Dialog in Bildern

Marianne Schönberg

Erstmals begegnete ich ihm in einer Ausstellung. Es war im Handweberdorf Rupperath zu Beginn der siebziger Jahre. Der Maler Blum stellte in einer Sondergalerie seine Schwerpunktthemen aus dieser Schaffensperiode vor: Blumen und Landschaften. Bildhafte Dokumente der Schönheit seiner Eifelheimat waren das, vorwiegend große Ölgemälde. Der Betrachter erfuhr aus ihnen in realistischer Sprache viel vom verhaltenen Reiz des Landstrichs Eifel. Da war der große blaue Fingerhut am Rande einer Straße, die Leuchtkraft der Ginsterblüte, das Weiß in Bäumen und Hecken, wenn der Frühling in den Sommer übergeht. Landschaftsbilder zeigten verträumte Dörfer, schlichte Gehöfte. Aus den Bildern sprach kein Romantiker, aber ein Sehender. Ihn wollte ich kennenlernen. Plötzlich stand er da, groß, ruhig, ein wenig verlegen. Den Trubel um die Ausstellungseröffnung mochte er wohl nicht sonderlich. Das war mein Eindruck. Michael Blum bestätigte das später, als wir seinen Lebenslauf skizzierten.

Michael Blum bei der Eröffnung der Galerie im Rathaus Hillesheim.

In Prüm wurde Blum geboren, im Kriegsjahr 1942. Wenig später zogen die Eltern nach Jünkerath. Dort verlebte der Junge seine Kindheit. Als es galt, beruflich zu lernen, bewarb er sich bei der Post. Niemand dachte an ein Studium oder gar den Werdegang eines Künstlers. Das machte Michael Blum später mit sich selbst aus, in Jahren der Entbehrung. Er ging nach Köln und lernte dort seine Frau kennen. Studium und Malerei wechselten sich ab, und mit der Anerkennung kamen Phasen der Ablehnung für seine Bilder. Freunde machten ihm immer wieder Mut, den eigenen Stil nicht zu verleugnen. Das war schwer in den Jahren, da gekauft wurde, was nicht gegenständlich war. Technisch wäre es ein leichtes gewesen, sich dem gängigen Trend anzuschließen. Doch der junge Maler — mittlerweile Lehrer in Euskirchen — hielt durch, allem Spott zum Trotz. Das hat sich ausgezahlt. Als die Welle des Nicht-Erkennbaren in protzigen Bilderrahmen verebbte, fanden Kenner und Laien zu gegenständlichen Motiven zurück. Man entdeckte die Schönheit der Details neu. Für Michael Blum begann eine Zeit, in der er jede freie Stunde zum Malen nutzte. Es entstanden farbensprühende, oft überdimensional großflächige Ölbilder des großen Fingerhut, des Löwenzahns, der gemeinen und großen Distel und wahre Blütenmeere des wilden Mohns. In Schleiden, Euskirchen, Heimbach, Bonn wurden diese Bilder ausgestellt. Und die Zustimmung der Besucher gab dem Maler recht. Sein Angebot des Gesprächs über die gemalte Schönheit der Eifel wurde angenommen. Nicht nur mit artigem Kopfnicken; das hätte sich Blum nicht gewünscht. Gespräch wird erst lebendig durch Frage und Antwort. Diskussion ist das Salz jeder ernsthaften Unterhaltung. In der Eifel verhielt man sich dem jungen Blum gegenüber reserviert. Die Kreissparkasse Daun bot dem Künstler zuerst die Hand und damit ihre Schalterräume für eine Sondergalerie. Sie wurde ein Erfolg. Mittlerweile hatte der Maler in Basberg ein altes Bauernhaus erworben als familiäres Feriendomizil. Es wurde zum Ausgangspunkt für neue und sehr verhaltene Landschaftsmalerei. Sorge um den Erhalt der natürlichen Struktur der Eifel spricht daraus, denn Modernisierung im dörflichen Bereich kann sehr skurrile und törichte Formen annehmen. Blum warnt in seinen Bildern vor schlimmen Folgen kosmetischer Landschaftsreparatur. Schlechte Korrektur kann ein Gesicht verunstalten, entstellen; auch das einer beinahe heilen, wenn auch bescheidenen Welt. Blum wußte sehr genau, wovon er in seinen Bildern sprach, und die folgenden Jahre bestätigten ihn. Sie gaben jedoch auch seinen Freunden recht, die ihn stets zum »Dialog in Bildern« ermutigten.

Mittlerweile ist der Themenkreis um Gravierendes reicher geworden. Die Reihe »Christliche Tafelbilder« schürt in den Ausstellungen die Diskussion um den Künstler. Er bezieht entschieden Stellung zu Gleichnissen aus dem Neuen Testament. In großer Eindringlichkeit zeigt er die Ehebrecherin, den Zöllner Zachäus, die Szene des Pilatus, die hysterisch geifernde Menge des Volkes bei der Kreuzigung Christi. Die Weihnachtsgeschichte arbeitete Blum jahrelang neu auf. Stets spielt der Hintergrund der Geburt — die Aussöhnung mit Gott — für den Maler eine dominierende Rolle.

Christgeburt und Kreuzigung als zentrale Themen der Heilsgeschichte. Michael Blum hat sie hier ganz bewußt in die Mitte des Bildes gestellt, als Rahmenhandlung Szenen aus dem Neuen Testament.

Kantig und hart sind die Konturen, wie der Frost in unsern Breiten. Das Weiß der schützenden Decke aus Schnee hüllt Häuser und Bäume ein, ein weiches Paket der Starre, das Wärme im Innern verheißt.

Es gibt kein Weihnachtsbild von Michael Blum, in dem nicht das Kreuz seinen Platz gefunden hat. Und sei es nur in der Form der verblendeten Pharisäer. Unsere Zeit ist reich an ihnen. Sie repräsentieren Macht und Ansehen, erheischen Achtung und sind letztlich Blinde, Gehörlose, Gefühlsarme. Vor zwei Jahren, in der Zeit vor Ostern, war diese Sondergalerie im Kreuzgang des Klosters Steinfeld zu sehen. Ein Ärgernis? Ich meine, sie wurde als Denkanstoß sehr positiv aufgenommen. Eine Parallele dazu wird erwartet in der Ausstellung im Frühjahr 1981 in Hillesheim. Das KEB hat den Maler eingeladen. Leihgaben im Kommunikations-Zentrum bereiten auf die Diskussion um die »Christlichen Tafelbilder« vor. Blum hat für die Leihgaben keine sanften Themen gewählt, und mit Sicherheit wird der Maler — nun Rektor an der Franziskanerschule in Euskirchen — zum Gespräch zur Verfügung stehen. Für ihn ist der Dialog die Essenz alles menschlichen Miteinander. Grund genug, sich über so viel Bereitschaft zum Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen zu freuen.

Sehet, welch ein Mensch. Weil er die Barmherzigkeit pries und zum Teilen irdischen Gutes aufrief, mußte er sterben. Seine Thesen zum Leben miteinander, wie würde man sie heute aufnehmen? Hosianna und Kreuzige, diese Begriffe liegen noch immer eng beieinander.