Die Burgruine in Mirbach

Herbert Wagner

Die Herren von Mirbach, eins der ältesten Adelsgeschlechter der Eitel, waren um 1200 bis gegen Ende des 14. Jh. in Wiesbaum und in Mirbach ansässig. In beiden Orten hatten sie verschiedene Höfe als Lehenbesitz, in Wiesbaum den turmhof, den Meiers- oder Moritzenhof und den Kruderhof als Ministerialen der Grafen von Blankenheim, in Mirbach den Oberen- oder Simonshof und den Unteren- oder Clusenhof als Ministerialen der Grafen von Are (Altenahr) bzw. seit etwa 1250 der Grafen/Herzöge von Jü-lich. die beiden Höfe in Mirbach mit etwa 230 Morgen Land wurden 1595 von der letzten mirbachschen Besitzerin, Sophia v. Nievelstein geb. v. Mirbach-lmmendorf verkauft und gingen dann als jülichsches Lehen durch mehrere Hände, bis sie 1717 bzw. 1718 an das Kloster der Augustinereremiten in Hillesheim kamen und nach dessen Aufhebung 1802 vom französischen Staat als Domäne eingezogen und 1804 versteigert wurden.

Der Clusenhof auf einer kleinen Anhöhe am Mirbach »obendt der Clusen« (= Wehr) besteht noch heute. Wo der Simonshof lag, ist nicht mehr bekannt. Anfang des 17. Jh. brannte er ab und wurde 1761 als verfallen und nicht mehr bewohnt bezeichnet. Ernst v. Mirbach mutmaßte, daß er in der Nähe der alten Kapelle (Caspershof oder Traudenhof) oder oberhalb des Clusenhofs (Schanzenhof) gelegen habe. Wahrscheinlicher aber ist, daß er an der Stelle der jetzigen Ruine gestanden hat, wo v. Mirbach einen dritten Hof, den »Burghof«, annahm und von dem er behauptete, daß es die »Burg Mirbach« gewesen sei, die wohl schon in der Zeit des Interregnums (1250 bis 1273) oder bald danach zerstört worden sei. Tatsächlich sind aber in allen bekannten entspr. Urkunden immer nur zwei Höfe erwähnt, der Obere und der Untere Hof.

Etwa dreihundert Jahre nach der Veräußerung ihres Lehensbesitzes in Mirbach kamen die v. Mirbachs, mittlerweile Freiherren 1 geworden, wieder in das Eifeldorf zurück: Ernst v. Mirbach machte anfangs der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mit seinem Vater einen Besuch in Mirbach. »Mein Vater«, so berichtet er, »erzählte mir von der Geschichte des Landes. Daß auch unsere Vorfahren hier gewohnt hatten, erfüllte mich mit hohem Stolze, und mir schien das Ritterleben und die Burgen in romantischem Zauber verklärt. Ich betrat den geweihten Boden meiner Ahnen auf einer Wiese mit alten, ein bis zwei Meter hohen und starken Mauerresten die letzten Reste der Burg Mirbach«. In Mirbach hat aber nie eine Burg gestanden. Die Mauerreste, auf denen der Junge v. Mirbach umherkletterte und von denen er so begeistert war, daß er später fest behauptete, sie seien die Ruinen der Burg Mirbach gewesen, waren schlichtweg die Reste eines rechteckigen, 13,10 x 9,10 m großen Hauses. Er hatte den für die alten Eifeler Bauernhäuser typischen Grundriß des einraum-tiefen Einkanthauses mit Küche, Stube, Scheune und Stall und war — vielleicht — von einem Graben umgeben.

Der »romantische Zauber«, der den Zehnjährien erfaßt hatte und später auch den Mann nicht mehr losließ, und die Ruinenschwärmerei des 19. Jh., die viele alte Adelsfamilien sich plötzlich wieder auf ihren Stammsitz besinnen ließ, haben Ernst v. Mirbach in der Folge öfter nach Mirbach geführt und in ihm den Gedanken »zur Wiederherstellung der alten Burg« geweckt. Er ließ von Kreisbaumeister Krähe aus Gerolstein die Fundamente des Hauses ausgraben und »auf einige Meter Höhe mit dem Turm [der nach dem Grundriß aber nicht vorhanden war] wieder aufbauen« 2 Die von ihm errichtete künstliche Burgruine ist ebenso wie die Mirbacher Erlöserkapelle, die er 1902/03 erbauen ließ, ein Kuriosum. Sie ist aber deswegen erwähnenswert, weil zu ihrem Bau teilweise alte Materilien verwendet wurden: Steine von der »alten Burg«; Tür- und Fenstereinfassung, Altarplatten, Fliesen, römische Ziegel und ein Grabstein von 1619 aus der alten Kapelle, die beim Bau der Erlöserkapelle abgetragen wurde; Gewölberippen und mit Rosen verzierte Bogen-steine aus der ehemaligen Hillesheimer Burg, die in einer Gartenmauer in Hillesheim Burg, die in einer Gartenmauer in Hillesheim verarbeitet waren; eine Fenstereinfassung im spätestgoti-schen Formen von der Burg Kerpen, die zuletzt im Stall des Mirbacher Hofes in Kerpen eingemauert war. Im Oktober 1902 war der Bau der Ruine vollendet.

Mirbach, künstliche Burgruine 1903 (auf dem Turm die Mirbacher Fahne) Foto: Werner Mirbachg

»So steht die Burg unserer Ahnen, nicht im Traum, sondern in Wirklichkeit vor uns und wird unseren Nachkommen hoffentlich noch nach Jahrhunderten eine dauernde Anregung geben, den ehrwürdigen alten Stammsitz der Familie zu erhalten und zu pflegen«, schrieb Ernst v. Mirbach 1903.2

Die jüngeren Generationen der Familie lebten aber in Zeiten, in denen für »romantischen Zauber« kein Platz mehr war — leider, und so ist mittlerweile nach noch nicht einem Jahrhunderte aus der künstlichen eine echte und sehr baufällige Ruine geworden.

 

1. Der Titel »Graf«, der diesem Zweig der Mirbachs oft »verliehen« wird, ist ebenso falsch wie der Hillesheimer Straßenname »Graf-Mirbach-Straße«: Es war nämlich Clais der Alte v. Mirbach (ca. 1405 -15131), der 1479 kurtrierischer Amtmann und Pfandherr in Hillesheim wurde und dort den ehem. Mirbachshof und das Mirbachshaus erwarb; dieser Clais war aber lediglich ein »Herr v. Mirbach«, gehörte also zur fünften Stufe (edel/Freie und Ministerialen) der mittelalterlichen Herschildordnung. Die späteren »Grafen v. Mirbach« stammten zwar von ihm (seit 1786 Grafen v. Mirbach-Kosmanos in Böhmen und — nur in der Primogenitur seit 1877 Grafen v. Mirbach - Geldern - Eg-mont in Bayern) und von seinem Bruder Heinrich dem Jungen (seit 1840 — ebenfalls nur in der Primogenitur — Grafen v. Mirbach Harff im Rheinland) ab, standen aber niemals in irgendeiner Beziehung zu Hillesheim. — Ernst Freiherr von Mirbach (1844 bis 1925 Kammerherr und Ober-truchseß Kaiser Wilhelms II., Oberhofmeister Kaiserin Auguste Viktorias Generalleutnant ä la suite der Armee, Ritter des Johanniterordens, D. Theol. h. c. der Universität Berlin, der Erbauer der Erlöserkapelle und der Burgruine in Mirbach, entstammte als Nachfahre Clais des Alten den preußischen Zweig der kurländischen Linie von Mirbach zu Posen bei Windau, die 1620 bzw. 1634 in den Freiherrenstand erhoben wurden. Seit jeher führten die v. Mirbachs als Wappen einen silbernen Achtender in schwarzem Schild (nicht den Zehnender wie er 1978 in das Wappen VG Hillesheim aufgenommen wurde), daß Ernst v. Mirbach nach 1902 auch am ehemaligen Mirbachshof anbringen ließ.

2. Ernst v. Mirbach Geschichte des Geschechtes Mirbach Teil II: Die Erlöserkapelle zu Mirbach in der Eifel. — Die Burg Mirbach Berlin 1903.

Mirbach, Fenster von der Burg Kerpen in der Burgruine