Im Blütengarten der Eifel

Dr. Batti Dohm t

Der im Sommer 1977 80jährig verstorbene Gerolsteiner Geologe Dr. Batti Dohm galt als einer der besten Kenner der Erdgeschichte der Eifel. Seine 1976 in 2. Auflage erschienene Schrift „Die geologischen Verhältnisse im Landkreis Daun in der Vulkaneifel" ist bisher in unserer Region unübertroffen. Das ebenfalls aus seiner Feder stammende kleine Buch „Gerolstein in der Vulkaneifel", das schon in 3. Auflage vorliegt, weist Batti Dohm auch als minutiösen Kenner der Geschichte seiner Heimatstadt aus. Eine von ihm erarbeitete mehrbändige Stadtchronik der Stadt Gerolstein harrt noch der Ergänzung und Vollendung durch den letzten Band.

Immer wieder ruft bei dem Autor die glückliche Mischung von wissenschaftlicher Genauigkeit und volksnaher Darstellungskunst Bewunderung hervor. Eine mögliche Erklärung dafür mag neben seiner umfassenden Bildung die besondere Liebe zu Land und Leuten der Eifel sein, deren Sohn er war. Mit Batti Dohm konnte man „platt schwätzen". Seine Verbundenheit mit seiner Eifeler Heimat offenbarte sich geradezu in seiner liebevollen Zuwendung zu ihrem jeweiligen Detail, das er untersuchte und beschrieb. Durch dessen Beleuchtung und Erhellung wollte er auf die großen Zusammenhänge in Natur und Kultur dieser ungewöhnlichen Landschaft aufmerksam machen. Das erforderte natürlich intensive Beschäftigung mit der Sache. Für den sorgfältig nachforschenden Autor eine pure Selbstverständlichkeit.

Ein sehr anschauliches Beispiel für Batti Dohms Art zu sehen und zu schreiben liefert die kleine Arbeit „Im Blütengarten der Eifel". Sie wurde in seinen hinterlassenen Unterlagen gefunden und wird hier erstmals veröffentlicht. Möge sie dazu beitragen, den Blick für die kleinen Blütenwunder der Eifel wieder zu einem beglückenden Erlebnis werden zu lassen.

Der Gattin des Autors, Frau Liselotte Dohm, Gerolstein, sei herzlich gedankt für die Überlassung des Manuskripts.

Prof. Matthias Weber

 

Den wirklichen Beginn des Eifelsommers zeigt nicht der Kalender, sondern der Holunder an, den die Botaniker, der dunklen Beeren wegen, den schwarzen nennen zum Unterschied von Bergholunder, über den noch zu sprechen sein wird.

Mags auch wochenlang an den Trockenhängen sommerlich warm sein, und mögen die Wildrosen — es gibt sie vom zartesten Weiß, das sich bescheiden unter dem Laub versteckt, bis zum satten Rot — die Zeit des Blühens nicht erwarten können und hie und da vorprechen, so sind die Knospenschirme des Holunders noch unbeteiligt nach unten gebogen und nichts verrät die Myriaden weißer kleiner Sternlein, die in ihnen verborgen sind, bis die Wundernacht mit ihrer schrankenlosen Wärme kommt.

Blühender Hang im Kylltal bei Bewingen

Hellt sich dann eines Morgens im Osten über den Vulkankegeln der Himmel zum Tage auf, sind die Hänge verzaubert. In jedem Felsspalt gleißt es in leuchtendem Weiß, das Grün wirkt dunkel vor so viel Glanz und Helle, und aus dem unscheinbaren Buschwerk ist über Nacht ein Feuerwerk geworden: der Sommer ist da! Noch nicht der glutheiße, von flirrendem Licht blendende, sondern der junge, strahlende, nicht sengende und brennende. Wohl ist er den leuchtend roten Pechnelken an den Südhängen der Berge schon zu heiß, sie verblassen und werden braun wie die Leimringe um ihre Stengel. Ihr leuchtendes Rot ist ins Gras vertropft, und den Rot-Akkord übernimmt nun die kleine Stein- oder Kapuziner-Nelke, die so garnichts von der braunen Kutte der frommen Mönche an sich hat.

Auch die Fetthennen richten sich nach dem Holunder. Zuerst ist es die weiße, die aus filigranfeinem Kraut ihre zierlichen Blüten hebt und lockere Polster bildet, die so mächtig .anschwellen, daß sie von den Felsen herunterhängen. Als nächste folgt die gelbe, jedes der dicken Polsterstenglein ist ein gelber Tupf, so dicht an dicht, daß selbst das Leuchten des Fingerkrauts verblaßt. Die Ränder der kleinen Pfade über die Bergtriften und steinigen Hänge sind streckenweit eingefaßt von dieser gelben Rabatte. Vornehmer gibt sich eine andere, die graziös gebogene Blütenstände hat, die sich erst aufrichten, wenn die Knospen sich in einem zarten Gelb öffnen. Ihre bevorzugte Heimat ist der heiße Südhang der schwarzen Kegel aus Vulkanasche.

Auch die Trockenhänge mit der wilden Salbei — sie hat den Eifelmaler Fritz von Wille zu einem seiner schönsten Gemälde angeregt — in ihrem unaufdringlichen Blau werden unscheinbar. Die beginnende Reife versteckt sich in dem hohen, graziösen Berggras, das sie hier „Schmillen" nennen. Kaum glaublich, daß aus dem unscheinbaren Gefilz des Trokkenrasens solch biegsame, hohe Halme geworden sind, die sich weder aus Wind noch aus Regen etwas machen, während das Blaugras in den Felsritzen immer unansehnlicher wird.

Hoher Sommer ist dann, wenn der prasselnde Gewitterregen die Blütensternchen des Holunders auf Pfade, Beete, Wege und die Berghalden streut. Es duftet geradezu nach Volkslied und Urväterart und -brauch, trotz der Jazz-Rhythmen, die aus geöffneten Fenstern schallen.

Die ganze Schönheit des Bergholunders, oben kurz erwähnt, — und nichts gegen das zarte Gelb seiner Blütenpompoms — geht jedoch erst auf, wenn seine korallroten Beeren über buntem Herbstlaub stehen wie letztes Erinnern an sommerlich heiße Tage. Wie Grabampeln auf stillen Friedhöfen hängen sie dann im lichten Gebüsch, während ihre schwarzen Vettern längs von den gefräßigen Amseln verspeist sind.

Wenn die weißen Blütensternchen fallen, beginnen die Königskerzen zu brennen! All die vielen Altäre von St. Peter in Rom können sich mit der Zahl der lebenden Kerzen nicht messen, die von unsichtbarer Hand auf jeden, noch so kleinen Felsvorsprung an den Basaltwänden, in jede Ritze der Kalk- oder Grauwackefelsen gestellt sind und ihren hellen Schein erstrahlen lassen.

Nichts kann den Blütengarten der Eifel dort, wo sie als unfruchtbar und unbestellbar gilt, eindämmen oder stören, und mit unbeschreiblich buntem Farbrausch machen die verachteten Hänge wett, was die Äcker und Fluren an herbstlicher Fruchtbarkeit voraushaben. Die Wiesen vor der Heuernte allein halten ihnen Stand, doch mit dem Duft der Hänge kommen auch sie nicht mit.

Farbe und Duft herrschen nun allein, denn die Vogellieder sind fast ganz verstummt, Mutter- und Vaterpflichten lassen keine Zeit dazu, und die zarten Geräusche der Kinderstuben können das Rufen, Locken und Werben, das Schmettern nicht ersetzen.

Nun beginnen die Wallfahrten. Pilgerstraßen heißen die verschwiegenen Pfade oder Felswege, abseits der modernen Verkehrswege. Wie die uralten Trampelpfade ziehen sie durch die Flur oder den Wald. Ein ganzes Jahr lang sind sie verlassen, wie vergessen, höchstens vom Wild als Wechsel benutzt, bis ihre Zeit kommt. Dann flattern die Fahnen mit den Goldstickereien, dann schallen die Gebete und Lieder und winkt der Sendschöffe mit dem Stab — zu den Männern rechts, den Frauen links. Und die Zeiten, daß ,Bien' (Jakobina) die .Knödelszopp' (Milchsuppe mit Mehlklößen) und ,Lien' (Magdalena), die wegen der Wallfahrt die Geis verkauft hat, soviel Würstchen mitnimmt, wie ein Gesetz des Rosenkranzes Perlen hat, sind noch nicht vorbei. Keine fröhlichen oder frommen Urständ' feiern die alten Weinwege, sondern bleiben vergessen. Ehemals rumpelten über das holperige Pflaster die Weinfuder von der Mosel zu den großen Abteien der Eifel — Prüm, Malmedy, Stavelot. Mit dem Glanz und Reichtum der fürstlichen Klöster sind sie untergegangen, nur ihr Name erinnert an mittelalterliche Größe. Noch vergessener sind die alten Römerstraßen, von denen nur heckenbestandene, schnurgrade Streifen mitten durch Acker- oder Wiesenland übrig geblieben sind, die kein Pflug aufreißen kann. Und nur dem, der es weiß, sagen Orte, wie z. B. Nohn (Kreis Daun), daß es einmal hieß: ad nonam lapidem — am neunten Stein. Oder daß Oos (Kreis Prüm) das römische Ausava ist, und der Turm des kleinen Dorfkapellchens der alte römische Wachtturm an der großen Straße Trier—Köln war.

Was und wo man in der Eifel antippt, alles hat Interessantes an Leben oder Geschichte und ist dazu angetan, einmal das Alltägliche beiseite zu schieben und richtig Ferien zu machen, wirkliche Entspannung, Ausruhen zu finden und erlebnisreiche Tage und Wochen zu verbringen.

Es ist besser, einen Baum zu pflanzen,

als einen Ast abzusägen

Chinesischer Spruch

 

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