Prof. Fritz von Wille auf Burg Kerpen 156

Fritz von Wille kam wieder in die Eifel

Keinem von mehreren reputierlichen Malern des Landschafts-Einschlages haftet so sehr das Odium an, ein „Eifelmaler" zu auch wohl keiner wurde das, im Gegensatz zu manchen anderen seiner malenden Zeitgenossen und jenen, die nach ihnen kamen, die das als ein Attribut mit negativem Vorzeichen auffaßten. Fritz von Wille (1860 bis 1941) hat am tiefsten das Wesen der Eifeler Landschaft erfaßt. Wenn es darum ginge (was gottlob nicht zur Debatte steht) ob jemandem der Titel „Eifelmaler" oder gar allumfassend „der er müßte ihn tragen. Wohl nie in seinem Kunstleben wäre ihm der Einfall gekommen, das als eine Einengung seines künstlerischen Wirkungs- und Ausstrahlungsbereichs aufzufassen, wenngleich er auch mehr war als nur ein Eifelmaler; und keineswegs aber auch weniger. In der schöpferischen Auswirkung seines künstlerischen Schaffens sah er sich erfüllt, wenn er Eifel, und immer wieder fast nur die Eifel darstellte, ohne die Beziehung zur übrigen Welt zu verlieren.

Die Burgen von Manderscheid, Großgemälde im Landratsamt Wittüch

Reifferscheid

Aber die Landschaft der Eifel, die wahrhaft große, auch geografisch viel weiter als heute begriffene Landschaft der Eifel, die man mit ihrem ardennischen Wald- und Gebirgs-Anhang in der Tat vom Rhein bis zur Maas begreifen konnte, das war eben die von der Seele und nicht von der geografischen Nähe zu seiner Schaffensheimat Düsseldorf gewählte Motiv-Landschaft voller künstlerischer Unerschöpflichkeit.

Kronenburg

So zog er, wie es auch schon vor ihm seine Lehrer und Düsseldorfer Mit-Maler Scheuren und Lessing getan hatten, die als die Entdecker der Eifel gelten, in die Eifel hinein, um sie nun seinerseits zu entdecken, Vor allem wollte er aber diese Landschaft erleben. Daß er sie im echten Sinne des Wortes erlebt hat, davon zeugen vor allem jene Bilder aus seiner ersten Eifeler Schaffenszeit, aus einer Zeit also, als man immer noch erst dabei war, die Eifel zu entdecken, ein Zeitpunkt den man auch bis heute noch nicht mit Anfang und Ende festlegen kann.

Die Wildenburg (Gemeinde Hellenthal)

S. M. Kaiser Wilhelm II. im Gespräch mit Prof.Fritz von Wille

Darunter kann man all das verstehen, was heute jedem durch ein großes Angebot von Schrifttum aus allem Eifel-bezogenen Gebieten erspart bleibt oder erleichtert wird und was zumindest nun in der vielfältigsten Form durch Regional-Prospekte angekündigt wird. So wie man es selbst in der ernsthaften Wissenschaft erforscht hat und auch lehrt, daß die Landschaft Eifel durch die Dichter, Schriftsteller und Maler seinerzeit (das war Mitte des 19. Jahrhunderts) entdeckt worden sei, so muß man denn auch, wenn es um Fritz von Willes Teilhaberschaft an der künstlerisch-ernsten Informations-Bemühung um die Eifel geht, ihm den großen Anteil daran zuerkennen.

Ich bin sicher, daß weder er noch sein Vater August von Wille, der ihm den Weg in die Eifel gewiesen hatte, wenngleich er selbst nicht so sehr ein Eifelmaler wurde, sich gerne verglichen sehen mit Propagandisten für die Eifel. Von Fritz von Wille wissen wir wohl, daß er, zumal nachdem er Besitzer der Burg Kerpen (bei Hillesheim) geworden war, bald fast ausschließlich in der Eifel malte.

In den Signaturen seiner Bilder kann man wie bei Jahresringen ablesen, wo und wann er unterwegs war und wo jeweils langfristige Reise-Standorte seiner Malreisen in der Eifel gewesen sind.

Und wiederum ist zu bedenken, als er mit seinen Bildern gewollt oder ungewollt zum Fürsprecher für die eigenartige und eigenwillige Landschaft der Eifel wurde, daß damals der Eifelverein noch jung war, der dann später auf seine Fahne schrieb: ... die Eifel kulturell und wirtschaftlich zu erschließen, den Tourismus zu fördern.

Das war aber erst 1888, nach der Gründung des Eifelvereins zu Bad Bertrich. Fritz von Wille ist von der Gründerzeit des Eifelvereins an stets sein Mitglied gewesen. 1888 malte Fritz von Wille auch seine ersten Bilder in der Eifel. Es ist gewiß kein Zufall, daß das Gründungsjahr des Eifelverein und von Wille's beginnende Eifel-Aktivität zusammenfallen.

Der Archivar des „Künstlervereins Malkasten", eines in seiner Art nahezu einzigartigen und über 155 Jahre alten Düsseldorfer Künstler-Clubs, Ernst Kratz, schreibt über die besondere Sendung von Willes, eines der markanten Mitglieder des Vereins, u.a.: „1888 malt er zum ersten Male Bilder in der Eifel, und immer wieder zog es ihn in der Folgezeit in diese herbe, stille Landschaft hin, die seinem eigenen, trotz aller Liebe zur Geselligkeit doch im Grunde stillen, zurückhaltenden Wesen entsprach. Die Eifel wird zu seinem ständigen Sommeraufenthalt, zunächst Reifferscheid, wohin er freilich auch oft im Winter zurückkehrt, um auch die winterliche Schönheit einzufangen. Ab 1911 wohnt er auf Burg Kerpen, die zwar seit der Zeit Ludwig XIV. zerstört war, die er nun wieder nach seinen Plänen aufbauen läßt. Zeichnend und malend durchwandert er in diesen vier bis fünf Jahrzehnten die Eifel nach allen Richtungen und in der Entdekkung immer wieder neuer Schönheiten wird er zum Eifelmaler schlechthin"

Otto von Wille, Kunstmaler, Sohn von Prof. Fritz von Wille

„Sein erklärtes Ziel", so heißt es 1960 im Katalog der Gedächtnisausstellung im Malkasten, „war allein die möglichst getreue Wiedergabe der sichtbaren Wirklichkeit. Unberührt von den künstlerischen Erschütterungen der Zeit um die Jahrhundertwende, unberührt vom Kampf der Richtungen später, malt er die Eifel wie er sie sah. Schaarschmidt betont 1902 noch als Erbe des Vaters seine romantische Neigung, „wenn er auch in der Energie der Farbe und des Vertrags hinter keinem der Naturrealisten zurücksteht". Er erkennt die Schönheit der Eifel im Wechsel der Jahreszeiten, ebenso wenn der Schlehdorn blüht, wenn im Frühjahr die Hänge an den Maaren im Gold des Ginsters leuchten, wenn später weite Flächen des kargen Bodens von leuchtendem roten Heidekraut bedeckt sind, wenn die Herbststürme brausen oder der Winter eine Stimmung schafft, wie sie ernst und schwer etwa das Bild des beschneiten Monschau zeigt. Es sind so unendlich viele Feinheiten, die Fritz von Wille sieht und vor allem zu malen versteht. So ist er ein unübertroffener Meister der Darstellung der Wolkenbildung und ihre Auswirkung in Licht und Schatten. Wir kennen durch ihn die ganze Eifel in allen Jahreszeiten vom blühenden Frühling bis in den tiefverschneiten Winter, in allen Tageszeiten vom Aufgehen der Sonne an bis zu ihrem Untergang."

Feststellen zu wollen, wie umfangreich überhaupt das die Eifel betreffende Werk Fritz von Wille's war, ist ein schweres Unterfangen. Aber schon die ersten Versuche für die Anlegung eines Oeuvre-Verzeichnisses für Fritz von Wille, mit denen vor ein paar Jahren der Leiter des Blankenheimer Kreismuseums des Kreises Euskirchen begonnen hat, lassen erkennen, daß von Wille's künstlerische Ausstrahlung aus der Eifel heraus gewiß noch viel weiter gewesen ist, als zunächst zu vermuten war; und nicht weniger deutlich stellte sich auch heraus, daß manches Jahr eifrigen Weiterforschens weiter ins Land gehen wird, ehe man eine nahezu überschauliche Dokumentierung (Bild, Standort, Kennzeichnung seines Weges von der Staffelei bis zum Letztbesitzer und schließlich seine farbfotografische Wiedergabe) wird vorlegen können. Nicht weniger ermutigend für das Vorhaben ist trotz der auftauchenden Arbeitsfülle aber jeweils immer die Neuentdeckung von Wille'scher Arbeiten; eine Entdeckerfreude, die im nachempfundenen Sinne derjenigen nicht unähnlich gewesen sein mag, wenn der Maler in unmittelbarem Kontakt mit der Natur wieder eine neue Offenbarung der Landschaft vor sich liegen sah.

Vor allem zwei der von Wille-Bilder sind, auch wegen ihres typischen Eifelcharakters, weithin bekannt geworden: Das Totenmaar, (der Maarkrater mit dem Kirchlein von Weinfelden) und „Die blaue Blume"; zum letzteren prächtigen Stück pflegen Kenner und Laien zu bemerken:

„Die „Blaue Blume" hat 1908 Kaiser Wilhelm II. von Wille für sein Jagdschloß Cadinen in Ostpreußen erworben."

Dazu will man dann schließlich auch noch wissen, daß das eindrucksvolle Stück zu

Kaiser Wilhelms Lebzeiten noch auf Schloß Doorn, seinem Exil in den Niederlanden, gehangen haben soll. Es deutet sich schon bei solchen Erkundigungen nach dem Verbleib von Wille'scher Arbeiten an, wieviel weitschichtiger und geografisch auseinanderstrebender Wille's künstlerische Arbeit gewesen ist, aber auch, daß er nicht mehr als seine heutigen Maler-Kollegen davor gefeit war, ein Stück, wenn es begehrt wurde, auch ein zweitesmal und, — wer kennt schon die Nöte und Gewissenkämpfe eines Künstlers? — womöglich auch noch ein weiteres Mal zu malen. Auf der Ausstellung „Kunstausstellung von Wille", die im Mai 1976 dankenswerter Weise die Kreissparkasse Euskirchen anstelle des Kreismuseums Blankenheim, dem die dazu nötigen keinesfalls hohen Organisationskosten von Verwaltung und Kreistag versagt werden mußten, war „Die blaue Blume" ausgestellt. Sie kam hierhin aus der Sammlung eines feinsinnigen von Wille-Kenners, des Düsseldorfer Professors Dr. Heinz Vieten; das Bild hätte zum gleichen Anlaß und zu gleicher Stunde ein zweitesmal in der Euskirchener Ausstellung hängen können, denn kaum eine Viertel-Wegstunde von der Ausstellung entfernt hing damals (und hängt heute noch) in der Sammlung eines Euskirchener Bürgers noch einmal die „Blaue Blume". Wohl, wenn auch für den flüchtigen Betrachter nur schwer erkennbar, in einigen Einzelheiten um ein Weniges das eine von dem anderen unterschieden.

In einem anderen Falle war von der Ausstellungsleitung mit erwogener didaktischer Absicht ein F. v. W.-Eifelmaar in der Nähe eines zweiten gleichen Eifelmaar-Bildes gehängt worden. Eben, damit erkennbar würde, daß das gleiche, man könnte fast sagen „weltbekannte" Motiv vom Maler in zwei Auffassungen, vielleicht aber auch nur zu zwei verschiedenen Zeiten, also in zwei Stimmungen geschaffen worden war. „Stimmungen" festzuhalten, wiederzugeben, zu vermitteln, war ja Fritz von Willes Stärke und im wesentlichen daraus kommt seine Meisterschaft, die Eifel in allen Variationen ihrer mannigfachen Physiognomien zu sehen. Besonders an den „klassischen" von Wille-Motiven „Totenmaar" oder „Weinfeldermaar" zeigt sich, wie sehr sich auch im Ablauf von vielleicht nur einer Malstunde vor einem Landschaftsmotiv die Stimmung in der Natur verändern und auch den Künstler zu einem „Stimmungsumschwung" veranlassen können. Man würde aber den im Grunde fröhlichen und geselligen F. v. W. wiederum nicht richtig verstehen, wenn man es ihm nicht zutrauen würde, wenn es bei seinen Auftraggebern einen vertretbaren Wunsch dafür gab, ein Motiv noch einmal zu machen. Einer seiner Freunde und Maler-Zeitgenossen charakterisierte ihn richtig, wenn er von Willes etwas halb-ärgerliche aber ebenso schalkhafte Feststellung vor einem heute zu den Schätzen zählenden Ginsterbildern in maigrünen Auen wiedergibt: „ ... Die Leute wollen nun mal immer wieder Rührei mit Spinat".

Aber, so muß man zum Ausgleich von Wille'scher Frivolität dann auch wieder Experten von damals und heute ihn rechtfertigen lassen: „... Es konnte auch kein anderer seinerzeit so glaubhaft und ohne ins Kitschige abzurutschen eine Eifeler Ginsterlandschaft aufleben lassen."

Mit all diesem, auch mit dem Anekdotischen, das sich um die Künstlererscheinung rankt, kam „Fritz von Wille" dann in den Maitagen 1976 wieder in die Eifel. Diesmal nicht er selbst. Immerhin war sein Sohn und waren zwei seiner Enkel in seiner großen Ausstellung in Euskirchen vertreten. Er wird sogar, wenn die Pläne des Bonner Rheinischen Museumsamtes bis dahin nicht geändert werden müssen, im Herbst zum „Tag der Rheinischen Landschaft", noch einmal in Eifelnähe kommen. Dann soll in Düren im Leopold-Hoesch-Museum wiederum eine von Wille-Ausstellung zu sehen sein. Diese soll dann, so erklärt es der Blankenheimer Museumsleiter Hubert Meyer, der die Euskirchener von Wille-Ausstellung betreut und überhaupt sie in die Eifel gebracht hatte, eine vor allem in Sinne des Rheinischen Landschaftsgedankens ideale Überschau über Fritz von Willes Verbundenheit mit der Eifel bringen. Zumal nun unter denkbar besten organisatorischen und verantwortungsvollen finanzpolitischen Aussichten sich in der Zusammenarbeit vom Rheinischen Museumsamt (Landschaftsverband) dem noblen Leopold-Hoesch-Museum in Düren (dessen frühere von Wille-Bilder im Dürener Kriegsinferno mit untergingen) und der nach wie vor ungeschmälerten Wille-Aktivität des Blankenheimer Kreismuseums etwas ergeben, was des ungebrochenen Kulturbewußtseins der Rheinischen Kultur-Landschaftspflege wert ist.