Vogelschutz heute

Hans Peter Feiten

Zu den Maßnahmen, die gemeinhin als Vogelschutzmaßnahmen bekannt sind, gehören die Winterfütterung der Singvögel, das Anlegen von Vogeltränken, Aufhängen von Nisthöhlen und das Anlegen von Schlammpfützen, aus denen die Schwalben ihr Nistmaterial entnehmen können. Alle diese Maßnahmen, richtig angewandt, sind zu begrüßen und helfen der Vogelwelt.

„Vogelschutz heute" ist jedoch mehr als das. „Vogelschutz heute" ist, vereinfacht gesagt, nicht die Arbeit zum Wohle der unendlich vielen Amseln, Grünfinken, Dompfaffen und Buchfinken, die als Dauergäste an den Futterhäusern vorzufinden sind, sondern die Arbeit zum Wohle der Vögel, die in ihrem Bestand akut bedroht sind und somit auszusterben drohen. Diese Vögel sind in der sogenannten Roten Liste erfaßt, die von der Deutschen Sektion des Internationalen Rates für Vogelschutz herausgegeben wird. Diese Liste umfaßt z. Z. 86 Vogelarten. Ohne gezielte Schutzmaßnahmen werden einige von ihnen wohl bald ganz verschwunden sein. Will man diesen Vögeln helfen, muß man sich zuerst einmal darüber klar werden, was zu ihrem Bestandsrückgang geführt hat. Verschiedene Ursachen seien hier nacheinander genannt.

Veränderung von Wald und Flur

Fluren und Wälder, die Hauptlebensräume vieler Vögel haben sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Im Interesse einer rentabelen Forstwirtschaft wird die Waldbewirtschaftung hauptsächlich unter kommerziellen Gesichtspunkten betrieben. Als Folge dessen geht der den Waldvögeln mehr zusagende Laub- und Mischwald zugunsten des Nadelwaldes zurück. Auch erreichen die Bäume in der Regel kaum noch ein Alter, in dem sich in ihnen geeignete Höhlungen als Nisthöhlen für die höhlenbrütenden Vögel bilden können. Wiedehopf und Hohltaube, beides Vögel der Roten Liste, zählen hier zu den Betroffenen, die unter dem Mangel an natürlichen Nisthöhlen zu leiden haben. Das Verschwinden ganzer Baumbestände auf Streuobstwiesen nimmt dem Steinkauz die von ihm bevorzugte Nistgelegenheit in alten, morschen Obstbäumen.

Flurbereinigungen, die lange Zeit nur unter dem Blickwinkel einer möglichst optimalen maschinellen Nutzung der Felder durchgeführt wurden, brachten Kultursteppen mit sich, in denen kaum einmal ein Strauch oder eine Hecke die Eintönigkeit der Landschaft mildert. Hecken und Dornengestrüpp braucht jedoch der Neuntöter, den wir auch in der Roten Liste finden.

Neben der strukturellen Veränderung in Flur und Wald ist eine zunehmende Zergliederung der Waldbestände festzustellen. Immer mehr Straßen und Wirtschaftswege zerschneiden die noch vorhandenen geschlossenen Waldbestände, was zu einer zunehmenden Beunruhigung hauptsächlich der Greifvögel führt. Aufgrund von Beunruhigungen durch Forstarbeiten oder Störungen durch Neugierige aufgegebene Brüten von Habicht und Sperber sind keine Seltenheiten. Auch diese beiden Vögel stehen auf der Roten Liste, wie überhaupt die nachfolgend erwähnten Vögel ausnahmslos als in ihrem Bestand gefährdet in der Roten Liste aufgeführt sind.

Moor bei Daun — Brutplatz für Kiebitz, Bekassine, Braunkehlchen und Wiesenpieper

Mag auch die Forstwirtschaft verständlicherweise letztendlich wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Bewirtschaftung des Waldes obenan stellen, so ist die bäum- und strauchfeindliche Haltung mancher Privateigentümer schlichtweg unverständlich. Alljährlich zur Frühjahrszeit werden Feldgehölze abgeschlagen und Bäume, die niemanden stören, gefällt. Darüber hinaus fallen noch so mancher Strauch und so manches Nest einschließlich des Geleges oder gar der Jungvögel dem unsinnigen und zudem verbotenen Flammen zum Opfer.

Trockenlegungen und Gewässerregulierungen

Jahrhunderte hindurch war es für den Menschen eine Notwendigkeit, Sümpfe und Moore trockenzulegen. Neben neuer bewirtschaftbarer Ackerfläche erhielt man Brennmaterial in Form von Torf. Diese Zeiten sind angesichts der zunehmenden Brache und einer gewandelten Brennstoffversorgung vorbei. Dennoch werden immer noch Sümpfe und Brüche trockengelegt oder wird zumindest durch Unterhaltung der Entwässerungskanäle für eine dauernde Entwässerung gesorgt. Gerade aber Sümpfe, Moore, Brüche, Ried- und Rohrflächen, Feuchtgebiete also, stellen den Lebensraum vieler Vögel dar. Da diesen Vögeln durch die Trockenlegungen der Lebensraum entzogen wurde, sind viele in ihrem Bestand heute akut bedroht. Genannt seien hier nur Storch, Kranich, Graureiher, Rohrweihe, Bekassine, Sumpfohreule und Braunkehlchen. Ganze 16 Kranichbrutpaare gibt es heute noch in der Bundesrepublik Deutschland!

Gerade die ans Wasser gebundenen Vögel haben arg unter der Veränderung der Umwelt durch den Menschen zu leiden. Werden Bäche und Flüsse reguliert, so bedeutet dies oft ein Verlegen des Wasserlaufes in Betonhalbschalen oder ein Befestigen des Ufers mit Pflastersteinen. Für Wasseramsel und Eisvogel sind solche Gewässer als Lebensraum verloren.

Direkte Verfolgung und Störung durch den Menschen

Als weiteren Grund für den Rückgang vieler Vogelarten ist die Haltung des Menschen den Tieren gegenüber zu nennen. Erbarmungslos wurden in der Vergangenheit die Greifvögel als direkte Nahrungskonkurrenten des Menschen verfolgt. Alles, was krumme Schnäbel und kräftige Fänge hatte, wurde kurzerhand totgeschlagen, um zu verhindern, daß gelegentlich mal ein Haushuhn oder eine Brieftaube in diesen Fängen landete.

Eulen und Käuze verfolgte man als Unglücksbringer und Totenvögel und nagelte sie zur Abwehr böser Geister an die Scheunentore. Unkontrollierter Fang, Handel und Haltung der Vögel trugen ein Übriges zum Verschwinden mancher Vogelarten bei. Mit dem Vordringen des Tourismus sehen sich die Vögel einer dauernden Beunruhigung durch den Menschen ausgesetzt. Passionierte Bergsteiger erproben ihre Kletterkünste nur allzu gerne an den Felsen, an denen auch unsere letzten Wanderfalken und die wiedereingebürgerten Uhus ungestört brüten möchten. Bootsfahrer, Surfer und Taucher schränken den Lebensraum der Wasservögel ein. Viele der selten gewordenen Großvögel kommen in Hochspannungsleitungen oder an unzulänglich konstruierten und isolierten Hochspannungsmasten um.

Verwendung von Giften

Besonders erschreckend ist der seit einigen Jahrzehnten zu beobachtende Rückgang der Greifvögel. So ist die Wanderfalkenpopulation in der Bundesrepublik bis auf etwa 20—30 Brutpaare zurückgegangen. Ganze 5 Seeadlerpaare brüten noch in der Bundesrepublik. Wenn auch nicht ganz so drastisch, so ist bei nahezu allen Greifvögeln ein rapider Rückgang zu verzeichnen. Untersuchungen haben gezeigt, daß die Gelegegrößen im Vergleich zu früher zurückgegangen sind, daß die Anzahl der tauben Eier in den Gelegen zunimmt, wie auch die Fälle zunehmen, in denen die Embryonen in den Eiern absterben. Weiterhin wurde beobachtet, daß bisweilen die Eischalen unter dem Gewicht des brütenden Altvogels zerbrechen.

Als Ursache dieser Erscheinungen ist die zunehmende Vergiftung unserer Umwelt anzusehen. Neben dem direkten Einsatz von Giften etwa bei Weinbergs- und Obstbaumspritzungen sowie bei Spritzungen von Waldflächen, die von Schädlingen befallen wurden, gelangen Gifte auch durch entsprechend behandeltes Saatgut in den Kreislauf der Natur. Mit den Pflanzen und den besprühten Insekten werden die Gifte von Kleinsäugern, wie z. B. Mäusen, sowie von insekten- und körnerfressenden Vögeln aufgenommen. Kleinsäuger und Kleinvögel stellen wiederum die Nahrungsbasis für viele Greifvögel dar, die mit ihren Beutetieren auch die in deren Körper angesammelten Giftstoffe zu sich nehmen. In den Körpern der Greife lagern sich nun die Giftstoffe, die kaum abgebaut werden können, ab und erreichen schließlich eine für den Vogel schädliche Konzentration. Diese Giftkonzentration führt dann zu den oben beschriebenen Erscheinungen wie Dünnschaligkeit der Eier, Unfruchtbarkeit der Vögel usw. Eine bestandserhaltende Vermehrung der Greife, die ohnehin selbst bei optimalen Bedingungen nur geringe Zuwachsraten aufweisen, ist daher ohne besondere Schutzmaßnahmen nicht mehr bei allen Arten gewährleistet.

Haubentaucher — bis 1977 noch Brutvoge! am Schalkemehrener Maar

Biotopschutz

All die bisher beschriebenen Ursachen des Bestandsrückganges vieler Vogelarten kann man, abgesehen von der direkten Verfolgung durch den Menschen, unter dem Begriff Zerstörung des Lebensraumes, des Biotops, zusammenfassen. Hier liegt nun die Aufgabe des heutigen Vogelschutzes. „Vogelschutz heute" bedeutet daher in erster Linie Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensräume der Vögel — Biotopschutz.

Graureiher — nur noch 50—60 Brutpaare in Rheinland-Pfalz

So einfach diese Formulierung klingt, so schwer ist sie in die Tat umzusetzen. Es beginnt mit der Information und der Aufklärung der Bevölkerung, um einen verantwortungsvolleren Umgang mit der Natur zu erreichen. Das sinnlose Flammen, willkürliche Roden von Gehölzen und Fällen angeblich überflüssiger Bäume muß aufhören. Bach- und Flußregulierungen sind auf die allernotwendigsten Fälle, etwa auf Fälle ständiger Hochwasserbedrohung, zu reduzieren. Trockenlegungen und Entwässerungen sind zu unterlassen und stattdessen an geeigneten Stellen wieder Feuchtgebiete, Tümpel und Teiche anzulegen.

Die Schleiereule findet nur noch selten offene Luken an Kirchtürmen vor

Ohne größere Kenntnis der Öffentlichkeit über Arten, Vielzahl und Lebensweise der Vögel ist wirksamer Vogelschutz nicht möglich. Nur dann gehören Fälle, in denen Eisvögel an Fischteichen in Fallen gefangen und getötet wurden oder in denen ein Falkner von einem Fischteichbesitzer gebeten wurde, mit seinem Beizvogel Graureiher am Fischteich zu jagen, endgültig der Vergangenheit an. Wollen wir die Vogelwelt nicht noch mehr in ihrer Artenvielfalt verarmen lassen, müssen wir auch dem Habicht mal das Huhn oder den Junghasen zugestehen, welche er braucht, um nicht zu verhungern. Der Verlust eines Huhnes oder selbst mehrerer Hasen ist viel leichter auszugleichen und fällt, auf die Gesamtheit der Tiere bezogen, überhaupt nicht ins Gewicht. Im Gegensatz dazu der Habicht, bei dem die Vernichtung eines Brutpaares oder die Aushorstung von Jungvögeln bei den geschätzten nicht einmal 150 Brutpaaren in Rheinland-Pfalz ungleich schwerer wiegt.

Gerade die Greifvögel dürfen nicht weiterhin als Raubvögel angesehen werden, da sie in der Natur eine wichtige biologische Funktion erfüllen. Sie sorgen durch die Beseitigung der Schwächlinge für die Erhaltung gesunder und widerstandsfähiger Tierarten. Bei Greifen wie Mäusebussard, Turmfalke und sämtlichen Eulen sollte man zudem nicht vergessen, daß sie durch ihre Nahrungsspezialisierung auf Mäuse als ausgesprochene Nützlinge anzusehen sind.

Sämtliche Greifvögel sind daher zu schützen, der Handel mit ihnen zu verbieten, die Haltung und Zucht mit strengen Auflagen zu versehen und ständig zu kontrollieren. Auch eine Bejagung der Greife erübrigt sich, da Bestandsuntersuchungen ergeben haben, daß der Greifvogelbestand direkt vom Nahrungsangebot abhängig ist. Durch die Nahrungsabhängigkeit kommt es nie zu einer Übervermehrung der Greife.

Zur Verminderung der Giftbelastung in den Körpern der Greifvögel ist die Verwendung von Giftstoffen, etwa bei der Unkraut- und Schädlingsbekämpfung sowie bei der Behandlung von Saatgut, aufs Äußerste zu beschränken.

Verstärkte Ausweisung von Naturschutzgebieten

Aufgabe des modernen Vogelschutzes ist es weiterhin, Bevölkerung, Unternehmen und Behörden aufzufordern, die Fehler der Vergangenheit, die zur Zerstörung des Lebensraumes der Vögel führten, nicht auch noch künftighin zu begehen. Da das Vermeiden künftiger Fehler allein jedoch nicht mehr genügt, muß versucht werden, durch verstärkte Ausweisung von Naturschutzgebieten natürliche Lebensräume wiederherzustellen. Naturschutzgebiete (NSG) dienen den Vögeln und der gesamten Tierwelt als Refugien, als Rückzugsgebiete. Von dort aus kann bei einer entsprechenden Gestaltung der übrigen Landschaft auch wieder eine Besiedlung der nichtgeschützten Landschaft erfolgen. Zudem dienen NSG den Zugvögeln als Rast- und Nahrungsplätze auf ihrem langen Zug in die Winterquartiere, ohne die viele von ihnen die Anstrengungen des Zuges nicht überstehen würden.

Aufkauf von Schutzgebieten

Der Deutsche Bund für Vogelschutz e. V. (DBV) hat konsequenterweise seine Arbeit diesem gesamten Sachverhalt angeglichen. Bau von Nisthöhlen, Anpflanzen von Vogelschutzgehölzen, Anlegen von Tümpeln, Beobachtung und Betreuung ornithologisch interessanter Gebiete sind Aufgaben, die in den einzelnen Ortsgruppen wahrgenommen werden können. Auf Landes- und Bundesebene bemüht sich der DBV um verstärkte Schaffung von Schutzgebieten und, soweit wie möglich, um deren Ankauf. In vielen Fällen hat sich gezeigt, daß erst ein Aufkauf wirklichen Schutz gewährt. Mit staatlicher Unterstützung und vielen Spenden seiner Mitglieder gelang es dem DBV neben mehreren kleineren Projekten zwei große Schutzgebiete aufzukaufen und sie dadurch der bevorstehenden kommerziellen Nutzung zu entziehen.

Das an der Westküste der Insel Fehmarn gelegene Teichgut Wallnau wurde aufgekauft. Es umfaßt 210 ha und bietet nun wirksamen Schutz für nahezu 60 Vogelarten. Die 118ha Teich- und Sumpffläche der nordwestlich von Gelle gelegenen Meißendorfer Teiche, ebenfalls vom DBV aufgekauft, wurden statt zum größten „Freizeitparadies" Norddeutschlands zum Paradies für die bedrohten Schwarzstörche, Rohrdommeln, Bartmeisen, Rohrweiden und Tüpfelrallen.

Auch im Kreis Daun gibt es Gebiete, die eines stärkeren Schutzes bedürftig und dieses Schutzes würdig sind. Flußläufer, Krickenten, Raubwürger, Neuntöter, Schleiereulen, Steinkäuze, Haubentaucher, Rohrsänger, Bekassinen, Braunkehlchen, Wasseramseln, Eisvögel u. a. kommen auch noch in unserem Kreisgebiet vor. Sie vor dem endgültigen Verschwinden aus unserer Gegend zu bewahren, ist möglich. Es bedarf dazu jedoch größerer Anstrengungen aller Beteiligten, also Öffentlichkeit, Gemeinden, Behörden und Verbände, als bisher. Ideelle Unterstützung allein genügt dabei genauso wenig wie so manche schöne Rede zum Umweltschutz.

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