„Du betuppst mech!"

Georg Michaelis

Lange habe ich bei dieser Überschrift „Du betuppst mech!" überlegt, ob ich diesen Beitrag nun in unserer Eifeler Mundart weiterschreiben soll.

Ich fragte mich, ob ich sie überhaupt noch richtig, mit allen früheren urwüchsigen Lauten sprechen und gar schreiben könnte? Ich begann in „unserer Mundart" und bekam, beim Schreiben wenigstens, sofort große Schwierigkeiten. Das begann schon mit dem ersten Satz, mit dem nachher das eigentliche Thema dieses Berichtes beginnt: „Nengzehnhonertachzig ass virr all „Spilleck" on d'r Efel on doriwer, en janz besonischter Jorr.".

Ich ließ die Finger von der „Eifeler Mundart" und besann mich auf die guten Beiträge: „Verlieren wir unsere Mundart?" die regelmäßig in der Monatsschrift des Geschichts-vereins „Zwischen Venn und Schneifei" in St. Vith (Belgien) erscheinen. Erst muß ich dort lesen, um überhaupt meine Muttersprache schreiben zu können.

Nun aber zum eigentlichen Thema:

Das Jahr 1980 ist für alle „Spielleute" in der Eifel und darüber hinaus, ein denkwürdiges Jahr!

Ich meine nicht die „Spielleute", die früher in der Eifel von Dorf zu Dorf, von Kirmes zu Kirmes zogen, um ihren Instrumenten die Töne zu entlocken, die dann auf der Tenne bei Jung und Alt dazu führten, daß das Tanzbein geschwungen wurde.

Ich meine auch nicht die „Spielleute", die heute von Automat zu Automat wandern, um denen Geld zu entlocken.

Ich meine „echte Spielleute", von denen es noch heute solche in der Eifel gibt. „Spielleute", die, wenn sie sich mit diesem Titel schmücken wollen, Verstand, Überlegung, Witz, Humor und ab und zu auch „spielerisches Geschäftsinteresse" entwickeln müssen.

Wer sind nun diese von mir gemeinten „Spielleute"? Lassen Sie mich, lieber Leser, aus der Chronik der Eifel berichten:

Vor 70 Jahren: Es ist Freitag, der 15. Juli 1910. Die „Eifeler Volkszeitung" („Prümer Zeitung") bringt zum 100. Todestag der Königin Luise ein Gedenkwort (wer kennt sie noch: Die Zeitung und die Königin?). In Jünkerath hat sich unter dem Vorsitz von Direktor Thomas eine Ortsgruppe des Eifelvereins gebildet, der 47 Mitglieder angehören. In Mainz wurde die einzige in Hessen bestandene Weiberstrafanstalt aufgehoben und die Insassen in verschiedene Anstalten untergebracht.

Aus Kleinplittersdorf am Oberrhein wird gemeldet: „Ein seltenes Ereignis hat sich hier zugetragen. Ein Mann von 78 Jahren hat sich mit einem 17jährigen Mädchen verlobt." Und es erscheinen am gleichen Tage in der „Eifeler Volkszeitung" die beiden folgenden Anzeigen:

Es ist der 15. Juli 1910, ein Freitag: Im Gerichtsgebäude in Trier geht es an diesem Tage (das sind also 1980 genau 70 Jahre her!!!) nicht um's „betuppen" sondern um's „Tuppen". Besser gesagt, um das Kartenspiel „Sieben Schräm („Siewe Schrimm").

Während draußen über der Stadt Trier eine schwüle Gewitterstimmung liegt, gibt es im Gerichtssaal heiße Köpfe um die Frage: „Ist Sieben Schräm" ein Glücksspiel oder nicht? Es soll eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden, die nicht nur für die Eitel, sondern weit darüber hinaus, von geschichtlicher Bedeutung sein wird.

Aber: Wieso kam es überhaupt zu dieser Gerichtsverhandlung?

In der Eifel, aber auch anderswo, so berichtete die Gerichtschronik, war damals (damals?) das „sogenannte Sieben-Schräm-Spiel" ziemlich allgemein verbreitet. Mehrere Arbeiterfrauen aus einem Ort im Kreise Daun (bitte gehen Sie der Frage, um welchen Ort es sich gehandelt hat, nicht nach, denn es könnte Ihr Ort gewesen sein) hatten sich beim Bürgermeister darüber beschwert, daß ihre Männer leidenschaftlich Karten spielten, wodurch den Familien manchmal der ganze Wochenverdienst verlorengegangen ist.

Die angestellten Ermittlungen ergaben, daß es sich in allen Beschwerdefällen um das „Sieben-Schräm-Spiel" gehandelt hatte. Zunächst machte der Bürgermeister in einem „Zirkular" (Gott sei Dank kennt unser Amtsdeutsch heute dieses umständliche Wort nicht mehr. Heute drückt man sich ausländischer aus!) die Gastwirte auf den Übelstand aufmerksam und er ersuchte sie um Abstellung desselben.

Dann kam's, wie es manchmal kommt: Die Frauen bekamen unerwartet Hilfe. Da war eine „dritte Seite". Die hatte sich erst garnicht beschwert. Sie hatte sofort Anzeige gegen einer der Gastwirte wegen Duldung eines Glückspieles in seinem Lokal erhoben. Nun kam die Sache richtig in's Rollen.

Sie ging zunächst zum Schöffengericht, der 1. Instanz. Die Angeklagten aber wurden von diesem Gericht freigesprochen, weil es ihnen, wie es so schön hieß, nicht bewußt war, daß „Sieben Schräm" ein Glücksspiel sei.

Also war „Sieben Schräm" doch ein Glücksspiel und es mußte die Berufung erfolgen. Dafür war die Strafkammer in Trier zuständig, die sich nun an diesem schwülen Sommertag vor 70 Jahren damit beschäftigen mußte.

Zunächst konnte die Strafkammer aus der Verhandlung kein klares Bild gewinnen. Der Staatsanwalt „erachtete ein Vergehen im Sinne des Glücksspielparagraphen" und beantragte, den Gastwirt in eine Geldbuße von fünf Mark zu nehmen.

Daraufhin zog sich das Gericht zur Beratung zurück. Sie dauerte lange. Danach wurde der Beschluß verkündet, nochmals in die Beweisaufnahme einzutreten, um sich das „Sieben-Schräm-Spiel" praktisch vorführen zu lassen.

Der angeschuldigte Wirt und drei der anwesenden Zeugen mußten dann auf Geheiß des Richters vor dem Richterkollequim „unter allgemeiner Heiterkeit", wie der Chronist berichtete, eine Partie „Tuppen" („Sieben-Schräm") spielen.

Das ließen sich die Eifeler nicht zweimal sagen, wobei „die einzelnen Spieler aufklopften, als säßen sie daheim an ihrem Stammtisch". Nach dieser Partie an diesem heißen Freitag vor 70 Jahren entschied das Gericht:

„Das Kartenspiel „Sieben-Schräm" ist kein Glücksspiel!" Beim „Sieben-Schräm-Spiel", so hieß es in der Urteilsbegründung, „hängt der Ausgang weniger vom Glück, als vom gewandten und kunstfertigem Spiel ab".

Nun wehre ich mich als Verfasser dieses Beitrages ganz energisch gegen die Meinung, „unsere Eifel" sei einmal rückständig gewesen. Wie fortschrittlich waren doch „unsere Tupper" im Gerichtssaal in Trier! Ich wünschte mir, sie lebten noch heute! Und wie ich meine Landsleute kenne: Sie werden im Zug von Trier in den Kreis Daun „Sieben-Schräm" gespielt haben. Sie werden es gespielt haben, bis zum frühen Morgen.

Quellennachwels:

„Eifeler Volkszeitung" („Prümer Zeitung") vom 17., 19. und 20. Juli 1910 (Archiv Heimatmuseum Prüm).