Anekdoten aus dem Kreishaus

Franz-Josef Ferber

» Himmel hilf, mein neuer Hut!<

Sicher wäre es töricht, behaupten zu wollen, die Arbeit beim Bauamt der Kreisverwaltung bringe ein besonderes Risiko für das persönliche Eigentum der Ingenieure mit sich. Dennoch kann es vorkommen, daß Bauamtsleute im Außendienst Widrigkeiten erfahren, die ihren Kolleginnen und Kollegen anderer Ämter erspart bleiben.

So wurden Peter und Paul vom Kreisbauamt — es muß wohl um das Jahr 1965 gewesen sein — von ihrem Chef, dem »Neise Juhsep«, in den Raum Jünkerath beordert, um dort beim Straßenbau nach dem Rechten zu sehen. Die Arbeit war getan und man hatte das dringende Bedürfnis, auch etwas für das leibliche Wohl zu tun. Also machten beide sich auf ins Gasthaus. Dort servierte man ihnen eine deftige Bauernmahlzeit.

Kollege Paul hatte auch seinen neuen Hut bei sich, den ihm kurz zuvor seine Gattin zum Namenstag geschenkt hatte. Und auf den war er mächtig stolz. Er ästimierte ihn so, wie es die Frau Gemahlin von ihm erwarten mußte. Aber hier im Gasthaus bereitete ihm der Hut doch ziemlich Unbehagen. Er befürchtete, daß diesem etwas zustoße könnte. Darum mochte er ihn auch nicht dem Zapfenbrett anvertrauen. Vielmehr, er legte den Hut neben sich auf einen Leeren Stuhl und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Aber irgendwann muß Paul doch für eine kurze Zeit abgelenkt worden sein. Genau diesen Augenblick nutzte Hasso, der Schäferhund der Wirtsleute, um sich den schicken Hut des Gastes anzueignen. Hasso trug das liebgewonnene Stück in eine dunkle Ecke des Wirtsraumes und begann, nach und nach Kautabak daraus zu machen. Unbekümmert knautschte er an dem Lederbibi und verzehrte genüßlich die weichgekauten Lederfetzten. Zu guter Letzt ließ er nur noch, aber immerhin, wohlbehalten, die Hutschnur als Andenken für Paul übrig. . .

Das Patronatsfest

Am Fest des heiligen Joseph wurde im alten Landratsamt stets zünftig gefeiert. Es waren damals ja auch noch viele, die den Namen dieses würdigen Mannes trugen. Überhaupt schien es, als habe sich Sankt Joseph, eigentlich ein Handwerkerheiliger, zum Schutzpatron der Kreisbeamten »emporgearbeitet«.

Man saß also an einem solchen Feiertag, vor zwanzig Jahren, bis in den späten Abend hinein in einem der kleinen Büros unter'm Dach fröhlich beisammen. Nur jüngere Leute, beiderlei Geschlechts, hatten bis dahin ausgeharrt. Zu ihnen gesellte sich zu später Stunde, gehörig angesäuselt, ein wohlbeleibter älterer Herr, der Kollege Willibald. Er schien den Festgästen nicht arg willkommen gewesen zu sein. Aber immerhin, er war da, und man konnte ihn nicht gut wegschicken.

Er stand nun da, schwadronierte und lamentierte in einem fort. Derweil hatte man auf seinem stark eingedellten Stuhlsitz Bierkrüge abgestellt, deren Inhalt bei jeder Erschütterung überschwappte, so daß sich letzten Endes der Stuhlsitz füllte. Nun, da der Sitz gestrichen voll war, war die Zeit gekommen, Kollege Willibald, der immer noch an der gleichen Stelle stand und fortwährend mit schwerer Zunge redete, zum Hinsetzen zu bewegen. Es fügte sich alles im Sinne der schadenfrohen Kollegenschar. Während alle gespannt zusahen, ließ Willibald sich bedächtig auf seinem Stuhl nieder. Das köstliche Naß drang langsam, aber sicher, durch seine gespannte Hose.

Von da an ging es weniger bedächtig zu. Plötzlich wurde der Kollege kreideweiß im Gesicht. Fast sprangen ihm vor Jähzorn, wie auf einen Knopfdruck hin, beide Augen vor seinen alkoholschweren Kopf. Dieser spontanen Körperveränderung folgte ein weithin unüberhörbares Gebrüll, von allen Seiten, versteht sich. Der Büroschef, Herr Bummski, der gerade unterwegs war in der Absicht, die Versammlung aufzulösen und die Haustüre zu verriegeln, machte schnellstens kehrt; er wollte mit anderer Leute Streit ganz und gar nichts zu tun haben. Was danach kam? Nun ja, nicht mehr viel. Kollege »Raatzlaaf« hat es nachher — frei nach Wilhelm Busch — so ausgedrückt: »Und so war das schöne Fest kurzerhand zu End gewest!«

»Näh, näh, HäaLandroath . . .!«

Es ist schon eine ziemlich alte und mancherorts auch bekannte Geschichte, die Sache mit dem Kreisbock. Lange ist es her, daß Pitta von der Landratur in Daun zum Kreisziegenbockhalter auserkoren wurde. Dafür bekam er alljährlich eine bestimmte Menge Hafer. Diese war nicht nur dazu gedacht, den Bock zu füttern, sondern es sollte auch noch etwas, sozusagen als Halterlohn für Pitta, übrig bleiben.

Soweit, sogut. Die Leute kamen von nah und fern mit ihren Ziegen zu Pitta und seinem Bock, damit für die notwendigen Formalitäten zur Züchtung des Nachwuchses gesorgt werde. Sollte der Meister der Ziegen seine Aufgabe ordentlich erfüllen können, so mußte er schon Tag für Tag sein Quantum Hafer bekommen. Jedoch, Vater Ziegenbart war außerordentlich gefräßig. Dies ließ den Profit des Bauersmanns mächtig schrumpfen, so daß dieser sich letztlich genötigt sah, seine Forderungen an die Kreisbehörde höher zu schrauben. Also machte sich Pitta in Frack und Kamisol, auf zum Kreishaus. Dort gewährte man ihm die Bitte, sein Anliegen dem Herrn Landrat persönlich vorbringen zu dürfen. Der Landrat, ein würdiger älterer Herr, hörte Pitta aufmerksam zu, bis dieser am Ende seiner Rede war. Daraufhin versuchte der hohe Herr dem Bittsteller zu erklären, daß die Finanzlage des Kreises auch beim allerbesten Willen eine Erhöhung der Haferzuteilung nicht zulasse.

Doch der couragierte Bauersmann ließ sich von der Obrigkeit nicht ins Boxhorn jagen. Zielbewußt und energisch lehnte er es ab, ohne Erhöhung der Haferration noch länger als Kreisziegenbockhalter zu fungieren. Nachdrücklich erklärte er: »Näh, näh, Häa Landroath . . ., füa suh öh klee Häfeltje Hoawwa kahn ma doch ke-en Jeeße . . . Häa Landroath, dah brängen ech Euch däh Bock ewwer unn Euere Setzungssaal. Dah künt Ihr dat mat dähm Bock unn däh Jeeße, unn mat dähm janze Kreijsdach selver usmaachen . . ., füa e' suh öh klee Häfeltje . . .,,Häa Landroath!

Das war deutlich genug. Der berufserfahrene Beamte war auf ein solches Ultimatum wohl kaum gefaßt. In aller Ruhe versuchte er, mit gescheiten Worten Pitta den Nutzen des Bockhalterpostens klarzumachen. Es nutzte nichts. Pitta geizte nicht mit Argumenten. Um den obersten Kreischef vollends zu überzeugen, fuhr er, furchtlos, im gleichen Ton fort: »Näh, näh, Häa Landroath wann mot dämm Bock Jäld zoh vadenne wäa, da stöng däh Bock at lang beij däh lousen Haaren unn Doun, Jirelsteen oder unn Hellessem . . ., Häa Landroath, — unn dohmatt Basta!