Das Porträt

Regierungspräsident Julius Saxler

»Freude, schöner Götterfunken .. .« Diese Beethoven-Klänge, von Schillerworten inspiriert, wecken nostalgische Gefühle; zumal, wenn die Melodie anheimelnd aus einem Harmonium erklingt. Jenes steinalte Instrument stand in einer guten Stube in Niederstadtfeld an der Kleinen Kyll. Dort pflegte der Dauner Landrat Feldges internen Kontakt mit Journalisten, als noch französische Besatzungshüter argwöhnisch über Gespräche im Kreishaus wachten. Das war vor just 30 Jahren.

Der Harmoniumspieler ließ sich vom Plaudern nebenan nicht ablenken. Er muß wohl ein Herz für Musik haben, denkt der Besucher. Solches ist Goldes wert. Musikliebe verrät Sinn für Künstlerisches — und macht frei, wenn Kummer des Alltags die Abendstunde belasten will. In dieser familiären Atmosphäre begegnete der Chronist, als das Harmonium verstummte, dem damals jüngsten Amtsbürgermeister des Kreises Daun, Julius Saxler. »Klein, aber rein« stand insgeheim über seinem Arbeitszimmer. Bescheidenheit und zielstrebige Arbeit waren die Leute im Hinterbüsch schon von seinem Vorgänger, dem seit 1946 amtierenden Landrat, gewöhnt. Denn die Kahlschläge in den ausgedehnten Waldungen zwischen Kyll und Lieser hatten die Finanzkraft der Gemeinden gebrochen. »Besatzungshiebe« lautete die treffende Formel für den geschundenen Eifelwald. Ob der Chef der Amtsverwaltung bei ihrem täglichen Anblick die Liebe zum Wald erst oder neu entdeckt hat, ist nicht bekannt — wohl aber, daß ihn der Jammer um die vernichteten Werte der Gemeinden die Bedeutung der Forstwirtschaft erkennen ließ. Seine Aktivitäten zur Wiederaufforstung zerrissener Wälder galten denn auch dem Privatwald, einem Rückgrat der um ihren Besitzstand ringenden Landwirtschaft.

Schlechthin erwies sich das kleine Amt in jenen Jahren als Übungsfeld für reifende Pläne zum Strukturwandel. Dafür plädierte Saxler, wo immer kreiskommunale Gremien in Sorge um die Zukunft die Nacht zum Tag machten, doch tagsüber umsichtig zur Überwindung nach-kriegsbedingter Notstände eilten. »Wir dürfen überhaupt nicht mehr schlafen«, schleuderte ein mit der Notlage der Bürger vertrauter Hillesheimer Kaufmann in die erhitzte Debatte zum Strukturwandel. Das wurde ein geflügeltes Wort und fügte im Kreisgebiet zahlreiche Gespanne zu emsiger Pionierarbeit zusammen. Daraus mußte Erfolg erwachsen.

Dem eigenwilligen, kritisch-wachsamen, manchmal unbequemen und selbstbewußten Koordinator wurde 1955 mit der Wahl zum Landtagsabgeordneten die Anerkennung der Kreisbewohner zuteil. Er nahm diesen Auftrag der Bevölkerung ernst — auch zur persönlichen Profilierung in Mainz. Die »Sicht von oben«, die er, Jahrgang 1916, als junger Flugzeugführer und Offizier in Kriegszeiten geübt, übertrug er auf die landespolitische Ebene. Das Vertrauen, das ihm klare Zielsetzungen im Plenum eintrugen, ließ seine Aufgaben in fünf Legislaturperioden enorm anwachsen. Die Bewährung im Parlament als Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses, des Innenausschusses, im Ältestenrat, zehn Jahre Vorsitz im SWF-Rundfunkrat und heute noch Vorsitzender des SWF-Verwaltungsrates, aber auch die Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz im Verwaltungsrat der Provinzial- Feuer -und Lebensversicherungsanstalten der Rheinprovinz schärften seinen Weitblick — da und dort für Profanes, aber ebenso für kulturelle und musische Werte, nicht nur daheim, auch in engen Kontakten zu europäischen Nachbarn. Er hätte in diesen Positionen persönlich ausgelastet sein können. Doch ihn reizt es, gestaltend auf das Zeitgeschehen einzuwirken. Kritischen Rat zu eigenen Entschlüssen weiß er zu schätzen und durchdacht einzuordnen. Dieser Wesenszug stand Pate, als er 1958 Amtsbürgermeister in Daun wurde. So blieb er rastloser Pendler zwischen Daun und Mainz, Baden-Baden und Düsseldorf, seinem Geburtsort. Der Kreis Daun ist seine Heimat, der er 28 Jahre kommunalpolitisch aktiv diente. Seinem Einfluß in der Landespolitik und auf das 1970 realisierte Reformwerk ist die Erhaltung und territoriale Ausdehnung dieses Eifelkreises zuzuschreiben.

Wo immer neue Aufgaben auf ihn zukommen, greift er das Vorgezeichnete behutsam analysierend auf, um aufbauende Impulse zu wekken. Das zeichnet sein Wirken seit 1973 auch als Regierungspräsident von Trier aus. Dynamischer Führungsstil erlaubt ihm, das Bündel an Aufsichtsfunktionen leichter Hand zu bewältigen. Denn er versteht, Entschlußfreude, Engagement und Verantwortungsbewußtsein seiner Mitarbeiter zu stärken. »Pragmatismus und humanes Verständnis« bescheinigten sie ihm, als er 60 wurde, »Kollegialität« hoben die Mainzer Parteifreunde hervor, und die politischen Gegner schätzten seine »praktizierte Toleranz«. Fügen wir die Neigung zu Beschaulichkeit hinzu, so wird verständlich, daß ihm die Restaurierung des Kurfürstlichen Palais, seiner Residenz, zu einem Herzensanliegen geworden ist. Doch nicht nur diesem kunstvollen Juwel der Trierer Region gilt seine Aufmerksamkeit, sondern auch anderen historisch bedeutsamen Werken, deren Erhaltung zu allen Zeiten Aufgabe stiller Förderer war und bleiben wird. Die Stille, die seinem Wesen eigen ist, erweist sich als Stärke. In seinem Wirken, auf Realisierbares zugeschnitten, zählt Vollendetes. Erst nach getaner Arbeit stellt er sich der Öffentlichkeit. Er liebt diese Dosierung und hat sie in Jahrzehnten sorgsam gepflegt. Noch ist sein Terminkalender gespickt mit in die Zukunft weisenden Intentionen — mehr als die Zeit bis zum Ruhestandsalter erlauben dürfte. Doch die Bilanz ist bereits ausgefüllt mit einer Serie bleibender Werte. Seine Gattin, auf das Wohl der Familie bedacht, hat dazu viele Aktivposten beigetragen. Sie wird sich in absehbarer Zeit sicher auf ein amtsunbelastetes Daheimsein freuen.