Der Wallenborn

Eine Quelle mit besonderen Eigenschaften

Dr. Helmut Weiler

Die Ortsgemeinde Wallenborn an der B 257 Daun/Bitburg verdankt ihren Namen einer im Ort gelegenen Quelle, die ein nicht alltägliches Verhalten aufweist: sie wallt von Zeit zu Zeit sehr stark auf, der Wasserspiegel im Brunnen hebt sich und unter heftigem Brausen werden große Gasmengen frei. Zwischen diesen Perioden des Aufwallens treten immer wieder Zeiten der Ruhe ein.

Nach Unterlagen im Geologischen Landesamt Rheinland-Pfalz in Mainz wurde, wahrscheinlich 1933, im Bereich der Quelle eine Bohrung bis zu einer Tiefe von 38,3 m niedergebracht. Folgendes geologische Profil wurde damals notiert: — 5,0 m Gerölle, — 15,5 m Blauer Ton u. harter Stein, — 19,5 m - Tone u. harte Steine- — 38,3 m Blaue Tone u. harte Steine. Es handelt sich hierbei offensichtlich um die bekannte Wechselfolge von Tonschiefern mit eingeschalteten Grauwacken-Bänken. Während der Tonschiefer wasserundurchlässig ist, sind die harten Grauwacken-Bänke meist stark geklüftet. Auf den Klüften kann Grundwasser zirkulieren und Kohlensäuregas (CO2) aufsteigen. So sind in der näheren Umgebung des Wallenborn auch noch weitere CO2-Austritte zu beobachten.

Nach dem Aufbohren soll nach Berichten Ortsansässiger aus den etwa 20 cm weiten Bohrrohren das mit Kohlensäure durchsetzte Wasser von Zeit zu Zeit bis 18 m hoch herausgeschleudert worden sein. Im Laufe der Zeit wurden die Bohrrohre durch das recht aggressive Wasser — es handelt sich, chemisch betrachtet, um einen Calcium-Natrium-Hydrogencarbonat-Säuerling — so korrodiert, daß sie zusammenbrachen. 1975 wurden die Beton-Brunnenringe eingesetzt und der Brunnen erhielt seine heutige Gestalt. Wenn man heute eine Zeitlang, am Rande der Brunnenfassung sitzend, die Wasseroberfläche beobachtet, kann man sehen, daß diese auch in Zeiten der relativen Ruhe in ständiger Bewegung ist. Es ist ein leichtes Wallen zu beobachten — mal steigen hier, mal dort Gasblasen auf, manchmal auch sehr große Gasblasensammlungen, die dann hörbar an der Wasseroberfläche zerplatzen.

Merkt man sich an der Brunnenummauerung an irgendeiner Stelle die Höhe des Wasserspiegelstandes, so kann man feststellen, daß die Wasseroberfläche auf einmal ansteigt. Das Ansteigen geht zunächst sehr langsam, fast unmerklich, vor sich. Gegen Ende der Anstiegszeit steigt die Oberfläche aber ziemlich rasch an. Die Wasseroberfläche wird dabei in einer Zeit von 6-7 Minuten um etwa 0,6 m angehoben. Während der letzten Minuten des Anstiegs treten immer mehr Gasblasen aus, nicht nur an einzelnen Stellen, jetzt schon auf der ganzen Fläche des Brunnens verteilt. Die Geräusche werden heftiger, es setzt ein Rauschen und Brausen ein, das Wasser fängt an zu brodeln, es sieht aus, als ob es heftig kocht.In Wirklichkeit bleibt das Wasser aber kalt, ca. 8° C. Dieses »Wallen« und »Brodeln« dauert ca. 17-18 Minuten. Dabei fließt auch zeitweise Wasser aus dem Überlaufrohr ab und wird in den Bach eingeleitet. Bei dem Brodeln und heftigen Wallen des Brunnens ist man eher geneigt, zu glauben, daß bei jeder Eruption große Wassermengen gefördert werden. Die auslaufende Menge ist sehr gering, es dürften bei jeder Eruptionsphase nicht mehr als 100 Liter sein. Diese Feststellung des relativ geringen Abflusses ist wichtig für das Verständnis der Vorgänge im Wallenborn.

Nach ca. 18 Minuten läßt die starke Entgasung nach, die Oberfläche wird langsam ruhiger und sinkt rasch auf den Ausgangsstand. Für den Wallenborn tritt wieder eine Ruhepause ein. Während dieser Ruhepause treten nur relativ geringe Kohlensäuremengen aus, die — wie eingangs beschrieben — die Oberfläche nur leicht aufwallen lassen. So geht es ständig weiter, der Spiegel hebt sich wieder, Gas tritt in großen Mengen aus, die Eruption geht vorüber, der Spiegel sinkt ab — alles in schöner Regelmäßigkeit, fast mit der Genauigkeit eines Uhrwerkes.

In Abb. 1 ist der zeitliche Ablauf des Ansteigens, des Gasausbruches und des Absinkens mit der anschließenden Ruhepause dargestellt. Die dargestellte Messung wurde am 23. 5. 1980 durchgeführt. Ein ganzer Zyklus — Beginn des Anstiegs bis zum Ende der nächsten Ruhepause — dauerte demnach an diesem Tag 53 Minuten. An einem anderen Tag, es war der 23. 10. 1979, dauerte der Zyklus 55 Minuten. Es ist anzunehmen, daß die Intervalle zwischen den einzelnen Eruptionsphasen auch vom jeweils herrschenden Luftdruck abhängen, daß die einzelnen Eruptionen bei niedrigem Luftdruck schneller, bei hohem Luftdruck langsamer aufeinanderfolgen. Das müßte durch eingehende (und längere) Meßserien untersucht werden, sicher ein reizvolles Vorhaben.

Wie kann man sich diesen geheimnisvollen Mechanismus erklären? Wir wollen hierzu in die geologische Vergangenheit zurückgehen. Schon während der Tertiärzeit, vor allem aber während des Alt- und Jungquartärs, waren weite Gebiete der Eifel Schauplatz einer heftigen vulkanischen Tätigkeit. Die jüngsten Ereignisse kann man recht genau datieren: Der Vulkan an der Stelle des heutigen Laacher Sees ist etwa 10 000 Jahre vor unserer Zeitrechnung ausgebrochen. Andere Vulkanausbrüche liegen sehr viel länger zurück. Die ausgeflossene Lava ist längst erkaltet, ein Teil der ausgeworfenen Gesteine, Asche, Tuffe, Lapili sind durch die Erosion schon wieder abgetragen und umgelagert worden. Die Vulkane sind erloschen, aber doch sind immer noch einige Nachwirkungen dieser gewaltigen Eruptionen auch heute noch spürbar: Es ist die an vielen Stellen der Eifel aufsteigende Kohlensäure. Meist tritt sie mit Wasser auf und bildet so die zahlreichen Säuerlinge, zu denen auch der Wallenborn gehört. Die Quellen sind die Grundlage der weltbekannten Mineralwasser-Industrie. Es wurde schon einmal versucht, die Gesamtmenge der in der Eitel entweichenden Kohlensäuremenge abzuschätzen. Man kommt dabei auf 200 t Kohlensäure täglich!

Kohlensäure ist auch die Ursache der Wasserbewegung im Wallenborn. Man kann sich den Vorgang etwa so vorstellen (s. dazu die Abb. 2): Die aus sehr großer Tiefe aufsteigende Kohlensäure tritt 25 - 30 m unter der Erdoberfläche in einen Hohlraum, der durch tektonische Störungen und starke Zerklüftung der harten Grauwacken-Bänke entstanden sein kann. Der Hohlraum ist nach oben abgedichtet durch die überlagernden Tonschiefer, er hat aber eine Verbindung mit der Erdoberfläche durch eine oder mehrere seitlich gelegene Klüfte, die später durch die Bohrung erweitert worden sind. Hohlraum und Klüfte sind mit Wasser gefüllt, durch die die aufsteigende Kohlensäure hindurchperlt. Da der Beginn der seitlichen Kluft, die den Verbindungsweg zur Erdoberfläche darstellt, aber viel tiefer liegt als der Hohlraum selbst, fängt sich das Kohlensäuregas zunächst im Hohlraum und baut dort langsam eine Gaskappe über der Wasseroberfläche auf. Je länger das Gas von unten durch das im Hohlraum stehende Grundwasser durchperlt, desto größer wird die Gaskappe über dem Wasser, wobei die Wasseroberfläche langsam nach unten gedrückt wird. Dieser Druck pflanzt sich dann hydraulisch auch über die Wassersäule im alten Bohrloch fort und hebt, zunächst ganz langsam, den Wasserspiegel im Brunnen. Ist die Gaskappe so groß geworden, daß sie den Spiegel bis unter die Einmündung der Kluft ins alte Bohrloch gedrückt hat, dann bricht das Gas durch, der Brunnen wallt auf. Wenn das Gas voll im Bohrloch aufsteigen kann, erleichtert es gleichzeitig das Wasser, die Gaseruption kann dann noch schneller und heftiger stattfinden. Das Wasser wird nochmals angehoben, so daß es aus dem Überlaufrohr in den nahegelegenen Bach abfließt.

Ist die Gaskammer entleert, dann hört die Eruption ziemlich rasch auf, der Spiegel im Brunnen sinkt ab, d. h. das Grundwasser fließt wieder in die unterirdische Kammer zurück, und nun beginnt dort unten der Vorgang von neuem. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß das Wasser als Gegendruckpolster immer wieder zur Verfügung steht.

Ginge bei jeder Eruption sehr viel mehr Wasser durch Überlaufen oder durch Versprühen verloren, dann könnte das Gas sehr viel schneller durchschlagen, d. h. die für den »Wallenborn« so charakteristische Eigenschaft des pünktlichen Ansteigens und Aufwallens ginge verloren. Es wäre daher wünschenswert, den Brunnen in seinem jetzigen Zustand zu belassen. Er stellt als »Quelle mit intermittierender Entgasung« eine in der Eifel einmalige Attraktion dar und ist ein bemerkenswertes Zeugnis der letzten Auswirkungen der vulkanischen Tätigkeit in der Eifel.