Das Bischöfliche Internat Albertinum in Gerolstein

Pastor K. Pfeifer und Direktor E. Puhl

Wenn der Tourist die Gerolsteiner City in Richtung Sarresdorf verläßt, überquert er via Hochbrücke die Bahnstrecke Trier-Köln. Dabei bietet sich dem Auge die herrliche Kulisse der Gerolsteiner Dolomiten dar: links der Auberg, anschließend die Munterley und, versteckt in ausgedehntem Grün, die Husteley. Geradeaus nimmt er vor dem Hintergrund des Waldes eine Villa wahr: über einer parkähnlichen Anlage mit Steingarten zwei trutzige Rundtürmchen, deren dunkelbraune Holzbalken vom warmen Beige-Gelb des spitzgiebligen Gebäudes kräftig abstechen. Manch einer, der hier laut Beschreibung ein Internat gesucht hat, ist prompt bei den langgezogenen Gebäudetrakten des benachbarten St.-Matthias-Gymnasiums gelandet, weil er es versäumt hat, hinter die Thuja-Hecken zu schauen. Manchmal kommen aber auch ältere Eheleute von der Brücke herauf und suchen das ehemalige Hotel Dolomit, wo sie vor fast 50 Jahren ihre Hochzeit gefeiert haben. Sie erkennen dann voll Staunen das gastliche Haus von damals wieder und wundern sich nur über die Fensterreihen, die sich heute, hinter Büschen und Bäumen versteckt, an das Gebäude anschließen.

Der gesamte Komplex gehört zum Bischöflichen Internat Albertinum, das, wenige hundert Meter vom Bahnhof und Brunnenplatz entfernt, sich harmonisch eingefügt in die Landschaft, eher zurückgezogen als aufdringlich, eine soziale Aufgabe erfüllt und deshalb über die Eifel hinaus bekannt ist. Doch welch langer Entwicklungsweg liegt zwischen dem Hotel Dolomit von damals und dem heutigen Internat.

Im Dezember 1945 bekam der damalige Kaplan von Daun, Karl Pfeiffer, vom Regens des Bischöflichen Priesterseminars Trier den Auftrag, für die Stadt Gerolstein ein Schülerheim zu errichten und zu leiten. Gerolstein war zu 70 Prozent zerstört. Über Schutthügel mußte man sich den Weg bahnen, die Verkehrsverbindungen waren abgeschnitten. Um die alte Rektoratsschule weiterzuführen, initiierten die Gerolsteiner Stadtväter nun dieses Schülerheim für Jungen und Mädchen der Umgebung und mieteten dazu von der Familie Ehses das ehemalige Hotel Dolomit, zeitweilig während des Krieges Kommandozentrale, danach Asyl für russische und polnische Kriegsgefangene. Man begann unter den primitivsten Bedingungen: über 20 Kinder in dreistöckigen Betten übereinander in einem Schlafzimmer, Schulbänke aus Kisten, ohne hinreichendes Geschirr und Bettzeug.

Ein Raum diente zu verschiedenen Tageszeiten als Speisesaal, Kapelle, Klassenzimmer, Studiersaal und Aufenthaltsraum. Aber es sollte ja weitergehen. Für den notwendigen Lebensunterhalt ging man Beeren sammeln, und das Geld für den Ausbau verdiente man sich durch kulturelle Darbietungen im ganzen Land, (wie z. B. durch die Aufführung des Singspiels »Hansel und Gretel« v. E. Humperdinck). Immer wieder erwähnen Ehemalige den Enthusiasmus und das Engagement der Aufbau-Generation. Einen Fortschritt stellten die Barakken dar, die man aus Gillenfeld herbeischaffte. 1946 kam die 6. Klasse dazu, und damit war man Progymansium; zur Oberstufe mußte man nach Prüm.

Als die Bahn wieder instandgesetzt wurde, war die Stadt Gerolstein an diesem Wohnheim nicht mehr interessiert. 1948 übernahm der Bischöfliche Stuhl zu Trier das Internat in eigener Regie und kaufte das Gebäude für 80 000 DM. Aber damit war die Not nicht beseitigt. Als der damalige Direktor kurzentschlossen und weitsichtig den Baracken zum Einsturz verhalf, war die Stadt bereit, neuen Schulraum zu schaffen: das Progymnasium bezog eine Etage der Josefsschule und schließlich wurde gebaut, natürlich in Nähe des Internates. Aus diesem rekrutierte man dann auch die notwendigen Schüler für Doppelklassen, denn inzwischen kamen die Internatler aus der weiteren Umgebung. 1958 wurde das St.-Matthias-Gymnasium zur »Vollanstalt«. Einen vorläufigen Abschluß in der Entwicklung des Internates — inzwischen hatte man benachbarte Grundstükke und Häuser dazugekauft —, bildete der Bau der Kapelle 1956. Damit durchlief das Bischöfliche Haus in Gerolstein eine eigenständige Entwicklung; es war und ist kein Konvikt, keine Priesterbildungsanstalt, sondern ein Internat mit freier Berufswahl, aus dem freilich auch Priester hervorgegangen sind, weil auf christlicher Grundlage erzogen wird.

Nur auf diesem, in groben Umrissen gezeichneten historischen Entwicklungshintergrund kann man das Albertinum in Gerolstein verstehen. Es beherbergt heute 50 Schüler, vornehmlich aus dem Bereich Mosel-Hunsrück-Eifel, aber auch — wegen der günstigen Zugverbindung — aus Nord-Rhein-Westfalen, wie Bonn und Köln. Gymnasiasten und Berufsschüler, Katholiken und Protestanten, Städter und Landbevölkerung, Söhne von Leuten der verschiedensten Berufsschichten spiegeln getreu den Pluralismus der heutigen Zeit und bilden eine echte Gemeinschaft, die wie Pech und Schwefel zusammenhält. Im Gegensatz zu privaten Internaten der Hautevolee spielen hier soziale Unterschiede keine Rolle, und da man ohne einen Pfennig staatlicher Zuschüsse auskommen muß, hält der Bischof von Trier den Einsatz von Kirchensteuermitteln für gerechtfertigt. Manche Jugendliche haben hier eine reelle Chance sowohl zur schulischen Weiterbildung als auch zur Persönlichkeitsentfaltung, die sie so zu Hause aus verschiedensten Gründen nicht hätten.

Somit erfüllt das Internat eine soziale Aufgabe im weitesten Sinne. Um uns keine unverzeihliche Einseitigkeit zuschulden kommen zu lassen, muß betont werden, daß das weibliche Element eine größere Rolle spielt, als man dem bisher Gesagten entnehmen könnte. Sechzehn Mädchen aus dem Eifelraum haben hier jeweils die Möglichkeit, eine hauswirtschaftliche Lehre zu absolvieren; auch das ist eine über die Wirtschaftlichkeit erhabene soziale Aufgabe. Es entspricht durchaus der Bescheidenheit von Ordensschwestern, wenn erst jetzt die Mitarbeit der Franziskanerinnen von Waldbreitbach erwähnt wird, die auch außerhalb der 40-Stun-den-Woche einen reibungslosen Ablauf des Betriebes gewährleisten. Der Direktor des Internates fungiert gleichzeitig als Religionslehrer am Gymnasium, nicht nur um Kontakt zu den Lehrern seiner Schüler zu haben, sondern auch um bewußt die Sorge der vielgeschmähten Amtskirche um die Jugend in die Tat umzusetzen.

Bleibt als kleines symbolisches Zeichen eines von der Kirche wahrgenommenen Öffentlichkeitsauftrages nur noch die Glocke der Kapelle zu erwähnen, die zwar von Gebüsch umrankt ist, aber dennoch manchmal zum Gottesdienst einlädt: An Sonn- und Feiertagen, zu Hochzeiten, zu Schulmessen, wenn Christen sich aus der Begegnung mit Gott Kraft holen zur Bewältigung der Gegenwart.