Zur Geschichte der Erzkonzession Loscheid bei Gerolstein

Werner Schuhn

In den 1870er Jahren fand in der Grube Loscheid bei Gerolstein/Lissingen starker Erzabbau durch Stollenbetrieb statt. Für Eifeler Verhältnisse war die Konzession recht gewinnträchtig; denn sie führte in einer Mächtigkeit von oft einem Meter Roteisenerz. Übertraf Roteisenerz nach Eisengehalt und Lagerstärke ohnehin die Brauneisenerze, wie man sie in den meisten Eifeler Erzgruben vorfand, so waren die Vorzüge des Loscheider Erzes die relative Reinheit, günstige Abbaumöglichkeiten und Nähe zu den wichtigen Transportwegen. Es wurde in Quint verhüttet. In früheren Jahren war es nach Eichelhütte transportiert worden.

Adolf Krämer, der Eigentümer der 1683 gegründeten Quinter Hütte, erwarb Loscheid im Jahre 1851. In den Jahrzehnten um die Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte er eine große Zahl von Erzkonzessionen im Eifel-Mosel-Hunsrück-Raum, um für sein Unternehmen billiges Erz aus eigenen Gruben zur Verfügung zu haben. Dennoch wurde auch die Quint wie alle Eifeler Hütten von einer schweren Existenzkrise bedroht, als seit 1839 englisches Roheisen zu Billigstpreisen auf den deutschen Markt geworfen wurde. Das konnte für Quint auch durch die Verminderung und Schwächung der einheimischen Konkurrenz nicht verhindert werden: Gerade in diesen Jahren brachte Krämer die Hütte Merkeshausen im Prümtal in seinen Besitz, Eichelhütte hatte er bereits 1820, Malberg und Wenzelhausen 1821 erworben. (Merkeshausen und Malberg gingen 1858 an Giraud, Metz u. Cie.)

Der heimischen Eisenindustrie setzte dann nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 die lothringische Konkurrenz derart zu, daß auch die Quinter Hütte, die 1872 noch einen Höchststand an Produktion und Beschäftigtenzahl verzeichnen konnte, in Mitleidenschaft gezogen wurde. Infolgedessen kam sie in Gesellschaftsbesitz, zuerst einer Aktiengesellschaft im Jahre 1874, dann vier Jahre später der neugegründeten Gewerkschaft Quint.

In den Jahren 1904 und 1911 nahm die Gewerkschaft Quint eine Bestandsaufnahme ihrer Konzessionen vor, um sich über Wert und Abbauwürdigkeit ins Bild zu setzen. Als Gutachter setzte sie ihre erfahrenen Obersteiger Knies und Brück ein. In ihrer knappen, aber gründlichen Art geben die vorliegenden Berichte einen guten Überblick über den Stand zur Berichtszeit und Informationen über den früheren Erzabbau.

Über Loscheid berichtete Knies am 17. März 1904:

„In diesem Grubenfelde tritt gegenüber dem Dorfe Lissingen am Berggehänge des linken Kyllufers ein lagerartiges, oolithisches Roteisensteinvorkommen von ziemlicher Reinheit auf. Das Erzlager hat eine Mächtigkeit von 1/3 bis zu 1 Meter und 40 bis 50 Grad Einfallen. Ein Betrieb dieser Grube könnte mit einigem Erfolg wieder aufgenommen werden. — Die Entfernung vom Stollen bis zur Eisenbahnstation Gerolstein ist ca. 4 Kilometer".

(Anmerkung: Unter oolithischem Erz bezeichnet man ein Vorkommen, das sich in Gestalt kleiner Kügelchen ausgeformt hat.)

Die Bedeutung der Förder- und Transportkosten schlägt sich auch im Berichte des Obersteigers Brück vom 5. Januar 1911 nieder:

„Diese Konzession enthält sehr mächtige Lager oolithischen Roteisensteins. Die Lager, welche gleich unter der Dammerde ansetzen, gehen nur selten etwas in die Teufe (bergmännisch: Tiefe), was durch einen Stollen am .Katzenrech' erwiesen ist. In den 70er Jahren, wo Betrieb daselbst stattgefunden hat, wurden die geförderten Eisensteine nach der Quint gesandt.

Hinter der Lissinger Kirche sowie rechts am Wege nach Gerolstein haben die Betriebe stattgefunden, und zwar mittels Tagebau, und (es) dürften diese Lager kaum zur Hälfte abgebaut sein.

Da die Lagerstätten in der Nähe der Eisenbahn liegen, auch die Förderkosten billig sind, so dürfte diese Konzession noch einen Wert haben von 3000 Mark.

Die Lager sind 1 bis 1/2 Meter mächtig".

Eine sehr günstige Transportmöglichkeit für die Loscheider Erze nach Quint bot sich, nachdem die Rheinische Eisenbahn Gesellschaft den durchgehenden Betrieb von Gerolstein über Erdorf und Ehrang nach Trier am 15. Juni 1875 aufgenommen hatte. Von Ehrang aus führte ein eigener Werksanschluß nach Quint.

Daß man den Erzabbau in Loscheid zu Beginn der 1870er Jahre für durchaus gewinnversprechend hielt, bestätigen zwei Verträge. In dem einen, 1873 abgeschlossenen sicherte sich der Kommerzienrat Adolf Krämer, vertreten durch den Gutachter von 1904 Knies, zusätzlich zum bisherigen Konzessionsbering die Nutzungsberechtigung auf zwei Quadratruten Lohheckenland im Distrikt Katzenrech, Bann Lissingen. Vertragspartner war ein Lissinger Wirt.

Außerdem schloß Krämer am 17. Dezember 1872 mit der Rheinischen Eisenbahn Gesellschaft, vertreten durch ihren Euskirchener Bahn- und Betriebsinspektor Grünhagen, einen Vertrag, in dem er sich die Möglichkeit verschaffte, den beim Stollenbetrieb anfallenden Schutt auf einem nahegelegenen Platz zu deponieren.

„Herr Geheimer Kommerzienrat Krämer", heißt es in der Vereinbarung, „erhält auf Widerruf das Recht, das alte Kyllbett zur Ablagerung seines Stollenschutts in der Gemeinde Lissingen links der Bahn bei Station 74 Meile VII zu benutzen. Es wird bestimmt, daß Krämer hiermit ausdrücklich die Verpflichtung übernimmt, der Rheinischen Eisenbahn Gesellschaft gegenüber für die Ansprüche derjenigen umliegenden Grundbesitzer aufzukommen, welche infolge seiner Zuschüttung Schaden erleiden möchten, wie zum Beispiel bei Hochwasser p. p., sowie ferner für eventuelle Ansprüche, welche Eigentumsrechte an dem alten Flußbette nachweisen sollten".

Eine Situationsskizze des Kyll- und Bahnbereichs veranschaulicht auch die erste der weiteren Bedingungen des Vertrages:

1. Es soll ein Abflußgraben mit einer Sohlenbreite von 1 Meter wegen der Vorflut erhalten bleiben,

2. soll die Oberfläche der Schuttdeponie nach der Beendigung der Ablagerung planiert werden.

Die „Konzession für das Eisensteinbergwerk Lohscheid bei Gerolstein" war am 27. Dezember 1838 an 26 Grundeigentümer aus Gerolstein und einen aus Lissingen verliehen worden. Es waren aus Gerolstein: Valentin Eys, Nikolaus Wawer, Matthias Linden, Peter Eys, Georg Alberg, Hilger Cosmann, Lo-renz Rascop, Daniel Lenzen, Wwe. Daubach, Nikolaus Clemens, Karl Vank, Michel Schlosser, Matthias Koch, Peter Kristen, Anton Clemens, Michel Bonjean, Valentin Kremer, Paul Key, Michel Weiß, Nikolaus Kühl, Joseph Martin, Jacob Hermes, Anton Clemens, Daniel Müller, Anton Böffgen, Jacob Clemens. Konzessionär aus Lissingen war Heinrich Hermes.

Das Konzessionsfeld maß 319091 Quadratlachter = 139 Hektar 69 Ar. (Das alte bergmännische Längenmaß Lachter entsprach in Preußen 2,092 Meter.)

Der Übergang der Konzession Loscheid an die Quinter Hütte verdient einige zusätzliche, zeitgeschichtlich interessante Anmerkungen.

Durch den Kaufvertrag vom 20. Juni 1851 veräußerten die Eigentümer vor dem Notar Grethen in Gerolstein „mit noch zweien hier nicht vertretenen Miteigentümern 1. Georg Alberg und 2. Valentin Eis (Eys) beide verzogen ohne Rücklassung von Vollmachten" ihre Konzession an Adolf Krämer zu Quint „mit allen Rechten und Gerechtsamen" für die Summe von 7 Taler pro Zedenten, insgesamt als 175 Taler, die in Bar erlegt wurden. Krämers Bevollmächtigter beim Abschluß des Vertrages war sein Hüttenverwalter Ludwig Heinrich Haldy aus Eichelhütte, Kreis Wittlich, der mehrfach in diesem Teil der Eifel als Vertreter Krämers füngierte. So kaufte er am 22. Juli 1870 die Konzessionen Klara/Duppach und Steinreich/Büdesheim für Quint auf. Für Konzessionen, die vorwiegend Eisenschmelzen im Bitburg-Wittlicher Gebiet beliefert hatten, war er der geeignete und sachkundige Verhandlungspartner. Der alte Schmelzplatz der Loscheider Erze Eichelhütte war allerdings zur Zeit der Erwerbung der Duppacher und Büdesheimer Rechte nicht mehr in Betrieb. Erst hatte man den Oberhammer, dann 1868 die ganze Hütte stillgelegt.

 

Ein wichtiges Vorrecht wurde den Verkäufern im Vertrage von 1851 ausdrücklich zugesichert, nämlich „den in obiger Fläche auszugrabenden Eisenstein zu gleichen Preisen wie andere Fuhrleute nach Eichelhütte zu fahren, sobald sie dazu aufgefordert werden, andernfalls der Eigentümer darüber disponieren kann".

Unter den heute gebräuchlichen Titel „Wahrung des Besitzstands" kann überdies die Vereinbarung eingeordnet werden, den Aufseher der Grube Loscheid im Amte zu belassen. Am 25. August 1851 genehmigte das Oberbergamt Düren „die Beibehaltung des Johann Peter Daubach als Aufseher dieser Grube".

Die Erwähnung der beiden „ohne Rücklassung von Vollmachten" verzogenen Gerolsteiner Bürger gehört in die Zahl der mehrfach festgestellten Überforderung der Finanz- und Organisationskraft einzelner Privatleute beim Ausbeuten der Erzgruben, sie läßt außerdem den Gedanken an die im 19. Jahrhundert in Deutschland anwachsende Auswanderungswelle aufkommen. Das bestätigt sich in folgendem Loscheid betreffenden Falle:

„Der unterschriebene Peter Kristen, Metzger von Gerolstein, welcher beabsichtigt, nach Nordamerika auszuwandern, überträgt hiermit seinem daselbst wohnenden Schwager Peter Eys seinen Anteil an der Konzession des Eisensteinbergwerks Loscheid bei Gerolstein ...

Gerolstein, den 11. März 1845"

Mit den Vollmachten anderer Gerolsteiner Bürger, die sich beim Verkauf der Konzession vertreten ließen, wurde die obige am 20. Juli 1851 dem zuständigen Notar vorgelegt.