Pfarrer Joh. Hubert Schmitz

P. Josef Böffgen t

Es gibt Wohltäter der Menschheit, die nicht vergessen werden. Ich denke an Gestalten wie Albert Schweizer und Pfarrer Bodelschwingh, an Heilige der Nächstenliebe wie Elisabeth von Thüringen und Vinzenz von Paul; an Menschen, die dabei sind, sich in unseren Tagen unverwechselbar und unvergessen in das Buch der Geschichte einzuschreiben, wie Mutter Theresa.

Doch bleiben wir in der engeren Heimat. Pastor Rader ist in Gerolstein und weit darüber hinaus bekannt, zumal eine Schule seinen Namen festhält. Meine Mutter sprach fast genau so viel vom »Steffeler Här«, der wie Hubert Rader in den Spuren von Pfarrer Kneipp wanderte. Es muß Pfr. W. Bartholome' (1911-40) gewesen sein, der einen solchen Ruf genoß.

Leider ist ein Mann viel zu wenig bekannt, der ebenfalls zu den großen Wohltätern der Eifelbevölkerung zu rechnen ist. Es ist der frühere Pfarrer von Dockweiler, Joh. Hubert Schmitz. Aber zuerst soll ein Irrtum geklärt werden, dem man auch heute noch mehrfach begegnet. Wenn man im Rheinland schon anständigerweise Schmitz heißt, so gibt es unter dem Trierer Klerus eine Anzahl von Priestern mit diesem Namen. Beschränken wir uns auf drei von ihnen, die im vergangenen Jahrhundert lebten.

Da ist zunächst ein Joh. Hubert Schmitz, der am 17. 9. 1773 in Strotzbüsch geboren ist und am 30. 5.1820 in Reetz bei Blankenheim starb. Ein zweiter Joh. Hubert Schmitz stammt aus Manderscheid, ist geboren am 27. 8. 1807, war von 1834 - 37 Kaplan in Wittlich, 1838 - 57 Pfarrer in Gillenfeld, dann in Zell/Mosel, wo er 1882 starb. Dieser Gillenfelder Pastor ist der Verfasser des bis auf den heutigen Tag bedeutenden Werkes »Sitten und Sagen, Lieder, Sprüchwörter und Räthsel des Eifler Volkes nebst einem Idiotikon« (= Eigenwortverzeichnis). Erster Band: Sitten, zweiter Band: Sagen. Trier 1856 und 1858. Die Autorschaft an diesem Werke wird oft auch heute noch dem Dockweiler Pastor gleichen Namens zugeschrieben — irrtümlicherweise. Das ergibt sich klar aus dem zweiten Band, zu dem der Bonner Professor Karl Simrock (1802 - 76) ein Nachwort schrieb. Darin heißt es: »Auch das dürfen wir ein Glück nennen, daß dies Werk abgeschlossen war, als Herr Pfarrer Schmitz jenseits der Mosel, am Fuß des Hunsrücken, zu neuer segensreicher Thätigkeit berufen ward.« Nur der Gillenfelder Pastor war später »am Fuß des Hunsrücken« nämlich in Zell/Mosel. Das schmälert in keiner Weise die Verdienste des dritten Johann Hubert Schmitz, nur liegen sie auf anderem Gebiet. Er war am 9. 8. 1765 in Dackscheid (Waxweiler) geboren. Nach seiner Priesterweihe (1790) in Trier war er zunächst Kaplan in Niederstattfeld, dann von 1807 bis zu seinem Tode 1838 Pfarrer in Dockweiler.

SCHULINSPEKTOR.

Daß ein Pfarrer Schulinspektor war, war in damaliger Zeit die Regel. Schmitz versah dieses Amt schon 1804, als er noch Vikar in Niederstattfeld war. So mußte er in regelmäßigen Abständen alle Schulen seines weiten Amtsbezirks besuchen und kontrollieren. Doch damit nicht genug. Das Schulwesen lag im argen, nicht nur dadurch, daß es an den meisten Orten nur eine Winterschule gab. Im Sommer mußten die Kinder das Vieh hüten und bei der Ernte helfen; es gab nur an wenigen Orten ein Schulgebäude. Aber auch Lehrer war man ohne Spezialausbildung. Man versah seine Arbeit im Nebenberuf. Gerolstein z. B. erhielt erst 1825 einen in Trier, St. Matthias, ausgebildeten Lehrer, Josef Breuer. Pfarrer Schmitz sorgte sich darum, den Lehrern die Arbeit zu erleichtern durch Einführung neuer, zweckmäßiger Lehrbücher. Daneben führte er für die Lehrer praxisbezogene Ku se durch, in denen er ihnen Anweisung gab Anlegen von Samenbeeten, im Okulieren Pfropfen.

BIOLOGE UND MINERALOGE.

Die mineralogischen Schätze der Eifel sind weltbekannt. Nun gibt es eine alte Volksweisheit, die besagt, es komme in der Welt nicht auf Lichter und Lampen an, sondern auf die Augen, die Gottes Herrlichkeit sehen können. Pfarrer Schmitz hatte diese Augen. Schon als Vikar in Niederstattfeld war er der Helfer für Leib und Seele. Wenn Mensch und Tier litten, zog man ihn zu Rate. Wenn Acker und Obstbaum Sorge bereiteten — Pfarrer Schmitz wußte den rechten Weg. So konnten ihm auch die Schätze der Mineralogie nicht verborgen bleiben. Er erwarb sich eine gründliche Kenntnis auf diesem Gebiet, war Mitglied mehrerer gelehrter Gesellschaften und wurde von Forschern aus Frankreich, England, Spanien und Amerika konsultiert.

IMMPF-ARZT

Pfarrer Schmitz wußte um die Ganzheit des Menschen. So schloß seine Seelsorge auch den Leib mit ein. Schon dem Vikar in Niederstattfeld war eine epidemische Krankheit begegnet, die eine relativ hohe Sterblichkeit aufwies. Aber selbst wenn sie nicht zum Tode führte, blieben beim Abheilen der Eiterpusteln entstellende Narben zurück. Gemeint sind die Blattern (= Pocken). In Oberstattfeld hatte Schmitz die Folgen erlebt. Einige Höfe in der Gemarkung dieses Dorfes waren von der Krankheit befallen. Nicht in allen Fällen war Rettung möglich. Die Bewohner der Höfe, die vom Tode verschont blieben, zogen aus und siedelten sich in anderen Teilen Deutschlands an oder wanderten aus nach Amerika.

Pfarrer Schmilz nahm einen Kampf auf, der aussichtslos schien. Bevor er mit seinen Impfungen anfangen konnte, mußte er zunächst einmal die Vorurteile und das Mißtrauen der Bevölkerung überwinden. So nahm er die ersten Impfungen im engeren Familienkreise vor. Sein Neffe Matthias Irmen und sein Patenkind Johann Schmilz stellten sich zur Verfügung. Irmen wurde später Adjutant bei König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und schließlich Bürgermeister von Schieiden. Durch seine Ehefrau Gräfin Sophie von Harff gewann er Einfluß beim Königshofe, und es ist leicht denkbar, daß auf den impfenden Vikar und Pfarrer jenes Gesetz zurückging, das am 8. April 1874 für das gesamte Reichsgebiet erlassen wurde und das bestimmte: »Jedes nicht vorher durchblätterte Kind ist vor Ablauf des ersten Lebensjahres zu impfen und jeder Schüler zu revakzinieren« (zweite Impfung). Was dieses Gesetz vorschrieb, hatte Schmitz in jahrelanger mühsamer Arbeit erfolgreich durchgeführt.

In den Pfarrakten von Dockweiler, aufbewahrt im Bischöflichen Generalvikariat in Trier, liegt ein Gesuch um Pensionierung, das Schmitz am 12.12.1828 an den Bischof richtete. Dieser Antrag ist wie ein Selbstbildnis. Schmitz schildert, was er in seinem Leben geleistet hat, nicht um sich zu brüsten, sondern um aufzuzeigen, daß seine Kräfte erschöpft seien. Er schreibt u. a.: »Ich habe 1801, als die Vaccunation (Impfung) in dieser Gegend bekannt wurde, mich betätigt.« Unter »Spott und Hohn« habe er geholfen, über 6 000 Personen, Kinder und Erwachsene, in den Kreisen Daun, Prüm, Wittlich und Cochem habe er geimpft, unentgeltlich, wobei er natürlich alle Wege zu Fuß zurücklegte. Schließlich waren es 8 265 Impfungen, die er durchgeführt hatte. Erst als die Gefahr gebannt war, konnte er seine Impftätigkeit einstellen. Dann aber zog eine neue Gefahr herauf. 1794 war wieder einmal Einfall feindlicher Truppen ins Eifelland. Napoleonische Heere besetzten das Gebiet westlich des Rheins. Übergriffe einzelner übler Elemente blieben nicht aus. Pfarrer Schmitz stellte sich schützend vor seine Herde. Er nutzte dabei u. a. die Auszeichnung, die ihm Kaiser Napoleon am 24.1.1807 verliehen hatte, die große silberne Verdienstmedaille. Unter 20 Personen, die diese Auszeichnung erhielten, war Pfarrer Schmitz der einzige Deutsche. Schon vorher, am 4. Juni 1805, hatte der französierte Innenminister in einem Anerkennungsschreiben seine Verdienste gewürdigt.

Der Gedenkstein von Pfarrer J. -H. Schmitz auf dem Friedhof in Dockweiler

DER LEBENSRETTER.

Im Eifelland wurde das Heer aufgestellt für den Feldzug gegen Rußland, und mancher Eifler wurde gegen seinen Willen in französiche Uniform gesteckt. In Dreis bei Dockweiler hatte auch die Familie Billigen Einquartierung. Einer der Soldaten stellte der Frau des Hauses nach, um ihr Gewalt anzutun. Als aber dann der Ehemann erschien, nahm dieser kurz entschlossen ein Holzscheit und erschlug den Soldaten. Damit hatte Billigen auch sein Leben verwirkt. Ein Militärgericht verurteilte ihn zum Tode durch Erschießen. Schon hatte man ihn zum Ort der Hinrichtung geführt, das Hinrichtungskommando war angetreten und wartete auf den Schießbefehl. In diesem Moment erschien Pfarrer Schmitz mit der Hostie in der Hand, um dem Verurteilten beizustehen. Die Rede, die er in französicher Sprache hielt, machte einen solchen Eindruck, daß der Kommandant das Todesurteil aufhob. 1812 wurde zum Andenken daran an der alten Römerstraße unweit Dockweiler ein Kreuz errichtet.

Vom König geehrt

Das napoleonische Imperium brach zusammen. Die Völkerschlacht bei Leipzig (1813) war das Ende. Im Pariser Frieden (1814) verlor Frankreich seine Eroberungen, Napoleon wurde nach Elba verbannt. Im Wiener Kongreß (1814/15) kam das ganze Rheinland an Preußen. Aber auch die neuen Landesherren erkannten die Verdienste des Eifelpastors. In einem Dankschreiben, das vom nachmaligen preußischen Innenminister 1834 mitverfaßt war, heißt es u.a.: »Der Pfarrer Schmitz hat sich schon vor mehr als 30 Jahren durch seine Bemühungen um die Bekämpfung der Schutzblattern zu einer Zeit große Verdienste erworben, wo dieselbe noch häufig als ein Eingriff in die göttliche Weltordnung verschrien war, und mit Aufopferung aller Art mehrere tausend Kinder geimpft., später hat er auch für die Obstbaumzucht mit Auszeichnung und Erfolg gewirkt und zur Verbreiterung gemeinnütziger Kenntnisse aller Art beigetragen, dabei sein schlecht besoldetes Pfarramt mit Treue wahrgenommen und christliche Mildtätigkeit nach dem Worte des Evangeliums geübt. In seinem Alter von 70 Jahren verdient er gewiß eine Auszeichnung.« Im Jahr darauf verlieh ihm König Friedrich Wilhelm IM. den Roten Adler Orden.

Am 3.8.1838 starb Pfarrer Schmitz nach dreitätigem Krankenlager in ganz Deutschland und darüber hinaus betrauert. Ein großer Sohn der Eifel hatte ein großes Lebenswerk vollbracht. Denken auch wir noch an diesen Wohltäter unserer Heimat? — Die Gemeinde Dockweiler hält sein Grab bis auf den heutigen Tag in Ehren.