Glocken ans der Eitel klingen In aller Welt

Geformt, verziert und gegossen, nach alter handwerklicher Tradition

 

Erwin Schöning

In der bezaubernden Maarlandschaft der Vulkaneifel, wo sich an Frühlingstagen der gelbe Ginster in den kristallklaren Kraterseen spiegelt, liegt das kleine Dorf Brockscheid. Am Ortseingang dieser Ortschaft nahe der Kur- und Kreisstadt Daun befindet sich die „Eifeler Bronzeglockengießerei", eine Kunstwerkstätte, die im Jahre 1840 von dem Glockengießermeister August Mark gegründet wurde und dessen Enkel und Urenkel dieses Kunsthandwerk auch heute noch ausüben. Bis auf den Laufkran, der die schweren Glocken aus der Grube hebt, hat keine Maschine Eingang in dieses Handwerk gefunden. Noch heute entsteht die Glocke, vom Meister geformt, verziert und gegossen, wie Schiller es in seinem Gedicht „Das Lied von der Glocke" beschrieben hat.

Es ist ein einmaliges Erlebnis, am Tag des Gusses dabei zu sein. Die Formen stehen in der Gießgrube „festgemauert in der Erden". Nur die Windpfeifen ragen aus dem festgestampften Boden heraus, auf dem die Hauptrinne und die Nebenrinnen zu den einzelnen Gießlöchern der Formen gelegt sind, durch die das flüssige Metall, eine Legierung aus 78 Teilen Kupfer und 22 Teilen Zinn, vom Ofen in die Formen fließt. Es klingt schon ein gewisser Stolz mit, wenn der Meister behauptet, nicht jeder könne die Kunst des Glockengießens erlernen. Diese stelle hohe psychologische, technische und künstlerische Anforderungen und setze gute physikalische, mathematische und musikalische Kenntnisse voraus.

Die Glocke muß vom Formschmutz gesäubert werden

Doch bevor der Guß erfolgen kann, sind wochenlange Vorarbeiten zu verrichten. Die erste Arbeit, die Berechnung des Tonverhältnisses, nach der die Schablone für das Glockenprofil gefertigt wird, ist des Meisters Arbeit. Schon von dieser Schablone hängt es ab, ob die Glocke gelingt. Zu den anderen Arbeiten kann er seine Gehilfen heranziehen.

Mit Hilfe der Schablone, die an einer Spindel befestigt ist, wird aus halbrunden Lehmsteinen der „Kern" aufgemauert. Im Innern bleibt eine Höhlung, in der Feuer zum Trocknen gelegt wird. Auf diesen Kern wird jetzt schichtweise mit Pferdemist vermengter Lehm aufgetragen, der von Schicht zu Schicht feiner wird, bis die Schablone restlos ausgefüllt ist. Die Form hat jetzt die Gestalt, welche die Glocke von innen haben soll.

Danach wird die Schablone nach der äußeren Form der Glocke ausgeschnitten, auf dem inzwischen getrockneten Kern wird jetzt die Modellglocke geformt. Sie erhält genau die Gestalt der künftigen Glocke, deshalb nennt man sie auch die „falsche Glocke". Die Modellglocke wird mit geschmolzenem Talg überzogen. Hierauf klebt man die Inschriften, Verzierungen und Symbole aus Wachs. Man könnte glauben, die Glocke wäre fertig, denn wir sehen sie so, wie sie später aussehen soll. Erst jetzt wird darauf die dritte Form — der Mantel — gefertigt. Zunächst mit feinem Zierlehm, damit sich die Inschriften und Verzierungen gut ausprägen, dann mit rauhem, steifen Lehm. Durch das leichte Feuer, das vom Kern her auch den Mantel trocknet, schmelzen Wachs und Talg, so daß auf der Innenseite des Mantels die gewünschten Hohlräume in Form der Inschriften und Verzierungen entstehen, die sich später mit flüssigem Metall füllen werden. Wenn der Mantel vollständig trocken ist — bei Glocken mittlerer Größe dauert es etwa zwei Monate —, wird er abgehoben und die falsche Glocke zerschlagen.

Die fertigen Formen, mit Kronen und Windpfeifen versehen, werden in die Gießgrube gestellt und mit Erde und Sand fest eingegraben, so daß nur die Windpfeifen der Kronen hervorragen. Da die falsche Glocke fehlt, entsteht zwischen Kern und Mantel ein Hohlraum, in dem das flüssige Metall geleitet wird.

Im Ofen ist inzwischen das Metall auf 1100° Celsius erhitzt worden. Man spürt förmlich die Spannung vor dem Guß. Viel hängt von den wenigen Minuten ab, wo sich die flüssige Bronze aus dem Ofen ergießt und in die Formen geleitet wird. Schon etwas zurückgebliebene Feuchtigkeit in den Formen kann diese sprengen und alle Hoffnung und Arbeit zunichte machen.

Die Legierung wird noch einmal abgeschlackt, 'dann ist es soweit, der Guß kann beginnen. Zischend und gurgelnd füllen sich nacheinander die Formen. Aus den Windpfeifen schlagen grüngelbliche Flammen empor.

Zwei bis drei Tage bleiben die Glocken in der Grube, bis sie abgekühlt sind. Danach beginnt die Putzarbeit, denn sie sind schwarz und unansehnlich vom Formschmutz. Bevor eine Glocke die Gießerei verläßt, wird sie mit Stimmgabeln einer genauen Prüfung unterzogen, denn alle Teiltöne der Glocke müssen im Verhältnis zueinander und zu den anderen Glocken desselben Geläutes auf sechszehntel Halbtöne abgestimmt sein.

Glocken aus Brockscheid läuten in den Kirchen Deutschlands, in anderen Ländern Europas, aber auch in Asien, Afrika und Südamerika.

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