Die Dauner Weltsprache

Alois Mayer

Auf dem Altentage war's, nach dem Kaffee und den Darbietungen der Schulkinder, als alle den Ritter bestürmten, er solle noch ein „Stückelchen von früher" erzählen. „Jo, Ritter, verzäll!" rief es von rechts, erscholl es von links und alle freuten sich bereits jetzt schon auf ,dat Verzällchen'!

,,Dä Ritter es nämlich en Orijinal!" versicherte man und die Erwartungen aller stiegen, als ein Schmunzeln um Ritters Mund zuckte, als er seinen Schnaps mit einem Zuge austrank, zwei, drei Züge genüßlich an seiner schwarzen Zigarre tat, mit der Hand die weißen, mittlerweile schütteren Haare aus der Stirn strich, langsam aufstand und mit vor Schabernack funkelnden Augen anfing zu erzählen:

„Es war lange vor dem Krieg, als der Jakob — er lebt ja jetzt nicht mehr — und ich geschäftlich in Brüssel zu tun hatten. Leute, das ist eine große und schöne Stadt, und weil wir Glück mit unserem Handel hatten, gingen wir abends in das feinste Restaurant, was direkt an 'dem großen Marktplatz stand. Junge ich kann euch sagen, da war schon Luxus! Feinste Sessel, herrliche Kristallampen, sogar Teppiche auf den Tischen. Gäste aus aller Herren Länder waren da, alle redeten durcheinander, die Kellner mit ihren langen Schwalbenschwänzen wirbelten durch den Saal, trugen die Nase recht hoch und schienen uns nicht zu bemerken, vielleicht wollten sie es auch nicht, weil unsere Kleidung nicht gerade die vornehmste war. Ich wurde schon immer ruhiger vor all dem Vornehmen und dem feinen Getue und wollte wieder das Lokal verlassen, als Jakob mir augenzwinkernd sagte: „Warte noch, Ritter, denen spielen wir noch einen"! und dann fing er laut an zu reden:

.Dunnerkejl nochees, dir komisch Viejel, die ihr hej bedeenen sollt. Wat bild ihr ech ejentlich unn? Kuckt ees hej menen Ritter, wie bedribbst dän lo hockt. Un ihr heermedije Kerlerennt hej elast, als wenn ma kruppisch Beschtjer wären'!

Im Lokal wurde es schlagartig ruhig. Alle Augen wandten sich uns zu. Was war das für eine Sprache? Der Ober kam gerannt, Verzweiflung in seinen Augen, bedauerndes Achselzucken. ,Jo, da glotzte wie en rodderschällisch Koar, dau aalen Boatz, dän de bös, dau toaterisch Deppen! Ech weeß, dat ech knoatern kaan, awer dat bös dau selwer schuld, dau mot dejnen Feeß wie en Peedjestrampeler'!

Da kam der Hotelbesitzer, in seinem Gefolge der Dolmetscher. Der probierte es. War es Griechisch, Italienisch, vielleicht Spanisch? Nein! Die Laute waren zu fremd, die Sprachmelodie zu hart. Also Englisch, Russisch, Polnisch? Der Dolmetscher wischte sich den Schweiß von der Stirn, verzweifelte an sich selbst und wankte gebrochen hinaus.

,Nau seht ihr aus wie Moarkolwen, die von Seechommessen jebeß sejn jenn. Noch en kleen Kejtjen un mir schlon ech neistnutzijen Säijkuschten enen hunner de Läiskaul, dat ihr de Kaböltz schloat wie en aale Ihm'!

Dem Hotelier standen die Tränen in den Augen. Jakob und ich erhoben uns, setzten das stolzeste Gesicht auf und verließen das Lokal, wobei Jakob dann zum Schluß noch in feinstem Französisch verlauten ließ: ,Auf Wiedersehen, meine Herren, was sollen wir noch in einer solchen Kneipe, wo man noch nicht einmal die wichtigste Weltsprache beherrscht?!'

Dann mußten wir uns beeilen, damit es uns nicht noch vor verkniffenem Lachen zerriß."

Anmerkungen:

Dunnerkejl nochees = Donnerwetter nocheinmal

Viejel = Vögel

bedribbst = betrübt

Heermedich — hochmütig

hej elast = hier vorbei

kruppisch Beschtjer — ungezogene kleine Kinder

rodderschällisch Koar = alte, wackeliger Wagen

aalen Boatz — alter Narr

toaterisch Deppen — wackeliger Topf

knoatern = schimpfen

Feeß wie en Peedjestrampeler — Füße wie ein Pfadfinder

Moarkolwen — Eichelhäher

jebeß von Seechommessen — gebissen von den kleinen Ameisen

en kleen Kejtjen — eine kleine Kleinigkeit

neistnutzijen Säijkuschten = nichtsnutzige Flegel (Sauschwarte)

hunner de Läiskaul = hinter die Ohren

Kaböltz = Purzelbaum

aale Ihm = alter Onkel (Oheim)