Eine Eifeler Gespenstergeschichte

Willi Steffens

Wie sich sämtliche Gespenstergeschichten als rein natürliche Vorgänge erklären lassen, so auch bei dieser Geschichte. In Steiningen, wo ich 15 Jahre lang als Lehrer tätig war, wurde mir folgendes für wahr erzählt. Seit Tagen schon arbeitete im Dorfe der Dachdecker aus dem Nachbarort L. M. mit seinem Sohne. Nach Feierabend wanderten die beiden durchs Alfbachtal auf schmalem Pfade zum Bahnhof Darscheid. Plötzlich huschte in der Dämmerung eine weiße Gestalt vor ihnen über den Weg dem nahen Walde zu. Der Junge war nicht mehr von der Stelle zu bewegen. Mit zitternder Stimme lallte er: „Vatter, dat woar e Jespenst!" Der Alte, der kein Hasenfuß war, schimpfte ihn aus, er solle doch nicht an Gespenster glauben. — Am nächsten Abend, fast zur selben Zeit, führte der Weg die beiden wieder an dieser Stelle vorbei. Und abermals huschte der Spuk an ihnen vorbei in den Wald. Der alte Dachdecker nahm seinen dicken Stock, den Hermeskeiler, wie man sie nannte, fester in die Hand und jagte dem vermutlichen Gespenst nach, während der Sohn auf dem Pfade ängstlich auf die Rückkehr des Vater wartete. Er hörte nur die hastigen Schritte der Dahineilenden. In Schweiß gebadet, kehrte der Vater nach etwa 10 Minuten zurück. Der Geist war ihm zu schnell gewesen, aber ein andermal wollte er ihn doch fassen. Tatsächlich erschien auch am nächsten Abend wieder der Spuk und sauste in den Wald. Noch fester nahm der Dachdecker seinen Stock in die Hand und jagte ihm nach. Er wollte ihn diesmal wirklich erwischen und entlarven. Immer näher kamen sich die Laufenden. Im dunklen Wald aber kamen beide nicht recht voran. Über Baumwurzeln strauchelte der Fuß, dichtes Gestrüpp hemmte den Schritt. Da, auf einmal stutzte der Dachdecker! Was war das? Bewegte sich dort nicht ein Licht? Aus dem einen Licht wurden 2, 3 und immer mehr. Das war nun auch dem beherzten Mann etwas unheimlich. Plötzlich aber vernahm er Stimmen im Eifler Dialekt. Der Dachdecker rief die Leute an und blieb stehen. Er erfuhr nun, daß sie aus dem Nachbarort Meiserich waren. Sie suchten ein geisteskrankes Mädchen, das schon öfters abends weggelaufen sei. Das Mädchen hatte sich ein weißes Bettuch umgeschlagen und lief gleich einem Geist umher. Nun war das Gespenst erkannt. Der Dachdecker zeigte den Leuten die Richtung, nach welcher das Mädchen gelaufen war. Dann ging er beruhigt zurück zu seinem Sohn, der nun auch vom Geisterglauben geheilt zu sein schien, nachdem ihm der Vater alles berichtet hatte.