Kleine Chronik einen kleinen Eifeldorfes

Hans Mühlhaus

Das Eifeldörfchen Hörscheid, eine Gemeinde der Verbandsgemeinde Daun im Kreise Daun, liegt im Quellgebiet der Alf, 516 m hoch auf einem Höhenrücken, der sich ins Maubachtal erstreckt. Es ist umgeben von Äckern, Wiesen und Wäldern, Vulkanbergen (Kapp 590 m, Ehlert 553 m) und tiefen Tälern, deren Bächlein, versteckt im Weidengebüsch, hinabeilen in den Maubachweiher, dem fischreichen Stausee von reizender Schönheit. Das Türmchen der Brigidenkapelle erhebt sich über alle Häuser des Dorfes, und sein helles Glöckchen klingt hinüber bis zum eineinhalb km entfernten Pfarrort Darscheid an der Bundesstraße 257, der Bahnstation zwischen Gerolstein — Daun und Ulmen — Mayen — Andernach.

Aus grauer Vorzeit Tagen

Die Pflugschar der Bauern fördert dann und wann geschliffene Steinbeile zutage, d. s. Zeugen der jüngeren Steinzeit (5000 bis 2000 v. Chr.). Auf den bewaldeten Höhen haben sich Hügelgräber erhalten, sie stammen aus keltischer Zeit und geben beredtes Zeugnis von der Kulturhöhe dieses großartigen Volkes.

Spuren aus der Römerzeit

Eine Römerstraße, die einst Trier mit Köln verband, läuft östlich an Hörscheid vorbei: sie ist heute noch Pilgerstraße der niederrheinischen Bevölkerung nach Trier zum Apostelgrab. Vom Runkelhof, einer ehemaligen Römersiedlung, führt eine Stollenwasserleitung, etwa 1,30 m tief im Boden, nach Darscheid bis zum Hause „Rimisch".

Beginn der fränkischen Besiedlung

Im 5. Jahrh. wurden die Römer von den Franken verdrängt. Der Ortsname Hörscheid (Bergwald oder Hirschwald) und die vielen

Flur- und Waldnamen entstanden in der Frühzeit der fränkischen Besiedlung. In dieser Zeit begann auch das Christentum in der Eifel Fuß zu fassen. Etwa um 600 waren die ländlichen Volksschichten in ihrer Mehrheit für die Lehre Christi gewonnen. St. Martin, der fränkische Volks- und Nationalheilige, darf wohl zu den ersten Glaubensboten gerechnet werden. In der Hörscheider Kapelle ist ihm ein Buntfenster gewidmet, und die Martinsfeiern sind bis in unsere Tage in den Martinszügen und Martinsfeuern lebendig geblieben.

Erste Geschichtszahlen

Geschichtszahlen sind meist spärlich vorhanden, aber die zufällig entdeckten weisen auf bemerkenswerte Vorgänge hin. Der Graf von Daun hat einen 1398 an den Erzbischof in Trier verpfändeten Wald in Höhrscheid im Jahre 1465 wieder eingelöst. — Kirchlich gehörte Hörscheid, das 1563 aus fünf strohgedeckten Fachwerkhütten bestand, zu Daun und somit zur Erzdiözese Köln, obwohl es kurtrierisches Staatsgebiet war.

Was ein Geschichtsschreiber „von der Eyfel" schrieb

Sebastian Müller aus Basel schrieb 1544 „Von der Eyfel" (was auch für Hörscheid volle Geltung hat): „...Dies Land ist von Natur rauch an Bergen und Thälern... Die Einwohner sind gar arbeitsam, haben sinnreiche Köpff, wo sie geübet werden, aber sie hangen an dem Ackerbauw und warten des Viehs. Es hat dies Land gar weiß Vieh und viel Milch und Molken ... bringt auch Frucht für sich genug, ausgenommen, da es gar so rauch ist, bringt es zimblich Haberen. .."

Heiligenhäuschen an der Römerstraße bei Hörscheid

Mitten im Ort steht die Kapelle

Auf einer alten Brigiden-Glocke stand die Jahreszahl 1678, sie wurde 1858 in Brockscheid umgegossen, weil sie gerissen war. Die auf ihr vermerkte Jahreszahl läßt vermuten, daß Hörscheid schon im 17. Jahrh. eine Kapelle zur hl. Brigida, der irländischen Heiligen, hatte. Der Brigidenaltar trägt die Jahreszahl 1738. Seit 1803 gehört Hörscheid zur neuernannten Pfarrei Darscheid. 1850 mußte eine neue Kapelle errichtet werden, die bischöfl. Genehmigung erfolgte umgehend; weil Hörscheid ein „Schuldorf" war.

Schon früh dachte Hörscheid an die Schule

Aus einer alten vergilbten Urkunde geht hervor, daß Hörscheid 1787 eine Winterschule eingerichtet hatte. „Johann Peter Stoll, „magister in hörscheid", schrieb anno 1787 in sorgsamer Frakturschrift mit schwarzer und roter Tinter und besonders liebevoll gezeichneten Initialen Gebete und Lieder auf, die wohl ein Gebetbuch ersetzen sollten. Eine Strophe aus einem Marienlied zeigt die bildhafte Sprache der damaligen Zeit:

Die Sonn bekleidet dich, es unterwerfet sich zu deinen füssen der silberne monnd. Kein Unvollkommenheit mindert dein Herrlichkeit, um dein haupt machen die stern eine Cron. Alles, was lebet, alles, was schwebet, alles, was himmel und erden schränckt ein, mus deiner majestat Untertan seyn.

Eifel in Notzeit — Auswanderungen nach Amerika

Die Bewohner der Eifel waren nie auf Rosen gebettet. Sie waren es gewohnt in mühsamer Arbeit dem kargen Boden einen bescheidenen Ertrag abzuringen, aber Ende des 18. und während des 19. Jahrhunderts brachten Kriegswirren, Krankheiten und häufige Mißernten eine Zeit größter Not in das Eifelland, und die Räume um Daun, Prüm und Blankenheim standen am Rande einer Hungersnot. Josef von Görres, ein rheinischer Publizist, hatte in flammenden Aufrufen auf die Not in der Eifel hingewiesen und Hilfsaktionen von großen Ausmaßen in Bewegung gebracht, die ihr Ziel nicht verfehlten. — Die Notzeit spiegelt sich wieder in der Auswanderungswelle, die auch Hörscheid ergriffen hatte. 31 Personen verließen freiwillig ihre Hörscheider Heimat, verließen Haus, Hof und Acker, weil die Not zu groß war. Es waren: Matthias Moehnen, Christian Moehnen, Christian Theisen, Ann Katharina Scheid, Karl Schloemer und Frau, Nikolaus Leidens und Frau Katharina geb. Peckhausen, Peter Maus und Frau Anna Katharina Brand, Peter Herres und Frau Katharina geb. Mach, Johann Schmitz und Frau Katharina geb. Kroeffgen. Die Zahlen der Auswanderer, ohne die Kinder zu nennen, nach Amerika erreichten ihren Höchststand im Jahr 1852, als ganz Allscheid fortzog ins Ungewisse. Aber auch die Verwaltung machte sich Sorge und war um Hilfe bemüht. Ab 1882 griff der „Eifelfonds" ein. Die Höhe der Zuwendungen ging in die Millionen, ein Beweis für die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse.

Etappen des Aufstieges

Jeder Aufstieg braucht Zeit. Heute wissen wir, daß er 1860, als die kahlen Wälder mit schnellwüchsigen Fichten aufgeforstet wurden, begann. 1890 brachte der Eisenbahnbau lohnende Beschäftigung. 1912 erfolgte die Zusammenlegung der zerteilten Ackerflächen. 1933 konnte Hörscheid 250 Morgen Heidefläche kultivieren. Somit erweiterte sich die landwirtschaftliche Nutzfläche auf 274 ha. Mit dem 130 ha großen Gemeindewald ist die Hörscheider Gemarkung 404 ha groß.

Hörscheid nach dem Kriege

Trotz aller Zerstörungen, Schrecken und Verluste, die das Kriegsgeschehen im Gefolge hatte, packten die Hörscheider mit allen Händen zu. Es entstanden neue Häuser, saubere Dorfstraßen, gemeinnützige Anlagen, Aussiedlerhöfe, das geruhsame Gasthaus Waldesruh und mehrere Privat-Pensionen für erholungssuchende Gäste.

Das zerfallene Heiligenhäuschen an der Römerstraße wurde neu hergerichtet und eine Pieta aus Hör-Grenzhausen fand hier eine würdige Stätte der Verehrung.

Mit ganz besonderer Liebe ist die Brigidenkapelle neugestaltet und bereichert worden. Die Umpflanzung übernahmen die Schulkinder. Freiwillige Spenden ermöglichten den Einbau von Buntfenstern, den Kauf des bronzenen Kreuzwegs, die Anfertigung der kunstvollen Eingangstür, die vollständige Überholung des alten Barockaltars u. v. m. Die Inthronisation der Patronin St. Brigida in der Muschelnische des Altares war Höhepunkt des Kirmestages 1965.

Der Ruhm jeden Gemeinwesens haftet immer an seinem Gotteshaus. Möge es weiter bestehen und ewigen Friedens sich freun!