Alte Hillesheimer Stadt-, Schöffen-und Zunftsiegel

Herbert Wagner

Das Wort Siegel (von lat. sigillum = kleines Bild, Bildchen) bezeichnet einmal die geschnittene Form (Siegelstempel, Petschaft, Typar), zum ändern den damit angefertigten Abdruck in den Siegelstoff: Metall (bes. Blei, Gold), Wachs, Siegellack, befestigt durch Anhängen oder Aufdrücken. Das Siegel enthält, negativ in den Stempel eingraviert, das Siegelbild mit religiösen, historischen, symbolischen Porträt-, Wappen- oder ähnlichen Darstellungen und die Siegelinschrift oder -Umschrift mit Namen und Titel des Siegelführers, oft auch seine Devise und eine Jahreszahl. „Der Zweck des Siegels ist es, mit Hilfe der vom Typar erzeugten besonderen figürlichen und/oder inschriftlichen Kennzeichnung den Willen des Siegelinhabers zu beweisen".1)

Stadtsiegel

Zur Siegelführung waren in eigener Sache alle rechtsfähigen Personen berechtigt, ,,in fremder Sache dagegen nur Papst, Kaiser und Könige, Pfaffen- oder Laienfürsten, alle Klöster und Konvente 2), schließlich die Städte, sofern sie ein landesherrlich bestätigtes Siegel führen und nur in Sachen ihrer Bürger sowie die Richter in Gerichtssachen"1) und die Notare.

Die Siegelfunktionen waren rechtlicher Art: Das Siegel, vor allem als Siegelring, diente als Beglaubigungs- und Erkennungszeichen; der Siegelabdruck wurde als Verschlußmittel zum Schutz gegen unberechtigtes öffnen oder vor Verfälschungen benutzt und als Beglaubigung an Urkunden usw. neben der Unterschrift oder statt derselben angebracht.

Neben der rechtlichen Bedeutung der Siegel sollte aber ihre künstlerische Bedeutung nicht vergessen werden: Oft sind sie kleine Kunstwerke, die mit viel Liebe und bewundernswerter Sorgfalt von den meist unbekannten Siegelstechern bis ins kleinste Detail ausgeführt worden sind.

Der heutige Marktflecken Hillesheim, Kreis Daun, war etwa vom Ende des 13. Jhs. bis 1797 Stadt3) !"und führte als solche ein eigenes Siegel 4). Vier dieser Siegel sind als Stempel oder Abdruck noch erhalten bzw. bekannt, dazu ein städtisches Zunftsiegel.

1. Der einzige bekannte Abdruck des ältesten Hillesheimer Stadtsiegels hängt als rotes Wachssiegel an einer Urkunde vom 10. August 1306 5), die sich unter Nr. 454 der „Chartes de Luxembourg" im Königlich Belgischen Generalarchiv zu Brüssel befindet, das freundlicherweise Fotos von Urkunde und Siegel zur Verfügung gestellt hat.

Das Siegelbild, 0 70 mm, zeigt eine sitzende Madonna mit Kind 6); rechts und links kniet je eine betende Männergestalt, darüber jeweils ein kleiner Wappenschild: Rechts ein mehrfach geteilter Schild mit Anker- oder Schlangenkreuz, links ein Wappenschild mit Schildchen und Turnierkragen. Bei dem ersten Wappen scheint es sich um das des Johann von Wildenburg (1274—1310) zu handeln, das zweite ist das des Johann II. von Reifferscheid (1272-1316)7).

Schöffensiegel

Die Siegelumschrift in unzialer Majuskel ist nur mehr bruchstückhaft erhalten und lautete wohl: -t S(igillum) CIVIT [ATIS DE HIL] DE [SHEIM IN] EFELLEN (Siegel der Stadt Hillesheim in der Eifel)8).

2. Der Abdruck eines Hillesheimer Schöffensiegels in stark dunkelbraunem Wachs hängt an einer Verkaufsurkunde vom 21. August 1445 im Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 1 A Nr. 2050.

Das Siegelbild, 0 50 mm, zeigt wiederum die Madonna mit Kind, unter einem Baldachin stehend, links unten begleitet von einem Wappenschild mit einem gekrönten Löwen 9).

Die Siegelumschrift, ebenfalls in unzialer Majuskel und stark lückenhaft, muß wohl sigillvm [SCABINORVM] IN H[I]L[LESHEI]M (Siegel der Schöffen 10 in Hillesheim) gelautet haben.

3. Ein weiteres Schöffensiegel aus dem 15. Jh. ist als Petschaft erhalten und befindet sich beim Bürgermeisteramt Hillesheim.

Das Siegelbild, 0 25 mm, zeigt ebenfalls die Madonna mit Kind und das Löwenwappen.

Die Siegelumschrift in gotischer Minuskel lautet: S(igillum)scabinoru(m)i(n)hillesheym

4. Fast das gleiche Schöffensiegel ist in einem Aufsatz von Josef Draf in der Festschrift des Hubertusvereins11) abgebildet, leider ohne Quellenangabe.

Das Siegelbild unterscheidet sich von dem vorhergehenden nur wenig.

Die Siegelumschrift in gotischer Minuskel lautet: S(igillum) scabinorum hillesheym 12).

Auch die Zünfte 13) als wichtige Institutionen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städte mit besonderen Rechten und Privilegien 14) waren zur Führung eines Siegels berechtigt, mit dem z. B. die Lehrbriefe beglaubigt wurden. In früheren Zeiten gab es in Hillesheim die Zunft der Schuhmacher, Sattler, Rot- und Weißgerber, die Zunft der Schneider, Woll- und Leineweber wie auch Krämer, später Sebastianusbruderschaft genannt, und die unter dem Patronat der hl. Hubertus und Eligius stehende „Hammerzunft" (Hubertusbruderschaft) der Schlosser, Schreiner, Zimmerleute, Steinhauer und Maurer.

Schöffensiegel

 

5. Das Siegel der Hammerzunft aus dem Jahre 1660 ist erhalten und heute in Privatbesitz 15).

Das Siegelbild, 0 28 mm, zeigt über der Jahreszahl 1660 eine emporzüngelnde Schlange als Zeichen der Schmiede 16), umgeben von freischwebend im Siegelraum dargestellten Werkzeugen als Symbole für die Handwerke: Oben: Winkel und Bohrer (Zimmerleute); darunter: Schlüssel, Hammer und drei Nägel (Schlosser, Nagelschmiede); rechts: Hobel und Zirkel (Schreiner); links: Krönel, Zweispitz und Klüpfel (Steinhauer).

Siegelumschrift in Kapitalis: + ZUNFT SIGEL DER STAT HILLESHEIM :.

Anmerkungen

1) A. v. Brandt, Werkzeug des Historikers. 4., erw. Auf!., Stuttgart (1966), S. 159 u. 164.

2) Auch von den Hillesheimer Augustinereremiten sind drei Siegel bekannt: Ein Siegel des Priors (1482) und zwei Siegel des Konvents (1482/1546, 1690), die sich im Landeshaupt-archiv Koblenz befinden.

3) Zur Hillesheimer Stadtgeschichte vgl.: Erna Lotzkes, Die Städte der Eifel — eine vergleichende Städtebiographie. Bonn, Phil. Diss., 1946; Emil Schaus, Stadtrechtsorte und Flecken im Regierungsbezirk Trier und im Landkreis Birkenfeld. Trier 1958; Hermann Meyer, Hillesheim — die Geschichte eines Eifelstädtchens. Trier 1962; Herbert Wagner, Zur Geschichte der Stadt Hillesheim im Mittelalter. In: Jahrbuch des Kreises Daun 1974.

4) Ganz allgemein kann man sagen, daß die Stadtrechte einer mittelalterlichen Stadt in der Marktgerechtigkeit, dem Befestigungsrecht, der Gerichtsbarkeit und der Selbstverwaltung bestanden. Zeichen der städtischen Selbstverwaltung war das (Stadt- oder Schöffen-)Siegel, mit dem städtische Urkunden beglaubigt wurden.

5) In der Urkunde erklären die Ritter Johann (II.) von Reifferscheid und sein Verwandter Johann von Wildenburg, daß sie Ort (villam) und Burg Hillesheim mit allen Befestigungen vom Grafen Heinrich (III.) von Luxemburg (1308—13 Kaiser Heinrich VII.) als Lehen und Offenhaus der Grafen von Luxemburg empfangen hätten. Siegler sind Johann von Reifferscheid, Johann von Wildenburg, Dietrich von Kerpen, Gerlach von Dollendorf und ,,scultetus, scabini et tota communitas ville et castri de Hildesheim" (der Schultheiß, die Schöffen und die ganze Einwohnerschaft von Ort und Burg Hillesheim).

Zunftsiegel

6) Wie die Madonna in das Hillesheimer Siegel gekommen ist, ist nicht geklärt. Pfarrpatron ist und war — wie es scheint — seit jeher der hl. Martin von Tours. Allerdings attestierten 1468 ,,die Kirchmeister U. L. Fr. dem Frühmesser zu Hillesheim, daß weiland Clas von Hillesheim C-. .1 U. L. Fr. Mutterkirche zu Hillesheim eine Fundation gestiftet" habe. (Stadtarchiv Trier, Sammlung Strasser, Hillesheim, Bl. 11.)— Die Madonna wurde — neben dem kurtrierischen Kreuz (R auf W) und der Wolfsangel (S auf G) des Hillesheimer Burgmannengeschlechts v. Hillesheim — 1692 in das neue Gemeindewappen und -Siegel aufgenommen.

7) Dieser Johann II. von Reifferscheid und Herr zu Bedbur war es wohl, der gegen Ende des 13. Jhs. das Kloster der Augustinereremiten in Hillesheim gestiftet hat. Die Reiffer-scheider führten als Wappen in silbernem Feld ein rotes Schildchen, dem die jüngere Linie zu Bedbur (etwa seit 1270) einen fünflätzigen blauen Turnierkragen als Beizeichen hinzufügte. — Johann von Wildenburg scheint das Wappen seines Onkels Gerhard (1268—84), der 1272 vom Grafen von Luxemburg mit Hillesheim belehnt worden war, übernommen und dessen zehngeteiltem Schild das Ankeroder Schlangenkreuz aus dem Wappen seiner Frau Irmengard von Ouren hinzugefügt zu haben. (Schaus, a.a.O., Abschnitt Hillesheim)

8) Vgl. auch Ernst Wackenroder, Die Kunstdenkmäler des Kreises Daun. Düsseldorf 1928, S. 122. - Bemerkenswert ist, daß Hillesheim in der Urkunde selbst ,,villa" = Dorf genannt wird, in der Siegelumschrift jedoch „civitas" = Stadt, worunter in der Regel eine befestigte (Bischofs-)Stadt mit allen Stadtrechten verstanden wurde. (Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter. Graz - Köln 1954.)

9) Meyer, a.a.O., S. 134, schreibt, daß es sich um den Löwen von Jülich handele, zu dem Hillesheim von 1334/41 — 1353 gehört hat. Da der Jülicher Löwe jedoch keine Krone trägt, der Löwe im Wappen aber gekrönt ist, scheint es sich eher um den Limburger oder Luxemburger Löwen zu handeln: Die Reifferscheider und Wildenburger stammen von den Herzögen von Limburg ab (1195), und Philipp (II.) von Wildenburg siegelte 1234 mit einem gekrönten Löwen in geschindeltem Feld. (Otto Gruber, Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels. In: Landeskundliche Vierteljahresblätter, Trier 1965, s. 141.); Luxemburg, ebenfalls mit Limburg verwandt, war vor und nach 1300 Lehnsherr von Hillesheim. (vgl. Wagner, a.a.O.)

10) Die Schöffen bildeten seit der karolingischen Zeit das ernannte oder gewählte Richterkollegium, waren später als Gehilfen des Schultheißen beim Stadtgericht tätig und oft gleichzeitig Mitglieder des Stadtrates.

11) Festschrift des Hubertus-Vereins Hillesheim zu seinem 200jährigen Bestehen 1730 - 1930, (Hillesheim 1930), mit Beiträgen von Josef Draf und J. Müller.,12) Eine gemalte Nachbildung der Siegel 3 und 4 befand !?ich — wahrscheinlich seit 1929 — bis 1971 anstelle des tabernakels im Metternich-Altar von 1602 in der Pfarrkirche.

13) Zu den Hillesheimer Zünften vgl. „Festschrift" und Meyer, a.a.O., S. 94 ff.

14) Z. B. Überwachung von Berufsausbildung und -ausübung, Arbeitszeit, Warenqualität, Markt- und Preisvorschriften; Zunftgericht.

15) Die Petschaft ist im Besitz von Herrn Karl Stump, Jünkerath, Am Sinnenbüsch, der freundlicherweise einen Abdruck zur Verfügung gestellt hat.

16) Nicht der Gerber, wie Meyer, a.a.O., S. 135 schreibt. — Das Zunftzeichen der Schmiede, Hammer und Zange gekreuzt, umwunden von einer Schlange (Symbol des lodernden Feuers), befindet sich als Wappen der Anna Deckler geb. Broy am Marienaltar von 1609 in der Pfarrkirche.