Nachträglich zum Schmunzeln . . .

Streiflichter von damals, als die Eisenbahn kam

Hans Weis

Immer näher rücken bei der Bundesbahn die Stillegungen von Eisenbahn-Nebenstrecken. Da ist es Zeit, sich zu erinnern, wie schnell ernste, oft lebenswichtige Anliegen der Vorfahren die nachfolgenden Generationen zum Schmunzeln anregen.

Im Jahrbuch 1973 wurde die Geschichte der Eisenbahn dargestellt. Nachfolgend verdeutlichen einige — heute humoresk anmutende — Begleiterscheinungen des Eisenbahnbaues die damaligen Sorgen und Fehden der Menschen »um das Dampfroß«.

 Bretterzaun gefordert

Zweifler und Gegner des Baues und Betriebes von Eisenbahnen hatten vor rund 150 Jahren unheilverkündend die gräßlichen Folgen ausgemalt: »Die schnelle Bewegung erzeuge bei den Reisenden unfehlbar eine Gehirnkrankheit, eine besondere Art des Delirium Furiosum. Aber auch die Zuschauer solch schnell dahinfahrender Dampfwagen verfielen unweigerlich der gleichen Gehirnkrankheit, weshalb es notwendig sei, jede Bahnstrecke auf beiden Seiten mit einem hohen Bretterzaun einzufassen.«

Dachumdeckung unter Polizeischutz

Zu den Zeiten, als das feurige Dampfroß funkensprühend die bis dahin so abgeschiedenen Täler und Höhen der Eifel erstmals durcheilte und ein neues Zeitalter des Verkehrs und der Industrie einleitete, waren die meisten Häuser in den Eifeldörfern mit Stroh gedeckt. Nun gab es eine Verfügung, wonach bei Anlage einer Bahn die Strohdächer innerhalb einer 14 Ruten (rd. 50 m) breiten Zone zu beiden Seiten der Gleise durch feuersichere Dächer ersetzt werden mußten. Bei allen Streckenbauten gab es immer wieder Verzögerungen und Auseinandersetzungen, weil es einige Zeit dauerte, bis der Widerstand der Hausbesitzer, die Ziegeldächer als vollwertigen Ersatz für Strohdächer nicht anerkennen wollten, überwunden war. So war beispielsweise ein heimischer Bauersmann nicht zu überzeugen. Als der Landrat die Geduld verlor und jenem durch einen Gendarm eine Polizeiverfügung zuschickte, lehnte dieser die Entgegennahme der Verfügung ab. Dem Regierungspräsidenten schrieb er kurz und lakonisch: »Nach den Verordnungen, welche mir von Königlicher Regierung zu Trier in dem Beschlüsse zugeschickt wurden, halte ich mich nicht für verpflichtet, noch viel weniger werde ich es gestatten.« Da die Zeit drängte und der Bauer niemand an sein Strohdach heranließ, mußte die Urndeckung des Daches durch Eisenbahnarbeiter unter Polizeischutz vorgenommen werden.

18 Jahre Kampf um Bahnhof Utzerath

Nach Inbetriebnahme der Strecke Mayen -Daun - Gerolstein am 15. 5. 1895 brachte die Koblenzer Volkszeitung am 7. 12. 1895 einen längeren Artikel über die Strecke, lobte die zweckmäßige Lage der Bahnhöfe und sagte dann: »Eine Ausnahme ist indessen festzustellen. Wir meinen die Haltestelle Utzerath. Die Bedeutung dieses Punktes ist offenbar von der Bahnverwaltung wesentlich unterschätzt worden, sonst müßte in Utzerath ein Bahnhof stehen. Nur sehr wenige Stationen der ganzen Strecke dürften ein größeres Hinterland haben, als es Utzerath besitzt. Auf die Haltestelle sind ungefähr 15 bis 20 Ortschaften angewiesen, darunter der Flecken Kelberg mit 15 Viehmärkten und vielen Geschäften. Und dabei nur eine Haltestelle für den Personenverkehr! Derselbe ist übrigens so bedeutend, daß er den verschiedener Bahnhöfe bei weitem übertrifft, z. B. den Personenverkehr des benachbarten Bahnhofes Ürsfeld, der seine Existenz vorzüglich dem Umstand verdankt, daß zeitweise dort Holz verladen wird. Die Einnahmen aus diesem Gütertransport scheinen aber so winzig zu sein, daß kürzlich ein Blatt die bisher unwidersprochene Behauptung aufstellte, die Station Ürsfeld vermöge nicht ihren Beamten zu ernähren. Was nun die Haltestelle Utzerath des Näheren anlangt, so wird über die Art und Weise der Anlage derselben sehr geklagt. Das Wartehäuschen genügt eben im Sommer den bescheidensten Ansprüchen. Im Winter kann man es nicht darin ausnalten, weil nicht geheizt wird, obschon die Aufstellung eines Ofens, der indes noch mangelt, vorgesehen ist. Es wird doch wohl kaum angenommen, daß unsere Eifel sich eines südlichen Klimas erfreue. Eine Bedürfnisanstalt ist nicht vorfindlich, ein Umstand, der zu recht drastischen schriftlichen Kundgebungen in der Wärterbude Anlaß gibt, was alles gegen Anstand und gute Sitte grob verstößt. Der Weg zur Haltestelle führt an einer sehr tief abfallenden Böschung vorbei, an der kein Schutzgeländer angebracht ist. Nur Steine, die nicht einmal weiß gestrichen sind, stehen da in großen Zwischenräumen. Es ist ein Wunder, daß dort noch niemand verunglückt ist.« Die Haltestelle Utzerath wurde im Jahre 1913 erweitert und zum Bahnhof ausgebaut.

»Chinesische Mauer« in Wittlich

Wegen der Lage des Bahnhofes Wittlich hatte es in der Stadt drei gegeneinander protestierende Parteien gegeben. Nach der schließlich notwendig gewordenen ministeriellen Entscheidung vom 28.11.1883, der Bahnhof sei, wie im Projekt vorgesehen, auf dem Schloßplatz zu bauen, verstummten die Protestaktionen keineswegs. Die Bürgerschaft beschwerte sich darüber, daß die Eisenbahnverwaltung einen »Riesendamm, der nach der einen Seite zugemauert ist, über den schönsten Platz des Ortes legt, diesen damit in zwei Teile zerlegend, deren jeder einzelne unansehnlich erscheint.« Die Mauer wurde im Volksmund »Chinesische Mauer« genannt. Sie habe dort, wo die Straße Wittlich - Alf quert, eine Lücke, über die die Bahn geführt werde. Aber statt eines Bogens verlege man hier eiserne Riesenträger, von Wittlich nach Alf gehend habe man vorher linker Hand einen hübschen alten Turm der früheren Stadtbefestigung mit einem Medusenhaupt erblickt. Jetzt habe man die Träger gelegt und nun sehe man den Turm nicht mehr. Ein Bürger schrieb an den Regierungspräsidenten: . . . »Vorigen Sonntag hatte ich Gelegenheit, die »chinesische Mauer« zu sehen. Es ist allerdings das Fürchterlichste, was ich je gesehen habe. Das Gesetz gegen Verunstaltung von Ortschaften scheint für Wittlich nicht zu gelten

 Fehde um Schalkenmehren

Lokale Fehden gab es wiederholt um die Bahnhofsbezeichnung so z. B. um den Namen des Bahnhofs Schalkenmehren. Obwohl der Bahnhof auf Schalkenmehrener Bann liegt, von Mehren und Schalkenmehren je 700 m entfernt, ließen die Mehrener nichts unversucht, um zu erreichen, daß der Bahnhof nach ihrem Ort benannt werde. Immer wieder abgelehnt, stellten sie immer wieder neue Anträge, und sie haben bis zum Ersten Weltkrieg eigentlich nie Ruhe gegeben.

Hüh und hott in Birresborn

Uneinigkeit herrschte wegen des Bahnhofes bei Birresborn. Der Gemeinderat hatte mit drei gegen zwei Stimmen beschlossen, zum Bahnhofsbau fünf Morgen Wiesen zur Verfügung zu stellen. Das führte zu einer heftigen Beschwerde von 26 Einwohnern. In ihrer Eingabe vom 24. 11.1863 sagten sie: »Wir erlauben uns eine Königliche Hochlöbliche Regierung anzufragen, ob die Hälfte unseres Gemeinden Raths befugt ist, das Gemeinden Eigentum zu verschenken, wo die mehrersten Einwohner nicht damit einverstanden sind. Sollte die Schenkung aufrecht erhalten werden müssen, so geht es unserem Wunsche nicht dahin. In dieser Erwartung zeichnen wir ganz unterthänigst.«

Drauf ging eine Gegenschrift mit 89 Unterschriften am 6.2.1 869 an die Regierung ab, in der gesagt war, es sei von der anderen Seite das Gerücht ausgesprengt worden, der Gemeinderat wolle alles Gemeindeland verschenken und für den Bahnhof 12 000 - 15 000 Taler hergeben. Das sei nicht wahr. Außerdem sei Birresborn größer als Hillesheim, Daun, Kyllburg und Gereistem und könne die zugestandenen Opfer für den Bahnhof tragen.

Die Antwort der Beschwerdeführer ließ nicht lange auf sich warten, worauf die Gegenseite prompt zwei Tage später mit einer Gegenschrift aufwartete, die folgenden Wortlaut hatte: »Wir haben in Erfahrung gebracht, daß auf unsere Eingabe an Hochlöbl. Regierung betr. die unentgeltliche Hergabe des Bahnhofs-Terrains pp eine Gegenvorstellung hier ausgearbeitet worden. Wir erlauben uns, Königl. Regierung darauf ehrerbietig aufmerksam zu machen, daß unsere Eingabe nur von wirklichen Bürgern der Gemeinde und ohne irgend welchen Zwang unterzeichnet worden, wogegen unsere Gegner alle Anstrengungen machen, um nur eine Zahl Unterschriften, wovon aber ein großer Teil gar keinen Werth hat, zu erhalten. Man gibt sich damit ab, die Eingabe von so zu sagen noch Kindern unterzeichnen zu lassen, indem wirkliche Bürger sich dazu nur in geringer Anzahl finden. So z. B. hat der Metzgermeister (nn) von hier mit seinen vier Söhnen, wovon der jüngste ca. 15 Jahre alt ist, unterschrieben. Dazu hören wir, daß man große Anstrengungen macht, in den Wirtshäusern die Leute zum Unterzeichnen zu veranlassen. Inwiefern auf diese Weise gesammelte Unterschriften die wahre Stimmung der Gemeinde aussprechen, können wir wohl ruhig der gerechten Einsicht hoher Regierung vertrauen, halten es aber für nötig, Hochdieselbe auf das Geschehene aufmerksam zu machen.« Der Regierungspräsident reagierte schon am 24. 2. 1869, indem er die Beschwerde der Opponenten (»Ackerer. . . und Consorten«) gegen die rechtmäßige Entscheidung des Gemeinderates ablehnte.

»Furchtbar«: Küsse im Tunnel

Als Abschluß dieser humoresken Begebenheit aus der Zeit des Eisenbahnbaues in unserer Heimat sei schließlich nicht vorenthalten, daß die erste Fernstrecke in Deutschland die Verbindung zwischen Leipzig und Dresden war. Die Sensation dieser Strecke war der Tunnel bei Oberau, der erste Eisenbahntunnel in Deutschland. Als er in Betrieb genommen wurde, hatte man große Sorge um die Gesundheit der Reisenden. Darüber hinaus pflegten ältere Damen — so ist überliefert — während der Dunkelheit Stecknadeln zwischen ihre Lippen zu stecken, »um sich vor den Liebkosungen ausschweifender Jünglinge zu sichern.« Diskret, wie Akten nun einmal sein sollen, verschweigen dieselben, welcher Abwehrmaßnahmen sich damals die Damenwelt bediente, als der erste und einzige Tunnel im Kreise Daun, der zwischen Daun und Schalkenmehren, in Betrieb genommen wurde.

Sinnsprüche

Die Zeit ist das einzige, was man nicht zurückkaufen kann.

Theodor Fontäne 1819-1898

 

Gott gab uns nur einen Mund,

weil zwei Maulet ungesund.

Mit dem einen Maule schon

schwätzt zuviel der Erdensohn.

Wenn er doppelmäulig war',

fraß' und log' er auch noch mehr.

Heinrich Heine 1797-1856

 

Widerwärtigkeiten sind Pillen,

die man schlucken muß, nicht kauen.

Georg Christoph Lichtenberg 1 742 - 1799

 

Höflichkeit ist die Schwester der Liebe.

Franz von Sa/es 7567- 1622

 

Jeder könnte die Welt verbessern, wenn er bei

sich anfangen wollte.

Karl Heinrich Waggerl 1897- 1973

 

Es ist in allen Dingen auf Erden Bescheidenheit

nötig und Entsagung.

Gustav Frevtaa 1816- 1895