Leiste mit Initiale P: Lehrer und drei Schüler. Holzschnitt von Conrad Dinckmut. Ulm 1475

 

Die Volksschule zur Zeit

Karls des Großen

Alois Mayer

 

Die Regierung Karls des Großen (768-814) brachte entscheidende Änderungen und neuen Aufschwung in die Schulverhältnisse Deutschlands. Wichtige Reformen und Veränderungen setzte er an den damals einflußreichsten Hofschulen an. Diese bestanden bereits in den frühesten Zeiten unter den Merowingern, die unser Eifelgebiet um das Jahr 400 n. Chr. eroberten, die Römer vertrieben und schließlich den christlichen Glauben annahmen.

Die Hofschulen hatten wohl vor allem die Aufgabe Beamte (referendarii, notarii usw.) auszubilden, die dann in der Lage waren, Urkunden auszufertigen, sie zu lesen und zu verstehen. An diesen Schulen wurden aber auch auf freiwilliger Basis Königssöhne oder die Söhne von Edlen unterrichtet. Selten begegnet uns aber darunter ein Gelehrter. Unter den späteren Merowingern und unter Pippin, der den Bau der Prümer Basilika begann, war die Hofschule bereits gänzlich verfallen.

Karl der Große hatte nicht einmal schreiben gelernt. Als er an die Regierung kam, bemühte er sich sehr, das Versäumte nachzuholen. Gleichzeitig war es sein großer Wunsch, daß auch seine Untertanen ausgebildet würden. Die gelehrtesten Männer seiner Zeit mußten ihn unterrichten. Er lernte lateinisch wie deutsch sprechen. Wenn er auch nicht fließend griechisch sprechen konnte, so verstand er es jedenfalls. Mit der Schreibkunst tat der Kaiser sich schwer. Zwar übte er ständig und hatte sogar unter seinem Kopfkissen Griffel und ein Wachstäfelchen liegen, dennoch hatte er es in diesem Fach, dem Schreiben, nie weit gebracht.

Sein Hauptanliegen galt nun der Wiedereinsetzung und Neureformation der Hofschule. Als Leiter berief er den berühmten Angelsachsen Alkuin. Bald erreichte die Hofschule wieder ihre Hochblüte im Frankenreich, an der nicht nur eine Reihe Fertigkeiten und kriegerische Künste gelehrt wurden, sondern auch die hehre Kunst der Wissenschaften, so wie sie aus den römischen und griechischen Kulturen herstammte.

Karl der Große mit seinem Sohne Pippin. Der Kaiser ist bartlos dargestellt; in der Linken ein Zepter; mit der Rechten greift er nach einem Ring, den sein Sohn hält.

Von bleibender Wirkung und Bedeutung war Karls Sorge um die Bildung des Volkes und der Geistlichkeit. So erließ er im Jahre 789 das wichtige Gesetz, daß »die Priester nicht bloß die Kinder von Hörigen, sondern auch die Söhne von Freien um sich sammeln sollen. In jedem Kloster und Domstift sollen Schulen errichtet werden, wo Knaben Unterricht erhalten im Erlernen der Psalmen, der Schriftzeichen, im Gesang, im Berechnen der kirchlichen Feste und in der Grammatik.«

War dies schon ein bedeutender Erlaß mit all seiner staatlichen Macht in der Ausübung, so war doch das zweite Schulgesetz Kaiser Karls für die Pfarrschule und somit für die später aus ihr hervorgehende Volksschule von weitaus größerer Bedeutung. Darin wurde gefordert, »daß die Priester solche Schüler halten sollten, daß sie für den Fall, wo sie selbst verhindert sind, das Offizium zu halten, nämlich die Terz, Sext, Non und die Vesper, die Schüler selbst das Zeichen zu seiner Zeit geben und das Offizium in passender Weise Gott verrichten können.«

Mit diesem Gesetz ist wohl eindeutig bewiesen, daß damit nur Pfarrschulen gemeint sein können, denn die Mönche in den Klöstern waren ja wohl kaum alle gleichzeitig verhindert, Gottesdienst zu halten. Dem Volke sollte in der ihm eigenen Sprache gepredigt werden. In zahlreichen Synodalbeschlüssen wurde genauestens festgelegt, daß neben den Priestern auch die Eltern und Paten verantwortlich gemacht wurden. (Pate durfte nur derjenige werden, der das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis auswendig konnte.) Andererseits sollten wieder die Kinder das Gelernte daheim ihren Eltern beibringen. Es gehörte sich daher, daß alle Eltern ihre Kinder zur Schule schickten, entweder in ein Kloster oder zum Pfarrer. Der Unterricht war kostenlos, da man nach der Auffassung Karls geistiges Gut nicht verkaufen konnte. Freiwillige Spenden und Gaben der Eltern für die Mühe, die man sich mit ihren Zöglingen' machte, waren natürlich erlaubt.

Die »Unterschrift« Karls des Großen unter einer Urkunde, die am 31. 8. 790 zu Kufstein gegeben wurde. Alle Buchstaben des Namens KAROLUS sind vorhanden. Der Schreiber verfaßte die Urkunde und auch das Namenszeichen des Kaisers. In die Mitte des Zeichens setzte dann der Kaiser eigenhändig den » Vollziehungsstrich«, durch den die Urkunde dann gültig wurde.

Die Pfarrschule fürs Volk, die Volksschule, war damit gegründet. Aufsichtsbeamte in staatlichen und kirchlichen Diensten wachten über die Einhaltung der Verordnungen, Gesetze und Beschlüsse. Rund 100 Jahre nach dem Tode Karls des Großen ist in dem Buch über die »kirchliche Disziplin« von dem Prümer Abt Regino zu lesen, daß jeder Visitator (kirchlicher Beauftragter) den zuständigen Pfarrer zu fragen hatte, ob er einen Kleriker habe, der die Epistel und die Lektionen lesen, ihm bei der Messe antworten und die Psalmen singen könne. Daraus kann der Schluß gezogen werden, daß auch im heutigen Kreise Daun von kirchlicher Seite Wert auf die Erhaltung und den Fortbestand von Pfarrschulen gelegt wurde, daß demnach wohl jede Pfarrei eine Schule besaß, auch wenn sie nicht von vielen Schülern besucht wurde.

Pfarreien im heutigen Kreise Daun werden um das Jahr 1000 etwa gewesen sein: Berndorf, Birresborn, Daun, Hillesheim, Lissendorf, Mürlenbach, Niederbettingen, Sarresdorf, Strotzbüsch, Üxheim, Welcherath und Wiesbaum. Sicherlich nicht viele, aber der Kreis Daun — die Eifel im allgemeinen — war in jener Zeit noch ein großes Waldgebiet mit wenigen Ansiedlungen.

»Schule« kann also nur in den o. a. Pfarreien gehalten worden sein, aber wohl so, daß sonn- und feiertags nur wenige männliche Schüler beim Pfarrer in einem Raum saßen und Psalmen auswendig lernten, Lieder nachsangen, Bibelstellen rezitierten, des Pfarrers Sonntagspredigt wiederholten und wenn es viel war, auch noch etwas lesen lernten.

Die Pfarrschulen im späten Mittelalter

In den folgenden Jahrhunderten nahmen die Neugründungen von Ortschaften und Pfarreien zahlreich zu und damit auch die Anzahl der Pfarrschulen. Nach wie vor oblag es der Pflicht des jeweiligen Pfarrers, dafür Sorge zu tragen, daß zumindest etwas Wissen weitergegeben wurde, allein aus der Notwendigkeit heraus, daß Meßdiener, Chorknaben, auszubildende Kleriker u. a. im Dienst der Kirche tätige Personen einige Gebete lesen und singen können mußten.

Viele Synodalbeschlüsse der Bischöfe drängten auf Einhaltung und Durchführung des Unterrichts an den Pfarrschulen. Lehrer waren damals oft die Pfarrer, häufiger jedoch die Kapläne, die Vikare oder die Frühmesser, die im Auftrag des Pastors für wenig Entgelt Unterricht erteilten.

Im Über valoris — einer Steuerliste — ist 1316 in der Pfarrei Lissendorf ein Vikar erwähnt, der jährlich 6 Mark an Dienstbezügen erhielt, also Bezahlung für Dienste, die er im Auftrage des Pfarrers erledigte und dazu gehörte auch das Unterrichten der Jugend in Lesen, Schreiben, Bibel und Singen von kirchlichen Gesängen. Weitere Vikare, Priesterlehrer und Frühmesser findet man um diese Zeit in Daun, Gerolstein, Hillesheim, Kelberg, Mehren, Niederehe und Üxheim.

Ebenfalls ist davon auszugehen, daß auch an den Burgen im Kreise Daun (Daun, Gerolstein, Kasselburg, Lissingen, Kerpen), wenn auch nicht regelmäßig, so doch hin und wieder den Kindern der Burgherren Unterricht erteilt wurde. Zwar galt dem rittermäßigen Manne das Erlernen körperlicher und kriegerischer Fertigkeiten als Hauptsache, daneben bemühten sich aber immerhin auch die Burgkapläne (die »Burgpfaffen«), — nicht selten auch hergelaufene oder verbummelte Studenten —, dem Adligen selbst oder seinen Zöglingen die Geheimnisse des Lesens, Rechnens und Schreibens beizubringen. Viel kam dabei sicherlich nicht heraus; und selbst an den Höfen der vornehmsten Edlen, ja sogar an Fürsten-, Königs- und Kaiserresidenzen war es oft nicht besser mit der schulischen Bildung bestellt als im Lande.

Ein Ritter hatte auch nach dem Verfall des Minnegesangs gegen Ende des 14. Jahrhunderts im allgemeinen nur wenig Anlaß, von seiner etwa erworbenen Schreibfertigkeit Gebrauch zu machen. Statt der Namensunterschrift begnügte er sich damit, an Urkunden sein Siegel anzuhängen oder wenn er selbst keins hatte, das eines guten Freundes zu benützen. Briefe zu schreiben oder die selten einlaufenden zu lesen, das war Sache des Burgkaplans oder eines anderen schreibkundigen Mannes.

Die Volksschule im Kreise Daun zur Reformationszeit

»Die Schulen sind des Geistlichen und weltlichen Standts Pflantz-Gärten<

Eine »neue« Zeit bricht an; Erdteile und Länder werden entdeckt; die Kunde von seltsamen Kulturen, Schätzen, weltbewegenden Ereignissen, Kriegen, Machtwechseln dringt — obgleich langsam — auch in die Eifel vor und beeinflußt unmittelbar das Denken und Handeln der bäuerlichen Bevölkerung und das von deren geistlichen und weltlichen Besitzern.

Von der Reformation ist nun die Rede, und selbst der Eifelbewohner — auch im Kreise Daun — mußte damals öfter seine Glaubenszugehörigkeit wechseln, weil das eben sein Landesherr so wollte. Man tat's, verstand zwar nicht warum, allein schon aus der Angst vor noch größerer Not und Repression. Aufrührerische Dinge hörte man von Bauernaufständen, von dem Macht-Brechen der Herren ... Die »neue« Zeit wirkte sich ebenfalls auf den schulischen Bereich aus.

Energischer als vorher forderte 1549 das Provinzialkonzil in Trier, daß »große und vorzügliche Sorgfalt bei der Jugend der Stadt Trier, der Diözese und der Trierer Kirchenprovinz angewandt werden soll, diese zu unterrichten in den Anfängen der Wissenschaft, in der christlichen Frömmigkeit und in den unverdorbenen Sitten«. Mit Bedauern wurde festgestellt, daß in vergangenen Zeitabschnitten das Schulwesen stehengeblieben war, ja sich sogar zurückentwickelt hatte. Deshalb wurde die mahnende Bitte ausgesprochen und verordnet, daß bestehende Schulen sich erneuern, neue gegründet werden, daß die Lehrer »tauglich, brav und unbescholten sein müssen«. Die Pfarrer wurden angehalten, die Aufsicht über ihre Pfarrschulen intensiver auszuüben und regelmäßig Mängelberichte an die Erzbischöfliche Behörde zu senden.

Im Jahre 1622 forderte der Trierer Erzbischof Lothar von Metternich (1599 - 1623), »die Schule ist entweder vom Pfarrer oder Lehrer oder Küster zu halten. Für die Mittel hat jedes Pfarrmitglied aufzukommen. Notfalls seien Mittel aus der Kirchenfabrik (= Kirchenvermögen) zu entnehmen«. (Derjenige, der Lehrer sein wollte, hatte vor dem Dechant, der ihn genau wie der Pfarrer einstellen und entlassen konnte, einen »glaubwürdigen Beweißthumb« seines frommen Wandels, seines Wohlverhaltens und seiner ehrbaren Sitten abzulegen. Ebenso mußte er beweisen, daß er das Glaubensbekenntnis aufsagen konnte.)

Fünfzig Jahre später führte Erzbischof Hugo von Orsbeck (1676-1711) die allgemeine Schulpflicht vom 7. bis 11. Lebensjahr ein und ermahnte seine Pfarrer inständig, sich doch um Christi Willen intensiver um die bestehenden oder neueinzurichtenden Schulen zu kümmern, denn diese seien »des geistlichen und weltlichen Standts Pflantz-Gärten«. (1681) Als Lehrer sollten Männer eingestellt werden, die bewiesen haben, daß sie Kenntnisse in Lesen, Rechnen und Schreiben haben und einen sittlichen Lebenswandel führen. Für deren Besoldung oder Vergütung hatten alle Pfarrangehörigen aufzukommen, gleichgültig ob sie Kinder hatten oder nicht.

Sein Nachfolger, der Erzbischof Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1716 -1729) ordnete 1719 ebenfalls an, daß jede Pfarrei ein eigenes Schulhaus errichten und für dessen und für des Lehrers Unterhalt sorgen sollte. Darauf, daß alle Anordnungen und Beschlüsse auch durchgeführt wurden, hatten Sendschöffen (vom Bischof beauftragte Personen) zu achten, die in regelmäßigen Zeitabständen die Pfarreien aufsuchten und visitierten. So wurde von den Sendschöffen und den Dechanten gefordert, bei den Visitationen auch auf das Schulwesen zu achten. Der Schulmeister sowie die Schüler beiderlei Geschlechts sollten auf ihr Wissen, auf ihre Gebetshaltung, auf das Beherrschen der kirchlichen Lehre und auf die (Katechismus-) Gebote (doctrina et moribus) hin überprüft werden. Die Ergebnisse dieser Überprüfungen wie auch die zusätzlichen Aussagen des Pfarrers über die Person des Schulmeisters, über Schulbesuch, Schulgebäude usw. wurden in einem Protokoll festgehalten. 36 Fragen enthielt der Visitationsfragebogen; ausgefüllt findet man meist nur die Frage 29: »Waltet der Schulmeister richtig seines Amtes? Sitzen Knaben und Mädchen in der Schule getrennt?« Diese Visitationsprotokolle sind wertvolle Fundstellen über das Schulwesen in damaliger Zeit. So erkennt man aus ihnen, daß die Anordnungen der Kurfürsten und Erzbischöfe in großen und reichen Pfarreien durchgeführt und befolgt wurden, während das arme Eifeldekanat und der Kreis Daun sich in der Befolgung und Durchführung solcher Anordnungen recht schwertaten.

Archidiakon und Knaben beim Gesangunterricht vor einem aufgeschlagenen Psalterium. Holzschnitt. Augsburg 1479

Die geistlichen und weltlichen Herren erkannten, wie schädlich Unwissenheit und Unkenntnis für ihre Untertanen waren und förderten das Schulwesen so gut es ging, selbst nach dem Motto: Geringste Schulbildung ist besser als gar keine. So ist auch die Verordnung des Trierer Erzbischofs aus dem Jahre 1712 zu verstehen, der forderte, daß »diejenigen Gemeinden, so wegen Entlegenheit der Mutterkirchen ihre Kinder dahin gar nicht schicken können, sollen, so viel möglich, daran sein, um ihren eigenen Schulmeister zu halten, zu welchem End dann, sofern sie Unkosten nicht ertragen könnten, zum wenigsten für den Winter jemanden von den Handwerksleuten, so Lesens und Schreibens erfahren, des Winters aber bei ihrem Handwerk nichts zu thun haben, angenommen werden könnte, vermittels, daß demselben die Kost von einem Haus zum anderen, wie solches in anderen Orten mit sonderbarem Nutzen praktisirt wird, nebst einem kleinen Gewinn für solche Zeit gehandreicht werde.«

Doch nicht nur der Trierer Erzbischof war um die Aus- und Fortbildung seiner Untertanen besorgt, sondern neben den anderen Landesherren ganz besonders die Arembergischen Herrscher, die es mit ihren Untertanen gut meinten. In den Orten, die in Arembergischen Besitz waren (Dockweiler, Essingen, Gees, Teile von Neunkirchen, Niederehe, Pelm, Üxheim, Wallenborn und Walsdorf), wurde sehr früh darauf geachtet, daß der Erziehung und dem Unterricht breiter Raum gegeben wurde. So war wohl die Fürstin Margaretha von Aremberg (1527 - 1596) die erste weltliche Souveränin, die die Pfarrer in ihrem Herrschaftsbereich anhielt, regelmäßig Unterricht zu erteilen und den Kindern in den Elementarfächern Lesen, Schreiben, Katechismus die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln. Widerspenstige Eltern, die ihre Kinder nicht zum Unterricht schickten, sollten bestraft werden. Zur Überwachung verantwortlich waren die Pfarrer. (Hieraus kann man auch ersehen, daß damals die Geistlichen von den Besitzern der Pfarrei eingesetzt oder zumindest empfohlen wurden, und daß aufgrund dessen und natürlich auch wegen der Entlohnung, die von der Gunst des territorialen Besitzers abhängig war, die Geistlichen die Anordnungen der Landesherren auch zu befolgen hatten.)

100 Jahre später belohnte Philipp Franz von Aremberg jeden Pfarrer, der sonntags eifrig die Jugend unterrichtete, damit, daß diese 24 Schafe und je vier Stück Rindvieh und Schweine hutfrei (steuerfrei) halten durften.

Die nördlichen Teile des Kreises unterstanden den Grafen von Blankenheim — Manderscheid — Gerolstein, nämlich Duppach, Esch, Gerolstein, Glaadt, Jünkerath, Lissendorf, Niederbettingen, Ormont, Salm, Stadtkyll und Wiesbaum. Der Graf Johann Moritz Gustav, aus der Linie Blankenheim — Gerolstein — Jünkerath, ein sehr frommer Mann, wandte sich 1688 an das Trierer Generalvikariat und bat, man möge anordnen, daß die »Pastoren mit der Jugend, die vielfach ohne Unterricht sei, Schule halten sollten. Dies sei für die Geistlichen eine gute Ausfüllung ihrer Mußestunden und für die Gemeinden ein großer Nutzen, da diese meist so arm seien und keinen Lehrer besolden könnten. Denen, die sich weigerten und ein höheres Gehalt als 100 Taler bezögen, seien 10 bis 20 Taler für die Besoldung des Lehrers abzuziehen.«

Zu Kurköln gehörten die Pfarreien Drees, Nitz, Ürsfeld, Welcherath und Uess; die Grafschaft Virneburg bestimmte, was mit und in der Pfarrei Retterath geschehen durfte, und sogar das weit entfernte Luxemburg beanspruchte Rechte und Zehnte in Dohm, Lammersdorf, Densborn, Schüller, Hallschlag und Steffeln.

Alle anderen Orte gehörten dem Kurfürsten von Trier, der stets auch gleichzeitig Erzbischof von Trier war. Als Erzbischof hatte er oft anders zu denken, zu rechten und zu regieren, als er das als kurfürstlicher Landesherr tat. Vor allem waren die Grenzen des Kurfürstentums nicht identisch mit denen des Erzbistums, was oft zu Streitigkeiten innerhalb der Pfarreien und Filialen führte. So sind des öfteren erzbischöfliche Erlasse und Verordnungen in diesem oder jenem dem Erzbistum Trier zugehörigen Ort nicht befolgt worden, weil die Ortschaft gleichzeitig einen anderen weltlichen Landesherren hatte, der sich den geistlichen Befehlen nicht zu beugen brauchte.

Viel Steine gab's und wenig Brot

Bei der Gesamtbetrachtung der schulischen Verhältnisse im Kreise Daun im 17. und 18. Jahrhundert, die uns heute so rückständig und primitiv erscheinen, darf man aber die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse nicht vergessen. Industrie und Gewerbe waren kaum vorhanden. Der landwirtschaftliche Ertrag war äußerst gering und gekennzeichnet von vielen Mißernten und Naturkatastrophen. Die Höfe und Güter waren durch viele Teilungen sehr klein, die Besitzer oft verschuldet oder Lehnsleute des Landesherren. Der Kampf ums Überleben, um das tägliche Brot war den Bauern wichtiger als alle »neumodischen« Änderungen. Ihr Interesse an Kultur, Bildung und Ausbildung war minimal. Daß die Einwohner jedweden Neuerungen nicht gerade freundlich gesinnt gegenüberstanden, kann man verstehen, denn für wichtiger als die Ausbildung ihrer Kinder sahen sie deren Beschäftigung bei Feld- und Stallarbeit und beim Viehhüten an.

Ein Lehrer lehrt zwei Schüler das ABC. Holzschnitt 1490.

Hinzu kam noch, daß der Bauer sich wirklich nicht beglückt fühlen konnte, wenn er neben all seinen Steuern und Zinsen, seinen Fronden und Abgaben, dem großen und kleinen Zehnten nun auch noch für Schulhaus und Lehrer aufzukommen hatte. Das Durchsetzen pädagogischer Ziele und weltlicher wie kirchlicher Erlasse war daher verständlicherweise sehr schwer und meist von Mißerfolg gekrönt.

Trier ist weit —

der Kurfürst noch viel weiter

Betrachtet man heute den fortschrittlichen, aufgeschlossenen Kreis Daun, so fällt es schwer, seine Vorstellungen 200 Jahre zurückzuführen in einen »Kreis« Daun, der verwaltet wurde von einem rückständigen und veralteten Regierungswesen. Nur wenige Straßen und Wege, die zudem noch in sehr schlechtem Zustand waren, führten durch unseren Raum, der kaum über finanzielle Mittel verfügte und in dem mangelhaft ausgebildete Lehrer und Priester sich im Schulhalten versuchten. Häufig wechselnde territoriale Besitzverhältnisse, große Organisationsmängel und auch das Desinteresse von Behörden trugen mit dazu bei, daß fortschrittlich gedachte Erlasse und Verfügungen ignoriert wurden, was das Schulwesen in seiner Entwicklung hemmte. Außerdem hatte man mit Kriegen (30jähriger Krieg, mehrmalige Einfälle der Franzosen und Schweden, Siebenjähriger Krieg, Spanischer Erbfolgekrieg) und deren Folgen, mit Hungersnöten, Pest und sonstigen Widrigkeiten genug zu tun — was also brauchte man eine Schule?!

Aus all diesen Gründen ist erklärlich, daß viele Orte in unserem Kreisgebiet rundweg die Einrichtung einer Schule, die Einstellung eines Vikars, Frühmessers oder Lehrers ablehnten oder sich nur durch Strafmaßnahmen dazu zwingen ließen, wie u. a. Steinborn und Lissendorf. 1687 gaben die Verantwortlichen der Pfarrei Neunkirchen zu Protokoll, daß sie weder einen Lehrer noch Schulunterricht benötigten.

1682 klagte Frau von Schellart, geb. von Elzbach, aus Lissendorf, gleichzeitig auch Sprecherin der beiden Höfe in Lehnrath, daß sie dort keinen Frühmesser, der auch noch gleichzeitig Unterricht erteilen sollte, wollten, da sie genügend Lasten hätten. Für sie war der »Vikar als Frühmesser« ein »Müßiggänger, den man nicht brauche.« Der Küster, den sie hätten, würde zufriedenstellenden Unterricht erteilen. Der Pastor möge lieber darauf drängen und die Eltern eifriger anhalten, daß diese ihre Kinder auch regelmäßig zum (Küster-) Unterricht schickten. Der Frühmesser jedoch blieb. Er hatte zur Aufgabe, vom Michaelstag bis Ostern jeden zweiten Sonntag in Schüller und an den anderen Sonntagen in Lissendorf die Frühmesse zu halten und im Anschluß daran die Kinder zu unterrichten. Unterstützt wurde dieser Priesterlehrer vom Grafen von Manderscheid und vom Pastor, der ihm Kost und Wohnung gab, während jede Familie in der Pfarrei Lissendorf für den Elementarunterricht des Frühmessers ein Faß Korn jährlich beisteuern mußte.

Der Pfarrer findet kein capables Subjekt als Lehrer

Trotz der katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse war im Kreis Daun das Schulwesen dennoch in seinen Anfängen vorhanden, am Entstehen, am Keimen und am Gedeihen. Den Akten nach zu urteilen, war Gerolstein dem Schulwesen und auch sonstigen sozialen Reformen gegenüber besonders früh aufgeschlossen. Im Staatsarchiv Koblenz wird zum ersten Male 1569 in einer Liste erwähnt, daß dort für einen Schulmeister Ausgaben getätigt wurden, also für einen weltlichen Lehrer, der vermutlich durch die Grafen von Manderscheid — Blankenheim — Gerolstein angestellt worden war.

1590 existierte in Gerolstein eine Schul- und Kirchenverordnung des Grafen Hans Gerhard. Bis 1639 erteilte der Kaplan der Antoniuskapelle, die im Oberteil der damaligen alten Schule untergebracht war, den Elementarunterricht und erhielt dafür aufgrund einer Stiftung jährlich 10 Malter Getreide, d.h. die Bürger brauchten während der Zeit der Stiftung nichts für die Schule und den Lehrer aufzubringen. Ebenfalls sehr früh muß Daun eine Volksschule besessen haben, die 1610 schon als verfallen gemeldet wird, denn in diesem Jahre äußerte sich Erzbischof Lothar von Trier schriftlich, daß er diese Schule neu errichtet sehen möchte. 100 Jahre später, 1713, meldet der Visitationsbericht, daß die Dauner Schule erneut vernachlässigt sei und die Eltern ihre Kinder — selbst unter Strafandrohung — kaum zur Katechese, geschweige denn zum Schulunterricht schickten. Auch sechs Jahre später scheint sich laut den Klagen der Visitation die Haltung der Eltern nicht grundsätzlich geändert zu haben, denn der Schulbesuch und die schulischen Leistungen der Schüler waren schlecht, obwohl der damalige Lehrer sich bereit erklärt hatte, arme Kinder gratis zu unterrichten. Das alte Schulgebäude, das 1849 niedergelegt wurde, stand schon 1744 auf dem Friedhof an der Nikolauskirche.

Hier sei voraus und zum besseren Verständnis gesagt, daß in Daun — was den schlechten Schulbesuch anbelangt, und dies gilt für alle Pfarrorte mit Pfarrschulen — auch die Kinder der Filialgemeinden die Schule am Pfarrort, der unter Umständen sehr weit entfernt sein konnte, besuchen mußten. So mußten bis 1752 auch die Kinder von Gemünden, Rengen, Bo-verath, Hörscheid und Üdersdorf die Schule in Daun besuchen, und zu damaliger Zeit gab es keinen Schulbus. Rengen und Hörscheid richteten 1752 eine Privatschule ein, und Üdersdorf besorgte sich 1769 wegen der allzu weiten 'Entfernung von Daun (7 km) einen eigenen Lehrer. 1785 löste sich Boverath aus dem Dauner Schulverband.

In Gillenfeld stellte der Visitator 1621 fest, daß die Gemeinde noch keine Schule hat. Der Pfarrer erklärte sich darauf bereit, für den Unterricht zu sorgen, wenn ihm ein geeignetes Lokal als Schulsaal zur Verfügung gestellt wird.

1622 forderte Erzbischof Lothar von Metternich, daß in Meisburg eine Pfarrschule eingerichtet werden sollte. Eine Forderung, die um so schwerer für die Bevölkerung wog, da sie ja für den Unterhalt der Schule und des Lehrers aufzukommen hatte und dabei war Meisburg sehr arm und zahlenmäßig sehr klein. (1611 hatte Meisburg 11 Familien; 1684 nur mehr 8 Familien). Über 100 Jahre später erfahren wir, daß zwar noch kein Schulhaus vorhanden war, wohl aber ein Lehrer, der den Winter über Unterricht erteilte und dafür als Lohn von jeder Familie im Jahr einen Bester Korn erhielt (= 33 Pfd.)

Sehr früh bestand auch in Esch eine Schule. Dort traten die Manderscheider Grafen als Förderer auf. Graf Johann Arnold stiftete 1631 die stolze Summe von 143 Taler, wofür der Kaplan dann die Pfarrschule zu halten hatte. 35 Jahre später wurde das Lehramt einem weltlichen Lehrer übertragen, der laut Visitationsbericht zur Zufriedenheit aller lehrte.

1650 existierte in Kelberg eine Schule. Der damalige Lehrer hieß Andreas Faber. Sein Sohn nannte sich gleichfalls Andreas und war Priester, Lehrer und gleichzeitig auch Küster in Kelberg mit einem recht beträchtlichen Einkommen aus diesen drei Ämtern in den Jahren von 1686 bis 1733.

In der Pfarrgemeinde Nohn, die 1675 bereits ein eigenes Schulhaus besaß, stellte die Familie Müller 63 Jahre lang den Küster und den Lehrer.

Waren sonst normalerweise der Dechant oder die Pfarrer diejenigen, die unterrichteten oder einen Lehrer anstellten, so war dies in Niederehe nicht der Fall. Dort stellte nämlich zu einem recht frühen Zeitpunkt der arembergische Landschultheiß für Niederehe und seine Filialen Heyroth, Kerpen und Loogh einen Lehrer in Kerpen ein (1664: Johann Georg). 50 Jahre lang gingen die Niederehener und die Kinder aus den anderen Filialen nach Kerpen zur Schule, bis Niederehe sich aufgrund des weiten Schulweges (5 km hin und zurück) sich im Jahre 1716 eine eigene Schule einrichtete.

Retterath mit seinen Filialorten Arbach — Bereborn — Kolverath — Lirstal — Mannebach und Oberelz hatte 1665 einen eigenen Lehrer, woraus mit Vorbehalt geschlossen werden kann, daß dort schon etliche Jahre vorher durch den dortigen Pfarrer unterrichtet wurde. Zwanzig Kinder fanden sich damals zum Unterricht ein. Die schulpflichtigen Kinder aus Brück, Drees, Kirsbach, Reimerath und Bruchhausen erhielten im Pfarrhaus von Welcherath im Jahre 1672 vom Pastor Unterricht, »da er kein fähiges Subjekt als Lehrer für die Schule fand.« Ein Schulhaus war nicht vorhanden. Der Pastor bekam daher von seiner kirchlichen Vorgesetztenbehörde die Weisung, persönlich den Unterricht zu erteilen, da die Eltern aufgrund ihrer großen Armut nicht in der Lage waren, ihre Kinder anderswohin zur Schule zu schicken. Die Armut muß in diesen Orten sehr groß gewesen sein, denn die Behörde wies ferner an, daß der Pastor nicht durch Geld, sondern durch andere Dienste (Fron, Naturalien . ..) zu entlohnen sei.

Der Pastor von Niederbettingen hatte 1674 ebenfalls schon zwölf Jahre Elementarunterricht erteilt. Desgleichen erfahren wir von schulischem Unterricht in Mürlenbach, denn 1677 erließ der Visitator den strengen Befehl, daß alle Pfarrgenossen ohne Ausnahme sofort ein Schulhaus zu errichten hätten, woraus sich ergibt, daß viele Jahre vorher Kinder im Pfarrhaus unterrichtet wurden. Und damit es dem Visitator in der Befolgung seiner Anordnung nicht so ergehen sollte wie seinem Vorgänger, dem Archidiakon Friedrich von Eltz, der ebenfalls schon den Bau eines Schulgebäudes angeordnet hatte, dem jedoch die Mürlenbacher nicht Folge geleistet hatten, bestrafte er die gesamte Gemeinde mit zehn Goldgulden. Ferner befahl er, sofort einen weltlichen Lehrer anzustellen, dem von jedem Haus, gleichgültig ob deren Bewohner Kinder hatten oder nicht, jährlich 1/2 Sester Korn (ca. 17 Pfund) zu zahlen sei. Genau die gleiche Menge mußte auch als Abgabe für den Schulneubau getätigt werden.

Nicht in allen Pfarrorten gab es zu Beginn des 18. Jh. Schulen, doch das Bestreben, eine einzurichten oder zu bauen, war trotz der Mühsal und den für die damaligen Verhältnisse unglaublichen Belastungen da. Aus Visitationsprotokollen ergibt sich, daß es im Jahre 1743 noch viele Orte gab, in denen überhaupt keine Schule (unter Schule wurde auch oft nur ein Zimmer, ein winziger Raum verstanden) bestand, so in Beinhausen — Birresborn — Bodenbach (Kinder gingen bis nach Kelberg) — Brockscheid — Darscheid — Duppach — Deudesfeld — Hillesheim — Kirchweiler — Meisburg — Lissendorf — Niederbettingen — Oberehe — Rockeskyll — Schalkenmehren — Schüller — Stadtkyll — Steffeln — Salm — Üdersdorf (Kinder gingen nach Daun) -- Uess. 1754 noch galt das für mehrere Pfarreien wie u.a. Steinborn, das bereits 1687 kategorisch erklärt hatte, es wolle keinen Lehrer und keinen Unterricht haben.