Auf der Eifelautobahn vom Rhein zur Mosel

Was sie so nebendran uns bieten kann

Peter Kremer

Im Anfang war der Pfad, die schmale Spur, die der erste Siedler mit seinen Füßen trat. Mit diesem Pfad zum Wasserquell, zum nahen Brunnen im Gelände, zum nächsten Siedler, zum nutzbaren Gehölz, begann die Kultur des seßhaft gewordenen Menschen. „Eselspfad" nennen die Leute auf der Höhe der „Wilden Endert", deren Schlucht unsere Eifelautobahn umgeht, noch heute den Pfad, auf dem der Esel des Müllers aus dem tiefen Tal die Mehlsäcke in die kleinen Bauerndörfer trug und die Kornsäcke hinunter zur Wassermühle brachte. Jeder Pfad war eine Menschenspur in der Landschaft, dieser wohldurchdacht angepaßt; er schlängelte sich zur Höhe hinauf, umging da und dort eine Baumgruppe, ein Sumpfloch, einen Steilhang, nahm Wetterschutz an einer Schlehdorn- oder Haselhecke; er hatte Zeit, nicht schnurstracks zum Ziel zu führen. Der schönste aller Pfade ist der Leinpfad am linken Moselufer, immerfort den Fluß entlang von Trier bis Koblenz. Er ist der schönste Spazierpfad, Rittweg wird er auch genannt, weil auf ihm die Halfen ritten, wenn ihre Pferde an langen Leinen die Schiffe flußaufwärts zogen. Den Rückweg nahmen die Reiter auf der kürzeren Eifelstraße. Der Leinpfad ist rund zweitausend Jahre alt.

Nach den Pfaden kamen die Wege, die mit Zugtieren befahren werden konnten. In der Vorzeit bildeten sie die Adern, ohne die der Siedlungsraum nicht lebensfähig gewesen wäre. Auch diese „Urwege" waren ausgeklügelt der Landschaft angepaßt; sie mieden die feuchten Niederungen, sie führten zumeist über die langgezogenen Wasserscheiden, wo der Boden auch in den nassen Jahreszeiten fest genug war für Wagen und Spannvieh. In den frühesten Urkunden des Mosel- und Eifelraums kommt häufig der Name Kimweg, Kern oder Kernen vor, in welchem Wort, das sich da und dort noch erhalten hat, eine gallische Wurzel steckt, aus der das keltischlateinische Caminus, das spätere französische Chemin stammt, da ist ein vorrömischer Weg zu vermuten.

Die Eifelautobahn etwa 1500 m vor der Tankstelle Martental

Die Römer waren die ersten großen Straßenbauer, mit ihren Straßen beherrschten sie strategisch und auch wirtschaftlich ihr Weltreich. Sie machten im linksrheinischen Gebiet während ihrer 450 Jahre dauernden Herrschaft aus dem Gewirr der bereits vorhandenen Wege ein geordnetes Straßennetz, das ihren militärischen und administrativen Erfordernissen genügte. Aus militärischen Gründen bauten sie ihre Straßen nicht, wie es die Menschen der Vorzeit getan hatten, auf die Höhenkämme der Wasserscheiden, sondern sie führten ihre Straßen möglichst gerade zum Ziel, ohne eine Durchquerung tief eingeschnittener Täler zu scheuen. Die zwei für unseren Raum wichtigsten Römerstraßen waren die über den Hunsrück laufende Straße Trier — Simmern — Mainz und die durch die Vordereifel führende Straße Trier — Ehrang — Hetzrath — Wittlich — Kaisersesch — Andernach, mit Abzweig nach Koblenz. Dieser ziemlich gerade Straßenzug zwischen Trier und Andernach, also von der Mosel zum Rhein als schnellste Verbindungslinie, war sorgfältig ausgebaut mit Packlagen aus rotem Sandstein und überdeckt mit einer dikken Schicht von Moselkies, Sie stammte wahrscheinlich aus der Zeit des Kaisers Augustus, der ja auch der Stadt Trier seinen Namen gegeben hat: Augusta Treverorum. Es war als Heer- oder Marschstraße eine viae, eine Straße erster Ordnung.

Zwischen diesen beiden genannten Heerstraßen stellten kürzere und mit mangelhaftem Steinkörper ausgestattete Handelswege die Verbindung von Eitel und Hunsrück her, von denen ein über die Moselberge führendes Stück zwischen Ürzig und der Kinheimer Höhe noch heute „Römerstraße" genannt wird. Das Mittelalter baute zu den mehr und mehr zuwachsenden und vernachlässigten Römerstraßen noch die sogenannten Weinstraßen, Verkehrswege, auf denen der Moselwein in die entfernt gelegenen geistlichen und weltlichen Herrschaftskeller, zum Beispiel zum Kloster Himmerod oder zur Burg Manderscheid oder sogar nach Köln und den Niederlanden mit Pferdefuhren, verfrachtet wurde. Zwei solcher Weinstraßen führten durch die Wittlicher Senke, die eine, vom Klosterhof Machern, Zeltingen — Rachtig gegenüber, ausgehend, ging über Wengerohr — Lüxem bis Malmedey — Brüssel, die andere führte über Wittlich durchs Salmtal zu den Burgen und Klöstern der Westeifel und bis nach Flandern und Luxemburg. Dazu ging erst seit dem 17. Jahrhundert der Postweg als Verkehrslinie durch unsere Landschaft: von Augsburg über Speyer kam er in Kreuznach in unseren Raum, führte über Lieser — Wittlich — Bruch — Binsfeld — Nattenheim _ Namur nach Brüssel. In Lieser und Wittlich stehen noch die alten Posthöfe der Herren von Thurn und Taxis. Eine Poststraße war dann auch im 18. und 19. Jahrhundert die von den Trierer Kurfürsten geschaffene direkte Verbindung Trier — Koblenz im Zug der ehemaligen Römerstraße mit den Pferdewechsel-Stationen Hetzerath — Wittlich _ Lutzerath — Kaisersesch — Polch. Sie ließ der Kaiser Napoleon vor seinem Kriegsmarsch nach Rußland ausbessern, mit neuen Brücken über die Eifelflüßchen Salm, Lieser, Uess, Alf, Endert und Elz, mit steilen Verkürzungen zwischen den Straßenkurven — er schonte weder Mensch noch Tier — die mancherorts noch heute Napoleonsstraße, Poststraße und Napoleonsbrücke genannt werden. Auf dieser Straße zogen die russischen und preußischen Armeen 1814 nach Frankreich; sie sah den Aufmarsch der deutschen Heere nach Westen zum Kriege 1870/71 und zum 1. Weltkrieg, und wer den Rückzug der deutschen Armee im Herbst 1918 über diese Straße erlebt hat, kann das Bild des Grauens im Lutzerather Loch, im Martertal, im Elztal nicht vergessen: die Unzahl der zertrümmerten eisenbereiften Lastautos, die Kadaver der Pferde, die tödlich verunglückten Soldaten, der bis zu 50 Meter Tiefe aller Äste beraubte Waldstreifen zu beiden Seiten, der Knüppel liefern mußte für die Menschen und Prügel für die Gäule.

Durch königliche Kabinettsorder vom 17. September 1822 war diese Land- und Heerstraße als Staatsstraße oder Chausee ausgebaut worden, ab 1875 hieß sie Provinzialstraße, weil ihre Verwaltung und Unterhaltung der Rheinprovinz unterstellt war.

Unter der Elztalbrücke

Unsere neue Eifelautobahn ist die zeitgemäße Weiterführung der Geschichte dieser Straße ins letzte Viertel des 20. Jahrhunderts, ins Zeitalter der Motorwagen, aber auch ins Zeitalter des endgültigen Friedens zwischen Deutschland und Frankreich. Zum erstenmal seit 2000 Jahren soll sie nicht militärischen Zwecken als Aufmarschstraße dienen, sondern der friedlichen Verbindung zwischen Ost und West, der Wirtschaft und dem Handel, dem schnellen Verkehr zwischen Koblenz und Trier und Saarbrücken und Metz und Luxemburg. Nicht zuletzt soll sie der Infrastruktur des bisher arg vernachlässigten Eifel-Moselraums dienen, der Anlage von Industriewerken an ihrem Saume, der Hebung des Fremdenverkehrs aus den Ballungsgebieten an Rhein, Ruhr und Saar in einer Erholungslandschaft von eigenartiger Schönheit und Stille. Zwar ist die Eifelautobahn ein Werk der Technik; aber in ihr triumphiert die Technik nicht über die Natur und Landschaft, sie ist dieser untergeordnet gleich einem Flußlauf, und in keinem Abschnitt wirkt sie als Fremdkörper. Ihr vierspuriges Band hat im großen und ganzen den Zug der Römerstraße, der Napoleon- und Provinzialstraße beibehalten, mal überquert sie diese Vorgängerinnen, mal läuft sie parallel zu diesen, und im Langheckwald von Kaisersesch kann man noch deutlich Wall und Graben und Fahrbahn der Augustusstraße erkennen, wie sie auch im Maifeldgau ihr untergründiges Dasein durch hellere Saatstreifen verrät. Die Autobahn unterscheidet sich von den früheren Straßenzügen besonders dadurch, daß sie die tiefsten Schluchten umläuft, das Martertal, das Lutzerather Loch, das Alfbachtal, und wo dies nicht möglich war, überspannt sie die Täler von Salm, Lieser und Elz durch hochgebaute Brücken. Sie ist also eine Höhenstraße mit wenig Gefalle und wenigen Steigungen, sie erschließt die Hochfläche zwischen Südeifel und Moseltal und schenkt den Augen dadurch weite Fernblicke über die Landschaft. Jeder Autofahrer befährt sie gerne; sie ermüdet nicht und wirkt nicht langweilig; immerfort bietet sie neue Bilder an. Auf der amtlichen Straßenkarte heißt sie A 48; aber die Anwohner gaben ihr von Beginn ihrer Bauzeit an den Namen Eifelautobahn, weil sie in ihrer ganzen Länge von rund 120 km die Eifel durchläuft.

Doch nun wollen wir endlich die Fahrt beginnen, um zu schauen, was sie uns so nebendran zu beiden Seiten ihrer Bahn zu bieten hat.

Am Rhein fängt unsere Reise an, im industriereichen Neuwieder Becken, in einer von Technik und Verkehr geprägten Region, wo Schienenstränge und Schnellstraßen uns in kürzerster Zeit nordsüdlich nach Mainz und Frankfurt, nach Bonn und Köln bringen können. In Bendorf, in dessen Hafen vorwiegend ltanker liegen, verbindet eine tausend Meter lange Stelzenbrücke unsere Autobahn mit den rechtsrheinischen Fernstraßen. Wir berühren die Koblenzer Stadtgrenze am nördlichen Saum, die Nähe der Autostraße hat hier neue Industrieanlagen angezogen. Das heutige Koblenz, das römische Confluentes am Zusammenfluß von Mosel und Rhein, die letzte Residenz der Trierer Kurfürsten, ist nicht mehr nur die vornehme Stadt der Behörden und Beamten, des Schlosses und der Schulen; im Schnittpunkt von zwei Autobahnen, sieben Bundesstraßen, fünf Schienenwegen, Anlegeplatz der Handelsschiffe und der Personendampfer, ist es eine sehr lebendige Stadt für Handel und Gewerbe, eine starke Garnisonstadt und nicht zuletzt die Stadt mit der größten Besucherzahl im Lande Rheinland-Pfalz. Sie kann ihren Gästen viel Sehenswertes anbieten: alte Kirchen und Paläste, herrliche Uferpromenaden an beiden Flußufern, ein einzigartiges Weindorf für Touristen und Einheimische, großartige Ausblicke vom „Deutschen Eck" flußab und flußauf und auf die gegenüberliegende Festung Ehrenbreitstein, Dampferfahrten und Ausflüge in die burgenreichen Weintäler Rhein, Mosel und Lahn.

1000 m vor Kaifenheim

Die Eifelautobahn schwingt sich aus dem Rheintal in sanfter Steigung ins Eifelland hinauf. Zunächst fahren wir durch den riesigen Obstgarten zwischen den Orten Rübenach, Mülheim-Kärlich, wo die Trierer Kurfürsten ein Lust- und Jagdschloß stehen hatten, wo wir im Frühling durch ein weißschäumendes Blütenmeer von Kirschbäumen, das größte Süßkirschenanbaugebiet Deutschlands, gleichsam schwimmen; an Bassen-heim vorbei, wo der „Bassenheimer Reiter", der steinerne Ritter Sankt Martin aus der Stauferzeit, zum Verweilen einlädt. Am Koblenzer Kreuz umrunden wir die A 61 (Krefeld — Ludwigshafen), und dann sind wir auf dem Maifeld, der alten bäuerlichen Kulturlandschaft, wo die Bauernhöfe aus Basaltstein wie fränkische Bauernburgen stehen. Das Maifeld hat fruchtbaren Ackerboden, intensiv genutzt zum Weizenanbau, zur Zuckerrübenzucht und vor allem als bestes deutsches Kartoffelland; es ist der Kartoffelkeller des Ruhrgebietes. Der Vulkanismus hinterließ uns Lavagestein, Basalt und Bims. Mendig und Mayen sind die Zentralorte der Steinindustrie und des Steinhauergewerbes. Der gewundene Kirchturm von St. Clemens ist das Wahrzeichen der Stadt Mayen mit ihrem keltischen Namen magus = Feld. Die wuchtige Genovevaburg krönt den Stadtkern, der noch ganz umschlossen ist von der Stadtmauer mit ihren Turmtoren. Es ist die volkreichste Stadt zwischen Koblenz und Trier, eine Industrie- und Kaufmannsstadt, die Einkaufsstadt des Maifelds, hier ist die einzige deutsche Imkerschule, dazu eine Fachschule für Schieferdachdecker und Steinmetze. Wer das Schloß Bürresheim im Nettetal besucht, erlebt bewahrt gebliebene deutsche Romantik. Zum höchsten Berg der Eifel, der Hohen Acht, und zum Nürburgring ist es nicht weit; vor allem lohnt sich ein Besuch am nahen Laacher See, dem größten Maar der Eifel, mit der mehr als 800 Jahre alten weltberühmten Benediktiner-Abtei Maria Laach. Der Blick über den See und das vieltürmige Münster gehört zu den wenigen erhalten gebliebenen klassischen Landschaftsbildern der Welt.

Ulmen mit Maar, unmittelbar an der Eifelautobahn gelegen

Von Mayen können wir abzweigen ins reizvolle Brohltal, hinauf zur Hocheifel, oder nach Süden, über Münstermaifeld, dessen burgartige Kirche den ganzen Maifeldgau überragt, zu den Weinorten der Untermose!, Winningen voran, wo eine überhohe Brücke elegant das tiefe Moseltai überspannt als Verbindung der Eifelautobahn mit der Huns-rückhöhenstraße und zugleich als Fortsetzung der Autobahn Krefeld — Ludwigshafen. Auf der 100 Meter hohen Elztalbrücke verlassen wir das Maifeld. Das Elztal ist das Burgental der Eifel. Die Virneburg steht an seinem Anfang, über dem malerischen Dorf Monreal ragen gleich zwei Burgen hoch, die wiederbewohnte Burg Pyrmont blickt hinab auf den Wasserfall, und wie ein Märchenbild steht zwischen Wildbach und Waldhängen das vielbesuchte Schloß Eltz, die einzige unzerstört gebliebene mittelalterliche Ritterburg.

Mit der Elztalbrücke verlassen wir den Kreis Mayen-Koblenz und kommen in den Landkreis Cochem-Zell. Bauernland dehnt sich noch zunächst nach beiden Seiten aus, dann umrunden wir den großen Marktflecken Kaisersesch mit seinem schiefen Kirchturm, wir sehen die Abzweigung Cochem, und fortan läuft unsere Fahrbahn durch die großen Wälder über die Randhöhe der eigentlichen Vulkaneifel. Wir blicken hinunter in das tiefe Martertal, wo sich in einer engen Nebenschlucht die alte Wallfahrtsstätte der kargen Landschaft verborgen hält. Wir bleiben auf der Höhe, beim Dörfchen Laubach kann der aus Richtung Koblenz kommende Besucher des Nürburgrings schnell an der Rennbahn sein, während der aus Richtung Trier kommende Autorennfreund in Ulmen abzweigt, und auf diesen beiden Strecken kann sich nach dem Rennen der Rückstau gut verteilen. Dieses lange Waldstück durch die Vulkaneifel gehört zu den schönsten Abschnitten der ganzen Autobahn. Weit reicht nach Norden die Sicht auf die Bergkegel der Hocheifel, Hohe Acht und Nürburg, die höchsten Erhebungen der Eifel, der Hochkelberg stellt sich dazu; blau schimmert die Hochfläche im Sonnenglanz, im Herbst brennen die Buchenwälder und die Birkengruppen im Gold- und Kupferton, im Vorsommer ist unsere Fahrbahn eingerahmt vom Eifelgold der Ginsterbüsche, die grünen Böschungen der Trasse sind überhaucht vom blauen Licht der Lupinenkerzen. Da und dort weidet eine Schafherde in dieser urtümlichen Landschaft; wir ahnen die kleinen Walddörfer links und rechts der Bahn, ihre Verbindungs und Feld- und Waldwege führen auf schmalen Übergängen über uns hinweg, mitunter auch unter uns hindurch wie die kleinen Wasserläufe. Immer noch umfahren wir das Tal der Wilden Endert. Kenner wissen, daß drunten in der engen Schlucht unter der „Napoleonsbrücke" der Endertpfad beginnt, der in vier Wanderstunden durch das einsamste Tal Deutschlands, an der Winnenburg vorbei, dem Stammsitz der Herren von Metternich, in die heitere Moselstadt Cochem führt. Dicht am Höchstberg vorbei eilt unser Wagen, wo noch die harten Basaltsteine gesprengt und gemahlen werden. Dann kommt das schöne Dorf Ulmen, mit Abzweigungen zur Ahr und zur Mosel. Wir umrunden ein liebliches Maar und die Burgruine der Ritter von Ulmen, militärische Anlagen verraten die Nähe des Nato-Flugplatzes Büchel. Wiederum führt ein Abzweig direkt nach Cochem,

der meistbesuchten Moselstadt, wo man lieber den Wein als das Wasser hat, wie ein alter Volksspruch sagt. Von hier aus kann man den 22 km lang gekrümmten „Cochemer Krampen", den der längste deutsche Eisenbahntunnel der Strecke Koblenz — Trier abschneidet, schnell erreichen, das abgelegenste und stillste Moselstück mit den Weinorten Fankel, Valwig, Bruttig, Briedern, Senheim, und vor allem das entzückende mittelalterliche Städtchen Beilstein, das gleich einem Stich Merians sich mit Kloster und Burg auf dem rechten Ufer aufgebaut hat. Über Ediger, Eller, Bremm, Alf kann man in Wittlich wieder die Eifelautobahn erreichen.

Von der Autobahn aus schnell erreicht, das Pulvermaar bei Gillenfeld

Doch wir sind diesmal auf unserer Fahrbahn geblieben, die uns bald zum Autobahndreieck Daun bringt. Da sind wir im Herzen der Vulkaneifel, dem schönsten und urtümlichsten Teil der Eifel, mit dem waldumkränzten Gillenfelder- oder Pulvermaar in südlicher Richtung, mit den drei Dauner Maaren nördlich: dem Weinfelder- oder Totenmaar mit seinem Friedhof und dem grauen Kirchlein über dem Wasserspiegel, wo der herbe Charakter der Landschaft uns verdichtet ergreift, am Gemündener Maar im grünen Hochwaldkessel und am lieblichen Schalkenmehrener Maar. Es lohnt sich, ein paar Wochen im Kneipp-Bad Daun zu küren, durch den ausgedehnten Wildpark zu wandern, in Schalkenmehren auszuruhen. Hoch über dem Dorfe auf dem Hohen List wölbt sich die Sternwarte der Universität Bonn empor. Der Anblick der Maare, der Augen der im Feuer geborenen Landschaft, gewährt uns Einsicht in den Vulkanismus einer noch nicht so fernen Epoche der Erdgeschichte. Hier ist Urlaubsland für die Menschen aus den industriellen Ballungsgebieten rund um die Eifel. Wir haben nun die höchstgelegene Teilstrecke der Eifelautobahn mit 450 bis 500 m NN im Durchschnitt hinter uns. Die Sicht auf die Maarberge begleitet uns noch ein gutes Stück; der mehrgipfelige 519 m hohe Mosenberg, der typischste Vulkan mit dem Windsbornkrater, steht ganz nahe. Der Abzweig Manderscheid verlockt uns zum Besuch dieses Luftkurortes mit der Ober- und Niederburg in der Lieserschlucht; für Eifelwanderer beginnt hier der herrliche Lieserpfad am Wildwasser entlang bis nach Wittlich, ein Wanderpfad durch ein Stück Urnatur. Noch fahren wir durch prächtigen Hochwald, der große Kunowald zwischen Manderscheid und Eisenschmitt steht ganz nahe. Dann mehrt sich die Zahl der Dörfer links und rechts der Bahn, Bauerndörfer, die ihr Ackerland zwischen den Wäldern in fränkischer Zeit gerodet haben; sie tragen darum fränkische Wald-, Holz-, Feld- und Rodungsnamen: Eckfeld, Wallscheid, Laufeld, Ober- und Niederöfflingen, Ober- und Niederscheidweiler, Wilwerscheid, Diefenbach, Gipperath, Hasborn, Greimerath. Ein gutes Stück begleitet uns die Eisenbahnlinie Wengerohr — Wittlich — Daun. In Brockscheid werden seit 200 Jahren Glocken gegossen. Noch einmal rückt der Wald nahe bis zur Fahrbahn, doch plötzlich öffnet sich die Landschaft, die Wittlicher Senke ist hell vor uns ausgebreitet. Das Wittlicher Tal, mit der Stadt Wittlich am Nordrande unterm Südhang der Eifelhöhe, gehört zu den eigenartigsten deutschen Landschaften. Zwischen den Randbergen der Mittelmosel und der Eifelhochfläche liegt hier, gleich einer Wiegenwanne, ein Talkessel gebettet, der sich als Fortsetzung der Trierer Talweitung nach Nordosten darstellt und hier seine behaglich sich ausrundende offene Schale gefunden hat. Ursprünglich war die Senke bis zur Gipfelhöhe des 286 m hohen Burgkopfes mit Rotliegend-Schichten ausgefüllt, mit den Abtragungsschichten des sogenannten Variskischen Gebirges, sie lag mit den Moselbergen noch in gleichem Niveau, bis am Ende der Tertiärzeit, verbunden mit dem Absinken des Wittlicher Grabens, die Flüsse Salm, Lieser und Alf mit ihren Zuflüssen, während der Eiszeit mit ungeheurer Energie ausgestattet, hier mächtig aufräumten, so daß die Durchschnittshöhe der Senke heute nur 150 m NN beträgt. Nur der Neuerburger Kopf, das majestätische Wahrzeichen des Wittlicher Tales, konnte nicht bezwungen werden, weil er im Kern aus einem vulkanischen Basaltkegel besteht. Es blieb auch noch eine so hohe Schicht des feinen, roten, leicht verwitternden Sandsteins, des sogenannten Rotliegenden, in der Senke liegen, daß eine Bohrung selbst in 500 m Tiefe noch nicht den Devon-Schiefer erreichte. So ist, schon allein durch die durchweg fruchtbaren Böden des Rotliegenden, gepaart mit einem Klima, das mit den wärmsten deutschen Talauen wetteifert, hier ein ausnehmend fruchtbares Bauerngelände zu finden. Die Senke ist gegen Westen und Norden durch die bewaldeten Eifelbergrahmen geschützt. Jeder Sommer zeigt dem Auge im Nebeneinander von Weizen, Wein und Tabak, von Edelobstanlagen und Grünmaisfeldern, von Zuckerrüben und anderen Sonderkulturen ein Bild, das an südlichere Gefilde denken läßt. Zweitausend Jahre lang ernährte diese Senke acht Dörfer, dazu die Stadt Wittlich, mit der seit jüngster Zeit sechs der Dörfer eingemeindet sind.

Die Kreisstadt Wittlich müssen wir besuchen. Vitelliacum hieß sie zur römischen Zeit; ein latinisierter Kelte namens Vitellius hatte sich hier am Ufer der Lieser eine vielräumi-ge Villa, einen Gutshof hingestellt, die Reste verbirgt unsere 200 m lange Autobahn-Lieserbrücke schonend unter sich. Wittlich ist die Einkaufsstadt der Landschaft, zugleich die Schulstadt; der schöne Marktplatz zeigt noch sein historisch gewachsenes Gesicht, und wenn Mitte August an diesem Platz die „Säubrennerkirmes" gefeiert wird, mit Schweinebraten vom Röstofen und mit Wittlicher Wein, so ist dies drei Tage lang ein bodenständiges Volksfest für rund 100000 Menschen. Seit neuester Zeit hat sich am Südrande, unmittelbar an der Autobahn, mancherlei Industrie angesiedelt, und vielleicht darf an dieser Stelle gesagt werden, daß die Eifelautobahn diese Industrieanlagen erst ermöglicht hat, in Kaisersesch und Ulmen, in Wittlich und in Hetzerath. Tausende von Männern und Frauen aus dem wirtschaftlich unterentwickelten Südeifelraum fanden hier eine Arbeitsstätte, Menschen aus den Dörfern, die nun überzählig waren in der modernisierten und rationalisierten, vordem kleinbäuerlichen Eife-ler Landwirtschaft.

Aus dem Wittlicher Tal laufen seit alter Zeit die Straßen nach allen Himmelsrichtungen: über das nahe Zisterzienser-Kloster Himmerod und Eisenschmitt nach Bitburg, Gerol-stein oder Prüm; über Ürzig nach Traben-Trarbach und Zell; über Bausendorf an der herrlichen Springiersbacher Rokoko-Kirche vorbei durch den mächtigen Kondelwald nach dem lieblichen Bad Bertrich, dem milden Karlsbad im Tal der Uess; oder über Alf nach Bullay; über den Bahnknotenpunkt Wittlich— Wengerohr nach Zeltingen, Wehlen und Bernkastei, durchs untere Liesertal nach Kues und über die neue Moselbrücke Lieser-Mülheim die alte „Kaffeestraße" hinauf zur Hunsrückhöhenstraße und nach Morbach und Idar-Oberstein.

Am Maar auf dem Mosenberg bei Manderscheid

Die genannten Winzerorte, dazu Brauneberg und Piesport, klingen in den Ohren der Weinkenner wie Choralmusik: Vinum bonum! Da reifen die großen Weine der Mittelmosel, und wenn übers erste Septemberwochenende jedjahr all diese Orte von Kröv bis Neumagen in Bernkastei das Weinfest der Mittelmosel feiern, dann wird am Gestade eine lange Weinstraße aufgebaut, wo jedermann die Kreszenzen der einzelnen Jahrgänge und Lagen probieren und genießen kann, vom freimütigen bäuerlichen Gewächs bis zur höchsten Feinheit adeliger Zucht und Genußkultur. In Kues darf der Besuch des St. Nikolaus-Hospitals nicht versäumt werden, des kunstreichen Cusanusstifts mit der kostbarsten deutschen Privatbibliothek, eine der ehrwürdigsten Stätten des Abendlandes.

Wir verlassen das Wittlicher Tal auf der Doppelbrücke über die Lieser und fahren durch den Höhenrücken des Mundwaldes. Dies ist der eindrucksstärkste Abschnitt der ganzen Eifelautobahn. Tief wurde die Fahrbahn im roten Felsgestein eingebettet. Hier war ihre schwierigste Baustelle. Wie durch eine natürliche Steinschlucht gleitet die Bahn, steil zu beiden Seiten umstanden von senkrechthohen roten Wänden in ihrer gewachsenen Struktur, auf dem Kopf von alten Buchen beschirmt. Die ausgebaggerte Erd- und Gesteinsmasse wurde am Ausgang des Passes zu einem Berg aufgeschüttet, der zu einem Rastplatz, zu einem Picknick-Platz, gestaltet wurde mit herrlicher Fernsicht nach allen Richtungen; unsere Augen bleiben haften an der Wallfahrtskirche von Eberhardsklausen, deren Turm mit einem Weinfäßchen auf der Spitze weithin die Landschaft krönt. Der alte Wittlicher Wallfahrtsweg mußte ein Stück umgeleitet werden und geht nun unter der Autobahn durch. Seit mehr als 500 Jahren ist Eberhardsklausen mit dem kunstvollen flandrischen Schnitzaltar der marianische Wallfahrtsort der Menschen der Süd- und Westeifel, an Mosel und Saar; da wurden in allen Kriegen dieses halben Jahrtausends den Männern und Söhnen des trierischen Landes die höchsten Orden der Weltgeschichte verliehen: die Tränen ihrer Mütter und Frauen im Kerzenschimmer eines Gnadenbildes.

An der roten Erde merken wir, daß unsere Autobahn nun durch das Urstromtal der Mosel dahinläuft. Der Fluß hat sein Bett im Erdaltertum einigemal umgeändert, wie anden Umlaufbergen bei Monzel, Noviand, Siebenborn, Mühlheim und Brauneberg zu erkennen ist. Seitlich der Großgemeinde Salmtal überfahren wir die Eisenbahnlinie Koblenz-Trier, bald kommt die Brücke über das Salmflüßchen, das sich in Klüsserath mit der Mosel vereint. Unweit von Klüsserath liegt der schöne Weinort Trittenheim mit seiner Unzahl von Rebstöcken um den Laurentiusberg und die Leiwener Zummethöhe, von wo das Wasser der Dhrontalsperre in mächtigen Rohren herabschießt, um die Turbinen eines Stromkraftwerkes dicht am Flußufer anzutreiben. Auch auf der Höhe von Bekond kann man zur Mosel abzweigen und dann auf der Mittelmoselstraße nach Thörnich, Mehring und Longuich fahren, deren Weine sich rühmen und trinken lassen. Die Autobahn führt dicht an Hetzerath vorüber; sie hat auch hier Industrie sich ansiedeln lassen. Die Wälder sind ferngerückt, der große dunkle Meulenwald steht über Ehrang. Plötzlich riechen wir die Nähe der Mosel, die ersten Rebstöcke tauchen auf, und dann sehen wir das Trierer Becken geöffnet vor und unter uns liegen.

Wir fahren langsam über die riesige hohe Schweicher Autobahnbrücke aufs andere Moselufer. Hier mußte ein Stück vom mächtigen Schweicher Anna-Weinberg abgeschnitten werden, doch soll der diesseitige Steilabfall wieder mit Reben bepflanzt werden. Tier unter uns hat sich Schweich ausgebreitet, der alte Fährturm steht wie ein hottetragender Weinbauer auf dem Campingplatz dicht am Fluß; die alte Moselbrücke sieht von der Höhe aus wie ein Kinderbauwerk. Wir sehen die Mündung der Ruwer, flußaufwärts zeigt sich unter leichtem Tal- und Großtsadtdunst Trier unseren Augen, die älteste Stadt Deutschlands, deren turmreiche Silhouette uns anlockt. Wir sind in der Augusta Treverorum, der römischen Kaiserstadt, die wie ein Bilderbuch ihrer zweitausendjährigen Geschichte vor uns aufgeschlagen liegt und sich mit ihrem Reichtum an Sehenswürdigkeiten zu einer einzigartigen, erhabenen Schau anbietet.

Die Eifelautobahn am Mundwald bei Wittlich