Ein Segensblatt aus der Eifel

»Mittel wider die Pest und andere ansteckende Krankheiten«

Herbert Wagner

Seit jeher versuchten die Menschen sich gegen Gefahren, Unglück und Krankheiten wirksam zu schützen. Die Angst vor diesem »Bösen«, das ihnen widerfahren könnte, ließ sie das »Gute« um Schutz anflehen und versuchen, das »Böse« von sich zu bannen: Es verquickten sich (Bitt-) Gebete und (Abwehr-) Zauber. Das änderte sich auch kaum durch das Christentum. Im Volksglauben blieben neue religiöse und uralte magische Vorstellungen z. T. bis in die heutige Zeit eng verknüpft. Besonders beim Kreuz, das schon in vorchristlicher Zeit »eine gewisse Allgemeingültigkeit als Heilszeichen«1 hatte, »verbindet sich die christliche Symboldeutung mit dem Sinn magischer Abwehr«.2 Neben dem Taukreuz1 erlangte das doppelbalkige Patriarchal- oder Jerusalemkreuz eine hervorragende Stellung unter den Segens- oder Schutzkreuzen.

Nach der Legende hat die Kaiserin Helena dem in Jerusalem zurückgelassenen Kreuzstück die doppelbalkige Form geben lassen; wahrscheinlicher jedoch ist der obere, kürzere Querbalken aus dem INRI-Schild entstanden. Schon früh führte der Patriarch von Jerusalem als Zeichen seiner besonderen Stellung ein doppelbalkiges Kreuz, das dann später auch bei den Erzbischöfen des Abendlandes in Gebrauch kam.

Hatte schon das »einfache« Kreuz Bedeutung nicht nur als Religionssymbol, sondern auch als Talismann und Amulett, als »Heilszeichen« in weitestem Sinn, so erwartete der Voksglaube von einem doppelbalkigen Kreuz natürlich auch eine doppelte Kraft; denn es galt »Häufung und Verdoppelung zum Zweck der Wirkungsverstärkung geradezu als ein volksmedizinisches und volkspsychologisches Gesetz«.3 Ein solches doppelbalkiges Kreuz mit einer Partikel vom Kreuz Christi wurde im spanischen Wallfahrtsort Caravaca (ca. 70 km westlich Murcia) als Heiligtum verehrt. Die Legende erzählt, daß zwei Engel dem Jerusalemer Patriarchen Robertus während des fünften Kreuzzuges (1228/29) das Pektorale abgenommen hätten und damit nach Spanien geflohen seien. Als Besonderheit waren am sog. Caravacakreuz die sechs Enden distelblütenförmig, vereinfacht auch elliptisch ausgebildet. Dieses doppelbalkige Caravacakreuz wurde bald zum Prototyp der Segens- oder Schutzkreuze,4 Kreuze, auf denen bestimmte Segensformeln angebracht waren. Unter ihnen ist das Zachariaskreuz wohl das bekannteste doppelbalkige Schutzkreuz. Entsprach seine klassische Form ursprünglich dem Caravacakreuz (Abb. 1), so erschienen bald auch glatte Patriarchal- und auch lateinische Kreuze mit dem Zachariassegen als Schutz gegen die Pest. Die Kreuze waren meist Anhängekreuze und aus Blei5, Zinn oder auch edlen Metallen geformt oder — als einfachste und billigste Ausführung — auf Gewebe oder Papier gezeichnet oder gedruckt. Sie waren vor allem in Süddeutschland verbreitet, aber auch im Mosel-Eifel-Raum bekannt,6 wie das vorliegende Segensblatt aus Ahrhütte zeigt, das jetzt in Hillesheim in Privatbesitz ist.

Das Segensblatt hat halbes Folioformat (22,0 x 16,5 cm) und ist doppelseitig beschrieben. Eine Seite trägt einen erläuternden Text, die andere das Zachariaskreuz mit den Initialen des Zachariassegens, die Anfänge der dazugehörenden 25 lateinischen Gebetsverse und in Deutsch und Latein die Namen der Besitzer: »Ludwig Joseph Stollenwerk und Catharina Stollenwerk, geborene Lahmen — ex Dollendorf —, Eheleute auf Ahrhütte, genannt Stollenhof, 1834.« Das stark vergilbte und brüchige Blatt war gerissen und ist mit Papierstückchen zusammengeklebt; es hat nur einen Querfalz, scheint also nicht als Amulett am Körper getragen, sondern als Haussegen in der Wohnung aufbewahrt worden zu sein.

Caravacakreuz mit dem Zachariassegen als Anhängekreuz aus Bronze. 17./18. Jh. Aus Münsterer: Die süddeutsche Segens- und Heiligenkreuze.

Der Text auf der einen Seite erzählt die Legende über das Aufkommen und die Herkunft des Zachariassegens als »Mittel wider die Pest und andere ansteckende Krankheiten«: Als während des Konzils zu Trient (mit Unterbrechungen von 1545 bis 1563) im Frühjahr 1547 (auf dem Blatt steht 1546) ein Fleckfieber ausbrach, auf dem Segensblatt »die grausamste Pest« genannt, dem über 20 Konzilsväter zum Opfer fielen (und weshalb das Konzil vorübergehend nach Bologna verlegt wurde), hätten »die Väter des h. Kirchenraths — nach einigen Berichterstattern auf Rat des Patriarchen Leonhard von Antiochien, nach anderen auf den des spanischen Bischofs Franziskus Solarius — einige Characteres7, das ist einige Buchstaben in Form eines Kreuzes, von dem heiligen Zacharias, Bischof zu Jerusalem, gesammelt, in Prozession während der Pestzeit mit frommer Andacht und Gebet und Gesang durch die Stadt herumgetragen, und als dieß zweimal geschehen, hörte die Pest gänzlich auf«'. Das Aufkommen des Zachariassegens als Pestsegen wird legendenhaft so von verschiedenen Autoren ziemlich übereinstimmend mitgeteilt.

Der hl. Zacharias (21. Februar), von dem die Buchstaben bzw. Segensformeln stammen sollen, war Patriarch von Jerusalem (t 631) und kam, als die sassanidischen Perser im Krieg gegen Ostrom (581-627) die Stadt 614 eroberten, in Gefangenschaft. Auch »die köstliche Reliquie des Heiligen Kreuzes wurde nach Kte-siphon (der Hauptstadt des Sassanidenreiches am Tigris) entführt«9. Nach dem Sieg Kaiser Herakleios l. (610-641) bei Ninive 627 konnte Zacharias zurückkehren, und »das heilige Kreuz wurde im Triumphzug nach Jerusalem zurückgebracht9 und vom »Kayser mit blossen Füssen in die Statt« getragen, »dahero das Fest der Erhöhung deß heiligen Creutz(es)«10 am 14. September von der römischen Kirche eingeführt wurde. Aus dieser Sicht und nach der Empfehlung durch den Patriarchen von Antiochien ist der Zachariassegen, der »von dem h. Bischof Zacharias mit eigener Hand in diese Kreuz-Form eingeschrieben« wurde, orientalischen Ursprungs.

Nun wird aber weiter berichtet, daß »diese heiligen Buchstaben vor einigen hundert Jahren in einem Manu-Script des h. Zacharias in Spanien in dem Kloster de Frayles wieder gefunden« worden seien, und das Zacharias-kreuz während einer Pestzeit in dem gleichen »Kloster de Frayles zur Verehrung ausgesetzt« worden sei. Auch habe man dort »mehrere (Kreuze) nach dieser Form gemacht, gesegnet und ausgetheilt«.

Die Frage, um welches Kloster es sich hier handelt, kann wohl nur mit Caravaca beantwortet werden; denn »Kloster de Frayles« ist keine Ortsangabe, sondern bezeichnet lediglich ein »Kloster von Brüdern« (span. fraile = Klosterbruder). Und da »das klassische Zacharias-kreuz den unverkennbaren Typus des Caravacakreuzes aufweist, das unter dem sehr generellen Namen Spanisches Kreuz ... zu Anfang des 17. Jahrhunderts in Mitteleuropa bekannt und bald zu einem hochberühmten Phylakte-rium11 wurde«4, muß man wohl die Herkunft des Zachariassegens von Spanien annehmen, zumal ja dort nicht nur das angebliche Original-»Manu-Script des h. Zacharias«, von ihm »mit eigener Hand« geschrieben, aufgetaucht sein soll, sondern auch die Wirkung des Kreuzes gegen die Pest von dort wie in Trient, wo ein spanischer Bischof den Gebrauch des Segens angeraten haben soll, bezeugt wird: »Alle die, welche ein solches (Kreuz) in ihren Häusern oder bei sich hatten, so auch die, welche in die Kirchen giengen, wo ein solches Kreuz war, und andächtig beteten, wurden von der Pest befreit«.

Die Legende weist dem Zachariassegen ein hohes Alter zu und datiert ihn in das 7. Jh. Belege für den Segen lassen sich aber erst für das 17. Jh. nachweisen, als ältester, wie es scheint, die »Buchstaben, gegen die Pest zu tragen« in dem angeblich 1647 in Trier erschienenen Gebetbüchlein »Geistlicher Schild«12. Da aber die Sitte, »geschriebene Papeir oder Pergament (zu) tragen wider die Pest. . . oder dieselbe ein(zu)schlucken« schon 1627 in der »christlichen Zuchtschul«13 dem Aberglauben zugerechnet, und der Zachariassegen in einem römischen Skrutinium14 von 1658 schon als allgemein bekannt — oder berüchtigt (notum) — und weit verbreitet bezeichnet wird, hat ihn der Trierer »Geistliche Schild« möglicherweise aus einem angeblich 1613 in Mainz erschienenen St.-Columanusbüchlein übernommen. Das Herkommen des Zachariassegens aus »uralter« Zeit ist also nicht bewiesen, vielmehr scheint er zu Anfang des 17. Jhs. aufgekommen zu sein. Für die Verbreitung des Zachariassegens im 17. und 18. Jh. sorgten — unter Spott und Ärger die Jesuiten — die Franziskaner und Kapuziner, wie u. a. ein ihn enthaltendes »Rituale Ecclesiasticum von Bernardo Sannig (aus dem) Franziskaner Orden, aufs Neue herausgegeben zu Köln 1711 bei Servatius Noethen an der hohen Schmidt« belegt. Auch in einem Regensburger Rituale, das in mehreren approbierten Auflagen von 1706 bis 1744 erschienen ist, ist er enthalten mit dem Hinweis, daß die Segnung der ihn tragenden Objekte von einem Priester nach der Messe erfolgen solle. Die Haltung der Kirche gegenüber dem Zachariassegen war aber nicht einheitlich; denn außer in der »Zuchtschul« wird er in dem Skrutinium von 1658 ebenso wie von der Ablaßkongregation und verschiedenen Ordinariaten samt den ihn tragenden Kreuzen als abergläubisch verworfen. Trotzdem — oder gerade deshalb — scheint er sich in der Volksfrömmigkeit großer Beliebtheit erfreut zu haben und hat sich bis ins 19. Jh. erhalten: Um 1880 waren die Buchstaben des Zachariassegens noch in Orten des Kreises Ahrweiler »auf dem Oberteil der zweigeteilten alten Gadertüren« zu fin-den6,a, und das von der oberen Ahr stammende vorliegende »Kreuz mit den in demselben befindlichen Buchstaben ist gesegnet worden 1824 im März« (Fastenzeit?), wie zweimal erwähnt wird.

Von den in dem Kreuz (Abb. 2) »stehenden Zeichen« hat jedes »seine heilige Bedeutung und ist zugleich der Anfangs-Buchstabe eines lateinischen Vers(es)«. Die meisten dieser Verse enthalten Psalmzitate oder beziehen sich auf andere Bibelstellen, denen ein Bittgebet angehängt ist. In der Bemerkung: »Die Erklärung dieser hh. Buchstaben ist zu weitläufig, als daß sie hieher gesetzt werden könnte«, ist noch etwas vom ursprünglichen Geheimcharakter zu spüren, den alle Schrift hatte in einer Zeit, als nur sehr wenige »Schriftgelehrte« lesen und schreiben konnten. Besonders die geheimnisvolle Abkürzung in Buchstaben, »Charaktere«, war ein schon in der Antike bekannter Schriftzauber, der im Volksglauben die Wirksamkeit der sympathetischen Mittel wie Amulette, Gebetszettel usw. noch verstärkte. Je unverständlicher oder geheimnisvoller oder gar unsinniger die Schriftzeichen waren15, um so höher bewertete der Volksglaube die Wirksamkeit. Für die Benutzer dieser geheimniskräftigen Mittel lag — abgesehen vom Inhalt der Worte, der ihnen aber meistens völlig unbekannt war — ein Teil der magischen Kraft allein schon in den geschriebenen Buchstaben oder Worten und in ihrer Unverständlichkeit (Latein). Diese Unverständlichkeit der »Charaktere« erhöhte die Zauber- oder Segenskraft und war »fast eine selbstverständliche Vorbedingung für die stille und heimliche Wirkkraft der kraftgeladenen Schriftsegen«6,a.

In der Regel erfolgte die Wiedergabe des Segens nur mit den 7 Kreuzchen und 18 Buchstaben, den Initialen des Zachariassegens, wie z. B. im »Geistlichen Schild«; das vorliegende Segensblatt enthält auch noch die Versanfänge, deren vollständige Auflösung lautet16:

t Crux Christi salva nos: Das Kreuz Christi rette uns. Z Zelus domus tuae liberet me: Die Liebe zu deinem Haus befreie mich (Ps. 69, 10). t Crux vincit, crux regnat, crux imperat, per signum crucis libera me, Domine, ab hac peste: Das Kreuz siegt, das Kreuz regiert, das Kreuz herrscht. Durch das Zeichen des Kreuzes befreie mich, Herr, von der gegenwärtigen Pest. D Deus, Deus meus, expelle pestem a me et a loco isto et libera me: Gott, mein Gott, vertreibe die Pest von mir und von diesem Ort und befreie mich (Ps. 22, 2). l In manus tuas, Domine, commendo spiritum, cor et corpus meum: In deine Hände, Herr, empfehle ich meine Seele, mein Herz und meinen Leib (Ps. 31,6). A Ante coelum (et terram) Deus erat, et Deus potens est liberare me ab ista peste: Vor Himmel und Erde war Gott, und Gott ist mächtig genug, mich von der gegenwärtigen Pest zu befreien, t Crux Christi potens est ad expellen-dam pestem ab hoc loco et a corpore meo: Das Kreuz Christi ist mächtig, die Pest von diesem Ort und aus meinem Leib zu vertreiben. B Bonunn est praestolari auxilium Dei cum silentio, ut expellat pestem a me: Es ist gut, in Stille auf die Hilfe des Herrn zu hoffen, daß er die Pest von mir treibe (Klagel. 3, 26). l Inclinabo cor meum ad faciendas iustificationes tuas, ut non confundar, quoniam invocavi te: Ich neige mein Herz, deinen Gesetzen zu dienen, damit ich nicht untergehe; denn ich habe ja dich angerufen (Ps. 119, 112). Z Ze/aw super iniquos pacem peccatorum videns et speravi in te: Ich habe mich über die Bösen ereifert, weil ich die Gemütsruhe der Sünder gesehen habe; ich habe jedoch auf dich gehofft (Ps. 73, 2). t Crux Christi fuget daemones, aeram corruptum et pestem expellat: Das Kreuz Christi wird die Dämonen in die Flucht schlagen; es möge schlechte Luft und die Pest wegtreiben. S Salus tua ego sum, dicit Domi-nus; clama ad me et ego exaudiam te et liberabo te ab ista peste: Ich bin dein Heil, spricht der Herr, rufe zu mir, und ich werde dich erhören und von der gegenwärtigen Pest befreien (Ps. 35, 3). A Abyssus abyssum invocat et voce tua expulisti daemones, libera me ab hac peste: Eine Hölle ruft die andere, doch mit deinem Wort hast du die Teufel vertrieben; befreie mich von dieser Pest (Ps. 42, 8). B Beatus vir, qui sperat in domino et non respexit in vanitates et insanias falsas: Glücklich ist der Mann, der auf den Herrn hofft und die stolzen und treulosen Lügner nicht beachtet (Ps. 40, 5). t Crux Cristi, quae antea fuit in opprobrium et con-tumeliam et nunc in gloriam et nobilitatem, sit mini in salutem et expellat a loco isto diabolum et aerem corruptum et pestem a corpore meo:

Das Kreuz Christi, das früher in Schimpf und Schande gewesen, jetzt aber in Ehre und Ansehen ist, sei mir zum Heil und möge von diesem Ort den Teufel und verdorbene Luft und von meinem Körper die Pest vertreiben. Z Zelus honoris Dei convertat me antequam moriar, et in nomine tuo salva me ab ista peste: Der Eifer für die Ehre Gottes möge mich umwandeln, bevor ich sterbe; und in deinem Namen errette mich von der gegenwärtigen Pest, t Crucis signum liberet populum Dei et a peste eos, qui confidunt in eo: Das Zeichen des Kreuzes möge das Volk Gottes und die, die auf es vertrauen, von der Pest befreien. H Haeccine reddis Domino, popule stulte? Redde vota tua offerens sacrificium laudis et fide illi, quia potens est istum locum et me ab hac peste libera-re, quoniam, qui confidunt in eo, non confuden-tur: Darfst du dem Herrn das antun, törichtes Volk? Erfülle deine Gelübde, bringe das Lobopfer dar und vertraue dem, der mächtig ist, diesen Ort und mich von der Pest zu befreien; denn die auf ihn vertrauen, werden nicht zu-schanden werden (5 Mos. 32, 6). G Guttun meo et faucibus meis adhaereat lingua mea, si non benedixero tibi, libera sperantes in te, in te confido, libera me, Deus ab hac peste et locum istum, in quo nomen tuum invocatur: Meine Zunge soll mir an Kehle und Schlund kleben, wenn ich dich nicht loben würde. Erlöse, die auf dich hoffen. Ich vertraue auf dich, Gott, befreie mich und diesen Ort, in dem dein Name angerufen wird, von dieser Pest (Ps. 137, 6). F Factae sunt tenebrae super universam terram in morte tua; Domine, Deus meus, fiat lubrica et tenebrosa diaboli potestas, quia ad hoc venisti, fili Dei vivi, ut dissolvas opera diaboli, expelle tua potentia a loco isto et a me, servo tuo, pestem istam, discedat aer corruptus a me in tenebras exteriores: Es entstand Finsternis über der ganzen Erde bei deinem Tod; Herr, mein Gott, vertreibe und vernichte die Gewalt des Teufels, denn dazu bis du ja gekommen, du Sohn des lebendigen Gottes, um die Werke des Teufels zunichte zu machen; vertreibe durch deine Macht die Pest von diesem Ort und von mir, deinem Diener, die verdorbene Luft möge von mir weichen in die äußerste Finsternis (Matt. 27, 45). t Crux Christi, defende nos et expelle a loco isto pestem et servum tuum libera a peste ista, quia benignus es et miseri-cors et multae misericordiae et verax: Kreuz Christi, beschütze uns und vertreibe die Pest von diesem Ort und befreie deine Diener von ihr, denn du bist gütig und mitleidig und von großer Barmherzigkeit und wahrhaftig (Ps. 103, 8). B Beatus, qui non respexit in vanitates et insanias, in die mala liberabit eum Dominus. Domine, in te speravi, libera me ab hac peste: Glücklich, wer nicht auf Nichtigkeiten und Tollheiten schaut, in Unglückstagen wird ihn der Herr erlösen. Herr, auf dich habe ich gehofft, befreie mich von dieser Pest (Ps. 40, 5). F Factus est Deus in refugium mihi, quia in te speravi, libera me ab hac peste: Gott ist mir zur Zuflucht geworden; weil ich auf dich gehofft habe, befreie mich von dieser Pest (Ps. 94,22).

R Respice in me Domine, Deus meus Adonai, in sede sancta maiestatis tuae et miserere mei et propter misericordiam tuam ab hac peste libera me: Schaue auf mich vom heiligen Thron deiner Majestät, Herr, mein Gott Adonai, und erbarme dich meiner, und durch deine Barmherzigkeit erlöse mich von dieser Pest (Ps. 25, 16). S Salus mea tu es, sana me et sanabor, salvum me fac et salvus ero: Meine Rettung bist du, heile mich, und ich werde gesund sein, mache mich gesund, und ich werde heil sein (Jer. 17, 14). Die Kreuzchen zwischen den Buchstaben sind hier wie in Benediktionalien, aus denen sie übernommen sind, Hinweise, an den betreffenden Stellen das Kreuzzeichen zu machen. Ihre Siebenzahl, eine Häufung zur Wirkungsverstärkung, beruht wohl auf der heiligen Zahl Sieben der jüdisch-christlichen Tradition der Bibel; sie hat aber in vielen Völkern fast auf der ganzen Erde eine große Bedeutung in der (religiösen) Symbolik und Magie, wechselweise als gute oder böse Sieben, als Glücksoder Unglückszahl. Wie bei vielen Schutzsegen verbinden sich auch hier »Glaube und Magie, Gebet und Beschwörung, Ritus und Zauberei, Abwehrkraft von Buchstaben .. . und segensvolle Kreuzzeichen in einem gedrängten und gefüllten Pestsegen«6,a zu dem der Volksglaube als wirksames »Mittel gegen die Pest und — als diese erloschen war — andere ansteckende Krankheiten« mit Gottvertrauen und Zauberglauben seine Zuflucht nahm.

1 Hanns 0. Münsterer: Die magischen und kabbalistischen Schutzkreuze. In: Bayer. Jb. f. Volkskd. 1953. Regensburg 1953.

2 Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Kröners Taschenausgabe Bd. 127. Stuttgart (1974).

3 Hanns 0. Münsterer: Die doppelbalkigen Partikelkreuze von Scheyern, Wiblingen und Danauwörth. In: Bayer. Jb. f. Volkskd. 1952. Regensburg 1952.

4 Vgl. Hanns O. Münsterer: Die süddeutschen Segensund Heiligenkreuze. In: Bayer. Jb. f. Volkskd. 1954. Regensburg 1954.

5 Der Werkstoff Blei war schon bei den Völkern der Antike als heiliges und mit magischen Kräften versehenes Metall (frühe Kenntnis vom Strahlenschutz?) für Amulette usw. im Gebrauch, und das heute noch geübte Bleigießen als Orakel in der Silvesternacht ist wahrscheinlich griechischer Herkunft.

6 Beispiele aus Rheinbach/Bonn, Mettnich/Trier, Ensch/ Mosel, Leudelingen/Lux., Niedernierendorf/Remagen, Löhndorf/Sinzig und Rech/Ahr und aus der Stadtbibliothek Trier, die wohl auch aus dem Trierer Raum stammen, bei Nikolaus Kyll: a) »Daß Glückseelig Hauß Creutz«. In: Trier. Jb. 1960. Trier 1960; b) die Teufelsgeißel, In: Kurtrier. Jb. 1963, Trier 1963.

7 Charaktere nannte man magische Zeichen und Schriftzüge auf Zauberpapyri, Amuletten, Schutzbriefen usw., oft unverständlich und sinnlos wie z. B. ANNANISAPTA, ABRAXAS oder SATOR im magischen Quadrat. Aus gr./ lat. character = eingeprägtes (Schrift-)Zeichen.

8 Ähnliches wird von dem vergleichbaren Donauwörther Patriarchalkreuz berichtet, das, 1317 in Prozession durch die Stadt getragen, eine Feuersbrunst zum Erlöschen gebracht haben soll. (Münsterer, Partikelkreuze).

9 Otto Zierer: Bild der Jahrhunderte. 14. Bd. Murnau (1952).

10 Gabriel Bucelin: Der gantzen Vniversal Historiae Nußkern, o. 0. 1678. Faks.-Druck. Lindau 1977.

11 Als Amulett benutzter (gesegneter) Gegenstand.

12 Das in Leder gebundene Büchlein (ca. 9,5 x 7,5 cm), das wohl auch als Amulett getragen wurde, hat den Titel: Geistlicher Schild, Gegen Geist- und leibliche Gefährlichkeiten allzeit bey sich zu tragen. Darinn sehr kräftige Segen und Gebet, So Theils von Gott offenbaret, von der Kirchen und HH. Vättern gemacht, und von Urbano VII. Rom. Papst approbiret worden. Zum Trost aller Christgläubigen, sonderlich deren, so zu Wasser oder Land reisen, damit sie durch Kraft dieses bey sich tragenden Schilds vor vielen Gefahren erhalten werden. Cum Licentia Ord. Cens. Trevir. ibidem An. 1647 Impressum. Gedruckt zu Maynz. — In diesem Buch wird aber als Quelle eines Gebetes »Paris 1671« angegeben! Wenn diese Jahreszahl kein Druckfehler ist (1617), hat man die Herausgabe des Buches zurückdatiert, bei Gebetbüchern dieser Art keine Seltenheit, weil sie oft von der Kirche verboten wurden, und man ihr Erscheinen durch das Zurückdatieren vor das Verbot legen wollte. — Vgl. auch Münsterer, Segenskreuze.

13 Nicolaus Cusanus SJ: Christliche Zuchtschul. Luxemburg 1627. (Ein Katechismus).

14 Kircher: Scrutinium . . .: »(Kirchliche) Untersuchung über die ansteckende Seuche, die Pest genannt«. Rom 1658.

15 S. Anm. 7. — Vgl. auch: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. IX. Berlin 1938/41. Nachträge Sp. 327 f. u. 379.

16 Nach Münsterer, Segenskreuze. — Auf dem vorl. Segensblatt sind ein Kreuz und ein Buchstabe vertauscht: An die Stelle des 4. Kreuzes auf dem Längsbalken gehört das l vom unteren Querbalken und umgekehrt. — Zählung der Psalmen nach Peter Ketter: Die Psalmen. Stuttgart 1939.