Sprachheilambulatorium

Die Beratungsstelle für Hör- und Sprachbehinderte des Kreises Daun

Helene Leonards

Die Beratungsstelle für Hör- und Sprachbehinderte des Kreises Daun wurde auf Veranlassung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Umwelt in Mainz als erstes Sprachheilambulatorium in einem Landkreis in Rheinland-Pfalz aufgebaut, und zwar unter der Trägerschaft des Kreises. Die Entwicklung zu dieser Einrichtung ergab sich wie folgt:

auf Veranlassung der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Landesfürsorgeverbände fanden seit 1956 regelmäßig jährlich Erfassungen der behinderten Kinder und Jugendlichen statt. Die sozialen Hilfsangebote, etwa für körperbehinderte und blinde Kinder, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg relativ schnell möglich gemacht. Die Betreuung vor allem der Geistigbehinderten und Sprachbehinderten blieb dagegen lange Zeit unbefriedigend.

Das Sozialamt des Kreises Daun baute zunächst, vertreten durch die Amtsleiterin, in Zusammenarbeit mit dem Kreisschulamt und dem Staatlichen Gesundheitsamt eine Schule für Geistigbehinderte in Gerolstein auf, die erste in einem Landkreis in Rheinland-Pfalz. Diese Einrichtung wurde im November 1966 eröffnet. Die Sorge um wirksame Hilfe galt danach den Sprachbehinderten, deren Zahl bei den Erfassungen recht hoch war. In Einzelfällen erfolgten bereits stationäre Einweisungen in Sprachheilheime außerhalb des Landes. Diese Maßnahme war jedoch für die meisten Sprachbehinderten nicht erforderlich. So kam der Auftrag des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Umwelt Rheinland-Pfalz an die Landesheime und Schulen für Gehörlose und Schwerhörige, Sprachheilambulatorien in den Städten und Kreisen des Landes einzurichten, sehr gelegen, und es bot sich für den Kreis Daun die Möglichkeit, ein solches Ambulatorium in den Räumen der Sonderschule für Geistigbehinderte einzurichten. Die nötigen Mittel wurden im Sozialetat zur Verfügung gestellt.

Das Landesheim und die Schule für Gehörlose und Schwerhörige in Trier beauftragten einen Sprachheilpädagogen mit dem Aufbau der Sprachheilambulanz. Dieser begann im Januar 1969 mit der Arbeit; er richtete geregelte Sprechzeiten zur ambulanten Behandlung Sprachbehinderter ein und übernahm die Anleitung der Lehrkräfteder Geistigbehindertenschule zu einer gezielten Sprachtherapie der Geistigbehinderten.

                                   

Durch die jahrelangen Erfassungen war eine Anzahl Sprachbehinderter bekannt. Die weiteren Meldungen an die Beratungsstelle erfolgten bis heute ohne besonderen Aufwand. Die sozialen Fachbehörden des Kreises, die Kindergärten, die Schulen, auch gelegentliche Berichte in der Presse, vor allem aber die Erfahrungen der Betroffenen bzw. der Eltern sorgten für eine rege Inanspruchnahme der Beratungsstelle. Zeitweilig waren sogar fünf Lehrkräfte des Landesheimes Trier tätig, um dem großen Bedarf abzuhelfen.

Im März 1969 wurde eine zweite Beratungsstelle in einem kreiseigenen Gebäude in Daun eingerichtet. Auf Grund der geleisteten Vorarbeit richtete die Bezirksregierung Trier ab 1.1.1973 ein Ambulatorium für den Schulbereich (Sonder-, Grund- und Hauptschulen) mit zwei hauptamtlichen Lehrkräften ein. Die beiden Beratungsstellen des Kreises blieben für den vor- und nachschulischen Bereich und für die Erwachsenen zuständig. Zur Zeit sind zwei Sprachheillehrer, je einmal wöchentlich in Gerolstein und Daun, tätig. Die Beratungsstelle erfaßt und behandelt Sprachbehinderte von 4 bis 6 Jahren, Jugendliche und Erwachsene sowie hörbehinderte Kinder bis zum Schuleintritt.

Der Personenkreis der Sprachbehinderten umfaßt: Stammler, Dysgrammatiker, Sprachentwicklungsverzögerte, Stotterer u. a. Die Beratungsstelle arbeitet eng mit dem Landessprachheilheim in Meisenheim zusammen. Problemfälle und schwere Sprachbehinderungen, die ambulant nicht effektiv behandelt werden können, werden nach dort gemeldet. Der Direktor des Sprachheilheimes begutachtet die Betroffenen in eigens eingerichteten Sprechzeiten im Kreise Daun und stellt fest, ob eine stationäre Behandlung notwendig ist. Mit diesem Verfahren wird den Kindern und Eltern die Vorstellung in Meisenheim (Kreis Bad Kreuznach) erspart. Der Kreis Daun übernimmt die Kosten für den Gutachterdienst. Die unmittelbare Zusammenarbeit mit dem Sprachheilheim erfolgt einvernehmlich und zuweilen auch unter Einschaltung des Landesarztes für Hör- und Sprachbehinderte, Herrn Professor Biesalski, in Mainz, so daß eine umfassende Betreuung gegeben ist.

Die ambulante Behandlung in der Beratungsstelle beginnt mit einer Vorstellung des Behinderten. Dabei werden

a) die Diagnose hinsichtlich der Art, der Ursache und des Schweregrades der Behinderung und

b) die Prognose der Aussichten auf Besserung und Heilung des Leidens gestellt,

c) der Vorschlag für die Dauer der Behandlung gemacht und

d) schließlich die persönlichen Verhältnisse, insbesondere die Versicherungsansprüche, festgestellt.

Die Therapie hängt individuell von vielen Faktoren ab und wird in der Regel als Einzelbehandlung durchgeführt. Gelegentlich kommt es zur Behandlung in kleineren Gruppen, wenn es sich um leichte und gleichgelagerte Sprachbehinderungen handelt. Bei allen ambulanten Behandlungen von Kindern im Vorschulalter ist ein Elternteil zugegen. Er wird angeleitet und zur täglichen Übung mit dem Kind angehalten. Für die Behandlungsübungen liegt Fachmaterial vor, das von den Therapeuten jeweils vorgeschlagen und den Eltern auch zur Übung mitgegeben wird.

Die Beratungsstelle, und zwar der Leiter, führt eine Kartei mit den persönlichen Daten, erstellt Gutachten und Zeitberichte und erbringt damit ständig den Nachweis der durchgeführten Behandlungen.

Die anfallenden Kosten der Sprachheilambulanz wurden zunächst ganz von dem Kreis getragen.

Zu den Kosten gehören:

a) die Honorarkosten für Therapeuten (nach den Vergütungssätzen der Runderlasse des Ministeriums für Unterricht und Kultus von Rheinland-Pfalz, veröffentlicht in den Amtsblättern),

b) die Reisekosten (nur die km-Vergütung nach den reisekostenrechtlichen Vorschriften),

c) das Lehr- und Lernmaterial,

d) die Verwaltungskosten (Telefongebühren, Schreibmaterial),

e) die Raumkosten,

f) die Unterhaltungskosten der Beratungsstellen.

Die verwaltungsmäßige Abwicklung der Fälle erfolgt durch die Sozialabteilung der Kreisverwaltung.

Das Land Rheinland-Pfalz trägt nicht zu den Kosten bei, da es sich bei der Beratungsstelle um eine sogenannte offene Einrichtung der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz handelt. Die Behinderten und die Unterhaltspflichtigen werden an den Aufwendungen nicht beteiligt. Sie hatten und haben teilweise bis heute die Fahrtkosten vom Wohnort zu dem Sitz der Beratungsstellen zu tragen.

Mit dem Aufbau der Einrichtung nahm das Sozialamt sofort Verhandlungen mit den Versicherungsträgern (Rentenstellen und Krankenkassen) zwecks Bezuschussung auf. Die Rentenversicherungsstellen, insbesondere die LVA Andernach, gewährte schon im ersten Jahr der Errichtung der Ambulanz einen 50 %igen Zuschuß zu den Personalkosten der Therapeuten und übernahm die Reisekosten für die Behinderten und auch für die Begleitperson (nach den Richtlinien zur Durchführung des § 1236 ff" RVO). In Einzelverhandlungen erreichte das Sozialamt auch Zuschüsse von einzelnen gesetzlichen Krankenkassen. In der Regel wurden von ihnen 50 % der Vergütungsätze für die Therapeuten übernommen.

Nach dem Rehabilitationsangleichungsgesetz vom 7. 8. 1974 (§ 10 Nr. 3 in Verbindung mit § 182 Abs. 1 Nr. 1 Buchst, c RVO) übernahmen die gesetzlichen Krankenkassen fortan die vollen Honorarkosten der Therapeuten und die Reisekosten für die Behinderten und deren Begleitung. Zusätzlich wurde zwischen den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und dem Zentralverband für Logopädie e.V., Landesgruppe Rheinland-Pfalz, Mainz, zum 1. 9.1976 ein Rahmenvertrag abgeschlossen, der die Art und den Umfang der Leistungspflicht der Krankenkassen bei logopädischen Behandlungen im einzelnen festlegte. Hiernach benötigen die Krankenkassen z. B. für ihre Kostenpflicht eine fachärztliche Verordnung, aus der die Notwendigkeit der Sprachheilbehandlung hervorgehen muß. Die Beratungsstelle arbeitet daher eng mit den zuständigen Fachärzten (Kinderärzten und Fachärzten für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten) zusammen.

Von der Bezuschussung ausgenommen sind die Fahrtkosten für die Therapeuten, die Unterhaltungskosten der Beratungsstelle und die Verwaltungskosten.

Zuschüsse zur Sprachheiltherapie werden auch nach den Beihilfevorschriften erlangt. Private Krankenkassen beteiligen sich nur im Rahmen ihrer Satzung.

Die Aufwendungen für den Kreis Daun für die beiden Beratungsstellen betrugen für die Zeit vom

1.1.1969bis31.12. 1980

insgesamt: 247 474, — DM

von den Versicherungsträgern wurden erstattet:

59 940 — DM

Reinaufwand für den Kreis:

187534 — DM

jährlicher Aufwand:

17048 — DM

Der finanzielle Aufwand des Kreises Daun betrug bisher pro Behinderten etwa 305,— DM. Die Kosten sind wesentlich bedingt durch die weite Anreise derTherapeuten.

Es wurden betreut und behandelt in diesem Zeitraum:

47 Hörbehinderte

69 Sprachentwicklungsverzögerte

332 Stammler

49 Sonstige

78 Stotterer

38 Behinderte für stationäre Behandlungen

Somit sind insgesamt bisher 613 Sprach- und Hörbehinderte einer helfenden oder heilenden Behandlung zugeführt worden.