8O Jahre „Eifel-Dom" Niederbettingen

Pfarrfest in der Vacatur

Beobachtungen eines „beinahe" unbeteiligten Gastes

Marlies Adams und Matthias Weber

,,Pfarrfeste" erfreuen sich in katholischen Gegenden wachsender Beliebtheit. Kein Wunder, sie erfüllen immer wichtiger werdende Gemeinschaftsaufgaben. In der Großstadt nicht anders als auf dem Eifeldorf. Die 1000jährige Pfarrei Niederbettingen an der Kyll feierte am 20. 8. 1978 ihr erstes Pfarrfest. Sein besonderer Anlaß: das Jubiläum zur 80jährigen Wiederkehr der Kirchweihe ihres schmucken „Eifel-Domes". Das Fest wurde ein eindrucksvoller Erfolg. Dank des unermüdlichen Einsatzes von über 10 Vereinen aus den insgesamt 5 Dörfern der weitläufigen Pfarrei. Ehemalige Pastöre der seit Anfang 1977 vakanten Pfarrei zelebrierten gemeinsam das Festhochamt. Die gesamte Organisation wurde getragen von Laien: allen voran Matthias Meyer. Die Autorin dieses Aufsatzes stammt aus dem „Ballungsgebiet" am Rhein. In der Stadt Langenfeld ist sie als Sozialpädagogin tätig. Als „beinahe" unbeteiligter Gast schildert sie ihre Beobachtungen, Liebevoll und kritisch zugleich. Wir glauben, ihr humorvoller Bericht ist eine wertvolle Erinnerungsstütze für alle Beteiligten.

„Hättest du nicht Lust, uns am Wochenende in Niederbettingen zu besuchen? Wir feiern dort unser 1. Pfarrfest." Durch diese Einladung der Familie Weber wurde ich „auswärtiger Gast" beim 1. Pfarrfest in Niederbettingen und Zeuge dessen, was eine Dorfgemeinschaft zu leisten vermag und auf die Beine bringen kann, wenn sich alle gemeinsam für das Gelingen einer guten Sache einsetzen. Niederbettingen ist mir nicht ganz unbekannt. Bei wiederholten Besuchen bei Familie Weber habe ich hier oftmals Entspannung und Kraft für neue Aufgaben gefunden und das Dorf und die Eifellandschaft schätzen und lieben gelernt. Ferner studiere ich gerne und interessiert die Heimatbriefe des Heimatvereins, die mit dazu beitragen, das Leben im Ort selbst und in seiner näheren Umgebung besser zu verstehen. Auf diese Weise nahm ich am Dorfgeschehen in Niederbettingen immer rege Anteil und fühle mich hier längst nicht mehr als Außenseiter und Gast. So war ich beim Pfarrfest nur insofern „unbeteiligter Gast" als ich über keinen Wohnsitz in Niederbettingen verfüge und wohl der einzige „Niederbettin-ger" war, der an diesem Wochenende keine Aufgabe zu erfüllen hatte. Dies gab mir aber Gelegenheit, das muntere Treiben mit etwas Distanz zu beobachten. Hier nun der Bericht darüber, wie ein — in Bayern würde man sagen „Zugereister" — Niederbettingen am 19. 8.720. 8. 1978 erlebte.

Festhochamt im ,,Eifel-Dom"

Am Nachmittag des 19. 8. 1978 hielt ich gegen 16.00 Uhr im wahrsten Sinne des Wortes Einzug in Niederbettingen. Die Sonne strahlte vom Himmel und was ich noch nie erlebt hatte: in Niederbettingen waren eine Straße gesperrt und die Fahnen gehißt. Ich fuhr zu meinen Gastgebern auf die Lindenstraße und mußte feststellen, daß sie offenbar nicht im Hause waren. Also ließ ich mein Gefährt hier stehen und machte mich per pedes über die Dorfstraße auf gen „Eifel-Dom". Es herrschte ein geschäftiges Treiben im Dorf. Die letzten Treppen wurden geputzt. Viele Damen waren schon in Erwartung des großen Festes beim „Heimfriseur" gewesen und ließen ihre auf Lockenwickler aufgedrehten Haare ganz nebenbei von der warmen Sonne trocknen während sie mit ihren Händen noch emsig schafften. Unterwegs begegnete mir Frau Linden, bewaffnet mit einem Putzeimer und den dazugehörigen Putzutensilien. Leider erkannte ich sie nicht sofort, bezeichnend dafür, daß ich doch noch lange nicht „dazugehörig" bin.

Später erfuhr ich, daß sie mit einigen tüchtigen Helferinnen zum großen Fest die Kirche auf Hochglanz gebracht hatte, die von ihrer Raumpflegerin, die sich in Urlaub befand, im Stich gelassen worden war. Rund um den „Dom" herrschte die Männerwelt. Es war ein reges Hämmern und Klopfen. Aus dem Erdboden wuchsen Buden und Verkaufsstände empor, ein Bierzelt wurde aufgerichtet, Kabel wurden verlegt, kurz, die Herren der Schöpfung waren in ihrem Tatendrang nicht zu bremsen. Aus der Kirche tönte die Orgel. Auch hier wurden die letzten Vorbereitungen getroffen und das Instrument gestimmt. Ich wandte mich dem Pfarrhaus zu, wo ich Familie Weber, eine Bilderausstellung vorbereitend, fand. Hier lernte ich Pfarrer Preuß kennen. „Fachkundig" nahm er auf die Länge der Aufhängeschlaufen und die ordnungsgemäße („richtige") Aufhängung der Ausstellungsstücke Einfluß. Ich selbst bewunderte zunächst das alte, ehrwürdige Pfarrhaus mit seinem wohl einzigartigen Eichenfußboden. Welche Pfarre kann noch auf so ein Pfarrhaus verweisen? Dann konnte ich, noch vor der offiziellen Eröffnung, die Fotos, Gemälde, Kinderzeichnungen und sakralen Gegenstände in aller Ruhe betrachten. Schon im Treppenhaus begann die Ausstellung. Rechts an der Wand ein Foto echter Niederbettinger Kühe. Die Kirche im Hintergrund läßt keinen Zweifel über ihre Heimat zu. Dann die Kinderzeichungen, die beim letzten Schutzhüttenfest zum Thema „Unsere Kirche" von den jungen Künstlern erstellt worden waren. Bei allen Zeichnungen kam wohl das wesentliche und auch für einen Besucher sofort ins Auge springende Merkmal der Niederbettinger Kirche zum Ausdruck: ihre gewaltige und majestätische Größe. Zwischen den Zeichnungen zeugten die Fotos vom Schutzhüttenfest 1978 von der Freude, die die Kinder beim Malen hatten. Dann, praktisch als Übergang zu der eigentlichen Ausstellung drei große, sehr schöne Fotos von Niederbettingen, die nicht nur den Ort zeigen, sondern auch etwas von der Eifellandschaft und der Sommeratmosphäre widerspiegeln. Es waren Stücke der Hillesheimer Fotografin Frau Hennrich, die auch mit einigen anderen Fotografien die Ausstellung bereicherte. Nun trat ich in den Ausstellungsraum ein und vor die erste Stellwand, auf der Fotos von Kapellen der näheren Umgebung Niederbettingens zu sehen waren, in ihrem Mittelpunkt der „Eifel-Dom". Dann wurde dieser praktisch „zerlegt" und viele Teilansichten seines Äußeren machten einem seine Schönheit deutlich. Wer nimmt sich schon die Zeit, diese wunderschöne Kirche im „Original" so detailliert und bewußt zu betrachten? Nach der Studie der Fotografien — die Ausführungen des Heimatbriefes Nr. 12 „Ein Haus voll Glorie schauet" noch im Hinterkopf — sah ich den Kirchenbau mit ganz anderen Augen an. Dann links in der Ecke die Aufforderung: „Wer sucht mit?" mit dem dazugehörigen Foto. Ich selbst hatte zu dieser alten Fotografie keinerlei Verbindung, denn meine Ahnen waren darauf mit Sicherheit nicht wiederzufinden. Unter den Fenstern standen zwei Tische. Auf einem wurden drei verschiedene Ausgaben der Heimatbriefe des Heimatvereins Niederbettingen zum Verkauf angeboten, nämlich die, die sich unmittelbar mit der Geschichte der Pfarrgemeinde St. Herz-Jesu beschäftigen. Der Erlös diente wie der des ganzen Pfarrfestes der Restauration der Kirchenfenster. Auf dem Tisch daneben waren vier alte Meßbücher ausgestellt. Die Abteilung „sakrale Gegenstände" enthielt ferner einen alten, weinroten Samtchormantel- sowie ein Röchelt mit Häkelspitze. Weiter waren hand-•gestickte Altardecken, Kerzenleuchter u. ä. zu bewundern. Von der einstigen Schönheit der Kanzel zeugten zwei geschnitzte Heiligenfiguren, die man beim Abbruch der Kanzel gerettet hatte. Sie bildeten den Übergang zur Abteilung: „Niederbettinger Laienkünstler sehen ihre Heimat". Hier waren wunderschöne Ölbilder und Zeichnungen zu sehen. Im Mittelpunkt all dieser Bilder der „Eifel-Dom". „Wer kennt diese Dame?" wurde dann gefragt. Diese Frage bezog sich auf eine geschnitzte Figur. Es sei vorausgeschickt: bis Sonntagmittag war die Dame identifiziert und ihr letzter Aufenthaltsort ermittelt. Es handelte sich um die Hl. Margaretha, der leider nur im Laufe der Jahre ihr Schwert abhanden gekommen war. Auf der letzten Stellwand wurden Fotos vom „Innenleben" der Pfarrkirche St. Herz-Jesu ausgestellt. Ähnlich wie schon die detaillierten Außenaufnahmen forderten mich auch diese Fotos zur bewußten Betrachtung der „Originale" auf. Den Abschluß der Ausstellung bildete ein Foto des Mannes, ohne den es keinen „Eifel-Dom" und somit auch kein Pfarrfest aus Anlaß seines 80jährigen Bestehens gäbe: Pfarrer Josef Pfeifer. So sah ich die Ausstellung vor ihrer offiziellen Eröffnung. Ich betrachtete die Ausstellungsstücke eben so, wie man durch ein Museum geht. Am nächsten Tag sollte ich die Ausstellung aber im wahrsten Sinne des Wortes „erleben".

Bilderausstellung: „Gesuchte Dame"

Ein Schild im Schaukasten vor dem Pfarrhaus sollte besonders auf die Bilderausstellung hinweisen. Kurz entschlossen setzten wir — ich war inzwischen aktiv einbezogen — die Bußordnung und die Hinweise auf das Eheseminar für dieses Wochenende außer Kraft(sprich: überdeckten sie mit den Hinweistafeln). Die Bußordnung gab nicht so schnell auf. Sie rutschte noch zweimal hinter unseren „Bekanntmachungen" hervor. Dann sah sie wohl ein, daß sie an diesem Wochenende kein Niederbettinger studieren würde und blieb endlich im „Hinterhalt". Leider waren die Glasscheiben im Schaukasten arg verschmutzt und so bewaffnete ich mich mit Wasser, Putzmittel und Lappen und begab mich an die Reinigung. Hierbei hatte ich nun den ersten Kontakt mit der Dorfjugend. Ein kleiner Junge, ca. 6 Jahre alt, gesund schmutzig, mit aufgeschlagenen Knien, sah mir zunächst schweigend bei meiner Tätigkeit zu. Dann kam die Frage: „Warum machst du das sauber?" Ich erklärte ihm den Sinn meiner „Putzwut", und ein Gespräch entwickelte sich. Es stellte sich heraus, daß der Steppke Rainer hieß und am Donnerstag, dem 24. 8. 78, erstmalig zur Schule gehen würde. „Und wo bist du morgen? Sicher beim Eisstand?" frug ich. „Nein, ich bin beim Hasenlotto." „Was ist denn das?" erkundigte ich mich. „Da kommt ein Hase in eine Kiste. Rundherum kommen Kisten mit Mohren. Man muß raten, welche Mohre der Hase fressen wird. Dafür muß man 50 Pfennig bezahlen," klärte mich Rainer auf. „Und wenn der Hase satt ist und gar keine Mohre mehr mag?" frug ich. „Nein", meinte Rainer, „der Hase kennt das Spiel ja schon. Der hat das ja schon einmal beim Schutzhüttenfest gemacht!" Nun war noch der Eingang zum Pfarrhaus zu kehren und vom Unkraut, das zwischen den Steinen hervorquoll, zu befreien. Hierzu lieh sich Frau Weber von „Frau Annchen" einen Besen. Dieser hatte allerdings einen arg kurzen Stil, so daß Frau Weber sich hart plagen mußte. „Lassen sie, ich mache das schon. Ich bin das ja von unserem Hof her gewöhnt", meinte „Frau Annchen", ergriff den Besen und sorgte mit „ländlichem Schwung" für Sauberkeit und Staubfreiheit. Dann war für uns, die „Galeristen", alles getan. Wir gingen heim und veranstalteten im Garten noch ein kleines Grillfest. Es war ein phantastischer Abend. Langsam, leuchtend rot stieg der Mond am Himmel empor. Der ,,Eifel-Dom" erstrahlte im milden Scheinwerferlicht. Man hatte den Eindruck, als ob der Mond die Kirche anstrahlen würde. Es war ein wunderschöner Anblick wie ich ihn noch nie zuvor erlebt hatte. Ein zusätzliches Geschenk der Natur zum Pfarrfest. Sonntagmorgen! Die Sonne lacht vom Himmel und wir machen uns auf zum feierlichen Hochamt, auf das ich mich schon sehr freue. Die Fahnenpracht in Niederbettingen hat über Nacht noch zugenommen. Von ferne schon schallt uns der Gesang des Chores entgegen. Man probt noch einmal vor dem großen Auftritt. An den Buden rund um die Kirche wird die letzte Hand angelegt. Obwohl wir sehr früh im Gotteshaus sind, ist es schon gut gefüllt. Die freundliche Helligkeit und Sauberkeit beeindruckt mich heute morgen ganz besonders. Das Gotteshaus strahlt eine heitere Frömmigkeit aus. Kurz vor 10.00 Uhr sind nur noch Stehplätze zu haben. Die Bläsergruppe bezieht ihre Stellung neben dem Altar, stimmt ihre Instrumente. Der Chor gruppiert sich hinter dem wunderschön geschnitzten Holzaltar. Welch ein Vorteil, daß der transportabel ist! So kann man wesentlich mehr Raum für den Chor schaffen. Es ist ein schönes Bild, die Sängerinnen und Sänger in feierlicher, dem Anlaß entsprechender, nahezu einheitlicher Kleidung im Chorraum. Dann beginnt die Hl. Messe. Sie wird von Pfarrer Preuß, Pfarrer Thul und Pfarrer Scherer gemeinsam zelebriert. Die Bläsergruppe spielt zur Eröffnung einen Marsch von Händel. Man merkt Pfarrer Thul an, daß er sichtlich ergriffen ist und sehr aufgeregt. Auch scheint er gesundheitlich nicht auf der Höhe zu sein. Pfarrer Scherer übernimmt die Predigt, die, wie er meint, wohl etwas kürzer ausfallen würde, wenn Pfarrer Thul sie halten würde, weil dieser wesentlich schneller spreche als er. Er hat die Lacher auf seiner Seite — aber war es recht und notwendig, die Gebrechlichkeit und Fehler des Mitbruders in aller Öffentlichkeit herauszustellen? In klaren, wohlformulierten Sätzen hebt Scherer dann die Bedeutung des „Eifel-Doms" als ein Gemeinschaftswerk der damaligen Dorfgemeinschaft hervor und die Verpflichtung der heutigen Niederbettinger, dieses Werk ihrer Vorfahren zu erhalten. Er unterbricht einmal seine Ausführungen mit der Bemerkung: „Ich muß erst warten, bis die Herren hinter mir fertig sind." Es ist eine Unruhe, von Pfarrer Preuß und einem Meßdiener verursacht, entstanden. Sicher ist diese Unruhe störend. Sie lenkt auch mich ab. Aber, ob ich den Mut aufgebracht hätte, Pfarrer Preuß in aller Öffentlichkeit zur Ordnung zu rufen? Die Messe nimmt ihren Verlauf. Sie wäre sicherlich noch feierlicher gewesen, wenn die Priester durch das Mittelschiff eingezogen und die Meßdiener für das notwendige „Aroma" in Form von Weihrauch gesorgt hätten.

Kommunion: Der Chor sammelt sich zur Darbietung des Bach-Werkes „Wohl mir, daß ich Jesum habe". Da muß Pfarrer Preuß noch zum Tabernakel, drängt sich durch die Sängerschar, hat den Schlüssel vergessen, der Chorleiter muß ihn ihm vom Altartisch holen, nimmt einen Kelch und wendet sich der Gemeinde zu. Der Chor darf sich erneut konzentrieren. Derweil verdrängt Pfarrer Preuß Pfarrer Thul bei der Austeilung der Kommunion von der Kommunionstufe. Dieser zieht sich ins Kircheninnere zurück. Mittlerweile hat der Chor mit seinem Gesang begonnen. Auch ich reihe mich in die Schar der Kommunizierenden ein. Dabei fällt mir ein, daß Webers mir erzählt haben, daß Pfarrer Preuß auf eine bestimmte Form der Kommunioneinnahme Wert legt, aber ich weiß nicht mehr, wie er es gerne hätte. Also schreite ich in altgewohnter Weise zum Tisch des Herrn und halte die rechte Hand auf. Es entsteht eine kurze Pause. „Linke Hand"! zischt Pfarrer Preuß. Ich bin völlig perplex, ein wenig zornig. Um kein Aufsehen zu erregen, folge ich seiner Aufforderung. Jetzt kann ich mit Recht beten: „Herr, ich bin nicht würdig . . .", denn mein Widerspruchsgeist ist erwacht. Ob Pfarrer Preuß wirklich meint, es wäre von entscheidender Bedeutung für den Einlaß in das Himmelreich, ob ich den „Leib des Herrn" mit der rechten oder der linken Hand empfange? Was glaubt er eigentlich, wie kleinkariert unser Herr ist? Arme katholische Kirche, kann man da nur sagen! Ich überlege, ob ich Pfarrer Preuß nach dem Gottesdienst auf diese Szene hin ansprechen soll. Dann entschließe ich mich, die Freude und den Frohsinn an diesem Tag siegen zu lassen. Sicherlich hätte ich Pfarrer Preuß doch nicht überzeugen können und hätte mich am Ende nur geärgert. Also konzentriere ich mich für den Rest des Gottesdienstes auf die musikalischen Darbietungen. Man muß den Chören, der Bläsergruppe und ihrem Chorleiter bescheinigen, daß sie sich alle Mühe gegeben haben, den Gottesdienst zu verschönen. Man hörte förmlich, wie sie angespannt bei der Sache waren. Wen stört es da, daß der eine oder andere Ton vom Komponisten anders gedacht war?

Dann, gegen 11.00 Uhr, haben wir genug für die Heiligkeit getan; die Messe ist zu Ende. Ich gehe zunächst mit hinüber zum Pfarrhaus zur Ausstellung, die nun wirklich mit Leben erfüllt ist. Unter der Eingangstür steht Pfarrer Preuß. „Guten Morgen, Herr Pfarrer," begrüßt ihn Frau Weber, „Haben sie gut geruht?" Darauf verfällt er ins Grübeln. „Ruth, Ruth, was ist das? Das ist doch ein Mädchen!" Kann man da sagen: „Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf"? Im Pfarrhaus geht es zu wie im Taubenschlag. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Und dann werden Erinnerungen wach. Äußerungen der Freude, des Wiedererkennens von Altbekanntem schallen durch den Raum. Ständig umlagert ist das Suchbild. Schnell füllt sich die anfangs leere Namensliste. Die Unbekannten werden bekannt. Einige „Bettinger" kommen mehrmals am Tage, bringen immer andere Familienmitglieder mit, schleppen Vergleichsfotos an, bis man sich dann letztlich auf einen „Großvater" geeinigt hat. Manche der alten Herren sind sehr begehrt. Sie werden gleich von mehreren Familien als Großvater beansprucht. Leider haben einige Ausstellungsbesucher die „verkehrte" Brille an. Ob man bei der nächsten Ausstellung nicht einen Optiker mit verschiedenen Brillen engagieren sollte? Die Mütter bedauern die „armen, kleinen Meßdiener", die die schweren Meßbücher haben schleppen müssen. Gestandene Männer erinnern sich beim Anblick der Bücher an ihre „heiligste Zeit", die Meßdienerzeit, knufen sich in die Rippen: „Weißt du es noch? Ob wir es noch können?" Die Damen fühlen sich von den Handarbeiten angezogen. „Da hat meine Mutter noch mitgearbeitet", heißt es immer wieder. Staunend werden die Gemälde der Laienkünstler betrachtet: „Wer hätte das von dem gedacht?" Plötzlich ein Schrei im Ausstellungsraum. „Hach, die hat doch immer bei uns daheim gestanden! Wie oft haben wir die staubgeputzt! Wo ist denn der Hl. Sebastian?" Die Dame in Holz ist als Hl. Margaretha identifiziert. Das Rätsel ist gelüftet. Zwischen dem Betrachten der Bilder hält man ein Schwätzchen mit diesem und jenem. Man sieht sich, redet miteinander, freut sich. Heute haben alle Zeit, denn heute bleiben in Niederbettingen die Küchen kalt. Rund um die Kirche kann jeder satt werden. Einige Damen eilen durch's Pfarrhaus. Wohl jede hat es einmal geputzt, und jede von ihnen zu „den schlimmsten Zeiten". „Hier war das Schlafzimmer. Ob es noch da ist?" Ein Druck auf die Klinke — aber Pfarrer Preuß hat sein Schlafgemach verschlossen.

Die Jubiläumstorte

Der Auktionator in Aktion

Draußen fließt inzwischen das Bier. Die Blasmusik spielt zum Platzkonzert. Um die Bierstände stehen die Männer in Dreierreihen. Die Damen und Kinder ziehen den Platz im Bierzelt vor. Der Bazar ist eröffnet. Die Kinder schlecken das Eis. Auf dem Grillspieß dreht sich der Braten. 12.30 Uhr! Es kommt noch mehr Bewegung in die Menge. Die Erbsensuppe ist da! Nun haben die fleißigen Helfer in der Ausstellung und an den Verkaufsständen etwas Pause. Die Niederbettinger sind mit dem Mittagsmahl beschäftigt. Da läuft außer der Suppe für kurze Zeit nur noch das Bier. Die Suppe schmeckt vorzüglich. Dann verwandelt sich der „Eifel-Dom" zusehends in eine Konditorei. Die herrlichsten Torten und Kuchen werden durch die Mittagshitze geschleppt und in seinen kühlen Mauern vor dem „Stich" bewahrt. Wann hat der Herrgott so etwas schon einmal erlebt? Er hat sicher seine helle Freude. Ob Pfarrer Pfeifer beim Bau seiner Kirche auch an diese Verwendungsmöglichkeit gedacht hat? Nun läuft das Kaffeegeschäft. Die fleißigen Frauen sind dem Ansturm kaum gewachsen. Waffeln müssen vorbestellt werden. Mittlerweile kommen immer mehr Gäste aus den umliegenden Dörfern. So einen Trubel hat man unter dem Kirchturm wohl lange nicht mehr — wenn überhaupt schon einmal — erlebt. Die Kirchenchöre erfreuen noch einmal mit ihrem Gesang. Inzwischen kann man auch eine Rundfahrt mit der Kutsche unternehmen. Ständig umlagert sind der Schießstand und das Hasenlotto — und natürlich die Bierstände. Aber auch der Besucherstrom zur Ausstellung reißt nicht ab. Die „Prominenz" gibt sich hier ein Stelldichein und mischt sich dann unter's Volk. Nun wird es spannend: die Versteigerung beginnt! Zunächst erfolgt die Versteigerung einer Torte, eigens mit Aufschrift zum „Dom-Jubiläum" erstellt. Sie wird von Frau Meyer für 25,00 DM ersteigert. Dann wird das Objekt größer: ein Lamm soll unters Volk gebracht werden. Herr Meyer, der „Auktionator", bietet als Draufgabe, da es sich um ein weibliches Tier handelt, einmal kostenloses Decken an. Er leitet diese Versteigerung mit Bravour. Es ist eine Freude, ihm zuzuhören und zu beobachten, wie er das Geld den Leuten aus der Tasche zieht. Bei der Versteigerung des Lammes erfolgt ein kleines Malheur. Der Wecker, der das Ende der „Auktion" ankündigen soll, streikt. Ein neuer muß besorgt werden. Dann endlich sieht das Schaf, ängstlich blökend, seinem neuen Besitzer ins Angesicht. Weiter geht es! Den Leuten sitzt das Geld locker. Nun wird ein Kaninchen versteigert. Keine Angst, nicht das schlaue Hasenlottotier! Die Kaffeezeit ist vorbei. Es sind noch einige Torten da. Also werden auch die meistbietend unter's Volk gebracht. Wer hätte das gedacht, selbst Pfarrer Preuß ersteigert für 15,00 DM einen Frankfurter Kranz! Die letzte Torte des Tages geht für 65,00 DM an Herrn Hutter. Inzwischen ist es 18.00 Uhr. Das Gedränge lichtet sich etwas. Es ist Melkzeit. Die Besucher aus den umliegenden Orten gehen wieder heim. Nun stehen die Grillstände wieder hoch im Kurs. Um 19.00 Uhr schließen sich die Tore der Ausstellung. Auch wir wenden uns noch einmal den leiblichen Genüssen zu. Schade, als Autofahrer muß ich mich mit nur einem Bier begnügen. Dabei schmeckt es so herrlich frisch! Die Vorräte an „flüssigem Brot" sind aber schon arg zusammengeschmolzen, wie wir erfahren. Inzwischen spielt eine Hammondorgel. Die Kinder tanzen im Schatten des Kirchturms auf der Straße. Ob es ihnen die Erwachsenen noch gleichtun werden? Ich kann es nicht mehr sagen. Leider muß ich noch an diesem Abend nach Langenfeld zurück. Mit einem letzten Blick auf den scheinbar wiederum vom Mond angestrahlten „Eifel-Dom" halte ich Auszug aus Niederbettingen.

Es war ein wunderschönes, erlebnisreiches Wochenende. Ich danke Familie Weber und allen Niederbettingern für ihre Mühe und dafür, daß ich mit ihnen feiern durfte. Allen Beteiligten möchte ich mein Lob aussprechen. Es war ein rundherum gelungenes Fest. Der Bau des „Eifel-Doms" war ein Gemeinschaftswerk der Niederbettinger Pfarrkinder. Das Pfarrfest 80 Jahre später zeigt, daß die „Bettinger" auch heute noch zusammenhalten und gemeinsam vieles vermögen. Trotz der 5 Pfarrdörfer, trotz der Vacatur und vieler Umstände mehr.

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