Was uns eine Fliese erzählt

Ludwig Jung

Im Heimatmuseum der Stadt Daun befindet sich eine Fliese, etwa 10x10 cm groß, roter Ziegel, mit einer Vierblattzeichnung, von der bisher angenommen wurde, sie stamme aus fränkischer Zeit. Fundort ist der Kolverather Hof bei Daun, durch den jetzt die Straße nach Steinborn geht, abzweigend von der langen Geraden, die nach Dockweiler führt.

Der Spezialistin für Bodenfliesen, Frau Dr. Landgraf aus Duisburg, war die kleine Fliese aufgefallen, und sie teilte dann folgendes mit: »Ihre Fliese ist sozusagen ein Rationalisierungsverfahren, von dem man heute annimmt, daß es nach dem Tode so vieler Handwerker während der großen Pestjahre (1347) entwikkelt wurde. Hier wurde der Model (Gußform) gleich in eine weiße Engobe (keramische Gußmasse) getaucht und auf die Fliese gepreßt. Da diese Fliesen in Deutschland nicht vorkamen (oder nicht mehr erhalten sind, weil sich die dünne Schicht leicht abtreten läßt), verwendet man immer noch den englischen Ausdruck »printed« = gedruckt. Es tut mir leid, daß Sie so die fränkische Fliese verlieren. Auch das Vierpaßmuster weist in die 2. Hälfte des 14. oder in den Beginn des 15. Jahrhunderts . . .

Fliesenfunde in der Eifel sind ganz selten. Ohne etwas über den Hof Kolverath zu wissen, kann ich aus meiner Erfahrung nur folgendes sagen: Die Fliese müßte aus einer kleinen ehemaligen Kapelle stammen, wie sie auf den Höfen vorhanden waren. Zu dieser Zeit wurden für Privaträume noch kaum Fliesen verwandt, auf den Burgen auch stets zuerst in den Kapellen. Der Besitzer des Hofes müßte ein Mann gewesen sein, der auf Reisen oder Kriegszügen herumgekommen ist und bei belgischen Töpfern diese Fliese bestellt oder von dort mitgebracht hat ... Bei der Dünne der weißen Schicht können Sie sich vorstellen, daß sich diese Fliesenböden sehr rasch als glatte rote Böden präsentiert haben. Es ist deshalb ein besonders glücklicher Zufall, daß diese Fliese gefunden wurde.«

Die Geschichte des Kolverather Hofes, im Volksmund »Kolvert« genannt, sagt uns nun folgendes: »Den Hof hat schon besessen der Vater des Friedrich von Dune (= Daun): Richard von Dune (Gattin Irmswand von Daun-Zievel) Marschall von Luxemburg zu Densborn. Friedrich folgte seinem Vater im Marschallamte, da der Titel erblich war. Friedrich bekennt nun am 27. 10. 1345, daß er von König Johann von Böhmen (»der Blinde«), Vater Kaiser Karls IV (Luxemburger), seinen Hof »Kolbenrait by Dune« als Freudenkopper Lehen erhalten habe mit dem »huse in dem Wyer« (Hause in dem Weiher). Man vergleiche die Daten 1347 und 27. 10. 1345! Der Kolverather Hof war also durch einen Wassergraben befestigt, gewissermaßen eine kleine Wasserburg. Noch heute sind die auf römischem Fundament stehenden Umrisse des Kolverather Hofes erkennbar. In der Nähe befindet sich eine Quelle, die Hof und Weiher gespeist hat und darüber hinaus die Wirtschaftsgebäude des Hofes im Jodesbachtale. Etwa 40 Meter dieser römischen Wasserleitung wurden beim Bau des Unteroffizierkasinos in der Kaserne aufgedeckt, mit Scherben von großen römischen Arbeitsschüsseln, die teilweise noch Kalkspeise (zum Bauen) enthielten.

Die Marschälle von Daun waren für das Haus Luxemburg natürlich sehr viel auf Reisen zur Mitunterzeichnung von Urkunden und Dokumenten u. a. vor allem im Raum Luxemburg, Verdun (Viro dunum!) und Arlon. Im Kloster Clairefontaine machten sie auch besondere Stiftungen, so im April 1256 und am 25. 8.1257 (St. A. Arlon). So ist leicht zu erklären, daß die belgische Fliese in das Hofgebäude des Kolverather Hofes bei Daun in der Eifel gelangte. Der Kolverather Hof wird noch erwähnt in einer Urkunde vom 6. Oktober 1353 im Verkaufsakt zwischen Gilles von Dune und dem Erzbischof Balduin von Trier, in dem vermerkt wird, daß der Burgfrieden ausgeht von Steinborn über den Hof Kolbenraidt. Bubenrait (Boverath), Quebescheid (Eischeider Hof) zur Burnebach (Borbach), zum Dorfe Gemünden und von da bis Steinborn. Ferner wird der Hof in Urkunden von 1485 und 1488 erwähnt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts besaßen die Grafen von Manderscheid-Kail, danach die Grafen von Manderscheid-Blankenheim den Kolverather Hof.

1790 erklärte die französische Regierung ihn für Nationaleigentum. Im Jahre 1830 wurden die Ländereien in Parzellen verkauft, kamen aber später wieder größtenteils in die Hände der Familie Hölzer in Daun. Nach dem Tode des Bürgermeisters Edmund Hölzer ging ein großer Landkomplex auf Kolverath an den Land- und Gastwirt Hey in Neunkirchen, später an die Zivilgemeinde Daun und danach an die Zivilgemeinde Waldkönigen über.

Ab 1790 verfielen die Gebäude, 1870 wurden die letzten Reste des oberen Hofes abgebrochen. Schon 1830 war es dem unteren Hofe ebenso ergangen.