Beispielstadt

Hillesheim/Eifel

EUROPÄISCHE KAMPAGNE ZUR STADTERNEUERUNG 1981

Alfred Fitzen

Seit 1965 wird im Ortskern des Marktortes Hillesheim im Rahmen eines Studien- und Modellvorhabens eine Sanierungsmaßnahme durchgeführt, die inzwischen von der Bevölkerung, den Gästen, den Fachleuten und auch höheren Orts als beispielhaft bezeichnet wird. Diese Feststellung wird besonders dadurch unterstrichen, daß Hillesheim neben Hamburg, Wuppertal, Karlsruhe-Ettlingen und Burghausen die Bundesrepublik Deutschland in der »Europäischen Kampagne zur Stadterneuerung 1981/ 1982« als Beispielstadt vertritt.

Mit seinen rund 2 500 Einwohnern ist Hillesheim die kleinste der fünf deutschen Beispielstädte. Wie kam unser kleines Eifelstädtchen zu der Ehre, im Reigen vieler europäischer Städte in der vom Europarat initiierten Kampagne als Beispielstadt zu dienen? Ziel der Kampagne des Europarates, an der sich 21 Staaten Europas beteiligen, war es, dem Gedanken der Stadterneuerung, der Stadtgestaltung und der Stadterhaltung zu einer breiteren Aufmerksamkeit zu verhelfen.

Der neue Stadtkern von Hillesheim mit der Pfarrkirche St. Martin und dem Rathaus

»Städte zum Leben« lautete das Motto dieser europäischen Kampagne. In jedem europäischen Staat konnten bis zu fünf Städte ausgewählt werden, an denen beispielhaft Probleme, Lösungsmöglichkeiten und Ergebnisse der Bemühungen um die Stadterneuerung dokumentiert werden sollten. Es kam dabei weniger darauf an, nur Erfolge herauszustellen, sondern auch aufzuzeigen, welche Schwierigkeiten in den einzelnen Stadterneuerungsmaßnahmen auftraten. In der Bundesrepublik Deutschland wurde der »Deutsche Ausschuß für die Europäische Kampagne zur Stadterneuerung 1981« gebildet. Zum Präsidenten wählte der Ausschuß Bundesbauminister Dr. Dieter Haack. Da nur fünf Städte der Bundesrepublik als Beispielstädte vorgeschlagen werden konnten, wurden zunächst die einzelnen Bundesländer gebeten, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Es sollten Sanierungsgebiete vorgeschlagen werden, die folgende fünf Voraussetzungen erfüllten.

1. die Verbesserung städtischer Umweltqualität,

2. die Wiederherstellung von Wohnungen und alten Gebäuden,

3. die Versorgung mit sozialen Einrichtungen, Infrastruktur und Arbeitsplätzen,

4. die Förderung des Gemeinschaftsbewußtseins und der Bürgerbeteiligung,

5. die Rolle der Gemeindeverwaltung, deren Organisation und der kommunalen Dienstleistungen.

Die erste Fußgängerzone im Stadtkern von Hillesheim

Anläßlich einer Ortsbesichtigung in Hillesheim durch einen Vertreter der Landesregierung und einer Besprechung im Hillesheimer Rathaus wurde festgestellt, daß die Sanierungsmaßnahme Hillesheim alle diese Voraussetzungen erfüllt. Von dem federführenden rheinland-pfälzischen Finanzministerium wurde Hillesheim deshalb als Beispielstadt vorgeschlagen und vom »Deutschen Ausschuß« akzeptiert. Die Begründung im »Deutschen Ausschuß« hierfür lautete: »Beispiel für Stadterneuerung zur Verbesserung von Wohnverhältnissen im Stadtkerngebiet, insbesondere durch Verkehrsberuhigung und Wohnumfeldgestaltung in einer Kleinstadt«.

Die Kampagne wurde auf europäischer Ebene, am 22. Oktober 1980, mit einer Veranstaltung in London eröffnet. Für die Bundesrepublik Deutschland fand die zentrale Eröffnungsveranstaltung am 5.2.1981, in Hannover, statt. In seiner Festansprache ging der Präsident des »Deutschen Ausschusseß«, Bundesbauminister Dr. Dieter Haack, auch auf die Auswahlkriterien für die fünf deutschen Beispielstädte ein. Dazu stellte er fest: »Wir behaupten nicht — und die Städte sehen das nicht anders —, daß es sich hierbei um die besten und gelungensten Stadterneuerungsbeispiele in der Bundesrepublik Deutschland handelt. Ein solches Auswahlkriterium hätte unserem Verständnis von Stadterneuerung widersprochen. Uns geht es nicht um allgemein gültige und beliebig wiederholbare Rezepte, sondern um eigenständige und unverwechselbare Lösungen konkreter städtebaulicher Situationen«.

Sehr beeindruckend für die Teilnehmer an der Eröffnungsveranstaltung in Hannover waren auch die Ausführungen des Bürgermeisters der Stadt Straßburg und früheren französischen Ministerpräsidenten, Dr. Pierre Pflimlin. Nach seinen Worten ist die Krise der heutigen Gesellschaft die Folge einer Krise der Städte, weil es der Gesellschaft nicht gelungen ist, alte und junge Menschen in die Städte zu integrieren. Seine Forderung lautete: »In die Städte muß der Gemeinschaftsgeist wieder einkehren; sie müssen wieder Orte der Begegnung werden«.

Bei der Eröffnungsveranstaltung in Hannover hatten die Vertreter Hillesheims Gelegenheit, die Sanierungsplanung an Zeichnungen, Bildern und Texten zahlreichen Persönlichkeiten, darunter Bundespräsident Prof. Dr. Karl Carstens, zu erläutern. Der Bundespräsident sprach sich lobend über die gelungene Sanierungsmaßnahme in Hillesheim aus und meinte: »Für einen so kleinen Ort eine beachtenswerte Leistung«. Auch der Präsident des »Deutschen Ausschusses«, Bundesbauminister Dr. Dieter Haack, fand in einem Schreiben an die Gemeindeverwaltung anerkennende Worte. Er schrieb am 4. März 1981 u. a.: »Vor dem Hintergrund der abschließenden Podiumsdiskussion möchte ich noch einmal betonen, daß Hillesheim ein gutes Beispiel für die Flexibilität in einer Gemeindeverwaltung bei der Durchführung ihrer Stadterneuerungskonzeption ist. Die ursprüngliche, in Übereinstimmung mit einem allgemeinen Trend getroffene Entscheidung, wurde von Ihnen unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse abgewandelt; bessere Überlegungen wurden an die Stelle früherer Überzeugungen gesetzt. Deshalb ist Hillesheim zu Recht als Beispielstadt im Rahmen dieser Kampagne ausgewählt worden«.

Am 1. Juni 1981 fand auf Landesebene eine Eröffnungsveranstaltung im Sitzungssaal des Rathauses in Hillesheim statt. Zu dieser Veranstaltung kamen zahlreiche Persönlichkeiten in unser kleines Eifelstädtchen. Die Festansprache hielt der rheinland-pfälzische Finanzminister Johann Wilhelm Gaddum, zu dem Thema: »Gestalten und bewahren«.

Dipl.-lng. Tassilo Sittmann (Kronberg), der seit 1974 für die städtebauliche Konzeption und Planung in Hillesheim verantwortlich zeichnete, berichtete über die Durchführung der Sanierungsmaßnahme aus der Sicht des Städteplaners. Grußworte sprachen Landrat Orth, Ministerialrat Trötsch vom Bundesbauministerium, Prof. Dr. Morlock als Vorsitzender der rheinland-pfälzischen Architektenkammer, und Abteilungsdirektor Söhngen von der Bezirksregierung Trier. Die Ausstellung der fünf Beispielstädte konnte im Juni 1981 im Hillesheimer Rathaus besichtigt werden. Die Bevölkerung von Hillesheim und Umgebung, aber auch zahlreiche Besuchergruppen aus nah und fern, kamen zu dieser Ausstellung und besichtigten das Sanierungsgebiet Hillesheim. Durch die Teilnahme an der europäischen Kampagne zur Stadterneuerung 1981 als Beispielstadt war der Marktort Hillesheim mehr noch als bisher Zielort zahlreicher Besuchergruppen.

Sehenswerte Restaurierung der alten Stadtmauer in Hillesheim

Am 16. Juli 1981 stattete der Präsident des deutschen Ausschusses, Bundesbauminister Dr. Dieter Haack, der Beispielstadt Hillesheim einen mehrstündigen Besuch ab. Zu seiner Begrüßung hatte sich die Bevölkerung in einer großen Anzahl vor dem Rathaus eingefunden. Bei dem Rundgang durch das Sanierungsgebiet konnte sich der Minister einen umfassenden Eindruck von dem gelungenen Modellvorhaben machen. Er fand das bestätigt, was er bisher mündlich oder schriftlich zum Ausdruck gebracht hatte. Im Sitzungssaal des Rathauses hatten die Teilnehmer Gelegenheit in einem »Round-Table-Gespräch« allgemeine Fragen der Stadterneuerung, Stadtgestaltung und Stadterhaltung mit dem hohen Gast zu erörtern. Im Rahmen der Kampagne wurden innerhalb der Bundesrepublik zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt. Im September 1981 fand in der Technischen Fachhochschule Darmstadt ein mehrtägiges Seminar über die Thematik und Problematik der Stadterneuerung statt. Außerdem veranstaltete der »Deutsche Ausschuß« eine Pressefahrt in alle Beispielstädte der Bundesrepublik mit zahlreichen Journalisten der Tages- und Fachpresse. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wurden Broschüren über die Sanierungsvorhaben der Beispielstädte mit einer Auflage von 200 000 Exemplaren herausgegeben.

Alle diese Maßnahmen waren und sind für unser Eifelstädtchen Hillesheim und damit für die Eifel mit einem hohen Werbeeffekt verbunden. Man kann die Gemeinde, den Gemeinderat und ihre Bürger nur beglückwünschen, daß ihnen dieser Erfolg gelungen ist. Dabei sah es in der jetzt 17jährigen Geschichte der Sanierung in Hillesheim mehrmals so aus, als ob man die Stadterneuerungsmaßnahme nicht erfolgreich abschließen könnte. Erfolge und Schwierigkeiten prägten die wechselvolle Geschichte der Sanierung in unserem Eifelstädtchen. Umso erfreulicher ist es, daß man in Hillesheim nunmehr auf dem besten Wege ist, aus dem von der wuchtigen Stadtmauer umgebenen historischen Ortskern wieder das zu machen, was er schon im Mittelalter war: ein blühendes Markt-, Handels-, Gewerbe- und Wohnzentrum. Aber auch für den im Auf- und Ausbau befindlichen Fremdenverkehr ist die Neu- und Umgestaltung des historischen Stadtkerns von großer Bedeutung. Die im Rahmen der Sanierung aufgewandten nicht unerheblichen Finanzmittel stellen damit eine sinnvolle Investition dar, die Ausstrahlungskraft auch für zukünftige Generationen haben wird.