Daun - Leopoldstrraße 9

Nico Sastges

Die Studie des Wirkens der Dauner Landräte, die im Jahrbuch 1981 mit den Landräten Avenarius, von Selasinsky und Dr. Aschenborn die Zeit von 1817 bis 1865 umschloß, wird nachfolgend um zwei Jahrzehnte bis 1885 fortgesetzt. So ergibt sich ein Rückblick in jene vermeintlich »gute alte Zeit« vor hundert Jahren und ein Spiegelbild einer Epoche, das uns Achtung vor den zielstrebigen Bemühungen um die wirtschaftliche Entwicklung unserer Heimatregion abverlangt — aber auch mancherlei Lehren und Anregungen zur Lösung gegenwärtiger Probleme zu vermitteln vermag.

Landrat Foerster 1865 bis 1871

Landrat Foerster amtierte in Daun vom 1. August 1865 bis 13. Juli 1871. Er war vom 1. Juli 1868 bis 13. Juli 1871 krank und wurde in dieser Zeit von Freiherrn von Brackel und Regierungs-asessor von Helldorf vertreten. Seinem Amtsantritt in Daun bleibt ein bedeutsamer Entwicklungsvorgang voranzustellen: 1864 wurde das Handwerk im Kreisort Daun um die Buchdruckerzunft bereichert. Anton Schneider überraschte mit den ersten Druckschriften der neu gegründeten Druckerei, aus der unter Mithilfe von Landrat Foerster 1866 das »Dauner Kreisblatt« hervorging. Das Kreisblatt löste im heimischen Raum das seit 1840 von Karl Plaum in Prüm zweimal wöchentlich herausgegebene »Intelligenzblatt« für die Eifelkreise ab. Die Druckerzeugnisse der »Schwarzen Kunst« trugen nun stärker als bis dahin den Namen des Kreisortes über die Eifel hinaus. Vor allem die Gastronomie, die sich damals manchen hohen Gastes aus Berlin und dem Rheinland erfreute, schätzte den Fortschritt zur Fertigung von Druckschriften, um den noch spärlichen Besuch von Erholungsgästen durch Werbung zu beleben. Monat für Monat trugen die Postkutschen neue Schriften über die Eifel in die Ferne. Und die gedruckten Speisekarten der Hotels wurden von den Gästen als gute Etikette der Gastronomie gewertet.

Anstelle der Auswanderungswelle nach Amerika trat mit dem Aufblühen der Industrie im rheinisch-westfälischen Raum die Abwanderung aus dem Kreis Daun in dieses Gebiet ein. 1871wurden in Daun sogenannte Gesindekisten angeboten. Auf einem großen Bahnhof des niederrheinischen Industriegebietes waren später 60 Beamte und Arbeiter aus der Gegend von Hillesheim und Dreis tätig.

Durch das rauhe Eifelklima lag der Obstbau im Kreise Daun sehr im argen. Pfarrer Schmitz in Dockweiler (1764 bis 1836) legte die ersten Baumschulen im Kreisgebiet an und förderte den Obstbau. 1868 waren diese Anlagen aber wieder größtenteils verschwunden. Landrat Foerster nahm sich der erneuten Förderung dieser Anlagen an. In zwei Jahren wurden allein an Gemeindewegen im Kreise Daun 1 230 Obstbäume gepflanzt. Ein Obstbauwanderlehrer hielt auf Kosten der Regierung Vorträge über Obstbau. In Niederstadtfeld fand später ein Obstbaumschnittkursus statt. Der Andrang zu diesem Lehrgang war groß. Der Landrat wies besonders die Lehrer an, sich des Obstbaues anzunehmen. Später flössen auch Obstbaubeihilfen aus dem Westfonds.

Landrat Foerster setzte sich ferner für die Anlage vorschriftsmäßiger Dungstätten ein. 1867 befanden sich im Kreis Daun 4 233 Düngerstätten, die sich zum großen Teil in polizeiwidrigem Zustand befanden, da die Jauche in die Straßenrinnen abfloß. Am 8. Juni meldeten die Chronisten aus dem Kreise Daun große Hagelschäden. Auf Antrag von Landrat Foerster genehmigte der Oberpräsident im Regierungsbezirk Trier eine Hauskollekte. In diesem Notjahr mußte der Kreis Daun wieder ein großes Quantum Roggen von auswärts besorgen, das an Bedürftige für 6 Taler und 29 Silbergroschen je 200 Pfund abgegeben wurde. Dieser Preis lag wesentlich unter dem des Handels. Der Landrat erwirkte zur Abwendung des Notstandes eine Staatsbeihilfe von 4 775 Talern. Für Aufforstungszwecke wurden aus den Staats-Saatkämpen über eine Million Pflanzen fast unentgeltlich zur Verfügung gestellt, um auch auf diese Weise die wirtschaftliche Notlage abzuwenden.

1868 wurde durch geologische Untersuchungen festgestellt, daß geringe Steinkohlevorkommen im Kreise Daun vorhanden seien, doch seien diese nicht abbauwürdig. Bei Dreis, Deudesfeld, Büscheich, Gillenfeld, Kirchweiler, Mehren, Schalkenmehren, Strohn und Weidenbach wurden Torfmoore festgestellt. Der Stecherlohn betrug für 1 000 Stück 10 bis 15 Silbergroschen, der Preis für 1 000 Stück bewegte sich um einen bis eineindrittel Taler.

Die Gründung der Verschönerungsvereine in Daun und Gerolstein im Jahre 1870 wurde von der Regierung zur Nachahmung empfohlen. Mit dem Bau der Eifel-Eisenbahn Köln - Trier wurde 1866 begonnen. 1870 war die Bahn von Köln bis Gerolstein fertiggestellt. Für die Notleidenden in Ostpreußen wurden 1868 in den Bürgermeistereien Hillesheim, Kerpen und Lissendorf 61 Taler, 12 Silbergroschen gesammelt. Landrat Foerster bezeichnete 1868 die Ausfuhr von Basaltsteinen, von vulkanischem Sand und von Mühl- und Schleifsteinen als besonders ausbaufähig. Von 1867 bis 1871 befanden sich Wollspinnereien in Hillesheim, Pelm und Müllenborn.

Auf Veranlassung des Landrats wurden 1870 fünf Spar- und Darlehenskassen im Kreise Daun gegründet. Zur Linderung der Futternot wurden im gleichen Jahr für die fiskalischen und Gemeindewaldungen außerordentliche Maßnahmen angeordnet. Wegen der anhaltenden Trockenheit sollten die für die Eifel geplanten Truppenmanöver ausfallen. Sie wurden durch den im Juli 1870 ausgebrochenen Krieg illusorisch.

Landrat Eich 1871 bis 1876

Landrat Eich, der am 13.Juli 1871 den Dienst in Daun antrat, geboten die Zeitströmungen und die Entwicklung laufende Reformen oder Reorganisationen im Verwaltungsbereich, 1871 wurde die nördlichste Amtsverwaltung Lissendorf nach Birgel verlegt. Landrat Eich ließ 1872 für die Bürgermeisterei Dockweiler, die von Daunmitverwaltet wurde, ein besonderes Standesamt in Verbindung mit der Gemeindekasse Dockweiler einrichten. Diese Einrichtung wurde erst einige Jahre nach dem ersten Weitkrieg rückgängig gemacht. 1876 wurde das Bürgermeisteramt Üdersdorf-Weidenbach nach Niederstadtfeld verlegt.

Im Notjahr 1871 überzeugte sich der Oberpräsident der Rheinprovinz bei einem Besuch in Gerolstein und Umgebung von der Notwendigkeit finanzieller Hilfen. Landrat Eich, der zunächst eine Staatsbeihilfe erwirkte, setzte sich indessen bei der Bauernschaft für die Einführung der Dampf-Dreschmaschine ein, womit die Ablösung des Dreschflegels, dessen monotoner Rhythmus in den Dörfern die Wintermonate ausfüllte, eingeleitet wurde. Doch es vergingen noch rund 50 Jahre, ehe der Dreschflegel aus dem bäuerlichen Bereich verdrängt war. Nicht minder aktiv wandte sich Landrat Eich den Möglichkeiten industrieller Entwicklung zu. Von seinem Vorgänger übernahm er die Ansätze zur Nutzung der heimischen Kohlensäure, die sich von Gerolstein aus in den siebziger Jahren zur Mineralwasserindustrie entwickelte.

1874 machte das Überhandnehmen der Wildschweine der Bauernschaft zu schaffen. Auf Veranlassung des Landrats wurden daher im Sommer Treibjagden auf Schwarzwild abgehalten und 104 Stück Schwarzwild zur Strecke gebracht. Um diese Zeit verlor der Eisenerzbau im Kreise Daun den wirtschaftlichen Halt. Doch da verlagerte sich, als 1875 der Eisenerzbau vollends eingestellt wurde, das Interesse stärker auf die einige Jahre vorher wieder angelaufenen Kalköfen im großen Kyllbogen bei Pelm-Gerolstein und ein neuer Kalkofen wurde zwischen Jünkerath und Birgel in Betrieb genommen.

Am 1. Januar 1875 untersagte der Landrat den Ortsvorstehern die Ausstellung von Bettelscheinen und wandte sich in Aufrufen gegen das verbreitete Landstreicher- und Bettelunwesen.

Im Schulwesen war bereits 1874 eine weitere Konzentration erfolgt durch die Einsetzung eines Gymnasiallehrers als Kreisschulinspektor, womit eine Aufsichts- und Leitstelle für einheitlichen Unterricht geschaffen wurde. Im Kreistag stand 1876 das Thema der Fortbildungsschulen zur Debatte, die als »fördernswert« anerkannt wurden.

In den fünf Jahren seiner Amtszeit behielt Landrat Eich engen Kontakt zur Bauernschaft und sah die Schwierigkeiten, die Klima und Witterung sowie der Urzustand weiter Flächen den Landwirten bereiteten, ohne daß betrieblich dagegen wirksame Maßnahmen ergriffen werden konnten.

So wurde eine seiner letzten Amtshandlungen doch mitbestimmend dafür, daß die Notrufe aus der Eifel auch an höchsten Stellen Gehör fanden. 1876 empfing Landrat Eich den preußischen Landwirtschaftsminister zu einer Rundreise durch das Kreisgebiet. Es mag uns heute selbstverständlich erscheinen, daß ein Minister in gewissen Abständen sich in seinem Amtsbereich umsieht. Für die damaligen Verhältnisse war dies jedoch ein Ereignis ersten Ranges, das dazumal mit goldenen Lettern in die Orts- und Kreischronik eingetragen wurde. Denn die Eifel war das Bollwerk und Aufmarschgebiet im Westen, dessen wirtschaftliche Entwicklung nicht in die Pläne des Generalstabs paßte. Nach 1870 nicht besser als vorher.

Landrat Rintelen 1876 bis 1881

Als Landrat Eich 1876 den Kreis Daun verließ, folgte im Dezember Landrat Rintelen. Beiden Landräten hatten die Auswanderungswellen um 1867 und darüber hinaus die viele Opfer fordernden Kinderkrankheiten besondere soziale Aufgaben hinterlassen. Zwar standen den rund 950 Geburten jährlich nur 650 Sterbefälle gegenüber, aber die Auswanderungen nach Amerika verhinderten den Bevölkerungsanstieg. Die Statistik von 1867 verzeichnet 26 742 Kreisbewohner. Der größte Ort ist Hillesheim mit 1 016 Einwohnern. Es folgen Gerolstein mit 804, Daun mit 760, Mehren mit 754, Gillenfeld 733, Neroth 620, Wiesbaum 538, Walsdorf 535, Pelm 521, Üdersdorf 506 Einwohner. Weniger als 100 Einwohner zählen Heyroth, Hörschhausen, Kradenbach, Basberg, Bewingen, Loogh, Gemünden, Hinterhausen und Gefell.

Wechsel nach Amerika sind 1870 in beliebigen Beträgen und in Gold zahlbar in Hillesheim, später auch in Daun zu haben. In Daun wird 1872 eine konzessionierte Auswandereragentur eingerichtet. 1874 warnt Landrat Eich vor der Auswanderung und Anwerbung für die Hüttenwerke in Wales; das Kreisblatt wendet sich in Veröffentlichungen 1880 gegen die in englischer Sprache abgefaßten falschen »Freikarten« von Londoner Auswanderungsagenten. So gelangte zwischen 1870 und 1880 die Auswanderungswelle zum Stillstand, vor allem auch wegen der Bemühungen um die Bahnerschließung der Eifel, die Arbeitsplätze in Aussicht stellte. Rintelens Aufmerksamkeit galt bei der Dienstübernahme vor allem dem bäuerlichen Sektor. Er erkannte die Notwendigkeit zur Verbesserung der Viehzucht. Seine Bemühungen führten zur Verstärkung des Zuchtviehes und der Ausbreitung der Glanrasse, die sich widerstandsfähiger gegenüber dem Klima und mangelhaften Weiden erwies. Schon 1880 konnten zur Körung 88 Glanbullen vorgeführt werden. Gleiche Überlegungen galten der Förderung der Schweinezucht, die stark zurückgegangen war. 1877 herrschte weithin Futtermangel. Er konnte nur durch überörtliche Hilfen überwunden wer-

den. 1879 richtete der Landrat in Birgel einen vierwöchigen Kursus zur Ausbildung von Wiesenbauvorarbeitern ein und förderte dadurch die Aufnahme von Meliorationen in den Gemeinden. Die schlechte Ernte 1880 bedingte die Aufnahme eines Notstandsdarlehens von 50 000 Mark bei der Provinzialhilfskasse zur Saatkartoffelbeschaffung. Lang anhaltende Trockenheit führte zu einer Streu- und Futtermittelnot, so daß der Kreistag beschloß, den Eingesessenen aus den Gemeindewaldungen Streuwerk, Heide und Gras zu verschaffen. Am 21. Juli 1880 machten schwere Hagelgewitter im Kreisgebiet die Hoffnung auf eine gute Bergung der Ernte zunichte. Hagelwetter vergrößerte auch im folgenden Sommer 1881 die Not.

Rintelens unermüdliche Bemühungen um Beihilfender Provinz und des Staates hatten schließlich Erfolg zur Linderung der größten Not. Indessen hatte die Aufnahme des Privatverkehrs auf der Eifelbahn Trier - Köln (1871) neue wirtschaftliche Impulse geweckt. 1878 richtete der Schloßbrunnen Gerolstein eine Agentur in Pelm und im folgenden Jahr in Gerolstein ein. Im gleichen Jahr blühten die Darlehenskassen auf. Die Gründung des Raiffeisen-Spar- und Darlehensvereins in Gerolstein ebnete dem genossenschaftlichen Zusammenschluß der Bauernschaft in den kleinen Gemeinden den Weg. Aber auch auf dem kommunalen Sektor entfaltete sich neue Initiative. Die Kreisstände beschlossen 1875, daß der Kreis für alle Zukunft die ärmeren Gemeinden beim Straßenbau zu unterstützen habe. Vier Jahre später stellte der Kreis einen Kommunalbaumeister mit dem Sitz in Gerolstein ein. Der Mangel an ausreichenden Arbeitsplätzen für die männliche Bevölkerung veranlaßte Landrat Rintelen 1880 zur Aufnahme von Notstandsmaßnahmen zur Verbesserung des Wegenetzes. 35 Gemeinden erhielten auf Antrag des Landrats in dem Berichtsjahr 13 185 Mark Provinzialbeihilfen für Wegebau. In jenen Jahren war das Ringen um die Erschließung der Eifel besonders hart. 1878 war die Konzession für die Vorarbeiten der Eisenbahnlinie Gerolstein - Prüm - Bleialf erteilt und mit den Planarbeiten begonnen worden. Als der Landrat 1880 bekanntgab, daß zur Herstellung des zweiten Gleises der Eifelbahn Köln - Trier Leute gesucht würden, hatte er gleichzeitig die ministerielle Zusage erhalten, daß im Interesse der Verkehrserschließung der armen Eifel die Bahn Bengel - Daun - Gerolstein gebaut werde, weiterführend nach Prüm - St. Vith. Das Ministerium für öffentliche Arbeiten beauftragte in diesem Jahr die Rheinische Eisenbahndirektion mit den Vorarbeiten.

Versetzt man sich in die damaligen Zeit- und Verkehrsverhältnisse, so war Rintelens Arbeit ausgefüllt mit ständigen Reisen zu den Ministerien und Eisenbahndienststellen. Diese Reisen machten sich bezahlt, denn trotz allen lokalen Haders über die Linienführung, der von Ort zu Ort und von vielschichtigen Interessengruppen gespeist wurde, waren 1880 klare Voraussetzungen für den Flächenanschluß des Kreises

Daun an die damals im heimischen Bereich der Bahnhöfe Gerolstein - Hillesheim - Jünkerath sogar mit Gewinn betriebenen Eifelbahn Köln -Trier geschaffen.

Nach Osten in Richtung Mayen jedoch konnte die Verkehrslücke des Eisenbahnnetzes noch nicht geschlossen werden. Ob die Bahn Prüm -Gerolstein nach Mayen oder zur Mosel weitergeführt werden solle, stand 1881 noch nicht fest. Für die Bahn von Mayen durch die Eifel waren 1881 vorgesehen eine Linie nach Kelberg und eine nach Adenau. Im gleichen Jahre wurde •die Eisenbahndirektion Köln mit Vorarbeiten für eine Streckenführung Gerolstein - Mayen oder Ahrweiler beauftragt. 1882 arbeitet die Kölner Direktion am Projekt einer Nebenbahn Mayen -Kelberg - Dockweiler - Gerolstein, wofür im Kreisgebiet Feldarbeiten vorgenommen wurden. Immerhin dauerte es acht Jahre, bis die Entscheidung für die Linienführung Mayen -Daun - Gerolstein gefallen war.

Die Frucht seiner umsichtigen Arbeit zur Verkehrserschließung erlebte Landrat Rintelen nicht auf seinem Landratssitz. Doch konnte er, als er 1881 die Leopoldstraße verließ, auf beachtliche Erfolge seiner Tätigkeit zurückblicken. Die Weichen zur weiteren Verkehrserschließung waren gestellt, obwohl die Notlage der Bevölkerung nicht überwunden war.

Landrat Dr. Gehle 1881 bis 1885

Die Mißernten der ersten Hälfte der achtziger Jahre lösten sich einander ab. Nach dem Bericht des Landrats Dr. Gehle im Herbst 1881 war die Hälfte der Bevölkerung des Kreises Daun ohne Unterhaltsmittel und ohne Saatgut für das folgende Jahr. Der Notstand 1882 wurde schließlich zur Katastrophe. Auf Initiative des Landrats wurden nach Besuchen des preußischen Landwirtschaftsministers, des Innenministers und des Oberpräsidenten Hilfsmaßnahmen eingeleitet.

Zur Hebung des wirtschaftlichen Notstandes wurden dem Kreis Daun in den Jahren 1883 und 1884 insgesamt 200 000,— Mark Staats- und 100000,— Mark Provinzialbeihilfen gewährt, besonders für die Bodenverbesserung und Hebung der Viehzucht. Für die Hebung des Obstbaues flössen aus Mitteln des Staates und der Provinz 12 260,— Mark.

Mit Unterstützung des Kultusministeriums wurde 1883 in Daun eine Korbflechterschule errichtet, die außer einem Meister sechs Lehrlinge zählte. Diese Schule wurde auch noch einige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg in Daun betrieben. In Daun, Gillenfeld und Strohn wurden größere Korbweidenanlagen aus Ödland geschaffen. Am 22. Dezember 1882 wurde die Eisenbahn Gerolstein - Prüm eröffnet. 1884 bestanden klösterliche Niederlassungen von Krankenschwestern in Daun und Hillesheim. Zur Krankenversicherung der Arbeiter wurde am 12. November 1884 für alle Gemeinden eine Krankenversicherung eingeführt, aus der später die Allgemeine Ortskrankenkasse des Kreises Daun hervorging. Zur Linderung der Hungersnot in der Eifel wurden zu Anfang der achtziger Jahre über 1,5 Millionen Mark durch den Vaterländischen Frauenverein aus allen Teilen Deutschlands aufgebracht.

Zu den 1844 eingerichteten vier ländlichen Fortbildungsschulen in Daun, Gerolstein, Gillenfeld und Hillesheim kamen 1885 fünf weitere derartige Schulen und zwar in Dreis, Glaadt, Lissendorf, Oberstadtfeld und Weidenbach hinzu.

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Nur vier Jahre währte die Amtszeit von Landrat Dr. Gehle. Sein Wirken setzte das mutige Ringen seiner Vorgänger um die wirtschaftliche Erschließung der Eifel fort. Sieht man einmal von der durch Mißernten entstandenen Notlage zur Volksernährung ab, so wurden in den Jahren nach 1870 bis zur Jahrhundertwende doch beachtliche Fundamente zur wirtschaftlichen Entfaltung gelegt. Allerdings lenkt der rasche Wechsel der Landräte in jenen Jahren den Blick auf eine Zeitstudie, die im Eifel-Heimat-Buch die Verhältnisse schildert: »Der vielfach rasche Wechsel der Beamten, auch der Geistlichen und Lehrer, brachte es in der ganzen Eifel mit sich, daß die Bevölkerung nicht recht wußte, ob es sich überhaupt verlohne, zu den Anziehenden in nähere Beziehung zu treten. Nachdem sich die gesamten Lebensverhältnisse in der Eifel durch die Förderung der Verkehrsmittel und durch die Besserung der Wirtschaftslage angenehmer gestalteten, begann die zu Unrecht als rheinisches Sibirien verschriene Eifel, in der niemand zu wohnen zugab, ihren Schrecken zu verlieren. Die Beamten blieben länger dort und erkannten mehr und mehr, daß die Eifel nicht nur ein Land von großer Eigenart, sondern auch von seltener Schönheit ist, in dem sich gut leben läßt.«

»Es ist traurig, aber wahr,« so schrieb 1876 das Dauner Kreisblatt, »daß im Kreis Daun die Beamten unaufhörlich wechseln., selbst unsere Kreisstadt macht von dieser Regel keine Ausnahme!» Und zum Abschied berichtet das gleiche Blatt aus dem Munde des Landrats Eich, der Abschied aus seinem Kreis falle ihm doch recht schwer, in welchem das ehrende und stärkende Vertrauen einer gutmütigen und biederen Bevölkerung und nachhaltige und treue Mithilfe der Behörden ... ihn die nächste und sicherste Stütze einer ersprießlichen Amtstätigkeit finden ließ.

Beim gutbesetzten Festessen zu Ehren des endgültig 1878 ernannten Landrats Rintelen äußerte dieser, er könne nicht verhehlen, daß ihn ein gewisses Frösteln überkommen hätte, als ihm die Verwaltung des Landkreises Daun in der Eifel übertragen worden sei, indem man sich anderswo von der Eifel eine schwache Vorstellung von Sibirien mache. Doch habe er sich in kurzer Zeit — also zwei Jahre nach der kommissarischen Amtsübernahme — davon überzeugt, daß die Eifel in der Wirklichkeit viel schöner und besser sei, als in unbekannter Ferne. Er habe insbesondere im Kreise Daun eine Bevölkerung gefunden, die sich durch einen biederen und aufrichtigen Charakter auszeichne und deren Wohlfahrt und Gedeihen ihm stets am Herzen liegen werde. Er setze vorzüglich seinen Ruhm darin, den Dank der Armen in seiner Verwaltung zu gewinnen.

Soweit der Tenor der wohlgemeinten Reden, deren Inhalt deutlich macht, wie schwierig es vor der Jahrhundertwende war, eine dem Land und den Menschen verbundene Verwaltung aufzubauen. Denn schon 881 war erneut Landratswahl und das Kreisblatt stellt resignierend fest: »Jeder Beamte will möglichst rasch aus dem Kreis fortkommen!« Auch die Wahl von 1881, die Dr. Gehle den Weg zum Kreishaus in der Leopoldstraße antreten ließ, war nicht von längerem Bestand. Es scheint, daß damals an höherer Stelle die Weichen auf vier- bis höchstens sechsjährige Dienstzeit für den Landrat gestellt waren. Das zeigte sich auch beim Nachfolger 1885, Landrat Dr. Brühl, dessen Wirken in der nächstjährigen Folge unserer Chronik geschildert wird.