Der Judenkirchhof bei Gerolstein-Pelm

Dr. Batti Dohm t

Kaum eine Eifelgemeinde außer Gerolstein-Pelm verfügt über eine schriftliche Urkunde, die das ehrwürdige Alter von 1853 Jahren hat. Es ist die Stiftungsurkunde eines frommen Kelten aus dem Jahre 124 n. Chr. Auf einer Steintafel wurde sie im vorigen Jahrhundert auf dem Distrikt Judenkirchhof auf der Hustley zwischen Gerolstein und Pelm gefunden.

Sie besagt, daß MARCUS VICTORIUS POLLENTINUS am 5. Oktober des genannten Jahres dem Heiligtum der DEA CAIVA eine (nach heutiger Währung) halbe Million stiftet, wie er es versprochen habe. Nach dieser Summe muß es sich um ein größeres Heiligtum, einen Wallfahrtsort gehandelt haben. Um das und den Namen Judenkirchhof zu verstehen, bedarf es einer Erklärung.

Die Kelten verehrten Schutzpatroninnen, Heilige Mütter, denen sie Gesundheit der Familie, ihren Besitz, Haus, Vieh, Acker und Ernte zum überirdischen Schutz anvertrauten. Die Verehrungsstätten umgaben sie mit Schutzhecken, dem Heiligen Haag.

Die Römer, bei denen die Kelten Gallier hießen, überfielen sie, G. J. Caesar (58—50 v. Chr.) berichtet darüber in seinem .Gallischen Krieg' und eroberte das Gebiet. Von den Römern übernahmen die Kelten den Steinbau, d. h. sie lernten das Kalkbrennen und die Mörtelbereitung. Die Römer hinwiederum nahmen die Religionen der unterworfenen Völker in ihren Götterkult auf: die keltische Schutzpartonin auf der Hustley wurde die DEA VAIVA, ihre bisher mit der Hecke umgebene Verehrungsstätte wurde mit einer Mauer eingefriedet. Dadurch ist sie, wie auch an anderen Stellen im ehemaligen Gallien, in Ruinen erhalten geblieben. Sie sind es auch, die zur Mißdeutung des Namens führen; denn mit Friedhof und Juden hat er nichts zu tun.

Tonfigur einer keltischen Matrone, die der Göttin geopfert wurde. Nat. Gr. 10 cm

Die Deutung gibt nur das Verstehen unseres Volkstums und unserer Mundart.

Die Heiligen Mütter der Kelten, man spricht von einem Matronenkult, sind in etwa zu vergleichen den Taufpatinnen im katholischen Sinne. Sie haben sich im höheren geistigen Bereich neben den Eltern des Kindes um ihren Schützling zu kümmern. Die Taufpatin heißt in unserer Mundart „de Jodd". Es besteht also zwischen beiden eine, wenn auch nur sehr vage Ähnlichkeit. In der noch lange nach der Christianisierung erhaltenen gebliebenen Erinnerung an die Funktion der ehemaligen heidnischen Schutzpatronin, zu deren Heiligtum auf der Hustley die Vorfahren gepilgert waren, nannte man das Ruinenfeld ,Joddekirchhoff — d. h. — ,Hor um die Kirche (Heiligtum) der Jodd'. in Unverständnis der Bedeutung dieser Bezeichnung wurde bei der viel später erfolgten Katasteraufnahme in gut gemeinter „Verhochdeutschung" Judenkirchhof eingetragen, wozu auch die Ruinen, die damals nicht erforscht waren, zu berechtigen schienen.

Wie die späteren Ausgrabungen ergaben, umschlossen die Umfassungsmauern als ZentValpunkt das Heiligtum der DEA CAIVA, weitere kleine Tempelchen römischer Gottheiten, zu denen wohl seßhaftgewordene römische Familien und Soldaten pilgerten, schlössen sich in einiger Entfernung an, außerdem lag an der Nordseite des weiträumigen Tempelbezirks ein großes Gebäude mit mehreren zellenartigen Gemächern, das man als Wohnung der Priester und Tempeldiener deutet. Außerhalb dieses heiligen Bezirks vermutet man in den im Halbrund erhaltenen Ruinen die ehemaligen Sitzreihen eines kleinen Theaters, auf dem wohl auf den Kult bezogene Stücke aufgeführt wurden.

Etwa an die 200 Jahre, nachdem M. V. Pollentinus die großzügige Stiftung gemacht hat, störte nichts die sakrale Ruhe des heiligen Bezirks, herrschte die FAX ROMANA. Dann jedoch fielen fränkische Stämme über unsere Heimat her, deren Weg verbrannte Erde zeichnete: das Heiligtum der Mutter Caiva wurde in Brand gesteckt, nachdem es ausgeplündert und die Tempelschätze gestohlen waren. Kleingeld ließen die Horden liegen, so daß mit wenigen Ausnahmen nur noch Bronzemünzen gefunden wurden.

Das Museum Villa Sarabodis der Erlöserkirche in Gerolstein zeigt außer dem Abdruck der erwähnten Votivtafel zahlreiche Funde aus dem Bezirk, von denen besonders kleine Tonfigürchen zu erwähnen sind, sie zeigen die Göttin als sitzende Matrone mit der typischen hohen keltischen Haube.

Eine kleine Quelle, die aus dem kyllseitigen Felshang der Hustley, dicht unterhalb des Judenkirchhofs, zu Tal plätschert, weist in ihrem Namen auch auf das ehemalige Heiligtum hin, sie heißt Heideborn. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sie einst die Kultstätte mit Wasser versorgte. Ob auch der Name Hustley eine Beziehung dazu hatte, werden vielleicht spätere Keltologen klären.

Seit einigen Jahren ist der Bering aufgeforstet, so daß von den Ruinen nichts mehr zu sehen ist.