Vom örtlichen Darlehnskassenverein zur aktuellen Universalbank

Aufsteigende Entwicklung der Raiffeisen- und Volksbanken

Josef Grundheber

Im Laufe dieses Jahres können zahlreiche genossenschaftliche 'Banken, Raiffeisenbanken und Volksbanken unseres Heimatkreises auf ein 90jähriges oder 100jähriges Bestehen zurückblicken. Zur Zeit ihrer Gründung herrschte unter der heimischen Bevölkerung eine kaum vorstellbare Geldnot. Selbstsüchtige Geschäftemacher nutzten die Not schonunglos aus und drehten die Zinsschraube immer fester. Mancher Betrieb geriet unter den Hammer.

Die Notsituation führte gleichwohl auch zur Besinnung auf die Kraft gemeinschaftlicher Selbsthilfe. Es kam zu einer Gründungswelle genossenschaftlicher Einrichtungen, vornehmlich in Form von Darlehenskassenvereinen. Gerade für die kleinen und mittleren Wirtschaftseinheiten, wie sie hier wohl in der Landwirtschaft, im Handwerk und in sonstigen mittelständischen Unternehmen anzutreffen sind, ist der genossenschaftliche Unternehmenstyp geradezu prädestiniert.

Den genossenschaftlichen Zusammenschlüssen verdanken viele Bauern und Handwerker, daß ihre Betriebe damals erhalten wurden und ihre Existenz als freie Unternehmer gesichert blieb. Es ist erstaunlich, daß die heimische Bevölkerung in der nahezu ausweglos erscheinenden Notsituation nicht der Verzweiflung oder radikalistischen Strömungen verfiel, sondern in starkem Maße den Männern Gehör' schenkte, die eindringlich zur Selbsthilfe in der Gemeinschaft mahnten. Den Ideen Raiffeisens und den Appellen Kaplan Dasbachs folgend, gründete man von Gemeinde zu Gemeinde Darlehnskassenvereine.

Bald zeigte sich, daß die örtlichen Genossenschaftskassen einer überörtlichen Zusammenfassung bedürfen, um ihrer Aufgabe für ihre Mitglieder und Kunden gerecht werden zu können. 1895 schlössen sich daher die Genossenschaftsbanken des Bezirks zum Trierischen Genossenschaftsverband zusammen. Vor allem zur Sicherung des Geldausgleichs errichtete der Verband eine Abteilung, die sich später in Landesgenossenschaftsbank umbenannte. Die Bedeutung des Geldausgleichs ist in der Landwirtschaft allein schon weitgehend jahreszeitlich bedingt; im gewerblichen Bereich sind es eher Konjunkturzyklen, die einen Ausgleich fordern. Darüber hinaus zeigte sich im heimischen Bereich wegen starken Geldbedarfs die Notwendigkeit, einen übergebietlichen Geldausgleich zu ermöglichen.

Die genossenschaftlichen Selbsthilfeeinrichtungen und ihr Verbund haben ihre Bewährungsprobe nicht nur in den Jahren akuten Notstandes bestanden. Aus kleinen Anfängen, örtlichen Kassenvereinen mit ehrenamtlicher oder nebenamtlicher Geschäftsführung, sind heute leistungsfähige Banken geworden. Die bewährten genossenschaftlichen Organisationsstrukturen wurden beibehalten und ausgebaut. Dem Trierer Genossenschaftsverband entspricht heute der Zusammenschluß der rheinischen Genossenschaftsunternehmen im Genossenschaftsverband Rheinland e. V., Köln/Koblenz, und Nachfolgerin der Landesgenossenschaftsbank ist die Westdeutsche Genossenschaftszentralbank (WGZ), die heute mit einem Bilanzvolumen von 12,9 Milliarden DM zu den großen Regionalbanken überhaupt gehört.

Ihr 100jähriges Bestehen konnte die Volksbank Gerolstein im vergangenen Jahr feiern. Aus diesem Anlaß gab es an 3 Tagen ein buntes Programm für jeden Geschmack, für Junge u. Alte. Im Festakt in der Aula des Staatlichen St. Matthias-Gymnasiums sprach u. a. Direktor Dr. Klaus Weiser vom Bundesverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bonn.

Unverändert wohnt der genossenschaftlichen Unternehmensform heute — wie eh und je — der Gedanke der gemeinschaftlichen Selbsthilfe, der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung inne. Die einzelnen Banken sind größer geworden, verfügen durchweg über ansehnliche Geschäftsgebäude und Einrichtungen, sind modernen Rechenzentren angeschlossen. Ihre Überschaubarkeit, das heißt, ihre Nähe zur heimischen Bevölkerung, haben sie sich jedoch voll bewahrt. Gleichgewichtig sind ihre wirtschaftspolitische und ihre gesellschaftspolitische Rolle. Von den jährlichen Generalversammlungen der Volksbanken und Raiffeisenbanken gehen Impulse für das Leben miteinander aus. Da wird nicht nur über die zu verteilende Dividende geredet, da ist keine Spur von Anonymität der Kleinaktionäre.

Dank des gut funktionierenden genossenschaftlichen Verbundes können die Genossenschaftsbanken auf eine Leistungsfähigkeit hinweisen, die allen Anforderungen, die heute an eine moderne Universalbank gestellt werden, gerecht wird. Mit ihrer WGZ-Bank gehören die Genossenschaftsbanken zu den großen Auftraggebern an der Düsseldorfer Börse. Zu beachtlichen Partnern am Geld- und Kapitalmarkt macht sie der starke Verbund mit der WGZ-Bank und den übrigen Verbundunternehmen. Außenhandelsabwicklung, Baufinanzierung, Versicherungen, Börsengeschäfte, alles dies kann in diesem Verbund schnell und kostengünstig abgewickelt werden.

Es ist deshalb kein Wunder, daß die Genossenschaftsbanken unter diesen Umständen nach wie vor von einem ungebrochenen Wachstum sprechen und auf eine beachtliche wirtschaftliche Erfolgsbilanz hinweisen können. Zur Zeit sind im Kreis Daun 11 selbständige genossenschaftliche Banken an insgesamt 49 Plätzen tätig. Die Tatsache, daß diese Banken von rund 11 150 Mitgliedern getragen werden, erweist, in welch starkem Maße die Idee genossenschaftlicher Selbsthilfe im Kreis Daun verwurzelt ist. Nahezu jede Familie ist irgendwie mit einer Genossenschaftsbank verbunden.

Die größte Genossenschaftsbank im Kreisgebiet ist die Volksbank in Daun mit einer Bilanzsumme von 100 Millionen DM. Unser Bild zeigt die Hauptstelle dieser Bank in der Abt-Richard-Straße in Daun.

Hinter der Gesamtbilanzsumme von 306,92 Millionen DM, die am Jahresende 1979 von den Genossenschaftsbanken des Kreises ausgewiesen wurde, steht an Förderungsleistung für die heimische Wirtschaft weit mehr, als diese Zahlen auszudrücken vermögen.

Über 246,65 Millionen DM sind den Banken als Einlagen anvertraut. An Finanzierungshilfen stellten die Genossenschaftsbanken des Kreises in Form von kurzfristigen Kaufkrediten und langfristigen Investitionshilfen und Baudarlehen 193,50 Millionen DM der heimischen Bevölkerung und ihrer Wirtschaft zur Verfügung. Neben den klassischen Spar- und Darlehnsgeschäften sind die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs durch die Genossenschaftsbanken, aber auch die übrigen Bankdienstleistungen, die vom Angebot eines besonderen Girokontos für Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren, über die Vermittlung ausländischer Zahlungsmittel, die Wertsachenverwahrung bis zu Außenhandelsgeschäften reichen, heute für jede Genossenschaftsbank eine Selbstverständlichkeit. Dabei stellen sie ihre genossenschaftliche Ausrichtung dadurch unter Beweis, daß sie vor allem die Sache ihrer Mitglieder und Kunden zu ihrer Sache machen.