Die Bezirksregierung —

verlängerter Arm der Landesregierung

Paul Arend

Die Bezirksregierungen nehmen seit ihrem Bestehen (in Trier seit dem 22. April 1816) im Aufbau der staatlichen Verwaltung eine dominierende Stellung ein. Nach dem Willen ihrer Schöpfer wurden sie als zentrale staatliche Verwaltungsstellen ins Leben gerufen; sie sollten in ihrem Amtsbereich, dem Regierungsbezirk, für möglichst alle Aufgaben der Verwaltung zuständig sein. Schon frühzeitig war nämlich erkannt worden, daß die Gliederung der Staatsregierung in Ministerien nahezu zwangsläufig »weiter unten« eine Behörde erforderte, bei der die an der Regierungsspitze getrennt bearbeiteten Verwaltungsaufgaben wieder zusammengeführt werden konnten: In den Bezirksregierungen sollte der »Vereinigungspunkt der gesamten Staatsverwaltung« gebildet werden mit dem Ziel, die Aufgaben der Verwaltung wenigstens an einer Stelle gebündelt zusammenzufassen.

Dieses Prinzip der Bündelung möglichst vieler Staatsaufgaben in einer Behörde gilt auch heute noch unverändert fort. Deshalb kann unbedenklich gesagt werden, daß die Bezirksregierungen nach wie vor die einzigen Stellen im Staate sind, bei denen zwar nicht alle, aber doch die meisten Fäden der Verwaltung zusammenlaufen. Die Errichtung eines Industriewerkes wirft z. B. gleichzeitig Fragen der Strukturverbesserung, der Raumordnung, der Städtebauplanung, der Wirtschaftsförderung, der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, des Umwelt- und des Immissionsschutzes auf. Alle diese Gesichtspunkte können in der Behörde des Regierungspräsidenten, dem ein fachlich qualifizierter, auf Kooperation und Koordination angelegter Mitarbeiterstab zur Verfügung steht, ohne Reibungsverluste geprüft, aufeinander abgestimmt und aufgrund einer zweckmäßigen innerbehördlichen Organisation in optimal kurzer Zeit entschieden werden.

Die Bündelungsbehörde des Regierungspräsidenten bietet also wie kaum eine andere die Chance, alle Fachsparten, deren Votum zu einer bestimmten Entscheidung erforderlich ist, auf einfache und schnelle Weise zu beteiligen. Unter der Verantwortung des Regierungspräsidenten kann in der Bezirksregierung zwischen den divergierenden Fachinteressen ein Ausgleich herbeigeführt und eine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Eine solche einheitliche Entscheidung dient nicht nur dem Interesse des Bürgers; sie ist auch unter dem Gesichtspunkt erforderlich, daß die gesamte Staatsverwaltung nur als einheitlicher politischer Verantwortungsbereich begriffen werden kann.

Der umfassende Aufgabenbestand der Bezirksregierungen kann in diesem Jahrbuch nicht im einzelnen dargestellt werden. Er ist jedoch durch eine ungewöhnliche sachliche Vielfalt gekennzeichnet; grob vereinfacht kann man sagen, daß sich der Aufgabenbestand der Landesregierung in der Bezirksregierung nahezu komplett wiederfindet. Wer sich deshalb im Dschungel der Verwaltung und ihrer zwangsläufig unterschiedlich geregelten Zuständigkeiten nicht mehr zurechtfindet, wird bei der Bezirksregierung im Zweifel immer an der richtigen Stelle sein, jedenfalls an einer Stelle, die ihm einen weiterführenden Weg zeigen kann. Als Widerspruchs-, Beschwerde- und Kontrollinstanz verfügt sie im Wege der Fach-, Dienst und Rechtsaufsicht über umfassende Einfluß- und Eingriffsmöglichkeiten. Wie wir gesehen haben, erfüllen die Bezirksregierungen einen umfassenden Verwaltungsauftrag, und zwar im Namen der Landesregierung und aller Fachministerien. Sie sind des halb in ihrem Amtsbereich der »verlängerte Arm der Landesregierung«, nicht nur der eines einzelnen Ministeriums. Aus diesem Grunde ist der Behördenchef, der Regierungspräsident, in seinem Bezirk folgerichtig der »allgemeine Vertreter der Landesregierung«. Er muß sich notwendigerweise in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Landesregierung befinden; sein allgemeiner Verwaltungsauftrag hat eine eindeutige Affinität zu den vom Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinien der Landespolitik. Sollte diese notwendige Übereinstimmung einmal nicht mehr bestehen, kann der Regierungspräsident jederzeit in den Ruhestand versetzt werden; er ist nach hergebrachten Grundsätzen des Beamtenrechts ein »politischer Beamter«.

Die Frage, wie die Verwaltung der Zukunft aussehen wird, kann niemand sicher beantworten. Nach übereinstimmendem Urteil aller Fachleute wird der allgemeine Verwaltungsauftrag der nächsten Jahrzehnte aber in zunehmendem Maße Aufgabenbereiche von hoher Komplexität umfassen. Diese in vielfältiger Weise miteinander verflochtenen Aufgaben können wegen ihrer engen sachlichen Zusammenhänge nur bewältigt werden, wenn die verschiedenen Fachbereiche ständig und reibungslos zusammenwirken. Für diese Zusammenarbeit eignen sich auch in Zukunft am besten bezirklich abgegrenzte Bündelungsbehörden. Deshalb sei die Prognose gewagt, daß die so traditionsreichen Bezirksregierungen noch eine große Zukunft vor sich haben. Dies wird erhärtet dadurch, daß die Arbeitsgemeinschaft für Staatsvereinfachung in Bayern nach eingehenden Studien zusammenfassend feststellte, »daß die Bezirksregierungen, wenn sie nicht bereits bestünden, neu geschaffen werden müßten.«