Orchideenreiz in der Eifel

Udo Köhler

Den Behauptungen zum Trotz, die Orchideen kämen vor allem in den Kalkmulden des Köln-Bonner Raumes und in der Trierer Senke vor1 , dennoch angeregt und gefördert von klugen Hinweisen2, welche den Orchideenfreund auf die Spur setzten, entdeckte ich, besonders durch den feuchtwarmen Sommer 1978 begünstigt, auch mitten in der Eifel (ich wohne in Gerötetem) eine stattliche, Reihe dieser Kleinodien. Sicher, im allgemeinen »stolpert« man hier nicht über die Orchideen, aber sie machen auch in ihrer Vereinzelung immer wieder deutlich, wie reich wir (noch!) beschenkt sind. Da regt sich wohl als erste Orchidee Orphys mascula L. (das stattliche-, oder Kuckus- oder Mannsknabenkraut) mit ihren Verwandten. Sie blüht in unterschiedlichen violetten Farbtönen, manchmal auch weiß, im März.

Meine erste Begegnung mit dieser Orchidee geht übrigens in die Pennälerzeit zurück. Es war nicht die Eifel, sondern ein Schulausflug des Friedenauer Gymnasiums (Berlin), der uns unter Studienrat Dr. Heilmann in den Norden der Mark Brandenburg nach Birkenwerder führte. Dort, auf einer Wiese des Briesetales, fanden wir ein großes Feld dieser köstlichen Blumen. Und hier wurde nicht nur der Wert solcher Schönheiten gedeutet ans Herz gelegt, sondern auch der Naturschutz. Man kann übrigens das »Kommen« der Orchideen schon vor den Blüten beobachten. Nach dem Zurückziehen der Pflanzen in den Boden im Sommer, zeigen viele Pflanzen ihren Neuaustrieb schon im Herbst. Ihre Blätter sind dann oft röhrig zusammengerollt. Dann überwintern sie, um im Februar/März auszutreiben (Bild 1). Auch die kleinen Blütenschäfte wirken zunächst wie Miniatur-Maiskolben (Bild 2), aber sehr schnell die gelben Blütenknospen in die violette Farbe verwandelnd. Das Mannsknabenkraut wächst auf Wiesen, am Südhang und auch im lichten Wald (Bild 3).

In der Blüte folgt im April/Mai die besonders prächtige Orchys purpurea Huds (das Purpurknabenkraut), die eine Höhe von 80 cm erreichen kann. Diese weißrosa bis purpurfarbene Orchidee habe ich an zwei Stellen entdeckt, an einer besonders gehegt und in überwältigend schönen Pflanzen. Die blühende Pflanze ist einfach ein Juwel (Bild 4). Um diese Zeit blüht auch das »Zweiblatt« (Listera ovata (L)R.Br.), auch »Kugelorchis« genannt. Sie ist durch ihre kleine kugelige, ganz grüne Blüte gut geschützt und schnell übersehen. Sie verrät sich eigentlich nur durch den Duft für die geübte Nase. In der Blütenreife tropft oft Nektar, die zunächst anliegende Lippe hebt sich wie eine Zunge, sie ist etwas heller, gelblichgrün. Ihre Schönheit wird durch ein Vergrößerungsglas erkennbar (Bild 5).

Mitte Mai kommt auch zur Blüte die »Helmorchis« (Orchis militaris L.), deren Einzelblüten, purpurfarben, mit einem kleinen graurosa »Helm« überstülpt sind. Auch diese Art hat sich mitten in die Eifel verloren, wo sie da und dort an Südhängen oder im lichten Wald die heimaltichen Bedingungen findet, wie sie diese im Mittelmeergebiet (aus dem viele Orchideen stammen) gewohnt ist. Der Blütenstiel erreicht eine Höhe von 35 cm (Bild 6).

Unverhofft kann man sogar im Mai/Juni das sehr seltene Brandknabenkraut (Orchis ustulata L) finden, sogenannt, weil der Beschreiber der Art in den purpurbräunlichen Knospen ein »verbranntes Aussehen« sich vorstellte. Die Blütenstiele sind etwas kleiner, erinnern an die Orchis purpurea, auf der Lippe der einzelnen Blüte finden sich kleine dunkle Punkte. Die Blüte duftet (Bild 7). Ich war froh, meine Kamera dabei zu haben, — um das eine Exemplar im Bilde festhalten zu können. (Fortsetzung S. 81)

1 Dr. Gerte Bauer, Eifeljahrbuch 1968, S. 37 ff.

2 Prof. Matthias Schwickerath in »Die Eifel«, 1963, S. 51

                                               

1                                                                                                            2

                                      

3                                                                                                           4

                                                   

5                                                                                                               6

                                       

7                                                                                                              8

                                                   

9                                                                                                                10

                                           

11                                                                                         12

                                           

13                                                                                                                  14

                                               

15                                                                                             16

Ende Mai, Anfang Juni entfaltet der Reiz der Orchidee inmitten der Eifel noch einmal seine ganze Fülle: Es kommt das noch viel verbreitete »Gefleckte Knabenkraut« (Orchis-Dactylorhizamaculata Soö) mit einer ganzen Farbpalette zur Blüte. Es kann eine Höhe von 70 cm erreichen und bringt weiße, rosa, violette und hellblaue, gepünkelte und gestrichelte (daher der Name »gefleckt«) Blütenschäfte. Die Blüte ist andauernd, so daß der bekannte Potsdamer Gärtner und Pflanzenzüchter Karl Foerster (f) sie in sein Buch »Der Steingarten der sieben Jahreszeiten« (1956, S. 238) aufnahm. Gartenpflege belohnt sie von Jahr zu Jahr mit größeren Blütensträußen (Bild 8). Am schönsten sind die vielfältig gefärbten Blüten in der natürlichen Umgebung, man könnte einen ganzen Farbfilm opfern, um dieses immer wieder überraschend wechselndes Farbspiel festzuhalten. Könnte nicht ein ganzer Strauß weißer Blüten des gefleckten Knabenkrautes Brautstrauß sein für die Herzliebste eines Försters?

Im Schatten des Waldes, im Buchenlaub, entdeckte ich im Juni die bräunlichen Blütensäulen der »Nestwurz« (Neottia nidusavis (L.Rich.), deren Wurzelwerk wie ein Vogelnest aussieht. Diese auch »Moderorchidee« genannte Pflanze hat kaum Blattgrün, ist eine interessante Orchideenart aus Schatten und Untergrund des Waldes (Bild 9).

Im Juni zeigen sich nun auch besondere Orchideen, die mit ihren Blütenformen die Gestalt von Insekten nachahmen und sie mit ihrem Spezial-durft zur Befruchtung anlocken. Da ist die »Fliegenragwurz« (Ophrys muscifera oder insectifera L). Die Blüten der »Fliegen« sind weiß, bläulich oder fast schwarz gefleckt, je nach der Fliegenart, die zur Zeit »flügge« ist. Sie stehen auf Wiesen, im lichten Kiefernwald (Bild 10). Noch schöner ist die Ophrys apifera Huds (Bienenragwurz). Die Einzelblüte ist größer als bei der vorigen Art. Ihre Lippen haben unterschiedliche Zeichnungen, während die anderen Blütenblätter von beige, rosa bis kräftig violett sind (Bild 11).

Seit Anfang Juni blüht auch die Plantanthera chlorantha Rchb. (die grünliche Kuckucksblume oder das Breitkörbchen, Bild 12). Diese duftenden Blüten ähneln der »weißen Waldhyazinthe« oder Kuckucksblume (Platanthera bifolia Rchb., Bild 13). Sie wachsen beide im lichten Kiefernoder Buchenwald, meist in kleinen Horsten. Sie sind noch gut anzutreffen. Frühjahr und Sommer schreiten weiter fort. Die Pflanzen setzen ihre Frucht an, bringen feinsten kleinen Samen hervor, der wohl so zahlreich ist, weil die Pflanzen nicht überall die geeigneten Standortsbedingungen vorfinden. Nach der Fruchtreife »ziehen« die Pflanzen »ein«, um sich für ein neues Blütenjahr vorzubereiten. Um diese Zeit erleben wir die Blüte des »weißen Waldvögeleins« (Ce-phalanthera damasionium (Mill - Druce) im Schatten des Waldes, auch oft in ganzen Horsten (die rosa blühende Form habe ich noch nicht entdeckt, Bild 14), während die Mücken-händelwurz (Gymnadenia conopea (L)Rchb.) sich noch einmal anschickt, den Flor des gefleckten Knabenkrautes (Orchis(Dactylorhiza) maculata Soö) aufleben zu lassen. Die zylindrischen Blütenstände sehen manchmal aus, als wären es Porzellanblumen. Die Blütenfarbe ist meist hellpurpur, auch einmal blassrosa bis weißlich. Die Lippe der Einzelblüte ist dreilappig, der Dorn ziemlich lang, der Duft schwankt mehr oder weniger zwischen Hyazinthe und Nelke. Diese Orchidee findet man mitten in der Eifel ebenfalls noch häufig (Bild15).

Den Reiz der Orchideen beenden dann die im August blühenden Epipactis-Arten (breitblättrige Stendelwurz). Vor allem sind es die Formen der Epipactis helleborine (L)Cr. Die Lippe der Einzelblüte ist rötlichviolett gefärbt in vielen Variationen, die zum Weiterforschen anreizen. Die übrigen Blütenblätter sind beige-gelb (Bild 16). Natürlich ist dieser Orchideenreiz inmitten der Eifel auch vielfach gefährdet. Besonders Bauland und Straßenbau fordern ein Stück Natur nach dem anderen, Jugend pflückt ganze Sträuße dieser Blumen, so daß natürliche Aussaat eingeschränkt wird. An einem Hang wurden unbeachtet »Bienen«-Orchideen zerquetscht, weil den Jungen der Hang als Rutschbahn interessanter war, als ich von der »Brand«-Orchidee eine zweite »Sicherheits-Aufnahme« machen wollte, war das ganze Gelände niedergewalzt, weil ein Manöver den Platz im Walde beanspruchte und alles vorzeitig zum Verdorren brachte.

Zum Glück regeneriert sich meistens die Natur, erholt sich also wieder. Oft meint man auch, am gewohnten Standort seien die Orchideen »verschwunden«. Vielleicht kamen sie in diesem Jahre nicht zur Blüte, weil die Luftfeuchtigkeit nicht ausreichte, welche die Pflanzen sehr benötigen. Im Folgejahr können die »Verlorenen« durch ihre Blüten wieder ihr Noch-vorhandensein anziegen.

Auf die Frage, wo denn nun inmitten der Vulkan-Eifel die einzelnen Arten aufzufinden seien, darf ich mit einem alten »Jirrelsteener« (Gerolsteiner), der mir seine Fundstellen verschwieg, antworten: »Ejo, den wasse all in meng Kaul!« (Ja, die wachsen alle in meinem Wiesengrund!) Darum: Auf zum Wandern, Beobachten und Freude-Einheimsen!