Auf Eisenreifen von Malmedy nach Gerolstein

Das vermutlich älteste Fahrrad im Gerolsteiner Kreisheimatmuseum

Dr. Batti Dohm

Das Kreisheimatmuseum in Gerolstein hat neben vielen anderen Ausstellungsstücken eine technische Sehenswürdigkeit, um die selbst das bekannte Deutsche Museum in München es beneiden kann. Es ist das vermutlich älteste Fahrrad mit Pedalen, das aus Deutschland bekannt ist. Sein Erbauer ist der im Jahre 1843 in Gerolstein geborene Schmied- und Stellmachermeister Joh. Peter Schneider (gest. 1914), der das Rad als Gesellenstück anfertigte und mit ihm im Jahre 1863 von Malmedy nach Gerolstein fuhr. Um die Bedeutung des Rades zu erklären, ist eine Rückschau über die Entstehungsgeschichte des Fahrrades nötig.

Im Jahre 1817 führte ein badischer Oberforstmeister mit Namen Drais in Mannheim ein von ihm erfundenes zweirädriges sog. Laufrad vor. Es wurde nach seinem Namen „Draisine" genannt und erntete mehr Heiterkeit als Anerkennung, da es nur durch Laufen in Bewegung gesetzt und gefahren werden konnte.

Seine Erfindung wurde dann von einem Schweinfurter namens Fischer wieder hervorgeholt und von einem Franzosen namens Micheaux mit Pedalantrieb versehen. Das war im Jahre 1867.

Den Ruhm, das erste Fahrrad der Welt erbaut zu haben, nimmt deshalb Frankreich für sich in Anspruch. Ob mit Recht, erscheint nunmehr zweifelhaft. Denn das Fahrrad im Kreisheimatmuseum stammt, nach mündlicher Familienüberlieferung, aus dem Jahre 1863.

Der erwähnte Hersteller, am 1. August 1843 in Gerolstein geboren, war zu einem Schmied und Stellmacher nach Malmedy in die Lehre gekommen, und hat es als Gesellenstück gebaut. Leider fehlen die schriftlichen Unterlagen z. B. Gesellenbrief. Fest steht jedoch, daß er im Jahre 1863 mit diesem Rad von Malmedy nach Gerolstein fuhr. Seine Tochter, inzwischen verstorben, wußte noch zu berichten, welchen Eindruck der junge Schmiede- und Stellmachergeselle damals in den Dörfern und Städtchen machte, die er mit dem Rade durchfuhr. Viele bekreuzigten sich und schlugen die Haustüren zu. Andere riefen ihm nach „Verrückter Scherenschleifer"!

Hier in Gerolstein, wo J. P. Schneider, „Hampitter", wie er genannt wurde, sich niederließ, wurde sein „Velociped" — so nannte man damals das Rad — viel bewundert, und der junge Handwerker machte damit viele Fahrten. Als dann einige Jahre später die Hoch- und Dreiräder mit Stahlspeichen und Vollgummireifen aufkamen, war Joh. Peter Schneider auf seinem Rad nicht zu schlagen. Wie die Abbildung zeigt, bestanden seine Speichen, wie bei den Wagenrädern, aus Holz. Der Sattel war eine Eisenplatte.

Welche Wertschätzung er seiner Erfindung beimaß, geht daraus hervor, daß er es bis zu seinem Tode im Jahre 1914 sorglich pflegte, wenn er es nach der Erfindung der Luftreifen, des Freilaufs, der Kugellager und Rücktrittbremse, die etwa 1885 aufkamen, auch nicht mehr benutzte.

Der Sorgfalt seiner Tochter ist es zu danken, daß das Rad die Bombenangriffe überstanden und jetzt den ihm gebührenden Ehrenplatz im Kreisheimatmuseum gefunden hat.