Die Dampfdreschmaschine

Peter Koch

Die Erinnerung an die Dampfdreschmaschine zähle ich zu den schönsten meiner Kindheitserinnerungen. Wenn es hieß: „De Dreschmaschinn kütt", dann war das ein freudiges Ereignis für uns Kinder. War die Ernte unter Dach und Fach, die Herbstbestellung der Felder getan, wurde es auf den Fluren ruhig und stand der Winter vor der Tür, dann war die Zeit gekommen für die Lohndrescher. Die Besitzer der Lohndreschmaschinen suchten ihre Kunden in den Dörfern auf, um Aufträge für dieses Jahr zu bekommen; zuerst wurden sie beim Ortsbürgermeister vorstellig. Der Bürgermeister berief eine sofortige Gemeindeversammlung ein, indem er einen von uns Kerlchen mit der Gemeindeschelle losschickte. Laut rufend ,,Jemehn-Jemehn, awa jelejch!" (Gemeindeversammlung, aber gleich) — und dazwischen klingelnd — lief ein Junge die verschmutzte Dorfstraße entlang. Die Bauern ließen alles stehen und liegen und rannten zur Versammlung in das Haus des Bürgermeisters Michael Eich.

Dort, in der geräumigen ,,Stuff" (Wohnzimmer) von „Müllesch", hatten alle versammelten Bauern ausreichend Platz. Sozusagen als Lohn für meine Gemeindedienste durfte ich einmal bei den Gesprächen dabei sein. Am oberen Ende des langen Familientisches saß als Respektperson „Müllesch Ohm", wie wir Kinder den Bürgermeister ehrfurchtsvoll nannten. Neben Herrn Eich hatte der Dreschmaschinenbesitzer Platz genommen; meistens war es immer derselbe, der jeden Winter nach Katzwinkel kam: es war „Maschinen-Michel" aus Mayen, ein kleiner, schlampig aussehender älterer Mann mit einem mächtigen Schnurrbart. Jetzt wurde der Preis ausgehandelt; es wurde hart und scharf gefeilscht. Maschinen-Michel blieb hart. Gezielt spuckte er, unter seinem starken Oberlippenbart hindurch, die gelblich-schwarze „Schicktabak"-Brühe (Kautabak) in die Stube. Und wenn er lachte, sah man ein paar kräftige, gelbe, etwas nach vorn gewachsene, an ein Raubtier mahnende, Zähne. Doch zuletzt wurde man sich einig. Fünf Reichsmark war der Stundenlohn für die Dreschmaschine. Vielfach hatte Michel noch in einem anderen Dorf zu tun, weshalb er sich von hier schnell entfernte.

Wenn es dann soweit war, daß mit den Drescharbeiten begonnen werden konnte, mußte die Maschine abgeholt werden. Sechs Paar Ochsen wurden benötigt, um den schweren eisenbereiften Dreschkasten, der wohl zwischen siebzig und achtzig Zentner wog, aus dem Nachbardorf hierher zu befördern. Das war bei den schlechten Wegeverhältnissen ein gutes Stück Arbeit. Die Tiere gingen auf den Wegen, die meistenteils aus Dreck und Schlaglöchern bestanden, bis an die Haxen durch den Morast. Es war ein ständiges „Hott- und Har-Schreien" der Gespannführer. Und wir Kinder liefen hinterher, von oben bis unten verdreckt. Aber das spielte keine Rolle; denn zu unserer Kinderzeit durfte man sich noch schmutzig machen.

Dreschmaschine mit Dampfkessel in den zwanziger Jahren

Endlich war man in Katzwinkel angekommen. Die Maschine wurde die steile Dorfstraße, an unserem („Stenze") Haus vorbei, hochgezogen und dann in der Scheune von „Hüwwels" (Stadtfeld) abgestellt. Die Ochsen wurden ausgespannt, dann ging es mit den Tieren zurück ins Unterdorf. Jetzt wurde der schwere Dampfkessel hinaufgefahren; er war ein mächtiger Koloß mit einem zwei Meter langen Rohrkamin, welcher während des Transports umgelegt werden konnte. Ich sehe ihn im Geiste noch vor mir, diesen alten Dampfveteran mit dem mächtigen eisernen Schwungrad mit armdicken Eisenspeichen, mit den blinkenden Messingteilen und hinten der großen Feuerung, welche mit einer nietenbesetzten Eisentüre verschlossen war. Schwärzer wie der Teufel, mit Ruß und Öl verschmiert, war dieser Koloß, genau wie sein Herr.

Am anderen Morgen ging es dann los. Die Bauern mußten erhebliche Mengen Holz neben dem Kessel aufstapeln, denn der Dampfveteran war fast unersättlich. Michel sorgte dafür, daß der Kessel morgens betriebsfertig war. Eine laute Dampfpfeife — wie bei einer Dampflokomotive — gab gellende Laute in den kalten Wintermorgen ab. Die Bauern fanden sich wieder alle ein, denn einer mußte dem anderen helfen. Auch Frauen und Mädchen halfen mit. Der Bauer, bei dem die Dreschmaschine stand, teilte die Leute ein, und so mancher Bursche und so manches Mädchen ließen sich gerne zusammen einteilen. Ein lautes Zischen und Fauchen ertönte, der lange Treibriemen vom Kessel zum Druschkasten setzte sich in Bewegung, die Maschine lief. Ein mächtiger Strohschober erhob sich im Hof. So ging es Tag für Tag bis in die späten Abendstunden hinein.

Abends spielten wir Kinder bei der Dreschmaschine, derweil der Dampfkessel fauchte und aus seinem langen Rohr goldene Funken gen Himmel stieben ließ, beim Mondschein sich die Eule im nahen Bergwald bemerkbar machte und Fledermäuse um unsere Köpfe schwirrten. In der Scheune wurde zwischendurch die Schnapsflasche rundgereicht. Trotz des Gefauches des Dampfkessels und des hohen Summens der Dreschmaschine hörte man das Lachen und fröhliche Singen einiger Mädchen.

Wenn eine Scheune leergedroschen war, wurde die Maschine „von Hand" in die nächste Scheune gezogen. Ketten und Seile wurden seitlich an die Maschine angebracht. Maschinen-Michel gab das Kommando. „Hau-ruck, hau-ruck" dröhnte seine rauhe Stimme. Zentimeterweise nur kam man oftmals durch die schlaglöcherige Straße und die Höfe voran. Und so zog die Dreschmaschine von Scheune zu Scheune, bis sie unten bei „Schull Klohß" (Maas) am Ende war.

Ich denke so gerne an diese schöne, für uns Kinder sorgenlose, Zeit zurück.