Vom Palastgarten mit Barockplastiken von Ferdinand Tietz blickt man auf den Südflügel des Kurfürstlichen Schlosses, das an die römische Basilika angebaut wurde, hier das Giebelfeld am Mittelbau des Gartenflügels mit der Huldigung an Venus als Göttin der Gärten.

Zur Geschichte des

Kurfürstlichen Palastes in Trier

Dr. Eberhard Zahn

Die prachtvollen Schloßbauten der Kurfürsten und Erzbischöfe aus der Zeit der Renaissance und des Rokoko bilden zusammen mit der unmittelbar daneben stehenden römischen Basilika ein architektonisches Gefüge seltenster Art. Historische Gegebenheiten ließen diesen Palastbering entstehen. Um es vorwegzunehmen: Aus der Residenz der Kaiser des römischen Westens entwickelte sich im Verlauf des historischen Geschehens das Residenzschloß der Kurfürsten von Trier.

Kaiser Konstantin d. Gr., der im Jahre 306 seinem Vater Constantinus Chlorus als Caesar des Westens folgte, ließ den durch die Alemannen beschädigten Staatsbau abreißen und errichtete die heute noch im wesentlichen erhaltene Basilika. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts, wahrscheinlich unter Erzbischof Heinrich von Fistingen (1260-1286), erhielt die Basilika das Aussehen, das Alexander Wiltheim in einer Zeichnung von 1610 überliefert hat. Der bedeutendste der Kurfürsten, die in dem alten Palast in Trier residierten, war Balduin von Luxemburg, der Bruder Kaiser Heinrichs VII. und der Großoheim Kaiser Karls IV. Balduin war wohl der fähigste Staatsmann des 14. Jahrhunderts. Er ist der eigentliche Begründer des Trierer Kurstaates und gab ihm durch eine mit diplomatischem Geschick betriebene Territorialpolitik etwa die Ausdehnung, die das Kurfürstentum bis zu seinem Untergang in der französischen Revolution gehabt hatte.

Baunachrichten vom Trierer Palast aus den späten Jahrhunderten des Mittelalters fließen nur spärlich. Die Erzbischöfe wohnten seit den Tagen Johanns II. von Baden (1456 — 1503) häufig in der alten bischöflichen Burg in Koblenz oder auf dem Ehrenbreitstein. Aber dennoch war im kurfürstlichen Palast in Trier das höfische Leben keineswegs erstorben. Glanzvolle Empfänge fanden in Trier statt, so im Jahre 1473, als Kaiser Friedrich III. mit Sohn Maximilian und großem Gefolge den burgundischen Herzog Karl den Kühnen empfing. Sie alle waren Gäste des Erzbischofs.

Im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, unter Kurfürst Richard von Greiffenklau (1511 —-1531), verwüstete der kriegerische Markgraf Albrecht von Brandenburg = Kulmnach den kurfürstlichen Palast. Erst Erzbischof Johann von Schönberg (1581 — 1599) nahm sich des Trierer Palastes wieder an und entschloß sich zu großartigen Umbauplänen, wofür er den Palastbering durch den Ankauf zahlreicher Häuser und deren Abriß erweiterte. Sein Nachfolger, Kurfürst Lothar von Metternich, legte 1615 den Grundstein zum Neubau. Doch er erlebte die Vollendung seines prächtigen Schlosses nicht. Trotz kriegerischer Zeiten führte sein Nachfolger Philipp Christoph von Sötern (1623 — 1652) das begonnene Werk fort. Doch da der Kurfürst 1635 wegen Hochverrats festgenommen und zehn Jahre lang gefangen gehalten wurde, konnte die Vollendung erst nach der Rückkehr aus kaiserlicher Gefangenschaft erfolgen.

Ein Jahrhundert später begann für Trier und den Palast eine neue Zeit fürstlichen Glanzes. Für den lebenslustigen Fürst Johann Philipp von Walderdorff bot der alte Palast aus der Zeit Metternichs keinen angenehmen Aufenthalt. Er stellte höhere Ansprüche im Wohnen und benötigte größere prunkvolle Räumlichkeiten für das Repräsentationsbedürfnis, ohne das ein barocker Fürst nicht auskommen konnte. Da ihm die Trierer Residenz am Herzen lag, entschloß er sich im Jahre seines Regierungsantritts 1756 zu einem Umbau und beauftragte seinen Hofarchitekten Johannes Seiz, den bedeutendsten Schüler Balthasar Neumanns, mit den Planungen.

Der Südflügel der Trierer Residenz (Frontseite zum Palastgarten).

Der Rohbau des begonnenen Palasttraktes scheint bereits 1757 vollendet. Es fehlten lediglich die kostspieligen Bildhauerarbeiten, die meistens erst am Bau selbst ausgeführt wurden. Für die reiche bildhauerische Ausschmükkung der Palastfassade berief der Kurfürst den fürstbischöflich Bambergischen Hofbildhauer Ferdinand Tietz, einen der genialsten Bildhauer der Rokokozeit, nach Trier. Zur Bewältigung des großen Auftrages beschäftigte Tietz mehrere Bildhauergesellen, die ihm beim Bossieren und anderen groben Arbeiten halfen.

Gegen Ende des Jahres 1758 war auch das Treppenhaus unter Dach und »in das rauhe« verputzt worden. Der Hauptschmuck, die eigentliche Treppenanlage mit ihrem Reichtum an Bildhauerarbeit, wurde in den folgenden Jahren von einer großen Schar begabter Bildhauer unter der künstlerischen Leitung des genialen Ferdinand Tietz ausgeführt. Wahrscheinlich stammt der Hauptentwurf zu diesem Wunderwerk von Seiz, denn die Art des rauschenden Rocaillewerks ist für Seiz typisch. Tietz war ausführender Bildhauer, hatte aber dennoch für eigene Ideen genügend Spielraum. Die eigenen Entwürfe von Ferdinand Tietz, z. B. für die Würzburger Residenztreppe von 1763, verraten eine andere Formgestaltung des Rocaillewerkes: Es ist bei Tietz mehr spielerisch, tändelnd, aber immer im einheitlichen Zuge durchlaufend und bei aller Zierlichkeit von kräftiger, voluminöser Form — bei Seiz dagegen ein tosender, flammender Formenrausch, mit elementarer Wucht, ähnlich einem Naturereignis, das Rokokowerk erfassend.

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Von besonderem Reiz sind die anmutigen Puttengruppen. Sie führen uns zurück in eine selbstsichere Welt, die das Füllhorn ihrer heiteren Laune verschwenderisch vor uns ausschüttet.

Wann immer in den folgenden Jahrhunderten kriegerisches Geschehen das Kurfürstliche Palais erschütterte und seine Kunstschätze vernichtete, immer wiederfanden sich geschichtsbewußte Förderer zusammen, um den Reichtum an kunstvollen Werken aus der Vergangenheit in der Gegenwart lebendig zu erhalten. Wenn heute das Kurfürstliche Palais in Trier sich wieder im alten Glänze darbietet, so trägt hierzu die in den jüngsten Jahren erfolgte farbenprächtige Restaurierung wesentlich bei. Sie wird besonders augenscheinlich im Festsaal, der für besondere Konzerte zur Verfügung steht, sowie im Treppenhaus und dem Mittelrisalit der Gartenfront des Rokokopalastes, die auf den Farbdruckseiten dieses Jahrbuches dargestellt sind.

Das Prachtstück der Hauptfassade im Innenhof der Residenz, der herrliche Rokokorisalit, atmet die Heiterkeit der Walderdorff'sehen Zeit. Mit unübertroffener Sicherheit komponierte Seiz das monumentale Wappen dieses Kurfürsten in das Giebelfeld hinein. Zwei majestätische Löwen flankieren das Wappen, einer stehend mit erhobenen Pranken, der andere liegend, und diese kompositioneile Asymmetrie gleicht das tosende und sprühende Gewoge des kraftvollen Rocaillewerks aus, das das Wappen umbrandet. Der Formenwirbel hat in der gleichzeitigen Rokokokunst keine Parallele. Die Leistung des Bildhauers ist ebenso gewaltig und einmalig wie die des Architekten.

Die prachtvolle Treppe im Kurfürstlichen Palast in Trier, Ein verwirrender Formenwirbel hat das Geländer erfaßt. In rauschenden Wellenschlägen eilt das Rocaillewerk empor, sich ineinander verschlingend, unterbrochen von wahren Sturzfluten und Rocaillekaskaden, durchsetzt von Pflanzwerk, das beinahe selbst zum Ornament geworden ist.