Zeugen römischer Vergangenheit in der Pfarrei Uess

Franz Josef Ferber

Die Römer haben mit ihrer welterobernden Kultur auch im Gebiet unserer Heimat zahlreiche Spuren hinterlassen. Hieran hat unser engerer Heimatraum einen beträchtlichen Anteil. Die vielfältigen Bodenfunde beweisen dies. Nach der Eroberung Galliens durch den römischen Feldherrn Julius Cäsar (58 bis 51 v. Chr.) nahm die Besiedlung der Eifel offenbar zu. Römische Soldaten, Beamte und Kaufleute kamen in die neu eroberte Provinz und wurden hier ansässig. Sie legten hier, wie im ganzen Reich, ein umfangreiches Straßennetz an. Eine Folge hiervon war, daß Kulturgegenstände in größerer Zahl aus anderen Teilen des Reichsgebietes eingeführt oder hier produziert werden mußten. Aus dieser Tatsache heraus erklärt sich die Vielfalt der Bodenfunde. Hieran ist die Eifel stark beteiligt. Der Pfarrort Uess, am Oberlauf des Uessbaches und in unmittelbarer Nähe (südlich) des Hochkelberges gelegen, kann dabei nicht ausgenommen werden; das gleiche gilt mehr oder weniger für seine nähere Umgebung, besser gesagt, für die Filialgemeinden der gleichnamigen Pfarrei (Mosbruch-Zumried, Sassen, Horperath, Beurenbach, Hörschhausen und Katzwinkel). Diese Erkenntnisse basieren zu einem guten Teil auf den Ergebnissen jahrelanger und intensiver Forschungsarbeit des früheren Uesser Lehrers Alfons Poss, der sich auf Grund seines hervorragenden heimatgeschichtlichen Wissen über die Grenzen unseres Pfarrgemeindebezirks hinaus einen Namen gemacht hat.

Römischer Weihestein in Uess

Bekanntlich widmeten die Römer ihren Gottheiten Tempel, Kultstätten und Altäre. Von den Altären sind am bedeutendsten die sogenannten Votivsteine. Gemeint sind hiermit die — zumeist nur beschrifteten, hier und da auch zusätzlich mit bildlichen Darstellungen versehenen — Steintafeln, die auf Grund eines Gelübdes einem oder mehreren Göttern errichtet wurden. Die Pfarrgemeinde Uess kann stolz darauf sein, einen solchen Weihestein zu besitzen; er trägt die Inschrift: „IN H. D. D. DEO MERKU RIO EXCINGIORIGATI ET ROSMERTE C. SATURNINIUS VIRIAUCUS V. S. L. L. M. AEDEM D. D.". Die Beschriftung bedeutet, daß C. Saturninius in Erfüllung eines Gelübdes dem Gott Merkurius Excingiorigatus (Gott des Handels) und der Göttin Rosmerta diesen Stein weihte. Gelegentlich wurde die Ansicht geäußert, daß der Stein aus den Steinbrüchen des Brohltales stamme und auf seinem Transport zur Mosel in Uess geblieben sein könnte. Wahrscheinlicher dürfte jedoch sein, daß er Bestandteil der römischen Tempelanlage, von der unten die Rede ist, gewesen ist. Später, d. h. seit der fränkischen Zeit und nach der Christianisierung unseres Raumes, fand die beschriftete Kalksteinplatte — wie viele derartiger Kulturgegenstände — als Altarplatte, in diesem Fall in der Uesser Pfarrkirche, Verwendung, woraus sich die rechteckige eingemeißelte Vertiefung in der Mitte der Platte, in der christliche Reliquien aufbewahrt wurden, erklären läßt. Dr. O. v. Fisenne hat sicherlich nicht übertrieben, wenn er den Weihestein (in der Beilage der „Rhein-Zeitung" vom 11. 2. 1961) als „seltenes kulturhistorisches Zeugnis" bezeichnete. Schließlich ist bemerkenswert, daß der Weihestein vor Jahren eine Zeitlang unseren französischen Nachbarn als Leihgabe für eine Ausstellung überlassen worden war.

Römischer Votivstein in der Pfarrkirche Uess

Tempelbezirk bei Horperath

Wie bereits angedeutet haben die Römer, ebenso wie die einheimischen Bewohner, Kultstätten errichtet, an denen sie ihre Götter verehrten. Derartige Stätten waren im Eifeler Land nicht selten. Die Heiligtümer waren zumeist auf überragenden Anhöhen oder an stillen Plätzen angelegt; sie waren vielfach durch eine Mauer vom Umland abgetrennt. In diesen heiligen Bezirken standen oft mehrere Tempel. In ihnen konnten nicht nur die altrömischen, sondern auch die einheimischen Gottheiten verehrt werden. Denn bekanntlich waren die römischen Eroberer gegenüber den einheimischen Bewohnern außerordentlich tolerant; zum Beispiel behielten die Kelten ihren einheimischen Kultus, römische Soldaten erwiesen den ihnen fremden Gottheiten ihre Ehrerbietung und umgekehrt verehrten die Einheimischen die Götter der Römer.

Vor nunmehr vierzig Jahren, nämlich im Frühjahr des Jahres 1936, stieß der Landwirt Josef Adams-Sicken aus Horperath beim Urbarmachen von Ödland in der Flur „An den Vier Bäumen", nördlich der Straße Uess-Horperath, auf Gebäudeschutt und Ziegel. Seiner aufmerksamen Betrachtung und seiner scharfsinnigen Denkweise ist es zu verdanken, daß er in dem vermeintlichen Unrat Reste eines altertümlichen Bauwerkes vermutete. Von seinen Entdeckungen berichtete er zunächst dem damaligen heimatkundlich interessierten Pfarrer Johannes Schuster in Uess. Dieser informierte seinerseits das zuständige Landesmuseum in Bonn. Bei seinen Ausgrabungen im Jahre 1936 legte das Landesmuseum Mauern frei, die das siebenundvierzig mal vierunddreißig große Viereck eines kleinen Tempelbezirks umschlossen. Außerdem förderten die Archäologen neben Tonscherben von Gefäßen, überwiegend aus der Zeit des zweiten bis etwa zur Mitte des dritten Jahrhunderts n. Chr. herrührend, eine Fülle von zum Teil gut erhaltenen Terrakotten zutage, wovon hier nur die wichtigsten genannt sein sollen: Stehende Fortuna mit Füllhorn und Steuerruder, stehende Venus auf viereckigem Sockel, eine überschlanke Venus aus rotem Ton, Fragmente von stehenden und sitzenden Frauen oder Muttergottheiten, Fragmente einer stehenden Frau in langem Gewand und Frauenbüste mit hochgenommenem Haar. Es darf wohl mit Fug und Recht behauptet werden, daß die Funde zu den größten und interessantesten im hiesigen Raum zählen. Interessant sind sie nicht zuletzt auch deswegen, weil sie auf eine verhältnismäßig starke Besiedlung unseres heimatlichen Gebietes zur Zeit der Römerherrschaft hindeuten.

Fundsachen aus dem Brandgrab in Hörschhausen

Brandgrab in Hörschhausen

Wie den einheimischen Bewohnern beim Beginn der römischen Herrschaft ihr Kultus erhalten blieb, so blieb auch der Grabkult über Generationen hinweg in die römische Zeit hinein lebendig. Die Brandbestattung in Grabhügeln muß in der Eifel noch ziemlich lange in der Übung geblieben sein. So ist es zu verstehen, daß man im Laufe der Jahrhunderte bei Erdarbeiten allenthalben auf Brandgräber, die in römischer Zeit angelegt worden waren, gestoßen ist. Ein derartiges etwa siebzig Zentimeter tiefes Brandgrab wurde im Dezember 1955 beim Bau der Wasserleitung in Hörschhausen (zwischen den beiden Anwesen Josef Raiber und Hubert Schlimpen) vorgefunden. Die nicht unbedeutenden Grabbeigaben konnten dank des umsichtigen Vorgehens der Bauarbeiter weitgehend unbeschädigt geborgen werden. Es handelt sich hierbei um eine Aschenurne aus glasiertem grauen Ton, die noch unverbrannte Knochenreste enthielt; ihre Höhe beträgt zweiunddreißig Zentimeter und ihr Umfang zweiundsiebzig Zentimeter (bauchige Form). Die Urne, die seitdem im Landesmuseum in Trier aufbewahrt wird, war mit einer Schale aus feinem glasierten Ton (Terra sigillata, die bekannteste Art der römischen Keramik) abgedeckt. Zudem wurden ein vollständig erhaltener Henkelkrug aus unglasiertem grauen Ton (einfache Gebrauchsware) und weiterhin die Scherben eines Gefäßes (Terra nigra), dessen Verwendungszweck nicht einwandfrei ausgemacht werden konnte, gefunden. Letztlich gab das Grab noch ein kleines zierliches Gefäß (ebenfalls Terra sigillata) frei.

Römische Siedlung in Hörschhausen

Zu Zeiten der Römerherrschaft in unserem heimatlichen Raum kannte man, wie wir wissen, die dörfliche Siedlung in der heutigen Form noch nicht. Die Höfe lagen — interessanterweise genau so wie die jetzigen modernen landwirtschaftlichen Aussiedlerbetriebe — einzeln in der ihnen zugehörigen Flur. Sie waren unterschiedlich groß und wurden immer dort errichtet, wo Wasser (Quelle, Bachlauf usw.) für Mensch und Vieh vorhanden war.

Seit Generationen erzählt man sich — vermutlich auf Grund mündlicher Überlieferungen — in Hörschhausen, daß früher in der Gemarkung „Hoffeld", die ausgangs des Ortes in Richtung Berenbach gelegen ist, ein Hof gestanden haben soll. Gewiß, einige Dorfbewohner halten diese Erzählung für legendär. Sie ist es aber nicht! Die Überbleibsel nämlich, die im Laufe der Zeit an dem besagten Ort ans Tageslicht kamen, sind ein schlüssiger Beweis dafür, daß hier ein Gebäude errichtet gewesen sein mußte, das aus der Römerzeit stammte. In diesem Zusammenhang können naturgemäß nicht alle Einzelheiten, die die Existenz einer römischen Siedlung als sicher gelten lassen, dargelegt werden. Vielmehr muß sich hier darauf beschränkt werden, auf die wichtigsten Fundstücke hinzuweisen: Im Jahre 1852 wurden Gebäudereste, Bruchstücke von Tongefäßen, eine eiserne Messerklinge, eine viereckige eiserne Glocke mit Klöppel und zwölf römische Erzmünzen gefunden. Heutzutage kann man dort noch Ziegelteile, Scherben von Tongefäßen und Ähnliches vorfinden. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß man im Jahre 1851 unweit dieser Stelle bei Wegebauarbeiten auf einen Aschenkrug stieß, der mit eintausendachthundert (!) — meistenteils silbernen — römischen Münzen gefüllt war. Es soll damals von dem „größten Münzfund Deutschlands" die Rede gewesen sein. Ob dieser Münzschatz mit der oben erwähnten Siedlung in irgend einem Zusammenhang steht, ist nicht bekannt; das kann nur vermutet werden.

Aschenkrug aus dem Brandgrab in Hörschhausen

Diese und weitere Relikte, die an dieser Stelle im einzelnen nicht alle aufgezählt werden können, zeugen von einer bemerkenswerten Geschichtsträchtigkeit unseres Pfarrgemeindebezirks. Beispielsweise sollte noch auf die römischen Bodenfunde fünfhundert Meter südwestlich der Pfarrkirche Uess in Richtung Katzwinkel, auf die Funde am Kastelberg zwischen Horperath und Berenbach und nicht zuletzt auf diejenigen am Hochkelberg sowie in dessen Nähe (Gemarkungen Mosbruch-Zumried und Sassen) auf merksam gemacht werden. Vor allem der Hochkelberg ist, was die Überbleibsel aus der Römerherrschaftszeit angeht, ziemlich fundträchtig.

Terrakotte aus dem Tempelbezirk von Horperath

Dieser Beitrag soll und kann in diesem Rahmen keine erschöpfende Darstellung der römischen Bodenfunde in unserem engeren Heimatbereich beinhalten. Er soll vornehmlich der bescheidene Versuch sein, die wichtigsten Funde aufzuzeigen und da und dort bestehende Informationslücken in Bezug auf die Ortschaften, die — durch die Verwaltungsreform bedingt — erst seit sechs Jahren dem Landkreis Daun organisatorisch zugeordnet sind (außer Hörschhausen und Katzwinkel sind dies alles Filialgemeinden der Pfarrei Uess), zu schließen bzw. das Informationsbedürfnis interessierter Bevölkerungskreise zu befriedigen.

Literaturnachweise:

WACKENRODER, Kunstdenkmäler des Kreises Mayen;

Jahresbericht des Landesmuseums Bonn (Bonner Jahrbücher) 1937;

Festschrift des Kreises Daun zur Jahrtausendfeier der deutschen Rheinlande, Verfasser: Dr. P. Blum;

Heimatkundliche Aufzeichnungen von Lehrer Alfons Poss, Daun (früher Uess).