Die Fachklinik Daun

Ein neuer Weg in der Behandlung Alkoholkranker

Jörn Kahler

 

Im Kerngebiet der Vulkaneifel, inmitten eines landschaftlich reizvollen Kur- und Erholungsgebietes, liegt die Fachklinik Daun.

Ziel der Fachklinik ist es, mittels einer eigenen Intensivtherapie den Grundstein dafür zu legen, daß es der Alkoholiker lernt, ohne sein Flucht- und Problemlösungsmittel dem Alkohol mit seinen täglichen Spannungen und Problemen fertig zu werden.

Die Fachklinik Daun nimmt Patienten aller Krankenkassen, sowie in beschränktem Umfang auch Privatpatienten auf. Zur Aufnahme in die Klinik ist grundsätzlich die Einweisung durch einen praktischen oder Facharzt — meist in Verbindung mit einem Suchtberater — erforderlich.

Die Fachklinik Daun wurde mit einem Gesamtkostenaufwand von 6,4 Millionen DM erstellt.

Die Trägergesellschaft für psychosomatische Therapie GPT weist mit berechtigtem Stolz darauf hin, daß sie anstelle der heute üblichen Investitionskosten von 100 bis 150000 DM je Krankenbett mit annähernd 50000 DM ausgekommen ist. Die ersten Kontakte zwischen der Kreisverwaltung in Daun und der GPT fanden im Mai 1974 statt.

Dank der unbürokratischen und aufgeschlossenen Haltung der kommunalen Behörden war es möglich, unverzüglich mit dem Bau der Fachklinik Daun zu beginnen. In lediglich 130 Tagen entstand der Neubau mit 100000 Kubikmetern umbauten Raum. Die ersten Patienten konnten bereits vor Jahresablauf 1975 aufgenommen werden.

Die Klinik, die mit ihren 160 Betten zu den größten ihrer Art in der Bundesrepublik zählt, gilt mit Recht als der schnellste Bau von Rheinland-Pfalz.

Bereits kurz nach der Eröffnung war die Fachklinik Daun voll belegt und mußte Wartezeiten von mehreren Monaten einführen. Die Zahl der Anfragen um Aufnahme der Alkohol- und Medikamentenabhängigen steigt ständig.

Der Bettenbedarf für behandlungswillige Alkoholkranke ist groß und erhöht sich weiter. Daher zunächst einige Zahlen zu dem sozialmedizinischen Problem Nr. l unserer Gesellschaft:

Nach bekannten Veröffentlichungen beträgt die Zahl der registrierten Alkoholkranken in der Bundesrepublik 900000. Die hinzukommende Dunkelziffer wird noch einmal mit 50—100% geschätzt. Das sind Kranke, die zwar bereits eindeutig alkoholabhängig sind, aber ihren Zustand vor sich selbst, ihren Ärzten und der Umgebung verbergen. Man kommt dann zu einer Gesamtzahl von 1,2 bis 1,8 Millionen im medizinischen Sinne kranken Alkoholabhängigen.

Diese Zahl kann gar nicht ernst genug genommen werden, besonders, da mindestens 4 Millionen Familienangehörige mitbetroffen sind. Diese Bilanz des Schreckens ist jedoch nicht vollständig. Weitere 2 bis 3 Millionen Bundesbürger sind auf dem besten Wege in die Alkoholabhängigkeit. Die meisten wissen es nicht, viele wollen es nicht wissen. Überkommene Begriffe der Gesellschaft zum Alkoholkranken wie: Penner, Säufer, Entmündigung, Zwangseinweisung und Trinkerheilanstalt sind so mit negativen Vorstellungen belastet, daß sich der Kranke häufig nur in letzten und ausweglosen Situationen zur Behandlung bereit findet, in Daun aber kurzfristig einen stationären Behandlungsplatz zu finden, ist fast aussichtslos. Denn: Dem Heer der Alkoholiker stehen nur ca. 4000 Betten zur Verfügung, die für eine spezielle Behandlung der Alkoholkrankheit geeignet sind. Eine Erweiterung dieses Behandlungsangebotes ist zwingend erforderlich.

Außenansicht der Fachklinik Daun

Bürgermeister Waldorf von der Verbandsgemeinde Daun überbrachte zum Richtfest der neuen Kurklinik auf der Thommener Höhe bei Daun die Glückwünsche der kommunalen Behörden und die Grüße von Regierungspräsident Julius Saxler sowie Landrat Römer. Ein Jahr nach der erfolgreichen Inbetriebnahme der Kurklinik Daun fand Bürgermeister Waldorf gegenüber dem Verfasser dieses Artikels folgende Worte: „Unsere Erwartungen hinsichtlich einer Stärkung der Wirtschaftskraft unserer Verbandsgemeinde durch den Bau der Kurklinik Daun haben sich in vollem Umfang erfüllt. Bei der Wahl des Standortes haben die im Rahmen der Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehenden Mittel selbstverständlich eine Rolle gespielt. Insbesondere ist dabei die Investitionszulage von 7,5 % für die Klinikkosten zu nennen. Die Sitzgemeinde Utzerath übernahm die Kosten der äußeren Erschließung für die Zuführungsstraße, Wasser und Kanalisation. Der Aufwand beträgt rund eine halbe Million. Auch hierfür hat die Gemeinde Zuschüsse aus Strukturförderungsmitteln erhalten. Die 160 Betten der Fachklinik sind das ganze Jahr über belegt. Von daher ergibt sich ein Bedarf von etwa 70 konjunkturunabhängigen Dauerarbeitsplätzen, die im Dienstleistungssektor geschaffen werden konnten. Der Eigenbedarf der Klinik stärkt die Kaufkraft in den umliegenden Gemeinden erheblich. Die Patienten sorgen zusätzlich für die Belebung der Geschäfte und Cafes. Auch der Beherbergungsbereich wird von dort her gestärkt, denn die zureisenden Verwandten und Bekannten der Patienten sorgen für eine bessere Auslastung der vorhandenen Bettenkapazität. Dies hat den gewünschten Nebeneffekt, daß viele von ihnen unser Eifelgebiet kennen lernen und der Eine oder Andere gerne wiederkommen wird. Von besonderer Bedeutung ist auch, daß durch die Investitionen im Bau- und Zulieferungsgewerbe positive Wirkungen auf die Wirtschaft der Verbandsgemeinde ausgegangen sind." Aus dem Vorangegangenen wird deutlich, daß das Behandlungsangebot durch den Bau von Fachkliniken erweitert werden kann und muß, wenn nicht Ausweglosigkeit anstelle möglicher Selbsthilfe die nahe Zukunft bestimmen soll. Eine wesentliche Verbesserung der Lage des Alkoholikers brachte die Entscheidung des Bundessozialgerichts von 1968, in der festgestellt wurde, daß es sich beim Alkoholismus um eine Krankheit handelt, die mit medizinischen Mitteln bekämpft werden muß. Konsequent hat das Bundessozialgericht dann in mehreren Urteilen die Behandlungsbedürftigkeit der Alkoholkranken im versicherungsrechtlichen Sinne anerkannt. Die Versicherungsträger übernehmen seither die Kosten für die Behandlung in einer Fachklinik.

Damit stellt sich die Frage: Wer ist Alkoholiker? Nicht jeder, der abends regelmäßig eine Flasche Wein oder mehrere Gläser Bier oder Schnäpse trinkt, ist ein Alkoholiker. Eine exakte medizinische Definition im Sinne der RVO „krankhaften Alkoholismus" gibt es noch nicht. Der genaue Moment, an dem sogenanntes „normales Trinkverhalten" aufhört und der „krankhafte Alkoholismus beginnt, läßt sich nicht exakt bestimmen. Die Grenzen sind fließend. Verläßt man aber diesen Grenzbereich so ergeben sich deutliche Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Gewohnheitstrinker und dem Alkoholkranken. Bezeichnend für den Alkoholiker ist, daß er seinen Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren kann, daß er, einmal angefangen, auch gegen seinen Willen zwanghaft weitertrinkt. Wird sein Alkoholkonsum unterbrochen, sind Entziehungserscheinungen wie Zittern, Krampfanfälle, Schweißausbrüche, Ängste und auch Delirium tremens die Folge.

Man sollte sich jedoch von dem üblichen Bild, das in unserer Gesellschaft vom Alkoholiker vorherrscht, trennen. Die oben beschriebenen Symptome werden nur in den seltensten Fällen und meistens im Spätstadium der langjährigen Krankheit für die Öffentlichkeit erkennbar.

Der Alkoholiker, der obdachlos und unrasiert in Lumpen unter einer Zeitung nächtigt, ist nur die kleinste sichtbare Spitze derjenigen, die ihre Krankheit nicht mehr vor der Öffentlichkeit verbergen können. Die Masse des Eisberges treibt unter der Oberfläche gesellschaftlicher Anstößigkeit. Oft genug ist es gerade der nette unauffällige Herr von Nebenan, oder die stille alleinstehende Frau, an der kaum etwas auffällt.

Patienten bei der Gruppentherapie

Es gehört gerade zu den Symptomen dieser Krankheit, daß der Alkoholabhängige ihre Erscheinungsformen verbirgt. Warum nun der Eine Alkoholiker wird, der Andere von dieser Krankheit verschont bleibt, konnte bisher nicht restlos geklärt werden. Welche Rolle dabei Erbanlagen und Umweltfaktoren spielen, läßt sich qualitativ und quantitativ schwer messen. Eines steht jedoch fest: wir können nicht zu der Auffassung eines selbstverschuldeten Lasters zurückkehren, wenn dem Alkoholiker und damit auch unserer Gesellschaft wirksam geholfen werden soll.

Damit stellt sich die nächste Frage: Wie kann einem Alkoholkranken geholfen werden?

Zuerst muß einmal klargestellt werden: Die erfolgversprechende Behandlung des Alkoholkranken ist möglich. Die Angebote der dafür notwendigen Hilfe sind aber örtlich noch sehr verschieden. Je nachdem, ob man den Alkoholiker, entsprechend noch nicht ausgerotteten Vorurteilen, nun als haltlos, asozial, willensschwach oder kriminell ansieht, wird er entweder belehrt, erzogen, bestraft oder als Kranker behandelt. Dieser Zustand ist unbefriedigend, denn der Alkoholiker bedarf einer besonderen, auf die krankhafte Abhängigkeit zugeschnittene Behandlung. Eine solche Behandlung ist aber in den meisten Fällen nur in einer Fachklinik für Alkohol- und Medikamentenabhängige gewährleistet.

Die Fachklinik Daun/Eifel ist eine solche anerkannte Fachklinik. Sie beschreitet dabei einen für Deutschland noch neuen Weg der Behandlung, der unter der Kurzformel „Abhängige helfen Abhängigen" am besten gekennzeichnet ist. Ausgangspunkt dieser relativ jungen Behandlungsmethode, die von dem berühmten Hazelden-Modell aus den USA übernommen wurde, ist die Erfahrungstatsache, daß die besten Erfolge, einen Alkoholiker zu dauernder Nüchternheit zu führen, von einer Selbsthilfegemeinschaft der Alkoholiker untereinander erbracht werden.

Häufig sind die körperlichen Schäden durch jahreslanges Trinken soweit fortgeschritten, daß eine stationäre Behandlung in der Fachklinik erfolgen muß. Sie dient zuerst einmal der klinischen Entgiftung und der Beseitigung der Entzugserscheinungen.

In der Fachklinik Daun stehen dafür besonders ausgebildete Ärzte und weiteres Fachpersonal, eine mit allen medizinischen Erfordernissen ausgerüstete Aufnahmestation und ein modernes Labor zur Verfügung. Von den insgesamt 160 Betten sind 20 ausschließlich der Behandlung des akuten Entziehungszustandes und seiner Begleiterkrankungen vorbehalten. Dabei handelt es sich jedoch nur um die erste ärztliche Hilfestellung, die dem Patienten in wenigen Tagen gegeben wird, damit er körperlich wieder belastbar und kritikfähig wird. Daran schließt sich der eigentliche längerfristige Teil der Behandlung an. Der Patient wird eines der 3 Damen oder 8 Herrengruppen zugeteilt, die in Daun aus maximal 14 Patienten bestehen. Der Neuankömmling hat dann einige Tage Eingewöhnungszeit, in der er zwar an den gemeinsamen Mahlzeiten, aber noch nicht an der Therapiegruppe teilnimmt. Da die Einweisung in die Fachklinik Daun nur auf freiwilliger Grundlage möglich ist, hat der Kranke Gelegenheit, die wohltuende Wirkung einer Umgebung ohne alle Gitter oder Zeichen eines äußeren Zwanges kennenzulernen. Er ist in einem Ein- oder Zweibettzimmer mit Telefon, Dusche und WC untergebracht. Großzügig eingerichtete Gemeinschaftsräume, moderne Räume für die Gruppentherapie sowie Sport und Freizeitanlagen in landschaftlich reizvoller Umgebung entsprechen auch im äußeren Rahmen dem Prinzip der Dauner Fachklinik, eine angemessene Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.

Er ist von Menschen umgeben, die sich in angenehmer Weise von seiner eigenen Vorstellung eines heruntergekommenen Alkoholikers unterscheiden. Vom äußeren Bild her unterscheidet sich die Fachklinik nicht von einer Kurklinik herkömmlicher Art.

Diese Erfahrungen sollen mithelfen, den ersten Schritt zur Krankheitseinsicht bei dem Patienten vorzubereiten. Dies ist nämlich das schwierigste Anfangsproblem bei der sich nun anschließenden Gruppentherapie: Den Kranken zu der Einsicht der Tatsache zu bringen, daß er krank ist, und daß eine Behandlung möglich ist. Dabei läuft bei der Mehrzahl der Patienten ein ähnlicher Vorgang ab. Der Neue versucht den anderen Gruppenmitgliedern zu erklären, daß er eigentlich nicht hierher gehöre. Er habe zwar gelegentlich etwas übermäßig getrunken, aber sein eigentliches Problem sei, daß seine Frau (sein Chef, Arzt usw.) das übertreibe und ihn mit mehr oder weniger Druck hierher gebracht habe. Die anderen Patienten nehmen dies mit freundlicher Gelassenheit auf. Sie erwarten gar nichts anderes, denn sie haben sich in ihren ersten Tagen nicht anders gegeben. Sie geben dem Neuen deutlich zu verstehen, daß sie dieses Gerede ebensowenig ernst wie übel nehmen, denn sie wissen inzwischen, daß es sich um eine reale Selbsttäuschung handelt, und daß es ihre Aufgabe ist, den Neuen davon zu befreien. In direkter und detaillierter Weise befragen sie ihn dann nach den Umständen und der Art seines Trinkens, bis sie ihn mit den Symptomen seiner Abhängigkeit konfrontieren können, die er ihnen selber erzählt hat. Der Patient läßt sich solche peinliche Befragung in der Regel gefallen, weil er schon am ersten Tage eine wichtige Überraschung erlebt hat: Alle Gruppenmitglieder und die Counselor sind Alkoholiker und bezeichnen sich auch so." Die Counselor — wie sie in dem Bericht von Dr. G. Hartmann über „Erfahrungen mit der Therapie Alkohol- und Drogensüchtiger" genannt werden — sind Berater in den Selbsthilfegruppen der Fachklinik. Sie sind also selber Alkoholiker. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei hier gesagt: Alkoholiker sind nicht Menschen, die trinken, sondern solche, die nicht mehr trinken können, ohne in die einmal entstandene Sucht zurückzufallen. Mit anderen Worten: Der abstinente Alkoholiker ist vom Rückfall in die Trunksucht immer nur ein Glas entfernt. Daher bezeichnen sich auch jahrelang Nüchterne weiter als Alkoholiker. Ein Counselor der Fachklinik Daun beschreibt seine Aufgabe mit folgenden Worten: „Der Counselor soll in der Gesprächstherapie Hilfestellung leistend innerhalb der Gruppe mitwirken. Aus der Selbsterfahrung kann er — mit Hilfe des am A. A.- Programm orientierten Therapiekonzepts — dem Patienten Möglichkeiten aufzeigen, durch Änderung seiner Verhaltensweisen und durch veränderte Sicht der eigenen Person in Zukunft ein Leben in Abstinenz zu führen."

Ein wesentlicher Schritt im Programm der A. A. ist daher, die Einsicht des Patienten zu fördern, daß er dem Alkohol gegenüber machtlos ist, daß er also aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu helfen. Er bedarf hierzu einer Kraft, die größer ist als er selbst. Um diese Erfahrung reifen zu lassen, durchlebt der Patient viele Stunden der intensiven Selbstkonfrontation in der Gruppe oder im Einzelgespräch. Bis an die Grenze seiner Belastbarkeit erlebt er dabei Spannung, Frustration und Angst. Eine so harte Realitätstherapie ist nur in dem Schonraum einer stationären Behandlung möglich, wie ihn die Fachklinik Daun bieten kann.

Aus dem Therapiekonzept der Klinik wird deutlich, daß der Patient nicht bloßer passiver Empfänger der Behandlung ist, sondern sehr aktiver Mittherapeut seiner Krankheit sein muß, wenn er eine Besserung erreichen will. Verantwortung ist ein Schlüsselbegriff in der Realitätstherapie. Um dem Patienten zu helfen, diese Verantwortung für sich selbst übernehmen zu lernen, behandelt der Counselor ihn wie einen gesunden, potentiell verantwortungsfähigen Menschen, von dem man etwas verlangen kann.

Dem Patienten wird von Anfang an klar gemacht: „Wir helfen Dir, Du mußt mithelfen. Du erwartest etwas von uns, wir erwarten, daß Du mitarbeitest." Am Ende einer erfolgreichen Therapie steht nicht nur die Erkenntnis, daß man nie wieder trinken darf, sondern die wesentlichere Einsicht, daß man den Alkohol nicht mehr braucht.

Damit ist der erste Schritt von der körperlichen zur viel länger dauernden seelischen Nüchternheit getan. Während der durchschnittlich 4 Monate dauernden Behandlung wird der meist bewegungsscheue Alkoholkranke in der Fachklinik Daun angehalten, sich auch körperlich zu betätigen. Der Tag beginnt mit Frühsport und Gymnastik. Anschließend Duschen und Zimmer aufräumen. Um 8.00 Uhr wird gefrühstückt. Nach der Visite, an der Ärzte und Counselor teilnehmen, beginnt um 9.35 die Gruppentherapie. Danach wieder eine gute Stunde Sport. Hierzu einige Worte eines weiblichen Counselors, der auch Sportgruppen anleitet: „In der Fachklinik Daun wird selbstverständlich kein Leistungssport betrieben. Dennoch haben die Übungen und Spiele eine wichtige selbstdisziplinierende Aufgabe. Der Alkoholiker lebt körperlich sehr zurückgezogen. Viele Patienten haben noch nie in ihrem Leben Sport getrieben. Durch die leichten Übungen lernen sie hier, ihren Bewegungsablauf freier zu gestalten, Unlust zu ertragen und in der spielerischen Auseinandersetzung auf Selbstbemitleidung zu verzichten. Die Teilnahme am Sport ist daher grundsätzlich Pflicht. Das letzte Wort hat darüber selbstverständlich der Arzt."

Für die sportliche Betätigung stehen geeignete Räume zur Verfügung

In dem selben Zusammenhang sind auch die Spaziergänge und längeren gemeinsamen Wanderungen in die landschaftliche schöne Umgebung der Fachklinik Daun von Bedeutung. Der Patient bekommt dadurch Selbstvertrauen, sich auch außerhalb des Schutzraumes der Klinik frei und selbstverständlich zu bewegen. Während dieser Ausgänge kommt der Patient mit Menschen der umliegenden Gemeinden in Berührung. Sein Verhalten hilft dabei gleichzeitig, eventuell vorhandene Vorurteile gegenüber dem Alkoholiker abzubauen.

Hierzu noch einmal der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Daun, Herr Waldorf:

„Am Anfang war die Einstellung der mittelbar durch den Standort der Fachklinik Daun betroffenen Gemeindemitglieder abwartend. Es war für sie ein nicht ganz faßbares und überschaubares Projekt. Man wollte wissen, was dort geschieht. Wenn es Bedenken gegeben hat, dann waren diese von überkommenen Vorstellungen einer Zwangsverwahrung und Trinkerheilanstalt bestimmt. Nach der Inbetriebnahme der Klinik konnte die Bevölkerung erkennen, daß hier kranke Menschen eine Kur durchmachen wie das bei anderen kurmäßigen Behandlungen auch der Fall ist. Durch die Kontakte mit den Patienten bei Spaziergängen, in den Geschäften, Cafes oder etwa beim Friseur stellte man fest, daß die Patienten in keiner Weise störend auffielen, sondern Gäste wie alle anderen sind." Im Tagesplan der Dauner Fachklinik geht es dann weiter mit dem gemeinschaftlichen Mittagessen um 12.00 Uhr. Daran schließt sich die Mittagspause an, die entweder mit Spaziergängen ausgefüllt ist, oder der Patient hat Gelegenheit, sich ernsthaft mit den Problemen seiner Krankheit und deren Symptome zu beschäftigen. Dafür steht die Bibliothek des Hauses zur Verfügung.

Um 15.00 Uhr steht die 1/2- bis 2stündige Beschäftigungstherapie auf dem Programm. Der Patient wird dabei an Arbeiten herangeführt, die im Rahmen seiner individuellen Fähigkeiten zu dem Erfolgserlebnis führen können, daß er wieder in der Lage ist, eine schöpferische Arbeit zu leisten. Die Fachklinik Daun hat dafür Werkstätten in dem benötigten Umfang bereitgestellt.

Nach dem Abendessen um 18.00 Uhr kann sich der Patient nach eigenen Vorstellungen beschäftigen. Er hat auch Gelegenheit, in begrenztem Maße fernzusehen. Um 22.30 Uhr herrscht allgemeine Nachtruhe.

Die Wochenenden sind frei. Sie sind von den Besuchszeiten der Verwandten und Bekannten bestimmt, die oft aus allen Teilen der Bundesrepublik anreisen. Dabei sollen die Angehörigen mit in die Therapie einbezogen werden, denn nach Ablauf der Behandlung in der Klinik werden viele Patienten in die Gemeinschaft der Familie zurückkehren. Um den Angehörigen die besonderen Probleme des Alkoholkranken näher zu bringen, werden sonntags von 13 bis 18 Uhr Angehörigenseminare durchgeführt. Das ist für den Patienten von großer Bedeutung, denn er braucht sich dann nicht die bange Frage zu stellen: Wie werde ich empfangen, wenn ich nach Hause komme?

Basteln in einer Werkstatt

Der Vorbereitung auf den Tag der Entlassung dient auch der Besuch von ambulanten Gruppen in der Fachklinik Daun. Sie sind Selbsthilfegemeinschaften von abstinenten Alkoholikern, die dem Kranken schon in der klinischen Behandlungsphase zeigen, wie es „Draußen" weitergeht. Dadurch teilt der Patient die Erfahrung der Gruppe, die sich in der rauhen Wirklichkeit zurechtfinden muß. Darüber hinaus werden schon in der Klinik Kontakte mit Gruppen seines Heimatortes vermittelt, damit er zum Zeitpunkt der eigenen Enlassung nicht sich selbst überlassen bleibt, sondern dort Unterstützung und Hilfe findet, wenn er in Gefahr ist, in der alten Umgebung in seine alten Fehler zurückzufallen.

Hierzu der Leitende Oberarzt der Fachklinik in Daun, Dr. Oguz:

„Von besonderer Wichtigkeit ist ein sorgfältig geplantes Nachsorgeprogramm für den Patienten. Wir sind dabei auf die Unterstützung und enge Zusammenarbeit mit dem praktischen Arzt, der Selbsthilfegruppen, Sozialfürsorgern, Beratungsstellen und Abstinenzverbänden angewiesen. Wir geben dem Patienten zur Entlassung 3 Briefe mit. Einer den Kranken selbst, die beiden anderen für den Hausarzt und den Versicherungsträger.

Damit soll Vorsorge getroffen werden, daß der Patient mit der Klinik in Kontakt bleibt. Er kann uns hier jederzeit anrufen und wird dann Rat oder ärztliche Hilfe von der Fachklinik Daun erhalten. Er sollte dies aber tun, bevor er das erste Glas getrunken hat; dann ist es möglich, ihn erneut für zwei oder drei Wochen aufzunehmen, und die Krise zu überbrücken. So kann die Entlassungsangst vielen Patienten genommen werden. Dabei spielen auch unsere Familienseminare für die Angehörigen eine wichtige Rolle. Sie müssen lernen, den Alkoholismus als Krankheit anzuerkennen. Die AL-ANON Gruppen, das sind Gruppen, in denen die Angehörigen der Alkoholiker regelmäßig zusammenkommen, können dabei an den Heimatorten weiterhelfen.

Die wissenschaftliche Vorbildung der Ärzte auf die Alkoholkrankheit läßt bei uns noch sehr zu wünschen übrig. Durchschnittlich wird kaum mehr als ein Tag innerhalb der ärztlichen Ausbildung auf das Thema Alkoholismus verwandt.

Auch die Aufklärung in Rundfunk, Fernsehen und Presse und insbesondere in den Schulen sollte verstärkt betrieben werden. In anderen europäischen Ländern, etwa in Finnland, werden dreimal in verschiedenen Altersstufen bis zu 15 Unterrichtsstunden über Betäubungsmittel im Lehrplan angesetzt."

Die Entwicklung des Jugendalkoholismus in der Bundesrepublik gibt diesen kritischen Bemerkungen Recht. Es trinken mehr und mehr Jugendliche. Sie trinken größere Mengen und es trinken immer Jüngere. Darum tut vorbeugende Aufklärung Not, wenn man bedenkt, daß der Jugendliche, der heute ein Alkohol-Problem hat, der Alkoholiker von morgen sein kann.

Der Alkoholismus ist oft nur ein Symptom und Ausdruck eines viel tiefer liegenden geistigen Orientierungsverlustes, von innerer Isolation und Daseinsängsten. Darum kann bei einer Krankheit wie dem Alkoholismus mit seinen vielschichtigen Entstehungsursachen auch keine berufliche Disziplin für sich allein alle Antworten bereit halten. Vielmehr ist es am erfolgversprechendsten, wenn in einer integrierten, multi- und interdisziplinären Therapie Ärzte, Fürsorger, Seelsorger, Sozialarbeiter, die Patienten selbst, ihre Angehörigen und Selbsthilfeorganisationen ohne berufliche Eifersucht zusammenwirken, um neben den Therapiezielen der Abstinenz, der Wiederherstellung der Gesundheit und der sozialen Wiedereingliederung eine grundlegende Veränderung seiner Verhaltensweisen und damit schließlich einen Dauererfolg zu erreichen.