St. Kornelius, der ein Kuh-Horn trägt

Hans hlhaus

Während des Dreißigjährigen Krieges, es war im Jahre 1640, rollte ein Gefährt, beladen mit einer Bronzeglocke, von Aachen hinauf in die Eifel bis Darscheid, einem Dörfchen zwischen Wäldern, Wiesen und Heide. Die Glocke war bestellt von Pastor Friedrich Hallenbach für die kleine Kapelle am Bergeshang, die schon 1354 Filiale von Mehren war, und in der seit 1574 eine Wochenmesse bezeugt ist. Die Inschrift auf der in Aachen von Jakob Trier gegossenen Glocke lautet:

Haec Campana in Honorem S. Crucis et S. Cornelii fusasub Dom. Friederico Hallenbach Pastore a Jacobo Trier 1640

Nun hatte das älteste Darscheider Gotteshaus, die Kapelle „Vor dem Kehrtsbor", umgeben von strohgedeckten Fachwerkhäuschen, eine Glocke bekommen, deren helles Läuten zu Ehren des Hl. Kreuzes und des Schutzheiligen Kornelius im oberen Alftal nicht mehr verstummen sollte.

Etwa 100 Jahre später, im Jahre 1753, wurde die Korneliusglocke in den Turm der 2. Darscheider Kapelle umgehängt. Von ihr berichtet die Chronik, daß die drei Altäre dem Hl. Kreuz, der Schmerzhaften Mutter und dem hl. Kornelius geweiht waren. 1828 stürzten Decke und Turm der Kirche ein. Aus den Trümmern konnte die Korneliusglocke gerettet werden, aber die Korneliusstatue war zu Schaden gekommen und war nicht zu ersetzen. Es blieb bei dem frommen Wunsch des Chronisten, daß sich ein „Guttäter" finden möge, der es fertig brächte, ein neues Standbild des Kirchenpatrons zu beschaffen und auf einem würdigen Platz in der Kirche aufzustellen.

 

Türgriffe als Kornelius-Hörner

In der 3. Darscheider Kirche, die 1833 an der Steininger Straße als Pfarrkirche errichtet worden war, fehlte immer noch eine sichtbare Darstellung des kirchlichen Schirmherrns Kornelius. Der Wunsch des Chronikschreibers war noch nicht in Erfüllung gegangen. Auf dem Korneliusaltar stand stellvertretend der hl. Josef. Kornelius geriet immer mehr in Vergessenheit.

Der alte Wunsch und die Hoffnung, den bestallten Kirchenpatron wiederzusehen, sollte sich 1971, nach dem Bau der 4. Darscheider Kirche, erfüllen. Ein „Guttäter" meldete sich, und ein Jg. Künstler der Kölner Schule, Theo Heiermann, bekam den Auftrag, eigens für Darscheid eine Kornelius-Figur zu schaffen. Es sollte keine Nachbildung alter Stilform, sondern eine Neuschöpfung werden, die Papst Kornelius lebensnah verkörpert. — Nun ist er endlich da, der neugeschaffene hl. Papst Kornelius. Eine attraktive Papstgestalt: standfest, mit sicherem Blick die Kirche überschauend, in festlicher Gewandung, die farbenreichste Plastik im Raum. Die einzelnen Gewandteile sind schlicht einfarbig, ohne Gold und Silberglanz und frei jedweder Ziererei. Als einziger Schmuck trägt er am Rande des violetten Chormantels rote Schattenbilder von vier Heiligen, die ihn gleichsam einrahmen und denen er nahe sein will. Es sind die Schutzheiligen der Filialkapellen: St. Antonius, St. Brigida, St. Quirinus und St. Erasmus. Es fällt auf, daß seine Tiara sehr niedrig und sein päpstlicher Hirtenstab aus Holz ist. Das Hörn hält er griffbereit, um Verirrte zurückzurufen und die Herde Gottes zusammenzuhalten. — Die Originalität des Kunstwerks reizt zur kritischen Stellungnahme; wer es aber länger und ernsthaft unter einbeziehen der damaligen Zeit betrachtet, dem offenbart es, was der Künstler, getreu verbindlicher Tradition, in ihm nachgeformt hat, eine verehrungswürdige Persönlichkeit, bescheiden, furchtlos, gütig und treu. Ein Papst der Einheit, ein Vorbild tätiger Liebe!

Die Freude über den neugeschaffenen Kornelius läßt die einhundertfünfzigjährige Abwesenheit schnell vergessen. Auch die wuchtigen Hörnergriffe an den Kirchenportalen wollen mithelfen, die Leere der Vergessenheit wettzumachen. Sie sagen jedem, der die Kirche betritt, wer hier das Patrozinium übernommen hat.

Der hl. Kornelius in seiner Zeit

In der Mitte des 3. Jahrhunderts zogen dunkle Wolken über das Römerreich. Eine Militärrevolte folgte der anderen. In 35 Jahren waren in Rom 37 Kaiser ausgerufen worden. Verfallserscheinungen ballten sich: Machtkämpfe, Sittenverfall, Steuerlasten, Hungersnöte, Krankheiten und dazu drangen Germanenstämme über Grenzwäle nach Rom vor. Eine apokalyptische Gewitterstimmung lastete über der Ewigen Stadt.

Kaiser Decius (249—251) versuchte durch Neubelebung altrömischer Sitten und Stärkung des Heeres die Untergangsstimmung zu beseitigen. In seinem 1. Edikt befahl er für alle Bürger des Reiches ein öffentliches Bekenntnis zur Staatsreligion und kündete eine grausame Justiz allen an, die sich dem Befehl entziehen oder widersetzen sollten: Kerker, Amts- und Vermögensentzug, Verbannung, Folter, Tod. Für die christliche Kirche war das ein harter Schlag. Papst Fabian gehörte zu den ersten Opfern. Der römische Bischofsstuhl blieb unbesetzt. Decius hätte eher einen 2. Kaiser neben sich geduldet als einen römischen Bischof. Die Zahl derer, denen es am Mut gebrach, standhaft den Glauben zu bekennen, wurde von Tag zu Tag größer; es kam zu Massenabfällen.

Erst mit dem Tode des Kaisers — Decius fiel 251 im Kampf gegen die Goten — hörte die leidvolle Verfolgung der Christen auf. In Rom konnte nach einjähriger Sedisvakanz wieder ein Papst gewählt werden. Es war erstaunlich wie merkwürdig, daß nicht Novatian, der sich als wortgewaltiger Kämpfer gegen den Kaiser hervorgetan hatte, sondern der stillbescheidene Kornelius völlig unerwartet mit großer Stimmenmehrheit zum Papst gewählt wurde und als 21. Nachfolger des hl. Petrus den Hl. Stuhl bestieg. Novatian war maßlos enttäuscht; er hatte fest damit gerechnet, Papst zu werden. Seine Anhänger wählten ihn zum Gegenpapst, was zu unversöhnlichen Spannungen führte und schließlich im Schisma (in einer Kirchenspaltung) endete.

Der Papst Kornelius, dessen Pontifikat nur zwei Jahre lang währte, hatte von Anfang an den Zwiespalt des Schismas als sein schweres Kreuz zu tragen. Dennoch blieb er zu jeder Zeit der Pontifex maximus, der oberste Priester in Rom, der die Kirche Gottes felsenfest leitete durch alle Wirren und Wirrnisse der Zeit.

Eine brennende, entscheidungsschwere Frage stellte sich ihm, als die Abgefallenen aus der Decischen Verfolgungszeit in hellen Scharen vor den Toren der Kirchen standen und begehrten, zurückkehren zu dürfen in die christliche Gemeinschaft. Nach dem strengen Gesetz der Urkirche blieb jeder, der den Glauben durch Götzendienste verleugnet hatte, ausgeschlossen. Der Gegenpapst Novatian hatte sehr schnell und lautstark, auf dem Gesetz fußend, verkündet, daß eine Wiederaufnahme in die Kirche der Heiligen verboten und daher unmöglich sei. Papst Kornelius beurteilte die Situation ganz anders. Er stellte die verzeihende Liebe über den Buchstaben des Gesetzes und erfüllte damit die Mahnungen der Bergpredigt. In einer Synode mit 60 Bischöfen fand seine Entscheidung die einstimmige Zustimmung. Darauf öffneten sich die Tore der Mutter Kirche allen reumütigen Sündern, die bußbereit ihre Schuld bekannten.

Kornelius von Darscheid

Kornelius hat damit den Mut bewiesen, einen neuen Weg zu gehen, nicht nur den ausgetretenen. Er tat es als gehorsamer Diener seines göttlichen Herrn und als guter Hirt, der ihm anvertrauten Herde. Es war seine größte Tat!

Beim Wiederaufflammen der Christenverfolgung unter Kaiser Gallus wurde Papst Kornelius nach Civita Vecchia verbannt, wo er 253 als Märtyrer starb. Sein Leichnam kam später in die Papstgruft von San Calisto an der Via Appia in Rom. Eine Marmorplatte schließt seine Gruft ab. Sie trägt die apostolisch-einfache Inschrift:

CORNELIUS MARTYR

EP

 

Die Verehrung des hl. Papstes Kornelius

In den Landen zwischen Maas und Rhein war Kornelius schon im Mittelalter eine hochgeschätzte Persönlichkeit. Die Zentrale seiner Verehrung ist die ehemalige Abteikirche der Benediktiner Kornelimünster bei Aachen, die seit 1804 Pfarrkirche des hübsch gelegenen Städtchens an der Inde ist, dem sie ihren Namen verliehen hat. Hier werden Reliquien des hl. Kornelius in kostbaren Reliquiaren aufbewahrt; hier sieht man sein Bild auf Altären und in Kirchenfenstern; hier steht seine Statue innerhalb und außerhalb der Kirche, sogar auf der Spitze des Chordachs.

In vielen Kirchen des Eifellandes hat man ihm das Patronat übertragen. Man zählt ihn zu den „Vier Marschällen Gottes". Wie die Feldmarschälle im fränkischen Reich beim König viel Einfluß besaßen, so glaubte man, daß die vier Großen als Marschälle nahe am Throne Gottes stehen, fürsprechend für jeden,der sie anruft zu helfen. Erfreulicherweise haben wir die „Vier Marschälle Gottes" nahe bei uns: in Darscheid den Papst Kornelius, in Utzerath den Einsiedler Antonius, in Schönbach den Tribun Quirinus und in Hilgerath den Bischof Hubertus, der auf wilder Jagd im tiefen Wald Gott begegnete.

Kornelius wird auch gegen die Epilepsie, die „fallende" Krankheit, die man hierzulande Korneliuskrankheit nennt, angerufen. Es bleibt unvergessen, daß Kornelius es war, der die „Gefallenen" wieder aufgerichtet hat. Wer in seelischer Not half, so glaubte man, der wird auch bereit sein, in leiblicher Bedrängnis zu helfen.

Der bäuerliche Mensch hat die Fürbitte der Heiligen auch für sein Vieh in Anspruch genommen. Für ihn waren die Tiere seiner Obhut ein lebensnotwendiger Besitz, den es zu hegen und zu pflegen galt, von dem Wohl oder Wehe der Familie abhing. Nun gaben der Name des Heiligen, der von Cornu, das Hörn, hergeleitet wird, und das Hörn, das er als sein Zeichen in der Hand hält, den Anlaß zur Patronatschaft für gehörntes Vieh, vorwiegend für Kühe und Schafe.

In der christlichen Welt hat sich der Name Kornelius in zahlreichen Spielformen erhalten. Kornelius (altröm. Cornelius), Cornell, Cornels, Nellen, Nelles, Niehl, Cornelissen (C.-Sohn), Nelissen, Nehlsen, Nelson, Korny, Cornill, Nilges, Nilles, Canilles, Cornelia, Nelly, Conny (engl.), Neeltje (holländ.). Die Häufigkeit dieses Namens beruht zweifellos auf der Wertschätzung der im Hintergrund stehenden verehrten Heiligengestalt.

Wilhelm Hay hat in „Volkstümliche Heiligentage" auf die herzliche Freundschaft hingewiesen, die Papst Kornelius mit dem afrikanischen Bischof Cyprian verbunden hat. Sie ist eines Gedenkens wert! Beide Männer hatten vieles gemeinsam: Sie waren Bischöfe in heidnischen Weltstädten, in Rom und in Karthago; sie durchlebten die gleiche Zeit der Verfolgungen und Irrlehren; sie waren stets eines Sinnes, standen für- und miteinander in der Beurteilung und Durchführung ihrer Lebensaufgaben; sie starben beide den Märtyrertod. Die im Leben sich Stärke und Stütze waren, konnte der Tod nicht trennen. In der Schatzkammer von Kornelimünster stehen ihre Büstenreliquiare nebeneinander. Möge es uns ein Zeichen sein, daß wahre Freundschaft das Leben überdauert. Wo wir sie finden, begegnen wir wahrer Größe.