Der „Heimatverein Niederbettingen e.V. stellt sich vor

Matthias Weber

„Dieser Verein wird kein Jahr alt!", prophezeiten die ärgsten Skeptiker im Dorf. Auf die Frage nach dem Grund für dieses düstere Urteil hieß es dann, wie abgesprochen: „In Niederbettingen hält kein Verein länger." Das klang, als handele es sich um ein Naturgesetz. Männer waren es hauptsächlich, die so sprachen. Sie verkannten dabei offensichtlich, daß ihnen die „Niederbettinger Frauen" schon seit einigen Jahrzehnten das Gegenteil bewiesen. Der „Katholische Frauenbund Niederbettingen" „hält" ja bereits seit Ende des letzten Krieges. Gewiß, insbesondere dem unermüdlichen Mut und Gemeinschaftsgeist weniger Frauen, vielleicht sogar nur einer einzelnen, ist der organisatorische Zusammenhalt und und Fortbestand dieser Gruppe zu danken. Und nicht nur das. Auch die Ausrichtung von Altentagen, Ausflugsfahrten, Werk-, Näh- und Kochkursen geht auf die Initiative des Frauenbundes zurück. Was das alles wert ist, ermißt man am besten an dem Nichts, das sonst in dieser Hinsicht am Ort „los wäre". All dies geschieht in geistiger und — durch die Benutzung des hiesigen „Pfarrsälchens" — buchstäblich auch räumlicher Nähe zur Kirche. Aus alter Tradition. Die Kirche — Amtskirche und Gemeinde — spielte und spielt in der Niederbettinger Dorfgeschichte, wie in vielen Eifeldörfern, eine bedeutende Rolle. 'Nicht nur wegen der frühen Christianisierung des Eifelraumes. Was in Niederbettingen an Vereinigungen von langer Dauer war, hatte meist religiöser bzw. kirchlicher Sinn geformt und durchdrungen. Vergessen sind heute die Lebensäußerungen der „St. Josefs- und Mariabruderschaft", die bereits 1633 — noch während des Dreißigjährigen Krieges oder gerade wegen dessen Auswirkungen (?) — am Ort bestand. Nach wechselvoller Geschichte, zeitweilig unter dem für uns Heutige etwas fern und merkwürdig klingenden Titel „Marianische Liebesversammlung", blieb sie immerhin am Leben bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts (1823). Eine eigene Untersuchung wäre diese „Bruderschaft" wert. In unserem Zusammenhang ist sie jedenfalls ein schlagender Beweis dafür, daß das wohlmeinende Vorurteil, in Niederbettingen sei jede Vereinigung von kurzer Lebensdauer, bestenfalls die halbe Wahrheit trifft. In moderner Zeit bestätigt ferner die Geschichte der „Freiwilligen Feuerwehr Niederbettingen" die hoffnungsvolle Tatsache, daß auch eine rein „weltliche" Vereinigung am Ort, die auf freiwilliger Basis zustandekam, nicht unbedingt vom frühen Tod gezeichnet sein muß. Die Männer der Niederbettinger Feuerwehr vereint nicht nur das Feuerlöschtraining für den Notfall nach dem Kommando „Wasser marsch". Auch gesellige Regungen, wie sollte es anders sein, sind ihnen nicht fremd: vom feuchtfröhlichen Aufstellen des „Maibaums" bis zum munteren Ausflug an die Mittel-Mosel. t?och vertiefen wir hier nicht weiter das Niederbettinger Vereinsleben allgemein. Im kleinen 250-Seelen-Dorf an der mittleren Kyll blüht es kaum zu üppig.

Bleiben wir beim „Heimatverein Niederbettingen"! Er hat das magische erste Lebensjahr längst — nämlich am 31. 5. 1975 — in strahlender Gesundheit überschritten. Er fühlt sich bestens in Form und berechtigt nach Programm und bisher gezeigter Energie zu erfreulichen Hoffnungen für die Zukunft des bislang in der Öffentlichkeit kaum bekannten Eifeldorfs. Selbstverständlich und mit Recht will dies auch schöner werden".

Schutzhütte „Heimatblick" Niederbettingen

Dorfbewohner und Heimatverein scheuen dazu keine Anstrengungen. Zugegeben, der Name „Heimatverein", den „einige gleich-gesinnte Freunde von Niederbettingen" am 31. 5. 1974 im Lokal A. Müller diesem Verein bei der Gründung gaben, tanzt zumindest für den Bereich der Vereine in der Verbandsgemeinde Hillesheim etwas aus der Reihe. Das könnte eher Irrtümer und mitleidiges Lächeln auslösen als beifällige Zustimmung. Gibt es nicht schon rührige Ortsgruppen des großen und verdienstvollen EIFELVEREINS in der näheren Umgebung genug, um etwas für die Heimat zu tun? Machten die Gründer des Heimatvereins aus der Not, daß sie etwa nicht genügend Sanges- oder Musikantentalente für einen Spezialverein zur Verfügung hatten, gar die Tugend, einen allgemeinen Verein zu bilden? Nicht deshalb! Wie kürzlich Vorsitzender Hugo Biesewinkel, einer der Gründerväter, berichtete, ging es von vornherein darum, eine „kulturelle, verbindende und demokratische Vereinigung ins Leben zu rufen". Ihre Mittel sollen nach der Vereinssatzung „allein dem Wohle der umweltfreundlichen Gestaltung, Verschönerung, kultureller Aufgaben sowie der Fremdenverkehrsförderung, örtlich und überörtlich dienen". Fürwahr, unter diese wichtigen Ziele lassen sich im einzelnen viele und vielerlei Gemeinschaftsaufgaben einordnen. Sie sind auch in der Praxis durch eine Fülle von Einzelmaßnahmen, die viel guten Willen, Phantasie, Einsatzbereitschaft und Geschick erfordern, anzustreben. Eben diese Praxis, die letztlich über Wert oder Illusion des gesamten Vorhabens entscheidet, sieht bisher nicht schlecht aus. Der Heimatverein geriet nach seinem Start im Frühsommer 1974 spürbar in einen günstigen Aufwind. Die sprunghaft ansteigende Mitgliederzahl umfaßt mit derzeit 53 Personen (Sept. 1975) bereits mehr als Vs der Dorfbevölkerung. Alle interessierenden Altersgruppen von jung bis alt sind vertreten. Die Altersstreuung seiner Mitglieder — von 15 bis 81 Jahren — erweist die integrierende Kraft des Vereins.

Demnach hatten die Vereinsgründer einen richtigen Riecher für die „Marktlücke" am Ort. Schon die erste praktische Leistung des Heimatvereins fand anerkennende Zustimmung. Mit viel Liebe und Opfer an Freizeit sowie mit handwerklichem Geschick wurden die in Wald und Flur um Niederbettingen vorhandenen Ruhebänke renoviert und nahezu auf das Dreifache erweitert.

Den bisherigen Clou an Unternehmungsgeist und -erfolg brachte jedoch zweifellos der Bau der neuen Schutzhütte auf dem 518 m hohen Rother Berg. Die geschickte Standortwahl sowie der rustikale Stil und die saubere Adrettheit der Hütte beeindrucken jeden Besucher. Seit ihrer Eröffnung wird sie in der Tat mit wachsendem Zuspruch aufgesucht und, zumal an Wochenenden, von Vereinen und Gesellschaften aus Nachbarorten und aus den Ballungsgebieten gerne benutzt. Der Anmeldekalender des Vorsitzenden ist für Benutzungszwecke am Wochenende in diesem Jahr nahezu ausgebucht. Eine gut durchdachte Planung und Organisation sowie die zielstrebige Ausnutzung des lauen Winterwetters Anfang des Jahres haben die rasche Fertigstellung der Hütte in Eigenleistung ermöglicht. Wo die Kopf-, Hand- und Spanndienste der Vereinsmitglieder das Gelingen des Werks garantierten, hielten Forstamt und Gemeindeverwaltung Hillesheim nicht mit ihrer Unterstützung zurück.

So konnte bereits am 5./6. Juli 1975 das erste Schutzhüttenfest auf dem Rother Berg gefeiert werden. Ortsbürgermeister Hank taufte die Hütte bei der feierlichen Eröffnung auf den einprägsamen Namen „Heimatblick" und gab sie nach Durchschneiden des Bandes für die Öffentlichkeit frei. Er sparte nicht mit anerkennenden Worten für die Niederbettinger, die ihm seit Frühjahr 1974 durch Eingliederung Niederbettingens in die Gemeinde Hillesheim verwaltungsmäßig anvertraut sind. Der romantische Name für die Schutzhütte ist kaum übertrieben. Dem Besucher erschließt sich von hier ein weiter Blick nicht nur über das breite Tal der mittleren Kyll sowie auf die Dauner Berge, sondern sogar bis zur Hocheifel mit der Hohen Acht, der mit ihren 747 m höchsten Erhebung der Eifel überhaupt.

Kein Wunder, daß die Hunderte von Besuchern beim Schutzhüttenfest des Lobes voll waren über diese neue nützliche Verwendung der nun planierten ehemaligen Lavakaule auf dem Rother Berg. Die Anerkennung als Landschaftsschutzgebiet dürfte um so leichter sein als die ausbeutewerten Lavavorkommen hier auf der „Höhe 518" und im angrenzenden „Wolfsbeutel" erschöpft sind. Das noch ursprünglich wirkende Stück Natur, das hier oben übrigblieb, sollte unversehrt erholungsbedürftigen Bürgern und künftigen Generationen erhalten bleiben. Es handelt sich dabei um nichts Geringeres als einen neu entdeckten landschaftlichen Glanzpunkt im nördlichen Kreis Daun.

Selbstverständlich war am Schutzhüttentag das „ganze Dorf" buchstäblich „auf der Höhe", um die neu geschaffene Freizeitanlage zu genießen und zu begießen. Zur Höhe führt ein gut ausgebauter Wirtschaftsweg, der erst vor einigen Jahren (ob in weiser Voraussicht?!) asphaltiert wurde. Er bescherte am Festtag einen Fahrzeugpark auf „Höhe 518", wie ihn Niederbettingen kaum vorher erlebt hat. Dem Eröffnungstag folgten sonntags der erste Freiluftfrühschoppen und ein Kinderfest auf dem angrenzenden Kinderspielplatz, der ebenfalls vom Heimatverein geschaffen wurde. Dem Nachwuchs glühten die Köpfe vor lauter Malwettbewerbe, Dosenwerfen, Eierlaufen und Angelspiel. Die älteren Generationen fühlten sich prächtig unterhalten durch flotte Einlagen der Bergmannsspielleute aus Herne-Sodingen und einer Akkordeonspielerin. An der Biertheke wurde manche müde Mark munter und hinterließ günstige Nebenwirkungen in der Vereinskasse. Sie kann sie vertragen.

Die eifrigen „Niederbettinger Frauen" verteilten mittags eine zünftige Eintopfsuppe und boten am Nachmittag reichlich selbstgebackenen Kuchen mit Kaffee an. Sie gaben ein Beispiel für sinnvolle und harmonische Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Vereinigungen.

Das erste Schutzhüttenfest wurde so bei strahlender Sonne ein nicht erwarteter Erfolg für Niederbettingen und seinen jungen Heimatverein. Viel Gemeinsinn und selbstloser Einsatz der Mitglieder sowie der „Niederbettinger Frauen" hatten ihn möglich gemacht. Edle Spender wußten dies dankenswerterweise mit einem kräftigen Obulus zu honorieren. Den Vereinszielen kommt's zugute. Die „Mäzene" mögen zum Teil animiert worden sein durch den 10-Punkte-Ka-talog in der ersten Nummer des 11seitigen „Heimatbriefs". Der Heimatverein gibt ihn in lockerer Folge für alle Dorfbewohner heraus. Dort sind unter der Überschrift „Was plant der HVN?" als Einzelvorhaben zu lesen:

— Komm-mit-Wanderungen auf bekannten und neuen Wegen

— Erschließung neuer Wanderwege um Niederbettingen

— Besuche in den Heimatmuseen Gerolstein, Daun, Blankenheim, Prüm, Bitburg, ...

— Besuche im Eifeler Landschaftsmuseum in Mayen sowie im Rheinischen Landesmuseum Trier

— Dia- und Filmabende

— Liederabende am Lagerfeuer bei der Schutzhütte

— Gestaltung traditioneller Feste

— Untersuchung der Dorf- und Heimatgeschichte

— Herausgabe eines Heimatbriefes

— Kontaktpflege zum bekannten EIFELVEREIN.

Im Laufe des Jahres wurde die Verwirklichung der bewußt weit gefächerten Programmpunkte, die bei weitem noch keinen vollständigen Aufgabenkatalog darstellen, immer da tatkräftig angepackt, wo sich am günstigsten die Gelegenheit dazu bot.

Die ersten großen Gemeinschaftswanderungen zu den Rother Höhlen (Eis- und Mühlsteinhöhle) sowie zu Buchenloch und Pa-penkaule in Gerolstein fanden unerhoffte Resonanz. Sie vermittelten nicht nur ein neues Gemeinschaftsgefühl, sondern auch heimatkundliche Kenntnisse und Eindrücke ohne formellen Lernzwang. Manche Teilnehmer, darunter auch Erwachsene, sahen diese reizvollen Wanderziele erstmals. Erfreulich, daß jung und alt mit von der Partie waren. Natürlich klickten und surrten Dia- und Filmkameras, um die Bilder der schönen Heimat für den winterlichen Heimatabend auf den Film zu bannen.

Der erste Versuch, im „Heimatbrief" Dorfgeschichte in verständlicher und interessanter Sprache und Form mitzuteilen, fand begreiflicherweise den stärksten Anklang bei den älteren Einwohnern. Seither tropfen die Informationen aus mündlicher Überlieferung stetig und mit anschwellendem Umfang. Herrliche Dorfanekdoten konnten bereits in Kassetten archiviert werden für eine spätere Auswertung. Wo die gelehrten Werke der Kirchen- und Kunstdenkmälergeschichte schweigen, kann vielleicht auf diese Weise manche volkskundliche Lücke geschlossen und spezifisches Volksgut für die Dorfbewohner gespeichert werden, um es zum geeigneten Zeitpunkt der Bevölkerung mitzuteilen. Andererseits sollen die verstreut veröffentlichten Mitteilungen von Fachhistorikern über Niederbettingen, die für den normalen Leser nur schwer erreichbar sind, ausfindig gemacht, gesammelt und zu zusammenfassenden Aufsätzen verarbeitet werden, damit sie jedem interessierten Dorfbewohner leichter zur Verfügung stehen. So bemüht sich der „Heimatbrief" nach dem treffenden Geleitwort von Verbandsbürgermeister Froitzheim, „Band zu sein zwischen Mensch und Landschaft, zwischen Heimat und Bürger. Dienen soll er, Erhaltenswertes zu erhalten, Modernes zu fördern, damit jeder Zeit für Jeden das Dorf Heimat ist und bleibt."

In den Bemühungen um die Erschließung neuer Wanderwege und -ziele um Niederbettingen konnte an mehreren Samstagvormittagen die bizarre Felsengruppe aus Basaltfindlingen im Roßbüsch von verdeckendem Strauchwerk freigestellt werden. Wo noch nach dem letzten Weltkrieg Niederbettinger Steinhäuser in ebenso harter wie gefährlicher Arbeit für wenig Lohn Grenz- und Pflastersteine, die heute kaum noch gefragt sind, von Hand „hauten", finden nun Wanderer und Waldspaziergänger ein reizvolles Anlauf- und Rastziel. Am Ort selbst ist noch die Errichtung eines giebelförmigen Regenschutzdachs aus Holzmaterial vorgesehen. Die Verbesserung der bereits vorhandenen Wege dorthin wird in Verbindung mit der örtlichen Forstverwaltung angestrebt. Jeweils in Etappen soll das Netz der Wanderwege erschlossen und für Benutzer vorbereitet werden.

Jeder Besucher, der etwa aus den städtischen Ballungsgebieten in das idyllische Kylldorf kommt, um in der kräftigenden Eifel-luft für kürzere oder längere Zeit Erholung zu suchen, soll daran auch Freude finden durch ein gepflegtes Wegesystem. Aber auch den Einheimischen möge es Spaß machen zu erkennen, daß ihr Dorf dadurch schöner und attraktiver wird, ohne seine anheimelnde Ursprünglichkeit einzubüßen.

Mit solchen Einzelmaßnahmen übernimmt der Heimatverein Niederbettingen aus freien Stücken auch offizielle Aufgaben, deren Erfüllung die ferner gerückte Gemeindeverwaltung dankbar begrüßt. Da die alte Dorfschule durch eine ferner liegende moderne Mittelpunktschule abgelöst ist, greift der Heimatverein auch kulurelle Belange auf, die früher Reservat und Domäne heimatkundlich aufgeschlossener Dorfschullehrer waren. Wozu das Ganze eigentlich? „In der Erfüllung dieser Aufgaben darf man nicht materielle Arbeitskraft sehen, sondern Freude in der Gestaltung finden, für alle etwas geschafft zu haben." Der Vorsitzende des Heimatvereins schrieb diese Worte im ersten Heimatbrief. Mögen sie den Verein ermuntern, mit seinen begeisternden Impulsen, Ideen und der Einsatzfreude des ersten Jahres seiner Geschichte nicht nachzulassen. Zum Wohl des Eifeldorfs Niederbettingen an der Kyll, zum Wohle der Heimat.