KFA um die Cobalt- und Caesiumquelle, in denen die radioaktiven Elemente Cobalt und Cae-sium in einer entsprechenden Abschirmung eingeschlossen sind. Diese Quellen dienen der Behandlung von bestimmten Erkrankungen, insbesondere von Geschwulstleiden.

Zum Schluß darf festgestellt werden, daß die in der Klinik der KFA Jülich durchgeführten Untersuchungen stets in enger Zusammenarbeit mit den Hausärzten, den umliegenden Krankenhäusern und Universitätskliniken durchgeführt werden. Nur so ist gewährleistet, daß auch in den kommenden Jahren die Nuklearmedizin rapide Fortschritte macht und damit zur frühen. Erkennung und Behandlung von Krankheiten immer stärker beiträgt.

Gamma-Retina zur Beurteilung der Herzfunktion